(Stand der Bearbeitung: 18. Dezember 2022)
© Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Es ist zumindest ungenau, wenn von "dem" Behördenbegriff schlechthin gesprochen wird. Zu unterscheiden ist vielmehr zwischen
dem verwaltungsorganisationsrechtlichen Behördenbegriff, wie er § 47 Abs. 2 Satz 1, § 61 Nr. 3, §§ 68 ff., § 78 VwGO, § 70 Nr. 3 SGG, § 63 FGO zugrunde liegt,
und
dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff, wie er durch § 1 Abs. 4 VwVfG, § 1 Abs. 2 SGB X, § 6 Abs. 1 AO, § 1 Abs. 2 SVwVfG und die entsprechenden Vorschriften der übrigen Bundesländer definiert wird.
Die Legaldefinitionen der Verwaltungsverfahrensgesetze machen nämlich schon durch die Formulierung "Behörde im Sinne dieses Gesetzes" deutlich, dass sie den Behördenbegriff nicht schlechthin, sondern nur bezogen auf das jeweilige Gesetz definieren.
Anmerkung: Siehe zum verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff diesen Hinweis.
Der verwaltungsorganisationsrechtliche Behördenbegriff kann daher unabhängig vom verwaltungsverfahrensrechtlichen Behördenbegriff bestimmt werden.
Anmerkung: Siehe hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 230 ff.; Schnapp, in: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, 2011, S. 1187, 1195 ff.; zumindest ungenau Burgi, in: Ehlers/Pünder, § 8 Rn. 29; Maurer/Waldhoff, § 21 Rn. 30 ff.
I. Behördenbegriff als Unterfall des Organbegriffs
Der verwaltungsorganisationsrechtliche Behördenbegriff baut auf dem Begriff des Organs auf.
Anmerkung: Siehe zum Begriff des Organs diesen Hinweis.
Behörde in diesem Sinne ist jede durch Organisationsrecht gebildete Stelle, die vom Wechsel des Amtsinhabers unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen ist, unter eigenem Namen und nach außen eigenständig Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
Anmerkung: Siehe hierzu BSG, B 9 V 5/00 R v. 12.6.2001, Abs. 23 = BSGE 88, 153, 158 f.; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, § 78 Rn. 28; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 231.
Damit sind als "differentia specifica" gegenüber dem "genus proximus" des Organbegriffs folgende Merkmale genannt:
Berufung zur Vertretung nach außen,
Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.
Behörden sind also solche Organe juristischer Personen des öffentlichen Rechts, die berechtigt sind, mit Außenwirkung Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen.
Anmerkung: Siehe hierzu Schnapp, in: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke, 2011, S. 1187, 1192 f.; U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1020. Eine Sonderstellung nehmen die sog. Beliehenen (zum Begriff Maurer/Waldhoff, § 23 Rn. 58) ein: Sie werden einerseits als Behörden im verwaltungsorganisations- (und verwaltungsverfahrensrechtlichen) Sinne verstanden, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Jedoch bleibt offen, wessen Behörde sie sind, wer also Behördenträger ist: Im Amtshaftungsrecht wird - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - das Verhalten der Beliehenen unmittelbar derjenigen juristischen Person des öffentlichen Rechts zugerechnet, die sie mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut hat (BGHZ 49, 108 ff.). Hieraus ließe sich folgern, die Beliehenen seien Behörde dieser juristischen Person des öffentlichen Rechts. Ein solcher Schluss wird jedoch nicht gezogen, weil die Beliehenen nicht in die Verwaltungsorganisation dieser juristischen Person des öffentlichen Rechts eingegliedert, sondern ihr bloß angegliedert seien. Die Beliehenen werden daher als selbständige Verwaltungsträger angesehen mit der Folge, dass sie i.S.d. Verwaltungsprozessrechts nicht als "Behörde" i.S.d. § 61 Nr. 3, § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, sondern als "Körperschaft" bzw. Rechtsträger i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO behandelt werden (Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, § 78 Rn. 36). Dies ist zwar dogmatisch schwerlich zu begründen, aber herrschende Meinung (näher hierzu U. Stelkens, NVwZ 2004, 304, 305 ff.).
Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt insbesondere durch den Erlass von Verwaltungsakten (vgl. § 35 VwVfG, § 118 AO, § 31 SGB X und die entsprechenden Vorschriften der Länder) und den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge (§ 54 VwVfG, § 53 SGB X und die entsprechenden Vorschriften der Länder), kann jedoch auch durch Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen erfolgen.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1020.
Soweit bestimmte Organe auf dem Gebiet der Rechtsetzung (Erlass von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen), der Rechtsprechung und der Regierung (insbesondere im Bereich des Völkerrechts) tätig werden, sind sie dagegen keine Behörden.
Anmerkung: Siehe hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 181.
Jedoch können Organe, die hauptsächlich mit der Wahrnehmung von Nicht-Verwaltungstätigkeiten betraut sind, im Einzelfall auch mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nach außen hin betraut werden - insoweit sind sie dann Behörden (sog. funktionaler Behördenbegriff).
Anmerkung: So ist etwa der Bundestagspräsident Behörde, soweit er von seinem Hausrecht nach Art. 41 Abs. 2 GG Gebrauch macht oder nach § 19 Abs. 2 PartG die den Parteien jeweils zustehenden staatlichen Mittel festsetzt, der Bundespräsident ist Behörde, soweit er nach Art. 60 Abs. 1 GG Beamte, Richter oder Soldaten ernennt, ein kommunales Vertretungsorgan kann Behörde sein, wenn ihm das Kommunalverfassungsrecht die abschließende Entscheidung über die Zulassung eines kommunalen Bürgerbegehrens zuweist (OVG Greifswald NVwZ 1997, 306) etc. Siehe hierzu aber auch U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 50b und den Dr.-Eisenbart-Fall.
II. Der eigene Name der Behörde/Zeichnungsberechtigung
Behörden handeln für ihren jeweiligen Behördenträger, jedoch im eigenen Namen: Dies ergibt sich - bezogen auf Verwaltungsakte - mittelbar auch aus § 37 Abs. 3 VwVfG, § 33 Abs. 3 SGB X, § 119 Abs. 3 AO, § 37 SVwVfG und den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der übrigen Bundesländer. So wird als "Aussteller" eines Einkommensteuerbescheides also nicht das Bundesland ausgewiesen, dessen Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung vornimmt (vgl. Art. 108 Abs. 4 Satz 1 GG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 FVG), sondern das zuständige Finanzamt selbst.
Verständnisschwierigkeiten werfen regelmäßig die Fälle auf, in denen zur gesetzlichen Bezeichnung einer Behörde nicht eine neutrale Formulierung gewählt wird (das Landratsamt, das Ministerium für Umwelt, die Oberfinanzdirektion, das Finanzamt etc.), sondern die Behörde nach der Amtsbezeichnung des die Behörde leitenden Organwalters benannt wird, insbesondere dann, wenn diese Bezeichnung noch nach Maßgabe neuerer Gesetze je nach Geschlecht des Organwalters unterschiedlich ist. Auch in diesen Fällen ist an der Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter festzuhalten, obwohl die gesetzliche Systematik selbst diese Unterscheidung nicht zu treffen scheint.
Anmerkung: Im Saarland werden etwa die Behörden der Gemeinden und Kreise je nach Geschlecht des Organwalters entweder als "der Bürgermeister" bzw. "der Landrat" oder als "die Bürgermeisterin" oder "die Landrätin" bezeichnet (vgl. § 59 und § 178 KSVG). Dennoch liegt kein Fall der Rechtsnachfolge vor, wenn etwa während eines Verwaltungsprozesses, der im Saarland bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO gegen die Behörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen bzw. den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat, an die Stelle des früheren männlichen Bürgermeisters nun aufgrund einer Wahl eine weibliche Bürgermeisterin tritt, diese hat vielmehr den Prozess ohne weiteres fortzuführen - ein Beklagtenwechsel hat nicht stattgefunden (U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1023). Siehe hierzu auch den Ihr-Kinderlein-kaufet-Fall.
Der Organwalter, dessen Amtsbezeichnung die Behörde als Namen führt, muss auch in diesen Fällen nicht persönlich alle Aufgaben der Behörde wahrnehmen. Er hat vielmehr intern nur die Aufgabe des Behördenleiters. Er bestimmt, wer für ihn im Außenverhältnis zeichnungsberechtigt ist, welche anderen bei der Behörde beschäftigten Bediensteten also berechtigt sind, die Behörde im Außenverhältnis zu vertreten. Diese Personen handeln dann "im Auftrag" des Behördenleiters und damit für die Behörde.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 55; ders., Jura 2016, 1013, 1023.
Hieraus ergibt sich auch, dass der Behördenleiter alle von der jeweiligen Behörde zu treffenden Entscheidungen an sich ziehen (sog. Evokationsrecht) und allen bei der Behörde beschäftigten Bediensteten Weisungen erteilen kann.
III. Zuständigkeit für die Errichtung von Behörden (Organisationsgewalt) - Abgrenzung zwischen Behörde und Amt
Bei der Frage, wer für die Errichtung von Behörden zuständig ist, ist zu unterscheiden zwischen der Befugnis zur Regelung der Organisationsstruktur landes- oder bundesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts einerseits und der Befugnis zur Regelung der staatlichen Verwaltungsorganisation von Bund und Ländern andererseits.
1. Zuständigkeit für die Errichtung von Behörden bundes- und landesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere der Gemeinden
Welche und wieviele Behörden eine landes- oder bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts hat, kann nach allgemeiner Auffassung nur durch formelles Gesetz oder aufgrund eines formellen Gesetzes bestimmt werden. Nicht möglich ist deshalb die Errichtung von Behörden nur aufgrund einer (kommunalen) Satzung.
Anmerkung: Siehe hierzu VGH München, 22 B 03.1362 v. 15.3.2004 = NVwZ-RR 2004, 599, 600; U. Stelkens, LKV 2003, 489, 491; ders., Jura 2016, 1013, 1021 f.
Hieraus ergibt sich insbesondere, dass alle Kommunen eines Bundeslandes einen einheitliche Behördenaufbau haben. So kann etwa eine saarländische Gemeinde nur folgende Behörden haben (siehe hierzu auch den Dr.-Eisenbart-Fall):
den Bürgermeister (§ 59 KSVG), der alle Aufgaben der Gemeinde mit Wirkung nach außen wahrnimmt, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist;
den Stadtrechtsausschuss nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 AGVwGO, sofern ein solcher bei der jeweiligen Stadt zu bilden ist;
die Werksleitung(en) nach § 6 der saarländischen Eigenbetriebsverordnung (EigVO), sofern die Gemeinde über einen (oder mehrere) Eigenbetriebe verfügt;
die Gemeindekasse nach § 97 KSVG (Grenzfall, siehe unten);
den Standesbeamten nach § 2 Personenstandsgesetz (Grenzfall, siehe unten).
Für einen saarländischen Landkreis gilt ähnliches: Hier kommen als Kreisbehörde nur der Landrat (§ 178 KSVG), der Kreisrechtsausschuss nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AGVwGO (siehe hierzu den Sanitäter-Fall), die Werksleitung etwaiger Eigenbetriebe und (umstr., siehe unten) auch die Kreiskassen nach § 109 Abs. 1 i.V.m. § 97 KSVG in Betracht.
Weil die Einrichtung einer Behörde immer einer gesetzlichen Grundlage bedarf, kommt der internen Organisation einer Behörde - ihrer Aufteilung in verschiedene Ämter, Dezernate oder Referate - im Verhältnis nach außen keine rechtliche Bedeutung zu. Somit ist auch eine unselbständige Anstalt einer Kommune bzw. deren Leitung nicht selbst Kommunalbehörde. Ihre Angelegenheiten werden vielmehr mit Rechtswirkung nach außen nur im Namen der allgemeinen Kommunalbehörde wahrgenommen.
Anmerkung: Siehehierzu beispielsweise den Dissonanzen-Fall und den Nicht-ohne-meine-Hose-Fall.
Ebenso kann etwa ein Bediensteter, der dem Sozialamt einer Gemeinde zugewiesen ist, im Verhältnis nach außen wirksam auch Aufgaben des Einwohnermeldeamts wahrnehmen, soweit er insoweit zeichnungsberechtigt ist.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 57.
Schwierig kann die Abgrenzung zwischen Amt und Behörde allerdings in den Fällen sein, in denen einem Verwaltungsträger gesetzlich die Errichtung bestimmter Ämter vorgeschrieben wird (vgl. § 40 Abs. 1 BAföG, § 1 f. des Personenstandsgesetzes). Ob der Gesetzgeber in solchen Fällen die Errichtung einer eigenständigen Behörde beabsichtigt hat oder dem Behördenträger nur eine bestimmte interne Behördenorganisation vorschreiben wollte, lässt sich dann lediglich durch Auslegung der jeweils einschlägigen Normen bestimmen.
Anmerkung: Vgl. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 241. So spricht etwa für die Behördeneigenschaft des Standesamtes, dass § 1 des Personenstandsgesetzes die Beurkundungen des Personenstandes dem Standesbeamten als eigene Aufgabe zuweist und sie deshalb im Namen des Standesbeamten und nicht im Namen des Hauptverwaltungsbeamten (und damit der Hauptverwaltungsbehörde) der Gemeinde erfolgen. Für die Behördeneigenschaft der Gemeinde- und Kreiskassen nach § 97 und § 109 Abs. 1 KSVG spricht, dass diesen in § 29 Abs. 2 SVwVG ausdrücklich die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde zugewiesen werden und sie insoweit auch im eigenen Namen handeln (str.: bejahend: OVG Münster, III A 487/56 = DÖV 1958, 314; verneinend OVG Münster, 3 A 135/85 v. 14.5.1985 = NVwZ 1986, 761; Welsch LKRZ 2011, 446, 448 f.).
Für Übungs- und Examensarbeiten spielen diese speziellen Probleme allerdings wohl kaum eine Rolle.
2. Zuständigkeit für die Errichtung von staatlichen Behörden (Bund und Länder)
Bei Bund und Ländern fehlt eine abschließende Aufzählung der Staatsorgane. Die Verfassung regelt nur die Verfassungsorgane, jedoch weitgehend nicht die "unteren Organe". Die Organisationsverfassung von Bund und Ländern ist im Übrigen Regelungsgegenstand (verstreuter) formeller Gesetze und untergesetzlicher Normen. Die Länder haben aber teilweise auch sogenannte "Landesorganisationsgesetze" erlassen (siehe hierzu diesen Nachweis), die aber ebenfalls nur Teilfragen regeln (s. etwa die Ausnahmen bei der Geltungsbereichsbestimmung des § 1 LOG Saar). Auf Bundesebene gibt es selbst eine solche Teilkodifizierung nicht.
Was die Befugnis zur Regelung der staatlichen Verwaltungsorganisation angeht, ist zudem einiges unklar. Dies betrifft vor allem die Frage der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Legislative und Exekutive
Anmerkung: Siehe hierzu ausführlich U. Stelkens, LKV 2003, 489, 490 ff.; ferner U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1022).
Nach wohl herrschender Auffassung gilt hier Folgendes:
Im Grundsatz ist mittlerweile unstreitig, dass die Legislative grundsätzlich auch den Bereich der Verwaltungsorganisation regeln darf und dass solche Regelungen für die Verwaltung nach dem auch im Bereich der Verwaltungsorganisation geltenden Grundsatz des Gesetzesvorrangs bindend sind. Dies gilt nur dann nicht, soweit das Grundgesetz oder die Landesverfassungen etwas anderes bestimmen.
Eine solche "andere Bestimmung" wird in Art. 64 GG und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen (Saarland: Art. 87 Abs. 1 S. 2 SVerf) gesehen (in Bayern und Bremen gelten besondere Regelungen). Diese sollen das Recht zur Bildung von Ministerien und der Zuweisung ihrer jeweiligen Geschäftsbereiche jedenfalls im Grundsatz dem Regierungschef (Bundeskanzler bzw. Ministerpräsident) zuweisen. Nach § 9 der Geschäftsordnung der Bundesregierung werden dementsprechend die Geschäftsbereiche der einzelnen Bundesminister in den Grundzügen durch den Bundeskanzler festgelegt. Die Bildung von Ministerien (und damit für die Bildung von Außenvertretungsorganen der juristischen Person des öffentlichen Rechts "Staat") und die Zuweisung von Zuständigkeiten auf diese Ministerien setzt damit im Bund und in den meisten Bundesländern kein förmliches Gesetz voraus. Zugriffe des Gesetzgebers auf die Regierungsorganisation sind damit nach herrschender Auffassung insoweit nicht völlig ausgeschlossen, jedoch auf punktuelle Eingriffe in die Organisationsgewalt des Regierungschefs beschränkt, dürfen die Kabinettsbildung also nicht grundsätzlich regeln.
Anmerkung: Anderer Ansicht war der VerfGH NRW bei der Frage der Zuständigkeit zur Zusammenlegung von Justiz- und Innenministerium in Nordrhein-Westfalen: VerfGH NRW, VerfGH 11/98 v. 9.2.1999, Abs. 33 ff. = NJW 1999, 1243, 1244; siehe hierzu die Kritik bei Brinktrine, Jura 2000, 123 ff. und Menzel, NWVBl. 1999, 201 ff.
Soweit ein Gesetz einen bestimmtes Ministerium für zuständig für die Erledigung bestimmter Verwaltungsaufgaben erklärt, bedeutet dies damit, dass sie wie es auch der Staatspraxis entspricht letztlich "verfassungskonform" dahingehend auszulegen sind, dass sie nicht die Existenz eines bestimmten Ministeriums mit einer bestimmten Bezeichnung garantieren, sondern die Aufgabe dem Ministerium zuweisen, in deren Geschäftsbereich die Angelegenheit fällt, das zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes nach der damaligen Geschäftsverteilung des ausdrücklich im Gesetz benannten Ministeriums gefallen ist Davon geht im Saarland etwa auch § 4 Abs. 2 LOG aus. Für die Bundesebene enthält § 1 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes (ZustAnpG) vom 16. August 2002 (BGBl. I, S. 3165) eine entsprechende Regelung.
Anmerkung: Siehe hierzu OVG Münster, III A 197/57 v. 26.6.1957 = DÖV 1958, 156 f.
Jedenfalls die Praxis geht zudem davon aus, dass sowohl Bildung (und Auflösung) von Behörden unterhalb der Ministerialebene wie auch die Zuweisung von Zuständigkeiten auf diese Behörden auch ohne gesetzliche Grundlage durch ministeriellen zuständigkeitsregelnden Organisationserlass möglich sei, soweit durch die Verfassung oder durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Art. 86 Satz 2 GG geht für die Bundesebene von einer solchen Möglichkeit ausdrücklich aus. Nichts anderes soll jedoch auch dann gelten, wenn wie im Saarland (Art. 112 SVerf) die Kompetenz zur Regelung der Verwaltungsorganisation ausdrücklich insoweit dem Parlament zugewiesen wird, als Organisationsaufgaben "von allgemeiner und grundlegender Bedeutung" betroffen sind.
Anmerkung: Vgl. VGH München, 4 B 99.526 v. 29.12.1999 = BayVBl 2000, 245, 246; VGH München, 4 B 99.779 v. 9.8.1909 = NVwZ 2000, 829, 830. Hiernach kann die Zuständigkeit für die Gewährung von Subventionen könne durch zuständigkeitsregelnden Organisationserlass erfolgen, obwohl Art. 77 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern ausdrücklich bestimmt, dass die Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung, die Regelung der Zuständigkeiten und die Art der Bestellung staatlicher Organe durch Gesetz zu erfolgen hat. Der VGH begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Gewährung von Subventionen nach herrschender Auffassung keiner formell-gesetzlichen Grundlage bedürfe, sondern nur aufgrund entsprechender Mittelansätze im Haushaltsplan zulässig sei. Dann könne auch für die Regelung der Zuständigkeit für die Subventionsverwaltung keine gesetzliche Grundlage verlangt werden. Dem ist zuzustimmen: Man kann nicht einerseits mit der ganz herrschenden Auffassung der Lehre vom Totalvorbehalt des Gesetzes eine Absage erteilen und damit gesetzesfreie Verwaltung zulassen, um dieser Zulassung dadurch jede Wirkung zu nehmen, dass verlangt wird, die organisatorischen Vorbedingungen müssten insoweit erst vom Gesetzgeber geschaffen werden.
Folgt man dem, ist damit im Grundsatz jedoch auch die Kehrseite dieser Aussage anerkannt: Soweit es um die Durchsetzung von Maßnahmen geht, die als Eingriff dem allgemeinem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen, verlangt bereits der Vorbehalt des Gesetzes auch die Bestimmung der zu diesem Eingriff zuständigen Behörde durch oder aufgrund eines formellen Gesetzes. Im Rahmen der Eingriffsverwaltung ist damit sowohl die Behördenorganisation als auch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten nur durch oder aufgrund eines formellen Gesetzes möglich. Jedoch ist auch die Reichweite dieses Grundsatzes unklar. So ist im Saarland die in § 82 Abs. 2 SPolG vorgesehene Regelung über die Errichtung der Behörden der Vollzugspolizei nur durch eine sich selbst als "Verwaltungsvorschrift" bezeichnende Regelung erfolgt. Zweifelhaft ist zumindest, ob dies mit Art. 112 SVerf vereinbar ist.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, LKV 2003, 489, 492).
Unabhängig von diesen Einzelfragen gehen damit Rechtsprechung und Verwaltungspraxis davon aus, dass die Errichtung von Behörden der unmittelbaren Staatsverwaltung sowie die Zuweisung von Zuständigkeiten auf diese Behörden nicht zwingend durch formelles Gesetz oder gestützt auf ein formelles Gesetz durch Rechtsverordnung erfolgen muss. Vielmehr ist jedenfalls im Grundsatz die Möglichkeit anerkannt, dass solche Regelungen durch den Regierungschef, die Regierung oder die einzelnen Minister auch "auf andere Weise" erlassen werden können und zwar auch dann, wenn sie gegenüber dem der Verwaltung gegenüber stehenden Bürger unmittelbare "Außenwirkung" entfalten, etwa für die Frage, an welche Behörde er sich in einer bestimmten Angelegenheit wenden soll. Indem der Exekutive auf diese Weise eine originäre Rechtssetzungskompetenz zur Regelung unmittelbar außenwirksamer abstrakt-genereller Fragen zugesprochen wird, wird folglich neben Rechtsverordnungen und Satzungen als weitere administrative Rechtssetzungsform zur Regelung abstrakt-genereller Fragen mit unmittelbarer Außenwirkung der zuständigkeitsregelnde Organisationserlass als von den Verfassungen zugelassene Rechtsnorm sui generis anerkannt. Erfolgt die Regelung über die Außenvertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts und die Bildung ihrer Organe durch einen solchen zuständigkeitsregelnden Organisationserlass und ist diese Vorgehensweise rechtmäßig, sind diese Rechtsnormen sui generis sowohl für den betroffenen Verwaltungsträger als auch den betroffenen Bürger in gleicher Weise von Bedeutung und zu beachten, als sie es bei einer Regelung durch oder aufgrund eines förmlichen Gesetzes wären.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 301; U. Stelkens, LKV 2003, 489, 492 m. w. N. Aus der Rechtsprechung siehe RG, III 128/37 v-14.3.1939 = RGZ 162, 129, 137; BGH, IV ZR 157/50 v. 28.2.1952, Abs. 24 = BGHZ 5, 205, 212 f.; OLG Düsseldorf, Verg 30/00 v. 14.03.2001 = VergabeR 2001, 226, 228 f.
IV. Verhältnis zwischen der Zuständigkeit des Behördenträgers und der Zuständigkeit der Behörde
Die Vorschriften, die die Zuständigkeiten für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben regeln, können sich darauf beschränken, allgemein nur die Zuständigkeit eines bestimmten Verwaltungsträgers zu benennen. Dann richtet sich die Bestimmung der zuständigen Behörde nach den generell für den als zuständig bezeichneten Verwaltungsträger geltenden Bestimmungen.
Anmerkung: Siehe hierzu und zum Folgenden: U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1023.
Soweit etwa die Gemeinden oder Kreise mit bestimmten Aufgaben betraut werden, beschränken sich die einschlägigen Vorschriften regelmäßig darauf, allgemein diese Kommunen als zuständig zu bezeichnen (vgl. etwa § 5, § 6 und § 7 des saarländischen Straßenverkehrszuständigkeitsgesetzes). Welche Kommunalbehörde diese Aufgabe wahrnimmt, bestimmt sich dann nach allgemeinem Kommunalverfassungsrecht (vgl. § 59 und § 178 KSVG).
Vor allem dann, wenn eine bestimmte Aufgabe dem Bund oder den Ländern zugewiesen ist, wird regelmäßig auch angeordnet, welche Bundes- oder Landesbehörde diese Aufgabe wahrnehmen soll.
In beiden Fällen gilt, dass eine Maßnahme auch dann wegen Verstoßes gegen Zuständigkeitsvorschriften rechtswidrig ist, wenn sie nicht durch die gesetzlich zuständige, sondern durch eine andere Behörde desselben Rechtsträgers getroffen worden ist.
Anmerkung: Siehe hierzu Burgi, in: Ehlers/Pünder, § 8 Rn. 37 f.
Dies gilt selbst dann, wenn der Organwalter der gesetzlich zuständigen Behörde mit dem der unzuständigen Behörde personenidentisch ist (und wenn sich der zuständige Organwalter also letztlich nur beim Briefbogen vergriffen hat). Insoweit ist eine streng formelle Handhabung geboten, da es sich (auch) um die Frage handelt, ob der Behördenträger in einem solchen Fall ordnungsgemäß vertreten ist. Ob bei nicht ordnungsgemäßer Vertretung allerdings die fragliche Maßnahme nur rechtswidrig oder darüber hinaus auch unwirksam ist, hängt dann vom Einzelfall ab.
Anmerkung: Unwirksam sind etwa nach § 38 Abs. 1 VwVfG, § 34 Abs. 1 SGB X, § 38 Abs. 1 SVwVfG und den entsprechenden Vorschriften der übrigen Bundesländer von der unzuständigen Behörde abgegebene Zusicherungen, während von der unzuständigen Behörde erlassene Verwaltungsakte regelmäßig nicht nur nicht nichtig sind, sondern dieser Fehler sogar nach § 46 VwVfG, § 127 AO, § 42 SGB X, § 46 SVwVfG und den entsprechenden Vorschriften der übrigen Bundesländer unbeachtlich sein kann; hingegen richtet sich die Wirksamkeit eines von der unzuständigen Behörde abgeschlossenen öffentlich-rechtlicher Vertrages nach § 59 Abs. 1 VwVfG, § 58 Satz 2 SGB X, § 59 Abs. 1 SVwVfG und den entsprechenden Vorschriften der übrigen Bundesländer jeweils in Verbindung mit § 179 BGB (vgl. Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 62 Rn. 29).