Schlachthof

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

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Die Stadt Saarheim betrieb bis zum Sommer letzten Jahres einen Schlachthof im Gewerbegebiet Obere Sulz. Seit Anfang der 70er Jahre fand dort jedoch ein Schlachtbetrieb im eigentlichen Sinne nicht mehr statt. Vielmehr wurden dort nur noch Hygieneuntersuchungen, Wiegungen und Zerlegungen vorgenommen. Außerdem waren mehrere Gefrierräume vorhanden, die zur Lagerung größerer Fleischmengen bereitgestellt wurden. Darüber hinaus konnte der auch für den Schlachthof zuständige Saarheimer Veterinär Dr. Herbert Huy für Fleischlieferungen aus dem Ausland sog. Identitätsfeststellungen ausstellen. Es ging hierbei um die Bestätigung, dass das Fleisch in einem bestimmten Lastwagen mit dem Fleisch identisch war, das in den Zollpapieren bzw. Einfuhrunterlagen vermerkt war. Für diese Bestätigung musste das Fleisch nicht aus dem Lastwagen ausgeladen und in den Schlachthof verbracht werden. Sie erfolgte allein aufgrund der Zoll- und Einfuhrpapiere und anhand der Unterlagen des Fahrers.

Die Benutzungsbedingungen ergaben sich aus einer vom Stadtrat erlassenen Schlachthofsatzung vom 24. September 1972, zuletzt geändert durch Satzung vom 21. Dezember 2001. § 6 der Satzung bestimmte u.a.:

"Für die Benutzung des Schlachthofs Saarheim werden auf Grund § 4 Abs. 2 KAG die nachstehenden Gebühren erhoben:

1. Zufuhr von Fleisch in den Schlachthof, einschließlich der Benutzung der Be- und Entladevorrichtungen 0,025 Euro pro kg

2. Benutzung eines Gefrierraums 1750,- Euro pro Monat."

Die Gebührenpflicht entstand nach § 7 Abs. 1 der Satzung mit Verwirklichung der gebührenpflichtigen Handlungen. Die Fälligkeit der Gebühren trat gemäß § 7 Abs. 2 der Satzung mit Bekanntgabe der Gebührenfestsetzung an den Schuldner ein. Gebührenschuldner war nach § 8 der Satzung der Benutzer bzw. derjenige, der die gebührenpflichtige Amtshandlung veranlasst hatte. Dies waren in der Regel allein zwei ortsansässige Fleischgroßhändler, die Foch GmbH und die Rohfleisch AG, die den Schlachthof wie eine eigene Zweigstelle nutzten.

Die Festsetzung der Gebühren war der Schlachthofverwaltung mit Hilfe einer EDV-Anlage möglich, die darauf programmiert war, nach Eingabe der erforderlichen Daten die entsprechenden Gebühren auszurechnen und das Ergebnis als endgültige Gebührenfestsetzung aufgeschlüsselt auf einem besonderen Vordruck (siehe Muster) auszudrucken.

Im Einzelnen hatte sich jedoch hinsichtlich der Gebührenfestsetzung zwischen den Fleischgroßhändlern und dem für die Schlachthofverwaltung zuständigen Gemeindebeamten, dem Stadthauptsekretär Gerd Mütlich, über Jahre hinweg ein ganz bestimmtes Verfahren eingespielt: Bezüglich der Zufuhrgebühren (§ 6 Nr. 1 der Schlachthofsatzung) orientierte sich Mütlich zunächst an den Kilogrammangaben, die sich in den Durchschriften der Identitätsfeststellungen befanden, die ihm von Huy zum Zwecke der Gebührenfestsetzung nach § 6 Nr. 2 der Schlachthofsatzung zugesandt wurden. Dies entsprach normalerweise in etwa den dem Schlachthof tatsächlich zugeführten Fleischmengen, da beide Großhändler fast nur Fleisch aus dem Ausland bezogen und sie es fast immer auch in den Gefrierräumen des Schlachthofes zwischenlagerten. Bezüglich der Gefrierräume ging Mütlich davon aus, dass die Fleischgroßhändler - wie dies auch regelmäßig der Fall war - einen Gefrierraum im Monat nutzten. Diese Daten gab er monatlich in seinen Computer ein, der auf die oben beschriebene Weise Gebührenbescheide ausdruckte, die Mütlich dann den Großhändlern zusandte. Diese kontrollierten sie, wenn sie Zeit hatten, und riefen gegebenenfalls bei Mütlich an, wenn sie der Ansicht waren, dass zuviel berechnet worden war, weil sie den Gefrierraum im entsprechenden Monat nicht genutzt und/oder weniger Fleisch dem Schlachthof zugeführt hatten, als einer Identitätsfeststellung unterzogen worden war. Mütlich ging dann bei Gelegenheit zu den Unternehmen, und die Gebührenfestsetzungen wurden anhand der Unterlagen der Großhändler von Mütlich handschriftlich korrigiert. Erst dann leitete Mütlich Durchschriften der (korrigierten) Bescheide an die Stadtkasse weiter, und die Großhändler überwiesen die festgesetzte Summe. Regelmäßig wurden diese Nachbesserungen erst Monate nach Absendung der Abrechnungen vorgenommen. Um Widerspruchsfristen hatte sich nie jemand gekümmert. In verschiedenen Einzelfällen war es in diesem Verfahren schon zu Korrekturen im Werte von bis zu 2500,- Euro gekommen, im Regelfall bestanden Abweichungen im Werte von 100,- bis 150,- Euro, nur sehr selten wurde die "Abrechnung" ohne Änderungen akzeptiert.

Schon vor zwei Jahren war nun im Stadtrat auf Anregung des Oberbürgermeisters Oskar Obenauf beschlossen worden, den für die Stadt unrentablen Schlachthof zu schließen und die Anlagen an den Meistbietenden zu verkaufen. Bald hatte die Stadt daher einen entsprechenden Kaufvertrag mit der Rohfleisch AG geschlossen. Die Übergabe sollte jedoch erst zum 1. September letzten Jahres stattfinden. Mit der "Abwicklung" des Schlachthofs betraut, musste Mütlich auch noch die letzten Gebühren erheben. Am 6. Juli letzten Jahres erhielt die Foch GmbH ein mit Datum vom 4. Juli versehenes Schreiben auf dem üblichen oben beschriebenen Vordruck, in dem sie zur Zahlung von insgesamt 8.997,- Euro aufgefordert wurde.

Anmerkung: Bitte klicken Sie hier, um die beiliegende Kopie des Bescheides einzusehen!

Dieses Schreiben hatte Mütlich verfasst, um seine Buchführung abzuschließen, da er Ende Juli in die Stadtkämmerei der Stadt Saarheim umgesetzt werden sollte.

Vollständig mit der Umorganisation seines Unternehmens beschäftigt, veranlasste der Geschäftsführer Ferdinand Foch der Foch GmbH jedoch nach Erhalt des Schreibens nichts, da er davon ausging, dass ja - wie bisher - immer noch Zeit sei, Mütlich anzurufen, um die Abrechnung, die summenmäßig völlig an den tatsächlich zu zahlenden Gebühren vorbeiging, korrigieren zu lassen. Als Foch indes am 1. August bei der Stadtverwaltung anrief, konnte er niemand erreichen, mit dem eine Klärung möglich gewesen wäre. Ende September wurde die Foch GmbH jedoch durch Schreiben der Stadtkasse Saarheim vom 21. September ultimativ aufgefordert, die 8997,- Euro bis spätestens 4. Oktober zu bezahlen, andernfalls müsse sie mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen. Foch zahlte daraufhin am 1. Oktober "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" die geforderte Summe, beauftragte jedoch am selben Tag Rechtsanwalt Rudi Rathgeber damit, ihm wieder zu seinem Geld zu verhelfen.

Rathgeber beantragte daher am 9. Oktober letzten Jahres namens der Foch GmbH, über die Rückzahlung der auf die Aufforderung vom 21. September gezahlten 8997,- Euro zu entscheiden. Er begründete diesen Antrag damit, dass der Bescheid vom 4. Juli keine eigentliche und endgültige Gebührenfestsetzung dargestellt habe und die von Mütlich erlassenen Gebührenbescheide bisher auch immer nur als vorläufige Mitteilungen gegolten hätten, so dass es auf Seiten der Stadt an einer Grundlage für die Verwirklichung des Anspruches aus dem Gebührenschuldverhältnis gefehlt habe. Vor allem hätten Anfang Juli noch nicht die Gebühren für Juli und August endgültig festgesetzt werden können, da hier ja von vornherein nur eine Schätzung möglich gewesen sei. Im August habe - was zutrifft - die Foch GmbH auch keinen Gefrierraum genutzt. Die Zufuhrgebühren für Juli seien im Übrigen wieder auf der Grundlage der Identitätsfeststellungen errechnet worden, die überhaupt nicht geeignet seien, nachzuweisen, wie viel Fleisch dem Schlachthof zugeführt worden sei. Die Schätzung der Zufuhrgebühren für Juli und August sei offensichtlich an den Identitätsfeststellungen für Juni orientiert und deshalb ebenfalls völlig aus der Luft gegriffen.

Für die Bearbeitung des Antrags fühlte sich bei der Stadtverwaltung nach Auflösung der Abteilung für die Schlachthofverwaltung niemand mehr zuständig. Er landete daher bei Oberbürgermeister Obenauf persönlich. Dort blieb er die nächsten Monate liegen. Im März dieses Jahres verlor Foch die Geduld und erhob vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes im Namen der Foch GmbH Klage gegen den Oberbürgermeister der Stadt Saarheim. Er beantragte, die Stadt zu verurteilen, ihm 8997,-Euro zu zahlen. Er machte in der Klagebegründung deutlich, dass nun das Gericht dafür sorgen solle, dass er sein Geld zurückerlange, da die Stadtverwaltung es nicht für nötig halte, seinen Antrag vom 9. Oktober letzten Jahres zu bearbeiten. Er verlange die Rückzahlung des gesamten Betrages, da es nicht seine Sache sei, die Höhe der Forderungen seiner Gläubiger zu ermitteln. Dies sei ihm hier auch gar nicht möglich, da sich - was zutrifft - die für die Gebührenfestsetzungen maßgeblichen Unterlagen teilweise ausschließlich in den Händen der Stadtverwaltung befänden und er nicht von allen Vorgängen Durchschriften erhalten habe. In seiner Klageerwiderung wies Obenauf knapp darauf hin, dass es nicht zulässig sei, den bereits abschließend geklärten Fall neu aufzurollen. Wenn die Foch GmbH den mit einer deutlich erkennbaren Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 4. Juli letzten Jahres nicht angefochten habe, ginge dies mit ihr heim.

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Bearbeitervermerk: Von der Vereinbarkeit der Schlachthofsatzung mit höherrangigem Recht ist auszugehen. Die Rechtsgrundlage für den Erlass der Identitätsfeststellungen spielt für die Falllösung keine Rolle.

Lösungsvorschlag

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Teilnehmer der Rathausführung: Nach Bearbeitung hier lang!