Polizeirechtlicher Stadtrundgang
1. Halt: Begrüßung der Rundgangsteilnehmer
- Grundsätzliches zur Organisation der Polizei
Peter Prinz: "Guten Tag, es freut mich, dass Sie gekommen sind, an unserem Stadtrundgang durch die polizeirechtlichen Sehenswürdigkeiten Saarheims teilzunehmen. Mein Name ist Peter Prinz. Ich bin Polizeiobermeister, d. h. Vollzugspolizist. Die Dame neben mir ist Nathalie Neuschwander; sie arbeitet beim Ordnungsamt der Stadt Saarheim. Wir beide sind beruflich mit Fragen des Polizei- und Ordnungsrechts, d. h. vor allem: mit der rechtlichen Bewältigung von Gefahren befasst." Nathalie Neuschwander: "Aber wir arbeiten bei unterschiedlichen Behörden. Im Saarland wird nämlich zwischen der Vollzugspolizei (§§ 82 ff. SPolG) und den Polizeiverwaltungsbehörden (§§ 75 ff. SPolG) unterschieden. Beide Behörden sind Polizei im Sinne des SPolG (§ 1 Abs. 1 SPolG), können sich also unmittelbar auf die im SPolG enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen berufen - es sei denn, eine bestimmte Ermächtigung ermächtigt ausschließlich die Vollzugspolizei (z. B. bei § 10 SPolG) Das Saarland bezeichnet als 'Polizei' i.S.d. SPolG (s. § 1 Abs. 1 SPolG) die Vollzugspolizei (§§ 82 ff. SPolG) und die Polizeiverwaltungsbehörden (§§ 75 ff. SPolG), denen gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr (s. § 1 Abs. 2 SPolG) zugewiesen wird. Sowohl die Vollzugspolizei wie die Polizeiverwaltungsbehörden können sich damit unmittelbar auf die im SPolG enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen berufen - es sei denn, eine bestimmte Ermächtigung ermächtigt ausschließlich die Vollzugspolizei (z. B. bei § 10 SPolG). Das Saarland folgt damit (in preußischer Tradition) dem sog. 'Einheitssystem', bei dem alle Behörden, denen allgemeine Gefahrenabwehraufgaben übertragen sind, als 'Polizei' bezeichnet werden und die Befugnisse aller 'Polizeibehörden' in einem einheitlichen 'Polizeigesetz' geregelt sind. Außer dem Saarland folgen diesem Modell noch Baden-Württemberg und Bremen (einen Link zu ihren 'Polizeigesetzen' finden Sie hier). Die übrigen Bundesländer folgen dagegen dem sog. 'Trennungssystem', das nur die 'Vollzugspolizei' als 'Polizei' bezeichnet, während die Behörden, die in der preußischen Tradition 'Polizeiverwaltungsbehörden' heißen, i.d.R. als 'Ordnungsbehörden' bezeichnet werden. Dabei folgen Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein einem 'abgeschwächten Trennungssystem'. Hier wird zwar zwischen der 'Polizei' (damit ist eben nur die Vollzugspolizei gemeint) und 'Ordnungsbehörden' (in Hamburg und Niedersachsen schlicht als 'Verwaltungsbehörden', in Sachsen-Anhalt als 'Sicherheitsbehörden' bezeichnet) unterschieden. Die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Polizei- und Ordnungsbehörden werden jedoch in einem einheitlichen 'Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung' (in Rheinland-Pfalz 'Polizei- und Ordnungsbehördengesetz', in Schleswig-Holstein Zweiter Teil, Abschnitt III [Öffentliche Sicherheit] des LVwG) geregelt (einen Link zu diesen 'Gesetzen über die öffentliche Sicherheit und Ordnung' finden Sie hier). Konsequenter ist das Trennungssystem dagegen in Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen ausgestaltet. Deren 'Polizeigesetze' regeln ausschließlich die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Vollzugspolizei, wobei die Vollzugspolizei schlicht als 'Polizei' bezeichnet wird. Die Aufgaben, Befugnisse und die Organisation der allgemeinen 'Ordnungsbehörden' (in Bayern: 'Sicherheitsbehörden') ergeben sich dagegen aus einem eigenem Gesetz, das in Bayern 'Landesstraf- und Verordnungsgesetz', sonst 'Ordnungsbehördengesetz' heißt (einen Link zu diesen 'Polizeigesetzen' und 'Ordnungsbehördengesetzen' finden Sie hier). Seit dem 1. Januar 2020 folgt schließlich auch Sachsen (das bisher wie das Saarland dem Einheitssystem gefolgt hatte) dem Trennungssystem, wenn auch auf eine eigene Weise: Zwar gibt es in Sachsen nunmehr mit dem Sächsischen Polizeibehördengesetz (SächsPBG) und dem Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPDVG) unterschiedliche Gesetze für die Vollzugspolizei und die Ordnungsbehörden. Jedoch bezeichnet das SächsPBG die Ordnungsbehörden nach wie vor als 'Polizeibehörden' (vgl. § 1 SächsBG), während das SächsPDVG den Polizeivollzugsdienst nur verkürzt als 'Polizei' bezeichnet(§ 1 Satz 2 SächsPDVG). Auch werden nur die Vollzugspolizeibehörden ermächtigt, wenn Bundesgesetze von 'Polizei' (z. B. in § 36, § 44 Abs. 2 StVO) oder 'Vollzugspolizei' (z. B. in § 80 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) sprechen." Peter Prinz: "Die Organisation der Polizeibehörden (und Ordnungsbehörden) ist also in den verschiedenen Bundesländern ganz unterschiedlich. Bei uns im Saarland ist es so, dass Vollzugspolizeibehörden (wie auch in allen übrigen Bundesländern) Landesbehörden sind. Die genaue Organisation der Vollzugspolizei findet sich jedoch (leider) nicht im SPolG, sondern in einer auf Grund von § 82 Abs. 2 SPolG erlassenen Verwaltungsvorschrift, was unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Gesetzesvorbehalts nicht ganz unproblematisch ist (vgl. U. Stelkens, LKV 2003, 489, 492), uns hier aber nicht weiter interessieren soll." Nathalie Neuschwander: "Die genaue Organisation der Polizeiverwaltungsbehörden ist demgegenüber in §§ 75 ff. SPolG abschließend geregelt. Insoweit ist die wichtigste Bestimmung, dass die Bürgermeister die sog. 'Ortspolizeibehörden' sind (§ 76 Abs. 3 SPolG). In Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern (Saarheim ist eine solche) heißen die Bürgermeister nach § 29 Abs. 3 KSVG nun Oberbürgermeister. § 76 Abs. 3 SPolG umfasst auch diese. Die Ortspolizeibehörden gehören nun wiederum den 'Allgemeinen Polizeiverwaltungsbehörden' an (§ 75 Abs. 2 Nr. 3 SPolG). Aus § 80 Abs. 1 und 2 SPolG ergibt sich, dass die Ortspolizeibehörden für die Gefahrenabwehr zuständig sind, wenn nichts anderes bestimmt ist." Peter Prinz: "Ein Zuständigkeitsproblem, das bei Euch eine Rolle spielt, hast Du aber noch vergessen . . ." Nathalie Neuschwander: "Stimmt, der Hammer kommt noch. Im Saarland wird die Zuständigkeit des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde als Fall einer Organleihe angesehen (siehe hierzu Guckelberger, in: Gröpl/Guckelberger/Wohlfarth, § 4 Rn. 11; Wohlfarth, in: Gröpl/Guckelberger/Wohlfarth, § 3 Rn. 37; a. A. Gröpl, LKRZ 2007, 329, 332 ff., der die Aufgaben der Ortspolizeibehörden als kommunale Auftragsangelegenheit wertet), so dass der Bürgermeister insoweit nicht als Gemeinde-, sondern als Landesbehörde behandelt wird. Die Rechtspraxis im Saarland ist insoweit allerdings vielfach inkonsequent. In anderen Bundesländern ist die Tätigkeit der Ortspolizeibehörden teilweise als Auftragsangelegenheit bzw. als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung ausgestaltet (vgl. Maurer/Waldhoff, § 21 Rn. 55). Wenn Sie sich näher zum Begriff der Organleihe und ihrer Abgrenzung zu anderen Verwaltungsorganisationsformen informieren wollen, können Sie dieses Merkblatt nutzen." Peter Prinz: "So, jetzt genug mit dem Organisationsrecht, kommen wir erst einmal zu einem noch ganz einfachen Fall - doch halt, vorher darf ich Ihnen noch dieses Merkblatt zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Gefahrenabwehrverfügungen austeilen . . ." Zum ersten Fall: Boygroup-Fall.
|
Die
Polizeimütze zeigt Ihnen, wo Sie sich gerade befinden:
1.
Halt: Begrüßung: Organisation der Polizei
- Einheits- und Trennungssystem
2. Halt: Generalklausel - Voraussetzungen Boygroup-Fall Waschanlage-Fall Laserdrome-Fall3. Halt: Generalklausel - Verhältnismäßigkeit und Störerauswahl 4. Halt: Inanspruchnahme des Nichtstörers Kameradschaftsbund Deutsche Eiche-Fall5. Halt: Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern 6. Halt: Anspruch auf polizeiliches Einschreiten 7. Halt: Standardmaßnahmen und ihr Verhältnis zur Generalklausel Fahrrad weg-Fall8. Halt: Versammlungsrecht Saarheim Alternativ-Fall9. Halt: Verwaltungsvollstreckungsrecht Nächtliche Schlagfertigkeit-Fall Be- und Erstattung-Fall10. Halt: Exkurs: Abschleppfälle 11. Halt: Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche Die-Göttin-Fall12. Halt: Polizeiverordnung Ordnungsliebe-Fall13. Halt: Gefahrenabwehr durch Vertrag 14. Halt: Gefahrenabwehr und Staatsrecht Zusammenfassung und Verabschiedung |
Zeichnung: Dr. Satish Sule
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim