© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Bei einem Kassensturz im November letzten Jahres stellte der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim Oskar Obenauf zu seiner großen Freude fest, dass die Stadt in diesem Jahr 150.000,- Euro Überschuss erwirtschaftet hatte. Da Weihnachten vor der Tür steht, beschließt er, mit diesem Geld das Weihnachtsgeschäft in der Saarheimer Innenstadt zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Saarheim anzukurbeln und zugleich den ca. 5500 kleinen Einwohnerinnen und Einwohnern seiner Stadt eine Freude zu machen. Jede Mutter eines Saarheimer Kindes unter 14 Jahren soll deshalb je 25,- Euro pro Kind erhalten, um für dieses Kind in der Saarheimer Innenstadt ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Ist die Mutter nicht erziehungsberechtigt, soll an deren Stelle der Erziehungsberechtigte treten.
Am 11. November letzten Jahres erhält daher auch Monika Jochum, die Mutter der 13-jährigen Jessica Jochum, einen Brief des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim, in dem ihr 25,- Euro "Weihnachtshilfe" angeboten werden, damit sie ein Geschenk für ihre Tochter in einem Saarheimer Einzelhandelsgeschäft kaufen könne. Sie brauche dazu nur die beiliegende Antwortkarte zurückzuschicken und - bis zum 31. Dezember - die zweckentsprechende Verwendung des Geldes mit Hilfe des Kassenzettels gegenüber der Stadt nachzuweisen.
Anmerkung: Siehe beiliegende Kopie des Schreibens.
Frau Jochum füllte daraufhin umgehend die Antwortkarte aus und erhielt postwendend das Geld überwiesen. Im Stadtrat der Stadt Saarheim stößt die Aktion Obenaufs jedoch auf wenig Gegenliebe. Man ist empört: Wie konnte der Oberbürgermeister einfach hinter dem Rücken des Stadtrates das Geld der Stadt aus dem Fenster hinauswerfen? Hierzu sei der Oberbürgermeister weder durch Gesetz ermächtigt gewesen noch finde sich im Haushaltsplan der Stadt Saarheim ein Titel "Weihnachtshilfen" oder Vergleichbares. Damit habe sich der Oberbürgermeister ohne dass die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 KSVG vorlägen über die geltende Haushaltssatzung für das laufende Jahr einfach hinweggesetzt. Dieses Verhalten könne der Stadtrat als das nach § 86 Abs. 1 KSVG für den Erlass der Haushaltssatzung zuständige Organ der Stadt nicht billigen, vielmehr verweigere er ausdrücklich seine Zustimmung zu der "Weihnachtsaktion" und fordere den Oberbürgermeister auf, diese umgehend rückgängig zu machen, soweit dies rechtlich möglich sei.
Auch Obenauf sieht ein, dass er wohl etwas voreilig gehandelt habe, zumal bis zum Stichtag des 31. Dezembers nur 1137 Verwendungsnachweise auf 5002 gewährte "Weihnachtshilfen" bei der Stadt Saarheim eingegangen waren. Er beauftragt daher den Saarheimer Gemeindebeamten Gerd Mütlich mit der Rückabwicklung der "Weihnachtshilfe". Mütlich nimmt sich als erstes die Akte "Jochum" vor und stellt fest, dass Frau Jochum keinen Kassenzettel über die Verwendung der 25,- Euro zurückgesandt hatte. Ein Telefonat mit Frau Jochum ergibt, dass das Geld auch tatsächlich nicht für ein Weihnachtsgeschenk für Jessica, sondern für das Weihnachtsmenü insbesondere für den Kauf einer prächtigen Weihnachtsgans ausgegeben worden ist, da das Kind ohnehin zu viel Geschenke erhalte. Darauf hingewiesen, dass die Stadt Saarheim prüfe, ob die 25,- Euro von Frau Jochum zurückbezahlt werden müssten, kontert diese mit der Volksweisheit "Geschenkt ist geschenkt; wiederholen ist gestohlen". Auch gehe es die Stadt gar nichts an, was sie mit ihrem Geld mache.
Mütlich überlegt daher, ob die Stadt Saarheim von Frau Jochum rechtmäßigerweise und ohne Einschaltung der Gerichte eine Rückzahlung der 25,- Euro "Weihnachtshilfe" durchsetzen kann, welche Verfahrensschritte er hierbei nicht übersehen sollte und ob es notwendig ist, dass Obenauf die hierfür notwendigen Schritte persönlich veranlasst, da er immerhin die "Weihnachtshilfe" selbst bewilligt habe, für die unpopuläre Rückforderung jedoch lieber nicht mit dem eigenen Namen einstehen wolle.
Bearbeitervermerk: Beachten Sie bei der Bearbeitung § 29 und § 59 KSVG, unterstellen Sie jedoch, dass die Gewährung von "Weihnachtshilfen" in der gewählten Form grundsätzlich in die gemeindliche Zuständigkeit fällt.