Lösungsvorschlag

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Stand der Bearbeitung: 22. März 2024

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Siehe hierzu die Entscheidung, der der Fall nachgebildet wurde: VGH Mannheim, 2 S 697/82 v. 24.2.1983, 2 S 697/82 = VBlBW 1984, 25 ff.

Die Klage Knuppers hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO gegeben sind.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen dem öffentlichen Recht angehören. Öffentlich-rechtlicher Natur sind diejenigen Rechtsnormen, die einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.

Anmerkung: Siehe hierzu nur BVerwG, 10 B 1/20 v. 26.5.2020, Abs. 6 = NVwZ 2020, 1363 Abs. 6.

In diesem Fall sind die für den Streit maßgeblichen Normen die von der Stadt Saarheim erlassene Satzung in Verbindung mit Normen des Kommunalabgabengesetzes. Beide berechtigen und verpflichten allein einen Träger hoheitlicher Gewalt und gehören daher dem öffentlichen Recht an.

Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, und eine Spezialzuweisung liegt nicht vor. Insbesondere sind nicht die Finanzgerichte nach § 33 FGO zuständig, da sie grundsätzlich nur über Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten entscheiden, soweit die Abgaben von Bundes- oder Landesfinanzbehörden i.S.d. § 1 und § 2 FVG verwaltet werden. Damit unterstehen Streitigkeiten über Kommunalabgaben, die von den Kommunen verwaltet werden, von vornherein nicht der Zuständigkeit der Finanzgerichte.

Anmerkung: § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ermöglicht die Zuweisung von Kommunalabgabenangelegenheiten an die Finanzgerichte durch Landesrecht. Von dieser Ermächtigung wurde in den Ländern jedoch - wenn überhaupt - nur insoweit Gebrauch gemacht, wie die entsprechenden Abgaben von Landesfinanzbehörden verwaltet werden, also nicht im Kommunalabgabenrecht.

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage darstellt (§ 88 VwGO). Es ist also das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 2 BvR 1493/11 v. 29.10.2015, Abs. 37 = NVwZ 2016, 238, Abs. 37.

Knupper wendet sich hier gegen den Gebührenbescheid vom 16. April. Er möchte die darin festgesetzte Gebühr nicht zahlen, da er deren Erhebung für rechtswidrig hält. Diesem Begehren wird eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gerecht, da der Bescheid ein Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ist, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.

Anmerkung: Zum Verwaltungsaktbegriff der VwGO siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15.

III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

Knupper müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen können, durch den Bescheid vom 16. April in seinen Rechten verletzt zu sein. Knupper wendet sich hier gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Eine belastende Maßnahme greift stets in Grundrechte des Adressaten, zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG ein.

Anmerkung: Zur Adressatentheorie siehe diesen Hinweis.

Insbesondere stellt Festsetzung von Gebühren einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten dieser Maßnahme dar, da Art. 2 Abs. 1 GG insbesondere auch den Anspruch schützt, durch die Staatsgewalt nicht mit einem finanziellen Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist.

Anmerkung: So BVerfG (K), 1 BvR 45/15 v. 30.5.2018, Abs. 13 = NVwZ 2019, 57 Abs. 13.

Die Rechtswidrigkeit des Abgabenbescheides ist darüber hinaus hier auch nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass eine Verletzung von Grundrechten Knuppers auch möglich erscheint und er somit klagebefugt ist.

IV. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

Der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim ist als die Behörde, die den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat, gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO passiv prozessführungsbefugt.

Anmerkung: Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO diesen Hinweis.

V. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)

Knupper ist nach § 61 Nr. 1 VwGO, der Oberbürgermeister nach § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 1 AGVwGO beteiligtenfähig.

Anmerkung: Zum Behördenbegriff des § 61 Nr. 3 VwGO siehe diesen Hinweis.

VI. Vorverfahren

Das Widerspruchsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, insbesondere war nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AGVwGO der Kreisrechtsausschuss zuständig zur Entscheidung über den Widerspruch.

Anmerkung: Vgl. hierzu den Dr.- Eisenbart-Fall.

VII. Klagefrist

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO beträgt die Klagefrist einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides. Die Berechnung der Frist bestimmt sich nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222, § 224 Abs. 2 und 3, § 225, § 226 ZPO. § 222 Abs. 1 ZPO verweist für die Berechnung der Frist auf die §§ 187 ff. BGB.

§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO benennt als für die Fristberechnung maßgebliches "Ereignis" i. S. des § 188 Abs. 2 i. V. m. § 187 Abs. 2 BGB die "Zustellung des Widerspruchsbescheides". Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO endet folglich nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des nächsten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine seine Zahl dem Anfangstag der Frist (hier: dem Tag der Zustellung) entspricht.

Anmerkung: § 188 BGB enthält alle Tatbestandsmerkmale, die zur Bestimmung des Fristendes erforderlich sind. Dies bedeutet, dass zur Berechnung des Fristendes nicht - wie man meinen könnte - zunächst der Fristbeginn nach § 187 BGB bestimmt werden muss. Der Fristbeginn nach § 187 BGB muss damit - wenn es nur auf das Fristende nach § 188 BGB ankommt - nicht berechnet werden (vgl. Lemke, JA 1999, 422).

Wann ein Widerspruch zugestellt worden ist, bestimmt sich nach allgemeiner Ansicht nach dem VwZG des Bundes, auch wenn die Widerspruchsbehörde - wie hier - eine Landesbehörde ist.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, V C 54.70 v. 19.1.1972, Abs. 8 = BVerwGE 39, 257, 259; Hufen, § 9 Rn. 27.

Im - hier vorliegenden Fall - der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes gilt dieser Brief (ungeachtet dessen, dass Knupper den Brief bereits am 1. September erhalten hatte) nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post (hier: 31. August) als zugestellt, somit am 3. September.

Nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB endete die Klagefrist mit Ablauf des Tages des auf die Zustellung folgenden Monats, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Widerspruchsbescheid Knupper zugestellt wurde. Dies war hier der 3. Oktober. Da dieser Tag aber ein staatlich anerkannter Feiertag ist (Tag der deutschen Einheit, Art. 2 Abs. 2 des Einigungsvertrages), verlängert sich diese Frist nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO bis zum Ablauf des 4. Oktober, einem Werktag. Die am 4. Oktober eingereichte Klage ist also fristgemäß erhoben worden.

Anmerkung: Siehe zu Problemen der Fristberechnung auch den Ausgehöhlt-Fall und den Feuer-und-Flamme-Fall.

VIII. Ergebnis zu A

Da das Fehlen sonstiger Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht erkennbar ist, ist die Klage zulässig.

B) Begründetheit

Die Klage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wegen Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ein belastender Verwaltungsakt seinen Adressaten immer schon dann in seinen Rechten, wenn er - aus welchem Grund auch immer - rechtswidrig ist. Zu prüfen ist daher hier nur die Rechtmäßigkeit des Bescheides.

Anmerkung: So BVerwG, 6 C 8/14 v. 5.8.2015, Abs. 21 = BVerwGE 152, 355 Abs. 21; zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis.

Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenfestsetzung könnte die Gebührensatzung vom 21. Februar 2017 sein.

I. Formelle Rechtmäßigkeit des Bescheides

Da es sich bei der Starenhut-Gebühr um eine Kommunalabgabe nach § 1 Abs. 1 KAG handelt, ist die Stadt Saarheim zur Erhebung der Gebühr zuständig (§ 1 KAG). Bezüglich des Verfahrens verweist § 12 KAG unter bestimmten Maßgaben (§ 12 Abs. 4 KAG) auf verschiedene Vorschriften der Abgabenordnung.

Anmerkung: Die Kommunalabgabengesetze der Länder bzw. das Hamburgische Abgabengesetz verweisen in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Form auf die Regelungen der Abgabenordnung des Bundes, i.d.R. im Hinblick auf die Regelungen über das Steuerschuldverhältnis, das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsvollstreckung. Spiegelbildlich wird i.d.R. im Landes-Verwaltungsverfahrensgesetz (i.d.R. in § 2) die Geltung des jeweiligen Landes-VwVfG ausgeschlossen, soweit für das Verwaltungsverfahren die Vorschriften der Abgabenordnung (unmittelbar oder kraft Verweisung) gelten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SVwVfG), so dass es einen durchaus schweren Fehler darstellt, wenn auf das Landes-VwVfG zurückgegriffen wird, soweit die Abgabenordnung kraft Verweis gilt. Soweit ersichtlich fehlen Verweise auf die Abgabenordnung für die hier gegebene Fallgestaltung (Gebühr für die Nutzung einer [kommunalen bzw. in den Stadtstaaten: staatlichen] öffentlichen Einrichtung) nur in Berlin (vgl. Gesetz über Gebühren und Beiträge [Gebühren-Beitragsgesetz]) und Bremen (vgl. Bremisches Gebühren- Beitragsgesetz), so dass der Fall insoweit nach dem Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung bzw. dem Bremischen Verwaltungsverfahrensgesetz und allgemeinen Grundsätzen zu lösen ist, sich die hier gegebene Falllösung also kaum auf Berlin und Bremen übertragen lässt.

Insoweit bestehen an der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides keine Zweifel. Insbesondere ist Knupper nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a KAG i.V.m. § 91 Abs. 1 AO vor Erlass des Gebührenbescheides ordnungsgemäß angehört worden. Die Befugnis zur Festsetzung der Gebühr durch Verwaltungsakt ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG i.V.m. § 155 AO.

Anmerkung: Siehe zum hiermit angesprochenen Problem der "Verwaltungsaktbefugnis" diesen Hinweis und zum Kommunalabgabenverfahrensrecht den Schlachthof-Fall.

II. Materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides

Nach dem Sachverhalt ist auch davon auszugehen, dass die Gebührenfestsetzung den Satzungsvorgaben entspricht. Jedoch ist zweifelhaft, ob die Gebührensatzung ihrerseits mit höherrangigem Rechtvereinbar ist. Wäre sie hiermit unvereinbar und damit nichtig, könnte sie keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Gebührenerhebung bilden, so dass diese materiell rechtswidrig wäre.

1. Vorliegen einer hinreichenden Satzungsermächtigung

Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf eine kommunale Gebührensatzung zunächst einer formell-gesetzlichen Grundlage (Satzungsermächtigung). § 12 Abs. 1 Satz 1 KSVG, wonach die Gemeinden ihre Selbstverwaltungsangelegenheiten durch Satzung regeln dürfen, reicht nach allgemeiner Ansicht insoweit nicht aus, vielmehr sollen die Gemeinden nur dann berechtigt sein, durch Satzung zu Grundrechtseingriffen zu ermächtigen, wenn sie ihrerseits durch oder aufgrund eines die möglichen Eingriffe in hinreichend bestimmter Weise umschreibenden formellen Gesetzes hierzu ermächtigt werden

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 8 CN 1.12 v. 16.10.2013, Abs. 26 f. = BVerwGE 148, 133 Abs. 26 f.; BVerwG, 9 C 1/18 v. 23.1.2019, Abs. 13 ff. = BVerwGE 164, 225 Abs. 13 ff.; OVG Münster, 15 A 4751/01 v. 28.1.2003 Abs. 31 = NWVBl. 2003, 380, 381; OVG Münster, 14 B 610/18 v. 8.8.2018, Abs. 7 f. = NVwZ-RR 2018, 901 Abs. 5; Lange, Kap. 12 Rn. 15 ff.; Maurer/Waldhoff, § 4 Rn. 27; unklar insoweit: Funke/Rapp, JuS 2010, 395, 397 f.; siehe hierzu ferner den Niederschläge-Fall, den Sammlerstücke-Fall und den Satellitenempfangsanlage-Fall.

Als spezielle Satzungsermächtigung kommt hier jedoch § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG in Betracht. Dies bedeutet aber auch, dass die Starehut-Gebührensatzung diesen Vorgaben entsprechen muss, um eine wirksame Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung darstellen zu können. Voraussetzung ist insoweit zunächst, dass die "Starenhut" überhaupt eine "öffentliche Einrichtung" ist, an deren "Benutzung" die Stadt Saarheim nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG eine Gebührenpflicht knüpfen kann.

2. "Starenhut" als zulässige "öffentliche Einrichtung"

Fraglich ist dementsprechend zunächst, ob die "Starenhut" eine öffentliche Einrichtung der Stadt Saarheim ist. Denn § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG ermächtigt die Gemeinden nur zur Erhebung von Benutzungsgebühren für die Nutzung "öffentlicher Einrichtungen". "Öffentliche Einrichtungen" in diesem Sinne können nur solche Einrichtungen sein, die die Gemeinden im Einklang mit den Gesetzen geschaffen haben. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, folgt aber aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip. Hiernach ist es den Gemeinden verwehrt, durch gesetzwidrige Einrichtungen erbrachte Leistungen mit einer Gebührenpflicht zu belegen. Da das KAG nicht festlegt, wann eine öffentliche Einrichtung gesetzeskonform errichtet ist, sind die Vorschriften des KSVG heranzuziehen. Eine Gebührenerhebung wäre dementsprechend nur zulässig, wenn die Stadt Saarheim im Rahmen des geltenden Rechts eine öffentliche Einrichtung gemäß § 19 Abs. 1 KSVG errichtet hätte.

a) "Starenhut" als "öffentliche Einrichtung i.S.d. § 19 KSVG

Das KSVG enthält keine näheren Hinweise, was eine öffentliche Einrichtung ist, doch gilt nach allgemeinen kommunalrechtlichen Grundsätzen (vgl. auch § 5 Abs. 2 KSVG) die in § 10 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Baden-Württemberg enthaltene Umschreibung:

"Die Gemeinde schafft in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen."

Der Begriff der öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 19 KSVG ist damit sehr weit gefasst: Er wird dadurch geprägt, dass die Kommune eine in ihren Wirkungskreis fallende Aufgabe gegenüber ihren Einwohnern dadurch erfüllt, dass sie eine zu diesem Zweck von ihr unterhaltene sächliche, personelle oder organisatorische Einheit zur allgemeinen Benutzung zur Verfügung stellt. Öffentliche Einrichtungen sind damit alle Verwaltungsressourcen (Personal- und Sachmittel), die von einer Gemeinde durch Widmungsakt der allgemeinen Benutzung (jedenfalls durch Ortsansässige) zur Verfügung gestellt und von ihr im öffentlichen Interesse unterhalten werden.

Anmerkung: Siehe zum Begriff der "öffentlichen Einrichtung" etwa OVG Lüneburg, 10 ME 130/12 v. 11.12.2012, Abs. 19 = DVBl. 2013, 253, 254; OVG Lüneburg, 10 ME 207/18 v. 18.6.2018, Abs. 35 = NdsVBl. 2018, 348; OVG Lüneburg, 10 ME 71/22 v. 27.5.2022, Abs. 18 = NVwZ 2023, 524 Abs. 18; OVG Lüneburg, 10 ME 75/22 v. 8.6.2022, Abs. 20 = NVwZ-RR 2022, 697 Abs. 15; VGH München, 4 CE 18.1224 v. 3.7.2018, Abs. 19 = NVwZ-RR 2019, 191 Abs. 13; VGH München, 4 B 20.1116 v. 30.9.2020, Abs. 24; OVG Münster, III A 1522/64 v. 23.10.1968, Abs. 7 = NJW 1969, 1077; Zöllner, BayVBl. 2024, 293, 294 f.; siehe hierzu ferner den Gelinkt-Fall und den Saarphrodite-Fall.

Hierzu zählen Betriebe, Unternehmen, Anstalten und sonstige gegenständlich vorhandene, organisatorisch irgendwie verfestigte Bestände von Mitteln höchst unterschiedlicher Struktur und Zweckbestimmung, denen die Funktion gemeinsam ist, die Voraussetzungen für die Daseinsvorsorge und Daseinsfürsorge der Bevölkerung zu schaffen und zu gewährleisten, und die durch einen gleichmäßigen Zugang für alle im Rahmen des Widmungszwecks gekennzeichnet sind, ohne dass eine spezifische, von der normalen Gemeindeverwaltung abgesetzte Organisation oder ein besonders aufwendiger Apparat existieren müsste.

Anmerkung: Siehe hierzu Dietlein, Jura 2002 445, 446.

Aus § 5 Abs. 2 KSVG und der allgemeinen Definition des Begriffs der öffentlichen Einrichtung ergibt sich somit, dass öffentliche Einrichtungen auch zur Förderung des wirtschaftlichen Wohls der Gemeindeeinwohner zulässig sind. § 19 Abs. 2 KSVG verdeutlicht zudem, dass eine öffentliche Einrichtung auch dann vorliegen kann, wenn sie ihrem Zweck nach allein Grundbesitzern im Gemeindegebiet zugute kommen kann. Da die von der Stadt Saarheim organisierte "Starenhut" vor allem auch durch gleichmäßigen Zugang für alle Grundstücksbesitzer im Rahmen der Widmung gekennzeichnet ist, ist sie im Ergebnis als öffentliche Einrichtung gemäß § 19 KSVG anzusehen.

Anmerkung: Dies wurde offengelassen bei VGH Mannheim, 2 S 697/82 v. 24.2.1983, 2 S 697/82, Abs. 3 f. = VBlBW 1984, 25.

Die Veranstaltung der "Starenhut" ist also ein "öffentliche Einrichtung" i.S.d. § 19 KSVG.

b) Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Einrichtung der "Starenhut" als solcher?

Unproblematisch ist auch, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Einrichtung der "Starenhut" als solcher gibt. Der Vorbehalt des Gesetzes kann nicht für jegliche Form staatlichen Handelns gelten; dies würde letztlich zu einer vollkommenen Lähmung der Verwaltung führen (und bei gemeindlichem Handeln mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, wie sie in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und in den Landesverfassungen statuiert ist, kollidieren).

Anmerkung: Daher wird die Frage nach der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes in der Leistungsverwaltung im Wesentlichen auch nur für den Bereich des Subventionsrechts diskutiert (vgl. Bungenberg/Motzkus, WiVerw 2013, 73, 82 ff.; Ehlers, DVBl. 2014, 1, 3 f.; Grimmeiß, DVBl. 2021, 1414, 1415; Korte, Jura 2017, 656, 657 f.; Krönke, NVwZ 2022, 1606, 1611; Maurer/Waldhoff, § 6 Rn. 19 ff.), im Bereich der staatlichen und gemeindlichen Daseinsvorsorge im weitesten Sinne jedoch regelmäßig nicht einmal angedacht; hierzu näher der Märchenstunde-Fall.

c) Zulässigkeit der "Starenhut" nach §§ 108 ff. KSVG

Die Durchführung der "Starenhut" könnte jedoch an die strengeren Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 KSVG geknüpft sein. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, wäre die Erhebung von Benutzungsgebühren unzulässig, da es sich dann eben nicht um eine in Einklang mit den Gesetzen errichtete öffentlichen Einrichtung handelte.

aa) Durchführung der Starenhut als "wirtschaftliche Betätigung" i.S.d. § 108 Abs. 1 KSVG

Daher ist fraglich, ob die Durchführung der "Starenhut" überhaupt eine eine "wirtschaftliche Betätigung" i. S. des § 108 Abs. 1 KSVG darstellt.

Anmerkung: Durch Gesetz Nr. 2045 zur Neufassung der Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes vom 18. November 2021 (ABl. I, 2625) wurden § 108 und § 118 KSVG neu gefasst (und ein neuer § 108a KSVG eingefügt). Dem Vorbild der § 91 BbgKVerf, § 121 HGO und § 107 GO NRW folgend knüpfen die §§ 108 ff. KSVG die besonderen Regelungen zur Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden, damit (anders als die entsprechenden Regelungen der übrigen Bundesländer) nicht (mehr) an das Vorliegen eines "wirtschaftlichen Unternehmens", sondern (eben) nur noch an das Vorliegen einer "wirtschaftlichen Betätigung". Durch diese Änderung der Terminologie ("Betätigung" statt "Unternehmen") sollte klargestellt werden, dass grundsätzlich jedes wirtschaftliche Tätigwerden unabhängig von der Rechtsform, der Organisationsstruktur oder vom Umfang der Betätigung an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 108 KSVG zu messen ist (LT-Drs. 16/1715 S. 10). Damit stellt sich im Saarland (wie auch in Brandenburg, Hessen und NRW) nicht mehr die Frage, ob an den Begriff des "wirtschaftlichen Unternehmens" bestimmte organisatorische Anforderungen zu stellen sind, nämlich eine gewisse organisatorische Festigkeit, Dauer und Selbstständigkeit, z. B. eigene Leitungsorgane, eigene Rechnung) und eine Führung nach Art eines kaufmännischen Geschäftsbetriebes (doppelte Buchführung, Bilanzierung, marktbezogenes Handeln (so etwa VGH Mannheim, 1 S 2490/05 v. 6.3.2006, Abs. 13 = NVwZ-RR 2006, 714, 715; Gern/Brüning, Rn. 994; Lange, Kap. 14 Rn. 17 f.; Ronellenfitsch/Warneke, Jura 2005, 702, 704; a. A. Schoch, in: Festschrift für Rainer Wahl, 2011, 573, 589.). An einer derartigen organisatorischen Verfestigung würde es bei der Starenhut, so wie sie hier durchgeführt wird, wohl fehlen, so dass bei einer entsprechend engen Auslegung des Begriffs "wirtschaftliches Unternehmen" die Starenhut nicht als ein solches anzusehen wäre. Siehe zum Ganzen Gern/Brüning, Rn. 993 f.; Lange, Kap. 14 Rn. 9 ff. Zur Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung siehe auch den Gelinkt-Fall und den Sauna-Fall.

Dass Durchführung der Starenhut eine "wirtschaftliche Betätigung" i.S. des § 108 Abs. 1 KSVG, ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Starenhut um eine "öffentliche Einrichtung" i.S.d. § 19 KSVG handelt; denn die Begriffe "öffentliche Einrichtung" und "wirtschaftliches Betätigung" schließen sich nicht aus.

Anmerkung: Siehe hierzu Gern/Brüning, Rn. 996; Lange, Kap. 14 Rn. 23.

Ob die Durchführung der Starenhut eine "wirtschaftliche Betätigung" ist, kann auch nicht wegen § 108 Abs. 2 KSVG dahingestellt bleiben. Die Bestimmung gibt vor, welche Betätigungen der Gemeinde nicht als wirtschaftliche Betätigungen gelten (Einrichtungen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens und anderer Arten der Daseinsvorsorge). Zu diesen privilegierten Unternehmen gehört die "Starenhut" jedoch nicht. Die Starenbekämpfung dient nicht der Daseinsvorsorge und -fürsorge als der Befriedigung eines wirtschaftlichen Bedarfs; "Wirtschaftsförderung" im weitesten Sinne - die nach § 5 Abs. 2 KSVG zu den Gemeindeaufgaben gehört - wird in § 108 Abs. 2 KSVG nicht genannt.

Damit ist hier fraglich, wann der Betrieb einer "öffentlichen Einrichtung" auch "wirtschaftliche Betätigung anzusehen ist. Die Antwort ist nicht ohne Weiteres möglich, weil es auch an einer Begriffsbestimmung der "wirtschaftlichen Betätigung" fehlt. Einigkeit besteht jedoch darin, dass als "wirtschaftliche Betätigungen" jedenfalls nur solche Betätigungen zu verstehen sind, die nicht spezifisch staatliche Tätigkeiten wahrnehmen, sondern die Sach- oder Dienstleistungen zur Befriedigung eines materiellen Bedarfs erbringen (also auch von einem Privaten betrieben werden könnten). Einigkeit besteht auch insoweit, dass es nicht auf Entgeltlichkeit der Lieferungen und Leistungen und vor allem nicht auf Gewinnerzielung ankommt.

Anmerkung: So z. B. Lange, Kap. 14 Rn. 15.

Es muss letztlich ausreichen, dass es auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden könnte.

Anmerkung: So z. B. OVG Schleswig, 2 LB 32/12 v. 11.7.2013, Abs. 14 = NordÖR 2013, 528, 531; Gern/Brüning, Rn. 994.

Nach diesen Grundsätzen läge nahe, die Starenbekämpfung als ein wirtschaftliches Unternehmen anzusehen ist. Mit ihr wird eine Dienstleistung erbracht, die auf die Förderung materieller (wirtschaftlicher) Interessen gerichtet ist und der Befriedigung eines wirtschaftlichen Bedarfs dient. Vor allem nimmt die Stadt mit der "Starenhut" keine spezifisch staatliche Tätigkeit wahr. Damit liegt hier eine "wirtschaftliche Betätigung" i. S. des § 108 Abs. 1 KSVG vor.

bb) Zulässigkeit der "Starenhut" nach § 108 Abs. 1 KSVG

Als "wirtschaftliche Betätigung" müsste die Durchführung der Starenhut zunächst nach § 108 Abs. 1 Nr. 1 KSVG durch einen öffentlichen Zweck gerechtfertigt sein. Insoweit ergibt sich aus § 5 Abs. 2 KSVG, dass "öffentliche Zwecke" jedenfalls auch solche Zwecke sind, die der Förderung des wirtschaftlichen Wohls der Gemeindeeinwohner dienen, was bei der "Starenhut" der Fall ist.

Nach § 108 Abs. 1 Nr. 2 KSVG müsste die "Starenhut" zudem nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur gemeindlichen Leistungsfähigkeit und zum voraussichtlichen Bedarf stehen - was hier ebenfalls bejaht werden kann.

Schließlich darf nach § 108 Abs. 1 Nr. 3 KSVG die "Starenhut" auch nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden oder erfüllt werden können (§ 108 Abs. 1 Nr. 3 KSVG). Aus dem Sachverhalt ergeben sich nun keine Anhaltspunkte dafür, dass ein privater Dritter eine "Starenhut" im Gebiet der Stadt Saarheim durchführt. Daher kann allenfalls fraglich sein, ob ein privater Dritter sie ebenso gut und wirtschaftlich durchführen könnte. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ließe sich das Vorliegen dieser Sperre hier bejahen, da sicherlich vorstellbar ist, dass ein privater Dritter gegen ein Entgelt eine "Starenhut" übernimmt, die zumindest gleich effektiv und günstig arbeitet, wie die von der Stadt Saarheim organisierte "Starenhut". Allerdings kann es bei dieser Subsidiaritätsklausel sinnvollerweise nicht auf die abstrakte Möglichkeit ankommen, ob ein privates Unternehmen den öffentlichen Zweck ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen könnte; denn dann wäre den Gemeinden verwehrt, eine Tätigkeit auch dann aufzunehmen, wenn sich kein privates Unternehmen findet, dass diese ausüben will, obwohl die Möglichkeit besteht, unabhängig davon, wie dringend der öffentliche Zweck und damit das öffentliche Interesse an der Durchführung der Tätigkeit ist. Entscheidend für § 108 Abs. 1 Nr. 3 KSVG kann damit nur sein, ob zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit durch die Gemeinde ein konkreter privater Dritter vorhanden ist, der Interesse an dessen Ausübung geltend macht und diese Tätigkeit tatsächlich ebenso gut und wirtschaftlich erbringen kann. Auch für die Existenz eines solchen "Dritten" gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

Die Übernahme der "Starenhut" entsprach somit auch den Vorgaben des § 108 Abs. 1 KSVG, so dass sie auch dann zulässig ist, wenn man dem weiten Begriff des "wirtschaftlichen Unternehmens" folgt.

cc) Ergebnis zu b

Die Durchführung der "Starenhut" war somit auch nach § 108 Abs. 1 KSVG zulässig.

c) Ergebnis zu 2

Da die "Starenhut" eine zulässigerweise errichtete öffentliche Einrichtung darstellt, durften für ihre Benutzung somit grundsätzlich Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG erhoben werden.

3. Erfordernis der "Benutzung" als Voraussetzung der Erhebung einer "Benutzungsgebühr"

Die Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG knüpft jedoch notwendig an das Merkmal der "Benutzung" einer öffentlichen Einrichtung an; erst die Benutzung der öffentlichen Einrichtung begründet das der Benutzungsgebühr eigentümliche Austauschverhältnis, in dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüberstehen (vgl. § 4 Abs. 2 KAG). Somit darf der kommunale Satzungsgeber nur an solche Handlungen eine Gebührenpflicht knüpfen, die sich als "Benutzung" einer öffentlichen Einrichtung darstellen. Das KAG bestimmt freilich nicht, welche Anforderungen an die "Benutzung" einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung zu stellen sind.

a) Benutzung als auf einer freien Entschließung beruhende Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung?

Insoweit liegt es nahe, auf die Vorschriften des KSVG zurückzugreifen: Nach § 19 Abs. 1 KSVG sind die Gemeindeeinwohner im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Da das Recht zur Benutzung einer öffentlichen Einrichtung in einer von Freiheitsgrundrechten geprägten rechtsstaatlichen Ordnung grundsätzlich das Recht einschließt, das mit der öffentlichen Einrichtung verbundene Leistungsangebot der Gemeinde auszuschlagen, setzt die Benutzung prinzipiell eine willentliche, d.h. auf einer freien Entschließung beruhende Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung gemäß § 19 KSVG voraus.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Bautzen, 5 A 795/13 v. 3.9.2015, Abs. 43 = SächsVBl. 2016, 58, 62.

Dem entspricht, dass abgesehen von den Fällen des Anschluss- und Benutzungszwangs nach § 22 KSVG (den die Stadt Saarheim bezüglich der "Starenhut" nicht eingeführt hat und nicht rechtmäßig hätte einführen können, da die Voraussetzungen des § 22 KSVG nicht vorliegen) die Gemeinden nicht befugt sind, das grundrechtlich geschützte Recht auf schlichte Ablehnung angebotener Leistungen der Gemeinde einzuschränken. Das für die Benutzungsgebühr nach § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 KAG eigentümliche Austauschverhältnis mit seinem Gegenüberstehen von Leistung und Gegenleistung wird somit erst begründet durch die tatsächliche Benutzung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtung; die bloße Möglichkeit hierzu oder der Umstand allein, dass durch die Einrichtung Vorteile geboten werden, reicht nicht aus, um die Gebührenpflicht entstehen zu lassen, sofern kein Benutzungszwang besteht.

Anmerkung: Siehe hierzu VGH Mannheim, 2 S 697/82 v. 24.2.1983, 2 S 697/82, Abs. 4 = VBlBW 1984, 25, 26.

b) Zulässigkeit von "Benutzungsvermutungen"?

Das BVerwG hat allerdings zur früheren Rundfunkgebührenpflicht, die eine Gebührenpflicht allein an das Bereithalten eines Rundfunkgerätes anknüpfte, entschieden, mit der Aufstellung eines Rundfunkgeräts bestehe (auch ohne Benutzungszwang) die Wahrscheinlichkeit der Nutzung der Leistungen der Rundfunkanstalt, so dass es rechtmäßig sei, eine Gebühr bereits an das Aufstellen eines Empfangsgeräts zu knüpfen.

Anmerkung: So BVerwG, VII C 189.66 v. 5.03.1968, Abs. 27 = BVerwGE 29, 214, 217 f. Siehe hierzu auch BVerfG, 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 v. 6.10.1982 = BVerfGE 87, 181, 201; BVerfG, 1 BvL 30/88 v. 22.2.1994 = BVerfGE 90, 60, 91; BVerfG (K), 1 BvR 1013/99 v. 6.9.1999, Abs. 13 = NJW 2000, 208.
Zur neuen Rundfunkbeitragspflicht hat das BVerwG (BVerwG, 6 C 15/16 v. 25.1.2017, Abs. 27 ff. = NVwZ-RR 2018, 365 Abs. 27 ff.) ähnlich argumentiert: Schuldner einer Vorzugslast (d. h. von Gebühren und Beiträgen, s.
BVerfG, 1 BvR 1675/16 u. a. v. 18.7.2018, Abs. 54 = BVerfGE 149, 222, 249 f.) könnten nur Personen sein, denen die Leistung der öffentlichen Hand zugute kommt. Ein ausgleichspflichtiger individueller Vorteil entstehe nicht nur, wenn eine Leistung der öffentlichen Hand in Anspruch genommen, d.h. tatsächlich genutzt werde. Vielmehr könne bereits die Möglichkeit, ein Leistungsangebot zu nutzen, einen derartigen Vorteil darstellen. Allerdings reiche die Nutzungsmöglichkeit nicht aus, um für alle Personen, denen diese Möglichkeit rechtlich und tatsächlich eröffnet ist, einen Vorteil zu begründen. Dies sei bei der Möglichkeit, ein Leistungsangebot zu nutzen, der Fall, wenn die Nutzung nicht nur tatsächlich und rechtlich möglich, sondern darüber hinaus die Annahme berechtigt sei, dass der Personenkreis, dem die Nutzungsmöglichkeit offenstehe, diese mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit weitestgehend in Anspruch nehme. Diese Voraussetzungen seien dann erfüllt, wenn bestimmte Personen das Leistungsangebot nutzen müssen, um eine öffentlich-rechtliche Pflicht zu erfüllen. Könne der Einzelne dagegen frei darüber entscheiden, ob er eine Leistung in Anspruch nehme, müsse feststehen, dass die Mitglieder eines abgrenzbaren Personenkreises von der angebotenen Nutzungsmöglichkeit nahezu geschlossen Gebrauch machen. Das BVerfG ist in seiner Entscheidung zum Rundfunkbeitrag weniger deutlich: BVerfG, 1 BvR 1675/16 u. a. v. 18.7.2018, Abs. 55 ff. = BVerfGE 149, 222, 250 ff..

Hierauf gestützt ließe sich argumentieren, dass es zumindest dann, wenn sich eine willentliche Inanspruchnahme der Leistungen der "Starenhut" nicht oder nur mit unvertretbarem wirtschaftlichen Aufwand feststellen lässt, für die Erhebung von Benutzungsgebühren ausreichen müsse, wenn die Benutzung der Einrichtung hinreichend wahrscheinlich ist und sich somit vermuten lässt. Jedoch lässt sich dennoch aus der Entscheidung des BVerwG zur früheren Rundfunkgebührenpflicht nichts für die Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 KAG herleiten. In dieser Entscheidung ging es um die Frage der Grundrechtskonformität eines formellen Gesetzes, das an eine nur vermutete Benutzung eine Gebührenpflicht knüpfte. Fraglich war jedoch nicht, ob es sich bei einer Gebühr für eine vermutete Benutzung noch um eine Benutzungsgebühr i.S.d. Kommunalabgabenrechts handelt.

Anmerkung: Wenn und soweit der Gesetzgeber den Kommunen (oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts) die Erhebung von Gebühren auf satzungsrechtlicher Grundlage gestattet, ist also strikt zwischen der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Gebührenermächtigung und der Frage zu unterscheiden, ob die zur Umsetzung der gesetzlichen Gebührenermächtigung erlassene Satzung eben mit dieser gesetzlichen Gebührenermächtigung und ihren Vorgaben übereinstimmt. Insoweit ist es dem Gesetzgeber durchaus möglich, das Gebührenerhebungsrecht des Satzungsgebers in einer Weise zu beschränken, die hinter dem verfassungsrechtlich "an sich" Zulässigem zurück bleibt (s. hierzu sehr deutlich BVerfG, 2 BvL 2/14 u. a. v. 17.1.2017, Abs. 64 ff. = BVerfGE 144, 369, 390 ff.). Zum verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff siehe Wienbracke, JuS 2019, 1070, 1071 ff.

Insoweit lässt sich auch § 6 Abs. 3 Satz 3 KAG nichts für die Zulässigkeit einer "Benutzungsvermutung" entnehmen: Diese Vorschrift lässt für die Bemessung der Gebühr neben dem Wirklichkeitsmaßstab den Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu, doch gilt dies lediglich für die Höhe der Gebühr, aber nicht für die Begründung des Benutzungsverhältnisses.

Somit konnte die Gebührensatzung die Gebühr nicht rechtmäßigerweise an eine nur vermutete Nutzung knüpfen. Gebührenpflichtig können vielmehr nur diejenigen Besitzer von Grundstücken mit Kirschbaumkulturen sein, die die Leistungen der "Starenhut" willentlich in Anspruch nehmen, die Einrichtung also benutzen i.S.d. § 4 Abs. 2 KAG, § 19 Abs. 1 KSVG .

Anmerkung: Siehe hierzu auch die Überlegungen bei vgl. OVG Bautzen, 5 A 795/13 v. 3.9.2015, Abs. 45 = SächsVBl. 2016, 58, 63. Knupper hat jedenfalls niemals sein Einverständnis damit erklärt, dass die Gemeinde an seiner Stelle und in seinem Interesse die Stare von seinem Grundstück fernhält. Die Gemeinde trägt insoweit lediglich vor, dass Knupper eigene Abwehrmaßnahmen eingestellt sowie in der Folgezeit nicht wieder aufgenommen und damit zum Ausdruck gebracht habe, dass ihm die Vorteile der gemeindlichen "Starenhut" zugute kommen sollten. Das genügt jedoch nicht einmal für die Annahme einer konkludenten Einverständniserklärung; denn Knupper hat schon mehrere Jahre vor Einrichtung der "Starenhut" auf Abwehrmaßnahmen verzichtet, so dass darin keine willentliche Zustimmung zur Starenbekämpfung durch die Gemeinde gesehen werden kann.

c) Ergebnis zu 3

Eine Gebührensatzung, die die Gebührenpflicht lediglich an den Grundstücksbesitz knüpft, wird somit von der gesetzlichen Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG nicht gedeckt.

4. Bestimmtheit des Gebührentatbestands

Selbst wenn zur Begründung einer Gebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG eine widerlegbare Benutzungsvermutung ausreichte, ist jedoch zweifelhaft, ob die Satzung wirksam wäre. Der das Abgabenrecht beherrschende und in § 2 Abs. 1 KAG zum Ausdruck kommende Bestimmtheitsgrundsatz erfordert nämlich in diesem Fall eine satzungsrechtliche Regelung der Bekämpfungsmaßnahmen, durch die der Besitzer eines mit Kirschbaumkulturen bestandenen Grundstücks die Vermutung widerlegen kann, dass er die Vorteile der gemeindlichen Starenbekämpfung tatsächlich in Anspruch nimmt. Zum Schutz der Kirschbaumkulturen kommen auch andere als die von der Gemeinde ergriffenen Maßnahmen in Betracht, beispielsweise das Aufspannen von Netzen, und ohne eine satzungsrechtliche Festlegung der Abwehrmaßnahmen, die geeignet sind, die Nutzungsvermutung zu widerlegen, wäre die Entstehung der Abgabenschuld nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 2 Abs. 1 KAG, d.h. sie wäre nicht in einer für den Abgabenschuldner berechenbaren Weise geregelt.

Anmerkung: Siehe hierzu VGH Mannheim, 2 S 697/82 v. 24.2.1983, 2 S 697/82, Abs. 9 = VBlBW 1984, 25, 27.

5. Bestimmtheit der Gebührenhöhe

Selbst wenn man trotz allem noch von der Rechtmäßigkeit des Gebührentatbestands ausgeht, dürfte es jedenfalls dem Bestimmtheitsgrundsatz widersprechen, wenn die Höhe der Gebühr erst aufgrund der nachträglichen Ermittlung der tatsächlichen Kosten festgestellt wird; denn dann fehlt es an dem Abgabensatz, der nach § 2 Abs. 1 KAG notwendiger Bestandteil der Gebührensatzung ist. Der Grundsatz der Bestimmtheit erfordert, dass Abgaben möglichst in festen Sätzen und so festzulegen sind, dass die Belastung für den Pflichtigen voraussehbar und berechenbar ist; der Satz muss deshalb i.d.R. ziffernmäßig festgelegt oder doch so umschrieben sein, dass die Belastung erkennbar ist. Dies dürfte hier nicht der Fall sein, so dass die Satzung auch insoweit nichtig ist und deshalb der Gebührenbescheid ebenfalls aufgehoben werden muss (anders nur dann, wenn die Satzung genügend Anhaltspunkte für eine Berechnung durch den Gebührenpflichtigen enthält).

6. Regelung über die Verwaltungskosten

Fraglich ist weiterhin, ob die Regelung über die Verwaltungskosten rechtmäßig ist. Grundsätzlich sind im Rahmen des Kostendeckungsprinzips (§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 KAG) auch die Verwaltungskosten ansatzfähig, die freilich möglichst exakt ermittelt werden sollen, doch können die Gemeinden auf Pauschsätze zurückgreifen, wenn eine genaue Ermittlung nicht möglich ist. Da vorliegend jedoch nicht pauschalierte Kostensätze angesetzt werden, sondern ein Pauschalbetrag der sonstigen Kosten, ist es sehr zweifelhaft, ob dies zulässig ist; es dürfte jedenfalls dann rechtswidrig sein, wenn der Anknüpfungstatbestand - hier also die sonstigen Kosten der "Starenhut" - nicht bestimmt genug festgelegt ist.

7. Ergebnis zu II

Somit ist die Satzung vom 21. Februar 2017 insgesamt mit den Vorgaben des § 2, § 4 Abs. 2 und § 6 KAG nicht vereinbar und damit nichtig. Sie kann damit keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Gebührenbescheid vom 16. April sein, so dass dieser materiell rechtswidrig ist.

III. Ergebnis zu B

Da der angegriffene Gebührenbescheid rechtswidrig ist, verletzt er Knupper auch in seinen Rechten. Die Klage Knuppers ist somit begründet.

C) Gesamtergebnis

Knuppers Klage ist zulässig und begründet und hat damit Aussicht auf Erfolg.

Fragen und Anregungen zur Lösung? stelkens@uni-speyer.de

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