© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Die Stadt Saarheim betreibt unter der Domain www.saarheim.htm eine Internet-Webseite, in der unter anderem allgemeine Informationen über die Stadt Saarheim, ihre Dienstleistungen und ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort enthalten sind. Um das Angebot der Seite noch attraktiver und ihren Besuchern den Freizeitwert der Stadt Saarheim deutlich zu machen, beschließt der Stadtrat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Oskar Obenauf, nunmehr in diese Seite auch eine Rubrik "Freizeitgestaltung, Gastronomie und Beherbergung in Saarheim" aufzunehmen. Dort soll auf Wunsch der betreffenden Unternehmen deren Namen zusammen mit einer kurzen Beschreibung ihres Angebots und ihrer Lage aufgeführt und dieser Hinweis auch mit einem Link auf das eigene Internet-Angebot des jeweiligen Unternehmens versehen werden, soweit ein solches vorhanden ist. Ziel der Liste soll die Erstellung eines "möglichst vollständigen" Überblicks über die in Saarheim vorhandenen Übernachtungsmöglichkeiten, Gaststätten, Restaurants und Freizeitangebote sein. Die in Betracht kommenden Unternehmen werden durch entsprechende Hinweise auf der Web-Seite der Stadt und durch Rundschreiben auf diese neue Möglichkeit der Selbstdarstellung und das hiermit vom Stadtrat verfolgte Anliegen hingewiesen. Um den Unternehmen die Inanspruchnahme dieses "Services" zu erleichtern, findet sich zudem auf der Web-Seite der Stadt ein ausdrücklich als solches bezeichnetes Online-Antragsformular, mit dem sie ihre Aufnahme in die Linkliste insbesondere unter Angabe des Unternehmensnamens und -gegenstandes "papierlos" beantragen können. Sie werden zudem aufgefordert, in einem Ein- bis Zweizeiler - der auch "pfiffig" sein könne - die Leistungen des Unternehmens darzustellen. Diese Kurzbeschreibung werde dann - neben dem Unternehmensnamen und seiner Adresse - in die Linkliste aufgenommen. Allerdings steht über dem Formular in besonders hervorgehobener Weise: "Ein Anspruch auf Aufnahme in die Linkliste besteht nicht !!!". Wird das Formular ausgefüllt und abgeschickt, erhält der Versender eine automatisch generierte Nachricht per E-Mail, dass die Stadt Saarheim sich für das Interesse an einer Aufnahme in ihre Linkliste bedankt und dass mit einer Aufnahme gerechnet werden könne, wenn die hierfür vom Stadtrat beschlossenen Voraussetzungen erfüllt seien, es sich also bei dem Antragsteller um ein Unternehmen der Gastronomie-, Beherbergungs- oder Freizeitbranche mit Sitz in Saarheim handele. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller "in den nächsten Tagen" eine E-Mail erhalten werde, die ihm die Entscheidung über sein "Aufnahmegesuch" mitteilen werde.In einem Gespräch mit einem befreundeten Restaurantbesitzer, Filippo Pizzato, erfährt auch Lola Labelle, die in Saarheim - unter Beachtung aller einschlägigen gaststättenrechtlichen, gewerberechtlichen und jugendschutzrechtlichen Bestimmungen - den "Long Branch Steakhouse & Nightclub" betreibt, von dieser neuen Möglichkeit der Außendarstellung für Saarheimer Unternehmen. Bei nächster Gelegenheit, nämlich am 22. Februar dieses Jahres, füllt sie daher das Online-Formular aus und beantragt dort die Aufnahme des "Long Branch" in die Linkliste. Als in die Linkliste aufzunehmende Kurzbeschreibung wird angegeben "Was Männern gefällt: gute Steaks, gutes Bier, schöne Frauen, scharfer Striptease!". Nach Absendung des Formulars erhält sie auch die automatisch generierte Eingangsnachricht, jedoch keine weiteren E-Mails von der Stadt; ebenso wenig wird das "Long Branch" in die Linkliste aufgenommen. Auch als sie zwei Monate später per E-Mail nachfragt, wann denn mit der Aufnahme ihres Nachtclubs in die Linkliste zu rechnen sei, erhält sie keine Antwort. Schließlich ruft sie bei der Stadt Saarheim an, erreicht dort aber niemand, der sich für die Bearbeitung der Linkliste für zuständig erklärt. Ein Blick in die Linkliste macht ihr indes deutlich, dass ständig neue Unternehmen hinzukommen, die Liste also von der Stadt fortgeführt wird. Von Filippo Pizzato erfährt sie überdies, dass er bereits nach zwei Tagen auf seinen Antrag hin in die Linkliste aufgenommen worden sei.
Lola Labelle erhebt daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes mit dem Antrag, die Stadt Saarheim zu verpflichten, entsprechend ihrem Antrag vom 22. Februar ihren "Long Branch Steakhouse & Nightclub" in die Linkliste der Stadt Saarheim aufzunehmen.
In der Klageerwiderung führt Obenauf für die Stadt Saarheim aus, dass die Klage bereits unzulässig sei, da die Stadt Saarheim zum ersten Mal durch die Klage "in ordentlicher Form" von dem Begehren von Frau Labelle Kenntnis bekommen habe. Zwar habe die Stadt die E-Mail und den elektronischen Antrag von Frau Labelle erhalten; jedoch seien Bits und Bytes auch in der Informationsgesellschaft nur Schall und Rauch. Wenn Frau Labelle tatsächlich aus dem freiwilligen Angebot der Stadt eine "Verwaltungsangelegenheit" machen wolle, hätte sie dies zunächst formgerecht schriftlich - d. h. in Papierform - beantragen müssen. Einen solchen formgerechten Antrag habe Frau Labelle jedoch nicht gestellt. Zudem sei die Klage auch gegen den falschen Beklagten gerichtet. Jedenfalls sei sie unbegründet, weil - worauf auf der Web-Seite der Stadt Saarheim ausdrücklich hingewiesen werde - kein Anspruch auf Aufnahme in die Linkliste bestehe. Es werde zur Zeit zudem rechtlich geprüft, ob die Bereitstellung und Pflege einer derartigen Linkliste durch die Stadt fortgeführt werden könne; insoweit bestünden auf Grund verschiedener neuerer Gerichtsentscheidungen Zweifel, ob dies mit den Vorgaben zur wirtschaftlichen Betätigung einer Gemeinde vereinbar sei. Zwar sei die Stadtverwaltung dennoch von der Rechtmäßigkeit des Betriebs der Linkliste überzeugt, wolle aber möglichen Gerichtsentscheidungen durch Erfüllung von nicht bestehenden Ansprüchen auf eine Aufnahme in die Linkliste nicht vorgreifen. Ohnehin komme eine Aufnahme des Nachtclubs in die Linkliste nicht in Betracht, weil ein ausdrücklicher Hinweis auf Betriebe, die auf "geschlechtliche Animation" ausgerichtet seien, der Seriosität des offiziellen Internet-Auftritts der Stadt abträglich sei. Dies wäre mit dem Sinn der Linkliste als Instrument des Stadtmarketings und der Wirtschaftsförderung unvereinbar. Durch den Ausschluss von der Linkliste werde für Frau Labelle auch kein "Sonderrecht" geschaffen; denn ihr Unternehmen sei seiner Art nach in Saarheim einzigartig - weitere Nachtclubs und Striptease-Lokale gebe es nicht. Ihr Etablissement sei auch weder mit "normalen" Gastronomiebetrieben noch mit den Unternehmen der Freizeitgestaltung vergleichbar, an die man im Stadtrat gedacht habe, als über die Erstellung der Linkliste diskutiert worden sei. Hierbei sei es vor allem um die Freizeitangebote der Stadt selbst (Zoo, Botanischer Garten, Bibliothek, Schwimmbäder, Sportstätten) wie auch um hiermit vergleichbare Angebote privater Unternehmer (Kegelbahnen, Fitnessstudios, Solarien, Lichtspielhäuser, Spielhallen, Diskotheken) gegangen. Da das "Long Branch" jedoch weder als Restaurant noch als Freizeitunternehmen im Sinne des Stadtratbeschlusses anzusehen sei, könne Frau Labelle von vornherein nicht dessen Aufnahme in die "Linkliste" verlangen. Es obliege vielmehr allein der Entscheidung der Stadt Saarheim, ob sie sich mit ihrem "Linklistenangebot" an alle in Saarheim ansässigen Wirtschaftsunternehmen oder nur an Unternehmen bestimmter Branchen wende. Völlig ausgeschlossen sei jedenfalls eine Aufnahme in die "Linkliste" mit dem von Frau Labelle vorgeschlagenen Kurztext. Denn hier würden offenbar Frauen mit Fleisch verglichen und so zum Objekt degradiert. Dem könne die Stadt Saarheim - wegen der sexistischen und frauendiskriminierenden Intention des Textes - nicht Vorschub leisten.
Hat die Klage von Lola Labelle Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: Auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist nicht einzugehen.