Bedeutung und Prüfung der sog. "Verwaltungsaktbefugnis"

(Stand der Bearbeitung: 3. September 2022)

© Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Insbesondere, wenn es um die Festsetzung von Geldzahlungspflichten im Verhältnis zum Bürger und um die Zulässigkeit feststellender Verwaltungsakte geht, taucht in Rechtsprechung und Literatur vielfach die Figur der sog. "Verwaltungsaktbefugnis" auf.

Gefragt wird in diesem Zusammenhang, ob der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes erfordert, dass die Verwaltung, wenn sie einen belastenden Verwaltungsakt gegenüber dem Bürger erlässt, nicht nur über eine Ermächtigungsgrundlage für die materielle Belastung verfügt, sondern darüber hinaus auch gerade dafür, dass die Belastung durch Verwaltungsakt festgesetzt wird.

I. Abgrenzung des Problems der sog. "Verwaltungsaktbefugnis" von anderen Fragestellungen

Bei der Frage nach der "Verwaltungsaktbefugnis" geht es darum, ob nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bereits der Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsakts als solcher einer eigenen Rechtsgrundlage bedarf, wenn eine für den Adressaten oder sonstigen Betroffenen ungünstige Entscheidung getroffen werden soll.

Es geht damit nicht, um die Frage, ob die Regelung eines Verwaltungsakts inhaltlich mit dem geltenden Recht übereinstimmt. Selbstverständlich hat die Behörde auch bei der Verwendung der Handlungsform des Verwaltungsakts ihre Zuständigkeitsgrenzen einzuhalten und die Grundsätze des Gesetzesvorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes zu beachten. So darf sie (natürlich) auch durch Verwaltungsakt niemandem Belastungen auferlegen, die er nach dem Gesetz nicht zu tragen hat und Begünstigungen gewähren, deren Gewährung dem Gesetz widerspricht.

Ebensowenig geht es bei der Frage nach "Verwaltungsaktbefugnis"  um das Problem der Rechtsnatur von Maßnahmen, die zwar ihrer Form nach vom Betroffenen als Verwaltungsakt verstanden werden mussten (z. B. weil sie ausdrücklich als "Verwaltungsakt, Allgemeinverfügung, Anordnung, Bescheid, Entscheidung, Verfügung" etc. überschrieben sind oder mit Anordnung der sofortigen Vollziehung oder einer Rechtsmittelbelehrung versehen wurden), aber nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Legaldefinition des § 35 VwVfG (bzw. der entsprechenden Bestimmung des sonst anzuwendenden Verwaltungsverfahrensgesetzes) erfüllen können, z. B. weil es an einer Regelung schlechthin, einer Einzelfallregelung, einer Regelung "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" oder an einer Regelung fehlt, die "auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet" ist. Hier geht es nicht um die Frage, ob dieser "Verwaltungsakt" rechtmäßig ist, sondern um die Frage, ob vom Vorliegen eines Verwaltungsakts auch dann ausgegangen werden kann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Legaldefinition des § 35 VwVfG und der entsprechenden Bestimmungen nicht erfüllt sind. Diese Frage ist für das Verwaltungsprozessrecht und das materielle Recht unterschiedlich zu beantworten.

Anmerkung: Siehe hierzu diesen Hinweis.

Allerdings ist dies erheblich umstr. Vor allem in der älteren Literatur und Rechtsprechung wird vielfach das Problem des "nur formellen Verwaltungsakts" mit dem Problem der "Verwaltungsaktbefugnis" gleichgesetzt. Hierbei wird übersehen, dass das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Legaldefinition des § 35 VwVfG und der entsprechenden Bestimmungen nicht nur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, sondern Wesensvoraussetzung eines Verwaltungsaktes ist.

Schließlich geht es bei der Frage nach "Verwaltungsaktbefugnis" auch nicht um die Frage, ob der Behörde das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage fehlt, wenn sie die begehrte Leistung gegenüber dem Beklagten durch Verwaltungsakt festsetzen könnte. Diese Frage ist in Zusammenhang mit dem allgemeinen Grundsatz zu sehen, dass das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann, wenn es für den Kläger einen gegenüber der Klageerhebung leichteren und billigeren Weg gibt, das mit der Klage verfolgte Ziel zu erreichen. Hier kann sich allenfalls als Vorfrage das Problem stellen, ob die Behörde die begehrte Maßnahme durch Verwaltungsakt festsetzen kann, ihr insoweit also eine "Verwaltungsaktbefugnis" zusteht; denn wenn diese fehlt, steht der Behörde kein einfacherer Weg zur Durchsetzung der begehrten Leistung zur Verfügung.

Anmerkung: Siehe hierzu den Sammlerstücke-Fall.

II. Grundrechtsdogmatische Verankerung des Erfordernisses der sog. "Verwaltungsaktbefugnis" und ihr Zusammenspiel mit dem Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht

Ausgangspunkt für die Rechtsfigur der "Verwaltungsaktbefugnis" ist die Überlegung, dass die (potentielle) Bestandskraft und ggf. die Vollstreckbarkeit eines Verwaltungsakts nach Maßgabe der Verwaltungsvollstreckungsgesetze dem Betroffenen die sog. Anfechtungslast auferlegt: Er muss sich innerhalb der Frist der § 70, § 74 VwGO gegen den Verwaltungsakt wehren, um etwaige entgegenstehende Rechte durchzusetzen. Der Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsakts drängt damit den Betroffenen in die Klägerrolle. Hierin ist durchaus ein gesonderter Grundrechtseingriff zu sehen, der über die Auferlegung der materiellen Belastung "als solche" hinausgeht. Damit ist tatsächlich aus der Sicht der Grundrechtsdogmatik anzunehmen, dass nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes für diesen Grundrechtseingriff eine von der Ermächtigung zur Auferlegung der materiellen Belastung als solche zu unterscheidende Ermächtigungsgrundlage notwendig ist. Diese gesonderte, zum Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsaktes berechtigende Ermächtigungsgrundlage wird als "Verwaltungsaktbefugnis" bezeichnet.

Anmerkung: Siehe hierzu Schoch, Jura 2010, 670, 672 ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 25 m. w. N..

Stellt man diese grundrechtlichen Erwägungen in Zusammenhang mit dem einfachrechtlich geregelten Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht, ergeben sich hieraus allerdings ganz spezifische Konsequenzen, die - vor allem gerade aus der Sicht des Betroffenen - die Frage nach dem "praktischen Nutzen" der Rechtsfigur der "Verwaltungsaktbefugnis" aufwirft. Die Rechtsfolgen des Erlasses eines Verwaltungsakts ohne "Verwaltungsaktbefugnis" sind nämlich fast schon paradox:

Anmerkung: Siehe zum Folgenden U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 27 ff.

Der ohne Verwaltungsaktbefugnis erlassene Verwaltungsakt ist zunächst als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG (und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder) anzusehen; denn die dort enthaltene Legaldefinition macht das Vorliegen eines Verwaltungsakts nicht vom Vorliegen einer "Verwaltungsaktbefugnis" abhängig. Jedoch ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Dennoch kann er - wie jeder fehlerhafte Verwaltungsakt - mit seiner Bekanntgabe nach § 41, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (bzw. der entsprechenden Bestimmungen) wirksam werden. Eine zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes führende Nichtigkeit nach § 43 Abs. 3, § 44 VwVfG (bzw. der entsprechenden Bestimmungen) ist nicht gegeben, da das Fehlen der Verwaltungsaktbefugnis weder als besonders schwerer Fehler anzusehen ist (der Fehler unterscheidet sich seinem Gewicht nach nicht von sonstigen Verstößen gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes) noch dieser Fehler offensichtlich bzw. offenkundig ist. Um den Fehler der fehlenden "Verwaltungsaktbefugnis" geltend zu machen, muss daher der Verwaltungsakt mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden. Wird die Frist der § 70, § 74 VwGO versäumt, wird der Verwaltungsakt formell bestandskräftig und kann ggf. als Vollstreckungstitel nach Maßgabe der Verwaltungsvollstreckungsgesetze dienen. Damit ist zu unterscheiden zwischen der sich aus §§ 43 ff. VwVfG (und den entsprechenden Bestimmungen) i.V.m. den prozessualen Anfechtungsfristen ergebenden allgemeinen Fähigkeit der Behörde, potentiell bestandskraftfähige Verwaltungsakte zu erlassen, und dem materiellrechtlich geregelten Dürfen, von dieser Fähigkeit Gebrauch zu machen. Einen wirklichen Schutz vor der rechtswidrigen Auferlegung der Anfechtungslast gewährt die Rechtsfigur der "Verwaltungsaktbefugnis" dem Betroffenen daher nicht; denn die Geltendmachung der rechtswidrigen Auferlegung der Anfechtungslast setzt die Anfechtung des Verwaltungsaktes voraus.

An den Verwaltungsakt knüpft das Gesetz zudem nicht nur belastende Funktionen, wie die Auferlegung der Anfechtungslast, sondern auch spezifisch bürgerschützende Funktionen, insbesondere die sog. verwaltungsverfahrensrechtliche Funktion.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 43 ff.

Denn die §§ 9 ff. VwVfG (und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Verwaltungsverfahrensgesetze) knüpfen nur an den Erlass eines Verwaltungsaktes (und nur teilweise den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages) Verfahrensrechte wie das Recht, sich vertreten zu lassen (§ 14 VwVfG ), angehört zu werden (§ 28 Abs. 1 VwVfG), Akteneinsicht verlangen zu können (§ 29 VwVfG), eine Entscheidungsbegründung zu erhalten (§ 39 Abs. 1 VwVfG) oder eine schriftliche Bestätigung einer mündlichen Maßnahme verlangen zu können (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Zudem darf auch die Schutzfunktion des Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO nicht unterschätzt werden. Der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts hat aufgrund der §§ 68 ff. VwGO vor allem auch das Recht, eine Überprüfung sowohl der Rechtmäßigkeit als auch der Zweckmäßigkeit der Maßnahme im Widerspruchsverfahren zu erreichen. Demgegenüber erscheint es nicht unbedingt als Vorteil, unter Umständen ohne vorherige "Warnung" sofort aufgrund einer Leistungsklage der Behörde in ein gerichtliches Verfahren hineingezogen zu werden. Schließlich ist auch die Ermessenskontrolle hinsichtlich des "Ob" des Verlangens einer Leistung erschwert, weil die VwGO jedenfalls nicht ausdrücklich regelt, wie die ermessensfehlerhafte Klageerhebung durch die Behörde zu behandeln ist.

Anmerkung: Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung (z. B. Baugenehmigung) tritt zudem für den Begünstigten die Funktion hinzu, für sein Vorhaben Rechtssicherheit zu schaffen (weshalb z. B. in Zusammenhang mit der Diskussion zur Einschränkung der Genehmigungsbedürftigkeit von Bauvorhaben vermehrt auch ein Recht auf Verwaltungsakt [Baugenehmigung] des Bauherrn aber auch des hierdurch eigentlich beeinträchtigten Nachbarn gefordert wurde, siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 34 ff.). Im Polizei- und Ordnungsrecht werden vielfach auch die besonderen Voraussetzungen für den regulären (gestuften) Verwaltungszwang (Erlass des Grundverwaltungsakts, Zwangsmittelandrohung mit Fristsetzung, ggf. noch Zwangsmittelfestsetzung) als besonders bürgerfreundlich gegenüber Sofortvollzug und unmittelbarer Ausführung gesehen und deshalb von einem subjektiv-öffentlichen Recht des Störers ausgegangen, von den Gefahrenabwehrbehörden nur durch Verwaltungsakt in Anspruch genommen zu werden (s. z.B. Bamberger, JuS 1998, 2039, 2040; Gurlit, in: Ehlers/Pünder, § 35 Rn. 20; Gusy, JA 1979, 69, 71; Habermehl, Jura 1987, 199, 203; Kreitmeier, Die verwaltungrechtl. Geschäftsführung ohne Auftrag, 2019, 238;  [jeweils in Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag]; ähnlich BVerwG, 7 C 5/11 v. 12.1.2012, Abs. 20 ff. = BVerwGE 141, 311 Abs. 20 ff.). Ganz allgemein betont das BVerfG zu Recht, dass der behördlichen Konkretisierung von Pflichten mittels Verwaltungsakt (jedenfalls bei der Eingriffsverwaltung auch) eine rechtsstaatliche Funktion zukommen kann: Sie nimmt dem Betroffenen das Risiko der Unkenntnis oder der Fehleinschätzung von Rechtspflichten, das ihm vollständig aufgebürdet wird, wenn eine Sanktionierung von Pflichtverletzungen auch ohne vorherige Festsetzung durch Verwaltungsakt unmittelbar durch Bußgeldbescheid erfolgt (BVerfG, 1 BvR 2492/08 v. 17. 2. 2009, Abs. 121 f.= BVerfGE 122, 342, 363 f.). Für die Entwicklung (und Beibehaltung) der Zweistufentheorie war und ist ebenfalls der Gedanke maßgeblich, dass die Abkehr von der Zweistufentheorie den Verlust der mit dem Verwaltungsakt nach § 9 ff. VwVfG (bzw. den entsprechenden Bestimmungen) verbundenen Verwaltungsverfahrensrechte bedeuten könnte (U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 27a). Für den Betroffenen bedeutet dies, dass er insbesondere seiner verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechte verlustig geht, wenn der Behörde im Hinblick auf das Fehlen ihrer "Verwaltungsaktbefugnis" verwehrt wird, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Dieser Rechtsverlust ließe sich allenfalls dann auffangen, wenn im Wege der Rechtsfortbildung die Verwaltung verpflichtet wird, auch vor Erhebung einer gerichtlichen Klage ein Verwaltungsverfahren entsprechend den in §§ 9 ff. VwVfG enthaltenen Grundsätzen durchzuführen. Jedoch wird eine solche Rechtsfortbildung bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung angedacht (siehe hierzu aber  U. Stelkens, in: Ziekow/Stelkens [Hrsg.9, Verwaltungsverfahrens- und Personenstandsrecht als Konkretisierungsaufgabe, 2000, S. 21 ff.).

Das Erfordernis einer "Verwaltungsaktbefugnis" stellt damit für den Betroffenen und die Behörde ein zweischneidiges Schwert dar. Insbesondere kann sich das Erfordernis einer zusätzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsakts für den Bürger als nachteilig erweisen, nämlich dann, wenn sich die Behörde unter Hinweis auf eine (angeblich) fehlende "Verwaltungsaktbefugnis" der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entzieht und die Belastung sofort im Wege der Erhebung der gerichtlichen Leistungsklage oder ihrer tatsächlichen Ausführung (ohne Beachtung des "gestuften" Verwaltungsvollstreckungsverfahrens der Verwaltungsvollstreckungsgesetze) durchzusetzen sucht.

Anmerkung: So deutlich auch BVerwG 3 C 19/10 v. 3. 3. 2011, Abs. 16 = BVerwGE 139, 125 Abs. 16.

III. Rückschlüsse von der "Zweischneidigkeit" des Erfordernisses der "Verwaltungsaktbefugnis" auf die "Deutlichkeit" der gesetzlichen Ermächtigung zur Verwendung der Handlungsform des Verwaltungsakts

Obwohl es sich bei dem Erfordernis einer eigenständigen "Verwaltungsaktbefugnis" für die Verwendung der Handlungsform des Verwaltungsakts als solcher damit für den Betroffenen kaum um ein wirkliches rechtsstaatliches "Plus" handelt, ändert dies nichts daran, dass die in der Auferlegung der Anfechtungslast liegende Belastung einen Grundrechtseingriff darstellt, der deshalb einer Ermächtigungsgrundlage bedarf. Jedoch rechtfertigt die eher formale Natur einer Belastung, geringe Anforderungen an die "Deutlichkeit" der Ermächtigungsgrundlage zu stellen. Dies gilt jedenfalls soweit es um die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher, Privatpersonen obliegender Pflichten (insbesondere Geldzahlungspflichten) durch die hierfür ausdrücklich für zuständig erklärte Behörde geht. Die Rechtsprechung neigt dementsprechend grundsätzlich dazu, die "Verwaltungsaktbefugnis" in sehr (bis extrem) weiter Auslegung der Rechtsnormen zu gewinnen, die eine bestimmte Behörde zur Durchsetzung bestimmter Belastungen ermächtigen

Anmerkung: Siehe hierzu z. B. BVerwG, 6 C 39/10 v. 7.12.2011, Abs. 14 ff. = BVerwGE 141, 243 Abs 14 ff.; weitere Beispiele bei U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 28 m.w.N.

Praktisch bedeutet dies:

Anmerkung: So ergibt sich im Saarland z. B. die "Verwaltungsaktbefugnis" zur Festsetzung von Polizeikosten durch Verwaltungsakt aus § 90 Abs. 2 Satz 3 SPolG i.V.m. § 13 Abs. 4 SaarlGebG (siehe hierzu den Sammy-Fall) und zur Festsetzung von Kommunalabgaben aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG i.V.m. § 155 AO (siehe hierzu den Starenhut-Fall).

Anmerkung: So BVerwG, 7 C 5/11 v. 12.1.2012, Abs. 20 ff. = BVerwGE 141, 311  Abs. 20 ff.

Anmerkung: Siehe hierzu den Verrechnet-Fall; Zweifel jetzt jedoch bei BVerwG 3 C 19/10 v. 3. 3. 2011 Abs. 16 ff. = BVerwGE 139, 125 Abs. 16 ff.; Payandeh, DÖV 2012, 590 ff. Ein weiteres Beispiel bildet die Annahme, dass sich aus Art. 34 Satz 3 GG der Ausschluss der "Verwaltungsaktbefugnis" innerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung ergebe, weil sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht mit dem Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsakts vertrage (eher zweifelhaft aber h. M., siehe hierzu den Straßenkunst-Fall).

Anmerkung: Dies betrifft insbesondere das Beamtenrecht (siehe hierzu den Rathausbrand-Fall, den Ungesund-Fall und den Verrechnet-Fall) aber auch das Abgabenrecht (siehe hierzu den Kinderreitautomat-Fall und den Scheunenabbruch-Fall). Bei neuartigen Ermächtigungsgrundlagen oder atypischen Situationen ist die Rechtsprechung demgegenüber (manchmal [!]) zurückhaltend (vgl. z. B. BSG, 8 RKn 2/97 v. 28.8.1997, Abs. 26 ff. = NZS 1998, 244, 245 f.).

In der Literatur (insbesondere zum Beamtenrecht) werden jedoch vielfach wesentlich strengere Anforderungen an die "Deutlichkeit" der Ermächtigungsgrundlage gestellt, wobei oft nur einseitig die belastende Wirkung der Anfechtungslast in den Vordergrund gestellt und entsprechend "dramatisiert" wird, während die begünstigenden Funktionen des Verwaltungsakts vielfach "unter den Tisch fallen". Herrschend ist jedoch wohl auch in der Literatur nach wie vor die eher (pragmatische) Auffassung, die im Grundsatz davon ausgeht, dass in den gesetzlichen Vorschriften, die eine bestimmten Behörde die Zuständigkeit zur Durchsetzung bestimmter Verpflichtungen gegenüber dem Bürger zuweisen, zugleich implizit die Ermächtigung zu entnehmen ist, dass diese Verpflichtung auch durch Verwaltungsakt durchgesetzt werden kann.

Anmerkung: So etwa Maurer/Waldhoff, § 10 Rn. 30; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 28; vergleichsweise "streng" dagegen Schoch, Jura 2010, 670, 673 ff.; Thieltges, ZBR 2015, 336 ff.

IV. Aufbaufragen

In Klausuren und Hausarbeiten sollte die "Punktrelevanz" des Problems der "Verwaltungsaktbefugnis" nicht überbewertet werden. Allzu ausführlich sollten die Ausführungen hierzu nicht sein (längere Ausführungen hierzu werden insbesondere von Praktikern gerne als "weltfremd" angesehen). Niemals sollte man sich Ausführungen zur materiellen Leistungspflicht dadurch abschneiden, dass vorab die "Verwaltungsaktbefugnis" verneint wird. Zumindest hilfsweise ist dann noch auf die materielle Leistungspflicht einzugehen.

Nähere Ausführungen zur "Verwaltungsaktbefugnis" werden von den Aufgabenstellern von Klausuren und Hausarbeiten nach unserer Erfahrung durchgehend ohnehin nur in Zusammenhang mit der Festsetzung von Geldleistungspflichten und dann vor allem im Beamtenrecht und bei Rückforderung von Geldleistungen aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gewünscht. Im Übrigen sollte auf diese Frage nur eingegangen werden, wenn nach der Schilderung des Sachverhalts eine Erörterung der "Verwaltungsaktbefugnis ersichtlich verlangt wird, z. B. wenn der Betroffene die fehlende Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz der Handlungsform des Verwaltungsakts ausdrücklich rügt. In jedem Fall sollte man möglichst "klausurtaktisch" vorgehen und im Zweifel die "Verwaltungsaktbefugnis" bejahen, wie dies der Rechtsprechung (und zumeist auch den Interessen des Betroffenen) entspricht.

Es gibt zudem für die Prüfung der "Verwaltungsaktbefugnis keinen bestimmten "Platz" im Aufbau der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, da dieser Prüfungspunkt auf der Schnittstelle zwischen Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Recht angesiedelt ist.

Anmerkung: Anders wohl Schoch, Jura 2010, 670, 677.

In unproblematischen Fällen, also dann wenn sich die "Verwaltungsaktbefugnis" unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, bietet sich jedoch eine "Prüfung" unmittelbar in Zusammenhang mit der Frage nach der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage an (siehe hierzu z. B. den Sammy-Fall). Das klingt dann etwa so:

"Grundlage für den Kostenbescheid kann nur § x sein. Dass die Kosten von der zuständigen Behörde durch Verwaltungsakt festgesetzt werden können, ergibt sich in diesem Fall aus § y" .

Nähere Ausführungen dazu, ob überhaupt eine "Verwaltungsaktbefugnis" zu verlangen ist, verbieten sich in solchen Fällen, da es bei bestehender Ermächtigungsgrundlage auf ihre Notwendigkeit nicht ankommt.

In problematischen Fällen, also dann, wenn es für das Vorliegen einer "Verwaltungsaktbefugnis" einer etwas ausführlicherer Begründung bedarf, ist es dagegen zumeist zweckmäßig, ihr Vorliegen erst dann zu problematisieren, nachdem gefragt worden ist, ob der Betroffene nach materiellem Recht zur Leistung verpflichtet ist. Soweit mehrere Grundlagen für die Leistungsverpflichtung in Betracht kommen, jedoch nur bei Annahme einer dieser Grundlagen die Verpflichtung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf, kann die Prüfung der "Verwaltungsaktbefugnis" ohnehin nur dann erfolgen, wenn feststeht, aus welcher Vorschrift sich die Leistungsverpflichtung ergibt. Gleiches gilt, wenn zu Beginn des Gutachtens noch nicht gesagt werden kann, aufgrund welcher Bestimmungen sich eine Leistungsverpflichtung ergeben könnte: Die "Verwaltungsaktbefugnis" lässt sich hier nicht abstrakt vorab klären, sondern nur in Bezug auf die konkrete Leistungsverpflichtung.