Stand der Bearbeitung: 10. Dezember 2022
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Ohne Einschaltung der Gerichte kann die Stadt Saarheim die 25,- Euro von Frau Jochum dann zurückfordern, wenn die Möglichkeit besteht, einen den entsprechenden Anspruch festsetzenden Verwaltungsakt gemäß § 35 des nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 für Gemeindebehörden geltenden SVwVfG zu erlassen. Ein solcher Verwaltungsakt könnte gegebenenfalls - ohne Einschaltung der Gerichte - nach §§ 29 ff. des gemäß dessen § 1 Abs. 1 für Gemeindebehörden geltenden SVwVG vollstreckt werden.
Da es sich bei der Festsetzung einer Rückzahlungspflicht jedoch um eine belastende Maßnahme handelt, bedürfte es hierfür nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche könnte sich aus § 49a Abs. 1 SVwVfG ergeben. Fraglich ist somit, ob die Voraussetzungen des § 49a Abs. 1 SVwVfG vorliegen oder herbeigeführt werden können (A), ob auf seiner Grundlage die gesamten 25,- Euro von Frau Jochum zurückverlangt werden können (B), welche Verfahrensvorschriften hierbei zu beachten sind (C) und schließlich, ob eine Geltendmachung dieses Anspruchs nur durch Obenauf persönlich oder auch durch Mütlich erfolgen kann (D).
A) Vorliegen oder Möglichkeit des Herbeiführens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 49a Abs. 1 SVwVfG
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG und seiner Festsetzung durch Verwaltungsakt nach § 49a Abs. 1 Satz 2 SVwVfG ist zunächst, dass die Stadt Saarheim an Frau Jochum eine Leistung erbracht hat (I) und Rechtsgrund für die erbrachte Leistung ein Verwaltungsakt war (II). Dieser müsste durch Eintritt einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden sein (III). Ist dies nicht der Fall, besteht ein Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG nur, wenn die Behörde diesen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit (nach § 48 SVwVfG) zurückgenommen (IV) oder (nach § 49 Abs. 3 SVwVfG) widerrufen hat (V).
I. Vorliegen einer Leistung der Stadt Saarheim an Frau Jochum
§ 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG nennt zwar nicht ausdrücklich Gläubiger und Schuldner des dort geregelten Erstattungsanspruchs. Jedoch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung mit § 48 Abs. 2, § 49 Abs. 3 SVwVfG, dass Gläubiger des Erstattungsanspruchs derjenige Hoheitsträger ist, der die Leistung auf eigene Rechnung gewährt hat, und dass Schuldner derjenige ist, der die Leistung erhalten hat, der Begünstigter der Maßnahme ist.
Anmerkung: Siehe hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 29 ff., 33.
Die Stadt Saarheim hat hier die "Weihnachtshilfen" aus eigenen Mitteln erbracht, so dass sie Gläubigerin des Erstattungsanspruchs ist. Fraglich ist allerdings, ob die Weihnachtshilfe hier an Frau Jochum oder nicht vielmehr an Jessica Jochum erbracht wurde, für die Frau Jochum mit den 25,- Euro ein Geschenk kaufen sollte. Eine Leistung an Jessica Jochum läge vor, wenn die Zahlung an Frau Jochum nur als bloße Durchlaufstation konzipiert wäre, eigentlicher Empfänger der Leistung jedoch Jessica sein sollte.
Anmerkung: Vgl. BVerwG, 3 C 17.98 v. 26.08.1999, Abs. 15 = NVwZ-RR 2000, 196, 198.
So liegt der Fall hier allerdings ersichtlich nicht. Eigentliches Ziel der "Weihnachtshilfe" war erkennbar die Förderung des Weihnachtsgeschäfts in Saarheim. Damit kam es dem Oberbürgermeister - wie die Ausgestaltung des Verwendungsnachweisverfahrens zeigt - weniger darauf an, dass Jessica ein Geschenk erhält, als vielmehr darauf, dass 25,- Euro in einem Saarheimer Einzelhandelsgeschäft für Gegenstände ausgegeben werden, die nicht zum täglichen Bedarf (wie Lebensmittel etc.) gehören. Dieses Ziel konnte aber nur erreicht werden, wenn die geschäftsfähigen Mütter (an Stelle der geschäftsunfähigen bzw. beschränkt geschäftsfähigen Kinder [§ 104, § 106 BGB]) Empfänger der Zuwendung werden. Dass nicht das Kind, sondern die Mutter die Begünstigte ist, zeigt sich zudem auch daran, dass nicht die Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder (§ 1629 BGB), sondern die Mutter persönlich angesprochen wurden.
Anmerkung: Vergleiche beiliegende Kopie des Schreibens des Oberbürgermeisters.
Damit ist Frau Jochum hier als Empfängerin und eigentlich Begünstigte der Zahlung von 25,- Euro anzusehen. An sie wurde somit i.S.d. § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG eine Leistung erbracht.
II. Vorliegen eines Verwaltungsakts als Grundlage für die "Weihnachtshilfe"
§ 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG ist jedoch nur anwendbar, wenn der Zahlung der 25,- Euro "Weihnachtshilfe" ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 SVwVfG zugrunde lag. Ein solcher könnte in dem Schreiben vom 10. November zu sehen sein. Bei dem Gemeindeorgan Bürgermeister (§ 29 Abs. 1, § 59 KSVG) handelt es sich um eine Behörde i.S.d. § 1 Abs. 2 SVwVfG. Fraglich ist hier allein, ob diese Behörde eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen hat. Maßgeblich ist insoweit nach Maßgabe des hier entsprechend anzuwendenden § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Betroffene von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen musste.
Anmerkung: Zur Bestimmung der Rechtsnatur einer behördlichen Maßnahme im Wege der Auslegung siehe diesen Hinweis.
Hier könnte es sowohl an den Tatbestandsmerkmalen "hoheitlich" und "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" als auch an dem Tatbestandsmerkmal "Regelung" fehlen.
1. Hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts?
Keine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts läge vor, wenn das Schreiben vom 10. November als Angebot auf Abschluss eines privatrechtlichen Schenkungsvertrages (§ 516 BGB) an Frau Jochum anzusehen wäre (unter der Auflage, hiervon ihrerseits Jessica ein Geschenk zu machen, vgl. § 525 BGB), das durch die Angabe der Kontonummer seitens Frau Jochum angenommen worden ist. Allgemein wird davon ausgegangen, dass im Falle des Nichtvorhandenseins entgegenstehender gesetzlicher Regelungen einem Hoheitsträger bei der Gewährung von Leistungen grundsätzlich Wahlfreiheit zwischen privatrechtlichen und hoheitsrechtlichen Handlungsformen zusteht.
Anmerkung: Siehe hierzu nur BGH, VIII ZB 20/20 v. 9.2.2021, Abs. 18 = BGHZ 228, 373 Abs. 18; Maurer/Waldhoff, § 3 Rn. 25.
Da die "Weihnachtshilfe" vom Oberbürgermeister ohne gesetzliche Grundlage gewährt worden ist, kommt ein privatrechtliches Handeln in Betracht, hier etwa in Form eines privatrechtlichen Zuwendungsvertrages. Ein solcher Vertrag wäre nicht als Schenkungsvertrag i. S. des § 516 ff. BGB anzusehen, sondern letztlich als ein Vertrag sui generis, wie er auch zwischen Privaten durchaus möglich ist und auch häufig vorkommt, etwa in Form privater Stipendien, oder zweckgebundener Spenden.
Anmerkung: U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 113. Siehe zu so einem Fall: SaarlVerfGH, LV 6/13 v. 8.7.2014 = NVwZ-RR 2014, 865 ff.; BGH, I ZR 63/15 v. 15.12.2016, Abs. 21 ff. = BGHZ 213, 179 Abs. 21 ff.; BGH, I ZR 272/15 v. 25.4.2019, Abs. 14 ff. = NJW 2020, 852 Abs. 14 ff.; zum Stipendienvertrag allgemein vgl. z. B. Szalai, SächsVBl. 2010, 229, 231 ff.
Fehlen besondere Anhaltspunkte für eine privatrechtliche Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses, ist jedoch nach h. M. zu vermuten, dass die Behörde hoheitlich handeln wollte.
Anmerkung: So etwa Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 102.
Als Anhaltspunkt für eine privatrechtliche Ausgestaltung könnte vorliegend allenfalls die Verwendung des Wortes "Schenkung" im zweiten Satz des Schreibens dienen. Jedoch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang letztlich unmissverständlich, dass der Oberbürgermeister von öffentlich-rechtlichen Handlungsformen Gebrauch machen wollte. Hierfür spricht bereits die Bezeichnung des "Geschenks" als "Weihnachtshilfe", die Bezeichnung des Schreibens als "Bescheid" und die Nichteinhaltung der für ein Schenkungsversprechen notwendigen Form (vgl. § 518 BGB). Damit sind die Tatbestandsmerkmale "hoheitlich" und "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" erfüllt.
Anmerkung: Siehe hierzu auch den Sanitäter-Fall.
2. Regelung?
Fraglich ist jedoch, ob das Schreiben auch eine Regelung enthält, also ein Recht begründet, aufhebt, ändert oder feststellt.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 142, 145.
Hieran könnten Zweifel bestehen, weil die Weihnachtshilfe erkennbar nur dann ausgezahlt werden sollte, wenn Frau Jochum die Antwortkarte unter Angabe ihrer Kontonummer (IBAN und BIC) zurücksendet. Daraus könnte man schließen, dass endgültig über die Vergabe der "Weihnachtshilfe" erst nach Zusendung der Antwortkarte entschieden werden sollte. Jedoch lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen, dass nach Rücksendung der Antwortkarte noch eine nähere Prüfung stattfinden soll. Vielmehr kann es nur so verstanden werden, dass die Behörde sich schon jetzt verbindlich zur Auszahlung der Weihnachtshilfe verpflichtet, sofern die Antwortkarte zurückgesendet wird. Damit hat die Behörde zwar endgültig über die Gewährung der "Weihnachtshilfe" an Frau Jochum entschieden, die von dieser Regelung intendierten Rechtsfolgen werden aber (nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG zulässigerweise) vom Eintritt der aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht, dass Frau Jochum die Antwortkarte zurücksendet.
Anmerkung: Das BVerwG hat den Begriff der Bedingung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 SwVfG in neuerer Rechtsprechung deutlich präzisiert: BVerwG, 10 C 15.14 v. 16.6.2015, Abs. 12 ff. = BVerwGE 152, 211, 213 ff. Hiernach werde eine Bedingung i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 SwVfG dadurch charakterisiert, dass sie den Eintritt oder den Wegfall einer Vergünstigung oder Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig mache. Unter den Begriff des "Ereignisses" fielen nur von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse. Für ein Ereignis sei im allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnend, dass es erlebt, gehört, gesehen, mit anderen Worten durch Wahrnehmung erfasst werden kann. Dass es sich bei dem in § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG genannten "Ereignis" um einen empirisch nachprüfbaren Vorgang handeln muss, lege auch der semantische Zusammenhang zum "Eintritt" des Ereignisses nahe, der den Zeitpunkt bestimmt, ab dem der Verwaltungsakt einen anderen Regelungsgehalt erhält. Da das künftige ungewisse Ereignis kraft Gesetzes ohne weiteren Zwischenschritt einen Rechtsverlust oder einen Rechtsgewinn herbeiführt, muss sein Eintritt auch aus Gründen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten - für den Adressaten des Bescheids, für die Behörde und ggf. für Dritte - gleichermaßen ohne Weiteres erfassbar sein. Dies sei bei äußeren, zur allgemeinen Erfahrungswelt gehörenden Tatsachen der Fall, nicht hingegen bei nur zur Gedankenwelt eines Beteiligten gehörenden Vorstellungen. Siehe hierzu auch dieseAnmerkung.
3. Ergebnis zu II
Das Schreiben vom 10. November letzten Jahres ist schließlich auch auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet und regelt einen Einzelfall, so dass es als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.
Anmerkung: Nicht überzeugend ist es, wenn die "Weihnachtshilfebewilligung" als personale Allgemeinverfügung i.S.d. § 35 Satz 2 Alt. 1 SVwVfG qualifiziert wird. Zwar werden hier mehrere gleichlautende Schreiben mehr oder weniger gleichzeitig an verschiedene Personen bekanntgegeben, jedoch rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass alle diese Schreiben insgesamt einen Verwaltungsakt darstellen. Hier liegt vielmehr in der Regel nur ein Bündel von Einzelverfügungen vor, vor allem auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die einzelnen gegenüber den verschiedenen Personen ergangenen Regelungen ohne weiteres voneinander abtrennbar sind (vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 277 ff.).
III. Unwirksamwerden des Verwaltungsakts aufgrund auflösender Bedingung?
Voraussetzung des Erstattungsanspruchs aus § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG ist weiterhin, dass der mit seiner Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG) gegenüber Frau Jochum wirksam gewordene Verwaltungsakt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG) aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist und sich hierdurch "auf andere Weise" i.S.d. § 43 Abs. 2 SVwVfG "erledigt" hat. Dann müsste der Bewilligungsbescheid mit einer auflösenden Bedingung erlassen worden (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG) und diese Bedingung eingetreten sein. Ausdrücklich ist dem Bescheid keine auflösende Bedingung beigefügt worden.
Anmerkung: Siehe zur Bestimmung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsaktes diesen Hinweis.
Jedoch könnte die Regelung über den Verwendungsnachweis als eine auflösende Bedingung zu verstehen sein, so dass die Nichteinreichung des Kassenzettels auflösende Bedingung für die Gewährung der "Weihnachtshilfe" wäre. Eine für die Annahme einer Bedingung zwingend notwendige besonders enge Verknüpfung zwischen der Verwendungsnachweisklausel und der "Weihnachtshilfebewilligung" lässt sich aber dem Bewilligungsbescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen: Es wird aus der Sicht des Empfängers, die insoweit maßgeblich ist, nicht klar, dass die "Weihnachtshilfebewilligung" mit der Einreichung des Verwendungsnachweises stehen und fallen soll, zumal die Notwendigkeit der Einreichung des Verwendungsnachweises auch ausdrücklich als "bloße Bürokratie" bezeichnet wird. Damit ist die Verwendungsnachweisklausel nicht als Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG anzusehen, die Nichteinreichung des Verwendungsnachweises führte folglich nicht zur Unwirksamkeit des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides".
Anmerkung: Nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, 10 C 15.14 v. 16.6.2015, Abs. 12 ff. = BVerwGE 152, 211, 213 ff.; hierzu bereits dieseAnmerkung), wäre es zudem wohl von vornherein ausgeschlossen, als ein die auflösende Bedingung auslösendes Ereignis etwa das Nichtvorlegen "ordnungsgemäßer" oder "nachvollziehbarer" Verwendungsnachweise zu verlangen. Wenn man mit dem BVerwG den Begriff des Ereignisses i. S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG als ein empirisch wahrnehmbares Geschehen versteht, dann muss das Vorliegen des Ereignisses für alle Beteiligten gleichermaßen wahrnehmbar und nicht davon abhängig sein, wie bestimmte Vorgänge z. B. rechtlich zu bewerten sind.
Aus demselben Grund kann auch nicht angenommen werden, dass die "Auflage", für Jessica ein Geschenk in einem Saarheimer Einzelhandelsgeschäft zu kaufen, eine auflösende Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG ist: Auch hier wird nicht hinreichend deutlich, dass der Bestand des Bescheides von der Erfüllung dieser "Auflage" abhängig sein soll; dem widerspricht auch die Verwendungsnachweisklausel, die letztlich nicht von einem automatischen Wegfall des Bewilligungsbescheides bei Nichterfüllung der "Auflage" ausgeht, sondern ein "Verwendungsnachweisverfahren" vorsieht, in dem dann über den Bestand der Bewilligung entschieden wird.
IV. Zulässigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheides nach § 48 SVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit?
Damit käme ein Erstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG nur dann in Betracht, wenn zuvor der "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" mit Wirkung für die Vergangenheit wirksam aufgehoben worden ist. Insoweit käme hier zunächst eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit in Betracht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG). Eine solche Rücknahme ist hier zwar noch nicht erfolgt, kann aber noch erfolgen, da jedenfalls die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 SVwVfG noch nicht abgelaufen ist. Fraglich ist daher, ob hier die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vorliegen.
1. Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides
Dann müsste der Bewilligungsbescheid zunächst rechtswidrig sein.
Anmerkung: Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis.
Dass die Gewährung der "Weihnachtshilfen" in der gewählten Form in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden fällt, ist nach dem Sachverhalt zu unterstellen.
Anmerkung: Es ist hier also nicht näher darauf einzugehen, ob die Gewährung einer "Weihnachtshilfe" in dieser Form eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 117, Art. 118 SVerf, § 5 Abs. 2 KSVG darstellt oder ob sie - als eine Art "Kindergeld" - gegen § 31 SGB I verstößt (vgl. hierzu OVG Münster, 15 A 569/91 v. 19.1.1995 = NVwZ 1995, 718 f.). Im Ergebnis dürfte es sich bei der Gewährung der "Weihnachtshilfe" tatsächlich um eine in den Wirkungskreis der Stadt fallende Selbstverwaltungsangelegenheit handeln, da ihr eigentliches Ziel die kommunale Wirtschaftsförderung war (siehe oben A I).
Die Rechtswidrigkeit könnte sich hier aber aus dem Fehlen einer gesetzlichen Subventionsermächtigung ergeben. Dann müsste der Vorbehalt des Gesetzes des Art. 20 Abs. 3 GG nicht nur für die Eingriffs-, sondern auch für die Leistungsverwaltung gelten. Hinsichtlich der Gewährung von Leistungen durch den Bund oder die Länder ist höchst umstritten, ob der in Art. 20 Abs. 3 GG vorausgesetzte Vorbehalt des formellen (und materiellen) Gesetzes auch im Bereich der Leistungsverwaltung gilt. Welcher Ansicht zu folgen ist kann hier aber dahinstehen.
Anmerkung: Siehe hierzu Bungenberg/Motzkus, WiVerw 2013, 73, 82 ff.; Ehlers, DVBl. 2014, 1, 3 f.; Grimmeiß, DVBl. 2021, 1414, 1415; Korte, Jura 2017, 656, 657 f.; Krönke, NVwZ 2022, 1606, 1611; Maurer/Waldhoff, § 6 Rn. 19 ff.; siehe hierzu ferner den Sanitäter-Fall (insbesondere auch zu der Frage, ob und inwieweit sich diese Diskussion auf die kommunale Leistungsverwaltung übertragen lässt).
Selbst die herrschende Meinung, welche insbesondere für die Gewährung von Zuwendungen eine gesetzliche Grundlage nicht für erforderlich hält, verlangt nämlich eine etatmäßige Bereitstellung der für die Zuwendung erforderlichen Mittel im Haushaltsplan der zuwendungsgewährenden Körperschaft als eine hinreichende, aber auch notwendige Legitimation verwaltungsmäßigen Handelns.
Anmerkung: Vgl. für Subventionen durch Bund oder Land: BVerwG, VII C 6/57 v. 21.03.1958, Abs. 21 = BVerwGE 6, 282, 287; BVerwG, VII C 146.63 v. 12.6.1964 = BVerwGE 18, 352, 353; BVerwG, 3 C 111/79 v. 26.04.1979, Abs. 16 f. = BVerwGE 58, 45, 49; BVerwG, VII C 59/75 v. 17.03.1977, Abs. 11 = NJW 1977, 1838.
Fehlt diese, kann die Gewährung einer Zuwendung durch eine Behörde somit grundsätzlich nicht in rechtmäßiger Weise erfolgen.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 3 C 54/01 v. 18.7.2002, Abs. 22 = NVwZ 2003, 92, 93; VGH Mannheim, 9 S 1858/03 v. 15.10.2003, Abs. 5 = NJW 2004, 624.
Aus dem Sachverhalt ergibt sich insofern eindeutig, dass ein Ansatz im Haushaltsplan der Stadt Saarheim für die Gewährung der "Weihnachtshilfen" nicht vorlag, der Oberbürgermeister somit insoweit eigenmächtig - und damit rechtswidrig - gehandelt hat, zumal auch die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 KSVG ersichtlich nicht gegeben waren. Damit ist der "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" rechtswidrig.
2. Besondere Voraussetzungen für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte
Da die Bewilligung der Weihnachtshilfe eine Begünstigung in Form einer einmaligen Geldleistungsgewährung für Frau Jochum darstellt, ist jedoch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG die Rücknahme des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides" nur nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 Satz 1 SVwVfG möglich. Dementsprechend wäre eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides ausgeschlossen, soweit Frau Jochum auf dessen Bestand vertraut hat und ihr Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
Anmerkung: Einführend zur Vertrauensschutzprüfung nach § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG: Martini, JA 2016, 830 ff.
Fraglich ist daher zunächst, ob Frau Jochum auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat. Dem Sachverhalt lässt sich dies nicht ohne weiteres entnehmen, doch ist auch kein Grund ersichtlich, warum Frau Jochum nicht auf die Gültigkeit des Bescheides vertraut haben sollte; denn von dem Grund der Rechtswidrigkeit der "Weihnachtshilfebewilligung" musste sie keine Kenntnis haben. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann daher davon ausgegangen werden, dass ein Vertrauen bestand.
Anmerkung: Vgl. BVerwG, I WB 166/84 v. 25.06.1988, Abs. 20 = BVerwGE 83, 195, 198.
Jedoch ist zweifelhaft, ob dieses Vertrauen auch schutzwürdig ist. Insoweit könnte das Regelbeispiel des § 48 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG einschlägig sein, nach dem das Vertrauen schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte die Leistung verbraucht hat. Dies ist der Fall, wenn der Verbrauch der gewährten Leistung in ursächlichem Zusammenhang mit dem Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes steht.
Anmerkung: Siehe hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 141.
Dies wäre etwa dann anzunehmen, wenn Frau Jochum das Geld tatsächlich für ein Geschenk für Jessica ausgegeben hätte. Gerade dies hat sie jedoch nicht getan, sondern das Geld für das Weihnachtsmenü verwendet. Daher könnte die Annahme nahe liegen, dass Frau Jochum die ihr gewährten 25,- Euro noch gar nicht im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG "verbraucht" hat. Jedenfalls liegt hier ein eindeutiger "Fehlverbrauch" vor, der nicht als "schutzwürdig" im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 SVwVfG angesehen werden kann.
Anmerkung: Wer dies nicht sieht, muss darauf eingehen, ob das Regelbeispiel für fehlende Schutzwürdigkeit des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SVwVfG einschlägig ist. Dem steht nicht bereits entgegen, dass der "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" Frau Jochum "ungefragt" bekanntgegeben wurde. Denn er hatte zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe an Frau Jochum noch keine "innere Wirksamkeit" erlangt. Vielmehr war Voraussetzung für das materielle In-Kraft-Treten der Regelung erst noch die Rücksendung der Antwortkarte, da die Regelung des Bescheides insoweit aufschiebend bedingt war (s.o. A II). Daher kann man annehmen, dass das Erwirken einer aufschiebenden Bedingung, welches einem Verwaltungsakt erst die "innere Wirksamkeit" verleiht, dem Erwirken eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SVwVfG zumindest gleichzusetzen ist. Jedoch ergeben sich aus dem Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass das - mit der Rücksendung der Antwortkarte zumindest konkludent erklärte - Einverständnis zu der "Auflage" zum damaligen Zeitpunkt bereits "unrichtig" war; was sich Frau Jochum zu diesem Zeitpunkt dachte, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen.
Damit ist das Vertrauen von Frau Jochum auf den Bestand des Bescheides in Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an seiner Rücknahme nicht schutzwürdig, so dass die Rücknahme des Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG nicht ausgeschlossen ist.
3. Rücknahmeermessen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 40 SVwVfG)
Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Rücknahme des Bewilligungsbescheides - auch mit Wirkung für die Vergangenheit - liegen also vor. Ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 SVwVfG der Verwaltungsakt zurückgenommen wird, steht jedoch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG im Ermessen der Behörde. Damit kommt eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG nur in Betracht, wenn dies nicht ermessensfehlerhaft wäre, wenn also hierdurch die Grenzen des Ermessens des § 40 SVwVfG nicht überschritten würden.
Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass kein Verstoß gegen den Zweck der Ermessensermächtigung darin zu sehen ist, dass die Rücknahme hier erfolgen würde, um den Rückerstattungsanspruch nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG auszulösen, also im Wesentlichen fiskalische Gesichtspunkte hierfür maßgeblich wären: Vielmehr lenken gerade die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das Ermessen im Regelfall dahin, Entscheidungen, die entgegen haushaltsrechtlichen Grundsätzen getroffen worden sind (s. o. A IV 1), zurückzunehmen.
Anmerkung: Vgl. hierzu BVerwG, 3 C 22/96 v. 16.6.1997, Abs. 14 ff. = BVerwGE 105, 55, 57 ff.; OVG Bautzen, 6 A 565/18 v. 14.7.2020, Abs. 35 = NVwZ-RR 2021, 410 Abs. 35; OVG Münster, 15 A 2792/18 v. 15.8.2019, Abs. 21 ff. = NVwZ-RR 2020, 333; ausführlich zur Rechtsprechungsentwicklung in diesem Zusammenhang Folnovic/Hellriegel, DVBl. 2020, 1571 ff.; Roth, GewArch 2021, 186 ff.; zum hiermit angesprochenen Problem des intendierten Ermessens siehe den Freudenhaus-Fall.
Dass die Grenzen des Ermessens nicht eingehalten würden, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei einer Rücknahme nicht beachtet würde, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Anmerkung: Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip als Ermessensgrenze i. S. des § 40 Alt. 2 VwVfG, § 114 Satz 1 Alt. 1 VwGO: BVerfG (K), 2 BvR 1487/17 v. 24.7.2017, Abs. 41 = NVwZ 2017, 1526 Abs. 41; BVerwG, 1 VR 3/17 v. 13.7.2017, Abs. 11 = NVwZ 2017, 1531 Abs. 11; allgemein zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis.
Damit wäre die Rücknahme der "Weihnachtshilfebewilligung" auch mit Wirkung für die Vergangenheit nicht ermessensfehlerhaft.
4. Ergebnis zu IV
Die Voraussetzungen der Rücknahme der "Weihnachtshilfebewilligung" mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 SVwVfG liegen also vor. Durch eine solche Rücknahmeentscheidung kann die Stadt Saarheim somit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG herbeiführen.
V. Zulässigkeit des Widerrufs des Bewilligungsbescheides nach § 49 Abs. 3 SVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit?
Fraglich ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG auch dadurch herbeigeführt werden könnten, dass der "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 49 Abs. 3 SVwVfG wirksam widerrufen wird.
Anmerkung: Zu den Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 VwVfG zusammenfassend Folnovic/Hellriegel, NVwZ 2016, 638 ff.
1. Anwendbarkeit des § 49 Abs. 3 SVwVfG
Bei dem "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" handelt es sich um einen eine Geldleistung bewilligenden, begünstigenden Verwaltungsakt (s. o. A IV 2). Diese Geldleistung soll auch nur zweckgebunden eingesetzt werden: Erkennbar dient die Ausschüttung der "Weihnachtshilfe" dem Zweck, den Saarheimer Einzelhandel zu fördern, insbesondere soweit er Artikel führt, die für Kinder und Jugendliche geeignet sind. Dies wird in dem Bewilligungsbescheid unmissverständlich deutlich, weil sogar ausdrücklich eine Überprüfung der zweckentsprechenden Verwendung angekündigt wird.
Anmerkung: Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 94.
Für den Widerruf des Bescheides wäre somit grundsätzlich § 49 Abs. 3 SVwVfG einschlägig.
Jedoch ist fraglich, ob diese Vorschrift überhaupt Anwendung finden kann, da es sich bei dem Bescheid - wie oben (A IV 1) festgestellt - um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, § 49 Abs. 3 SVwVfG jedoch nur den Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte ausdrücklich zulässt. Allerdings ist weitgehend anerkannt, dass rechtswidrige Verwaltungsakte erst recht auch nach § 49 Abs. 3 SVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden können, da dort, wo der rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen werden kann, der rechtswidrige keinen Schutz vor Aufhebung verdient.
Anmerkung: So etwa BVerwG, 8 C 33.84 v. 21.11.1986, Abs. 9 = NVwZ 1987, 498; BVerwG, 8 C 16/17 v. 19.8.2018, Abs. 13 ff. = BVerwGE 163, 102 Abs. 13 ff.; BVerwG, 8 C 7/18 v. 12.9.2019, Abs. 14 = GewArch 2020, 66 Abs. 14; OVG Münster, 4 A 466/14 v. 10.11.2016, Abs. 28 = GewArch 2017, 157; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 6; Struzina, DÖV 2017, 906 ff.; anders Ehlers, GewArch 1999, 305, 312.
Dies führt dazu, dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes letztlich kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal des § 49 SVwVfG mehr ist. Damit stellt sich die Frage, ob einer der Tatbestände des § 49 Abs. 3 vorliegt.
2. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG
Hier kommt zunächst der Tatbestand des § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG in Betracht. Dann müsste Frau Jochum die erhaltene Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den im Bewilligungsbescheid vom 10. November bestimmten Zweck verwenden. Hier hat Frau Jochum die "Weihnachtshilfe" nicht für ein Geschenk für Jessica, sondern für das Weihnachtsmenü verwendet. Damit ist fraglich, ob die Verwendung des Geldes für den Kauf eines Geschenkes für Jessica als "Zweck" der "Weihnachtshilfebewilligung" anzusehen ist. Da die Ausschüttung der "Weihnachtshilfe" dem im Bescheid erkennbar gewordenen Zweck dient, den Saarheimer Einzelhandel für Spielsachen, nicht aber den Lebensmitteleinzelhandel zu fördern, wird man dies bejahen müssen. Damit liegt der Tatbestand des § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG vor.
3. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 2 SVwVfG
Darüber hinaus könnte auch noch der Tatbestand des § 49 Abs. 3 Nr. 2 SVwVfG vorliegen. Dann müsste mit dem "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" eine Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 SVwVfG verbunden sein, die nicht erfüllt wurde.
Anmerkung: Zur Bestimmung des Regelungsinhalts eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis.
Eine solche Auflage könnte zunächst in der ausdrücklich als solche bezeichneten Auflage zu sehen sein, mit den 25,- Euro ein Weihnachtsgeschenk für Jessica zu kaufen. Jedoch steht diese Bestimmung nicht selbständig neben der Weihnachtshilfebewilligung, sondern ist Gegenstand der Bewilligung selbst, nämlich die Zweckfestsetzung i.S.d. § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG; dies wird auch daran deutlich, dass die Stadt Saarheim erkennbar kein Interesse daran haben kann, die "Auflage" zwangsweise durchzusetzen.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 102.
Eine unabhängig davon bestehende Auflage könnte aber die Aufforderung zur Vorlage des Verwendungsnachweises sein. Allerdings ist auch dies nicht anzunehmen, da nicht unmissverständlich deutlich wird, dass eine Pflicht zur Vorlage des Verwendungsnachweises besteht (Verwendung des Wortes "Bitte"). Die Behörde ist auch erkennbar nicht daran interessiert, die Vorlage des Verwendungsnachweises im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen zu können . Durch diese Regelung soll vielmehr nur eine Obliegenheit begründet werden, die der Behörde die Prüfung erleichtern soll, ob die bewilligten Mittel zweckentsprechend eingesetzt wurden oder ob ein Widerruf nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG in Betracht kommt.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 103.
Damit kann der "Weihnachtshilfebewilligungsbescheid" nicht auch nach § 49 Abs. 3 Nr. 2 SVwVfG widerrufen werden.
4. Ergebnis zu IV
Damit lägen auch die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG vor. Ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 SVwVfG der Verwaltungsakt widerrufen wird, steht jedoch im Ermessen der Behörde. Gründe, weshalb ein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit im vorliegenden Fall gegen den Zweck der Ermächtigung oder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i.S.d. § 40 SVwVfG verstoßen sollte, sind jedoch nicht erkennbar (s.o. A IV 3). Damit könnten auch durch einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 SVwVfG die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG herbeigeführt werden.
VI. Ergebnis zu A
Damit können die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG durch Aufhebung des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides" nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG herbeigeführt werden.
B) Umfang des Erstattungsanspruchs
Fraglich ist weiterhin, ob nach Herbeiführung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG auf dieser Grundlage die gesamten 25,- Euro von Frau Jochum zurückverlangt werden können. Der Umfang der Erstattungspflicht richtet sich aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 49a Abs. 2 Satz 1 SVwVfG grundsätzlich nach Maßgabe der §§ 818 ff. BGB.
Hiernach ist u. a. das Erlangte zu erstatten, also die gesamten 25,- Euro. Jedoch könnte dem der Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegenstehen. Dass Frau Jochum um die 25,- Euro entreichert ist, könnte naheliegen, da das Geld für das Weihnachtsmenü verbraucht wurde und deshalb auch kein Gegenwert mehr im Vermögen von Frau Jochum vorhanden ist.
Anmerkung: Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 47.
I. Entreicherungseinwand bei rückwirkender Aufhebung nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG
Da Frau Jochum jedenfalls die Umstände kannte, die zur Aufhebung der "Weihnachtshilfebewilligung" nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG berechtigen (s. o. A V), ist die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB jedoch vorliegend nach § 49a Abs. 2 Satz 2 SVwVfG ausgeschlossen, sofern die rückwirkende Aufhebung der "Weihnachtshilfebewilligung" auf § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG gestützt wird.
II. Entreicherungseinwand bei rückwirkender Aufhebung nach § 48 SVwVfG
Demgegenüber könnte sich Frau Jochum auf den Wegfall der Bereicherung nach § 49a Abs. 2 Satz 1 SVwVfG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB berufen, soweit eine Aufhebung nach § 48 SVwVfG erfolgt, da Frau Jochum die Rechtswidrigkeit des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides" weder kannte noch kennen musste (s. o. A IV 2).
III. Ergebnis zu B
Deshalb sollte Mütlich von der Aufhebungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SVwVfG Gebrauch machen, um Frau Jochum die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung abzuschneiden.
Anmerkung: Nach Verzinsungsansprüchen war hier nicht gefragt, so dass hierauf nicht näher einzugehen ist.
Da somit grundsätzlich möglich ist, eine Erstattung der 25,- Euro gegenüber Frau Jochum durchzusetzen, stellt sich die Frage, welches Verfahren Mütlich beachten muss, um dies zu tun. Da die Festsetzung des Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 2 SVwVfG durch Verwaltungsakt erfolgt, sind insoweit die §§ 9 ff. SVwVfG zu beachten.
I. Verbindung von Aufhebung und Festsetzung des Erstattungsanspruchs in einem Bescheid
Zunächst ist festzustellen, dass sowohl der Widerruf der "Weihnachtshilfebewilligung" wie auch die Festsetzung der Erstattungsanspruchs in einem einheitlichen Bescheid festgesetzt werden kann, so dass insgesamt nur ein Verwaltungsverfahren durchzuführen ist. Soll keine einheitliche Festsetzung stattfinden, muss die Aufhebungsentscheidung vor der Erstattungsfestsetzung erfolgen, da sonst die Tatbestandsvoraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 49a Abs. 1 Satz 1 SVwVfG nicht vorliegen.
II. Notwendigkeit einer Anhörung?
Die nach § 28 Abs. 1 SVwVfG an sich erforderliche Anhörung muss im vorliegenden Fall nicht mehr durchgeführt werden, da sie bereits telefonisch stattgefunden hat. In diesem Gespräch hatte Frau Jochum - in Kenntnis einer beabsichtigten Rückgängigmachung des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides" - ausreichend Gelegenheit, zu den tatsächlichen Fragen, die der Fall aufwirft, Stellung zu nehmen.
Anmerkung: Dass der Anzuhörende darüber informiert wird, wozu ihm Gelegenheit zur Anhörung gegeben werden soll ist wesentlich für eine ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung. Diese kann ihren Sinn nur erfüllen, wenn die Behörde den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt so konkret umschreibt, dass für den Beteiligten hinreichend klar und erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung er zu welchem Zeitpunkt zu rechnen hat (BVerwG, 9 VR 2/17 v. 17.8.2017, Abs. 9 = NVwZ 2018, 268 Abs. 9; BVerwG, 8 C 11/21 v. 25.5.2022, Abs. 20 = NVwZ 2022, 1919 Abs. 20; OVG Lüneburg, 11 LA 69/21 v. 2.9.2021, Abs. 17 ff. = NdsVBl. 2022, 53, 54). Andernfalls hat der Betroffene letztlich keine Möglichkeit, durch eine Darstellung seiner Sicht der Dinge Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Gerade dies ist aber Sinn und Zweck der Anhörung (Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 28 Rn. 35); siehe hierzu auch den Sanitäter-Fall.
III. Formanforderungen
Nach § 49a Abs. 1 Satz 2 SVwVfG ist für die Erstattungsdurchsetzung zwingend Schriftform vorgeschrieben, so dass § 37 Abs. 3 SVwVfG zu beachten und der Verwaltungsakt nach § 39 SVwVfG zu begründen ist.
IV. Bekanntgabe
Der Verwaltungsakt muss schließlich, um nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG wirksam zu werden, Frau Jochum gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG ordnungsgemäß bekanntgegeben werden.
D) Muss Obenauf persönlich unterschreiben?
Obenauf müsste persönlich unterschreiben, wenn nur er persönlich befugt wäre, Verwaltungsakte im Namen des Organs "Oberbürgermeister" (vgl. § 29 Abs. 1 und 3 KSVG) zu erlassen. Hierfür könnte sprechen, dass die Behörde "Oberbürgermeister" als Namen die Amtsbezeichnung des "Organträgers" i.S. des § 30 KSVG führt und diese Amtsbezeichnung auch noch nach dem Geschlecht des jeweiligen Amtsinhabers wechselt.
Jedoch folgt hieraus nicht, dass deshalb allein persönliche Handlungen derjenigen Person, die Oberbürgermeister ist, dem Organ/der Behörde "Oberbürgermeister der Stadt Saarheim" und damit der Stadt Saarheim selbst zugerechnet werden können. Vielmehr ergibt sich aus § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG ("Der Bürgermeister leitet die Gemeindeverwaltung") eindeutig, dass er nicht alles selbst machen muss, sondern die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Behörde "Oberbürgermeister" auch Gemeindebediensteten zur selbständigen Ausübung übertragen kann. Er muss ihnen insoweit nur die sog. "Zeichnungsbefugnis" (Vertretungsmacht) übertragen. Dies hat Obenauf hier mit der Beauftragung Mütlichs getan, der deshalb den gegenüber Frau Jochum zu erlassenden Verwaltungsakt selbst unterschreiben kann, wobei üblicherweise eine Zeichnung "i.A." erfolgt. Hierdurch wird das Handeln Mütlichs dem Organ "Oberbürgermeister" zugerechnet.
Anmerkung: Siehe hierzu ausführlich U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1022 f.; vergleiche auch zur Unterscheidung zwischen juristischer Person, Organ und Organwalter diesen Hinweis und zur Frage der Zeichnungsbefugnis diesen Hinweis.
Damit muss Obenauf die Aufhebung des "Weihnachtshilfebewilligungsbescheides" und die Festsetzung des Erstattungsanspruchs nicht persönlich unterschreiben, damit diese dem Organ "Oberbürgermeister der Stadt Saarheim" zugerechnet werden kann.
Fragen und Anregungen zur Lösung? stelkens@uni-speyer.de