Bundesverwaltungsgericht
Beschluss vom 25.06.1986
- I WB 166/84 -
(weitere Fundstellen: BVerwGE 83, 195 ff.)
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Leitsatz: |
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Bei fehlerhafter Berechnung von Heimaturlaub zugunsten des Soldaten kann der Aufhebung des Gewährungsbescheides und der Neuberechnung das Gebot angemessenen Vertrauensschutzes entgegenstehen. |
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Tatbestand: |
1. |
Der Antragsteller besuchte vom 14. März 1981 bis zum 30. September 1983 die US Naval Postgraduate School in M/Cal. (USA). Am 23. Dezember 1982 meldete der Deutsche Militärische Bevollmächtigte USA/CA, daß dem Antragsteller aus zwingenden dienstlichen Gründen während der Dauer seiner Verwendung Heimaturlaub nicht gewährt werden könne. Am 14. März 1983 beantragte der Antragsteller Heimaturlaub vom "05.10. - Festsetzung durch P" mit Reisetagen vom 1. bis 4. Oktober 1983. Der Disziplinarvorgesetzte befürwortete dies und meldete, daß aus dem Urlaubsjahr 1982 16 Werktage Erholungsurlaub übertragen worden seien. Darauf genehmigte der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) mit Bescheid vom 15. April 1983 Heimaturlaub und anteiligen Heimaturlaub (für die Zeit nach dem 14. März 1983) vom 5. Oktober 1983 bis 29. Dezember 1983, d.h. zwei Monate und 25 Kalendertage zuzüglich Reisetage. Gleichzeitig wurde der Erholungsurlaub für das Jahr 1983 als abgegolten erklärt. Am 20. Mai 1983 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Auslandsverwendung bis zum 6. Oktober 1983. Am 11. Juni 1983 beantragte er, zehn Werktage des übertragenen Erholungsurlaubs 1982 aus der Berechnung herauszulösen. Daraufhin setzte der BMVg am 15. Juli 1983 den Heimaturlaub erneut fest, und zwar nunmehr vom 11. Oktober 1983 bis 24. Dezember 1983, d.h. auf zwei Monate und 14 Kalendertage zuzüglich vier Reisetage. Er bat, den Bescheid vom 15. April 1983 zu berichtigen. |
2. |
Mit Bescheid vom 10. November 1983 änderte der BMVg - P IV 4 - die Heimaturlaubsberechnung erneut und hob die Bescheide vom 15. April und 15. Juli 1983 auf. Der Heimaturlaub sei auf einen Monat und 16 Tage zu verkürzen, also auf den Zeitraum vom 10. Oktober bis 25. November 1983. Dafür behalte der Antragsteller noch einen Anspruch auf 24 Werktage Erholungsurlaub für das Jahr 1983. Die veränderte Berechnung ergebe sich daraus, daß die Berechnung des Heimaturlaubs nicht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 HUrlV und Nr. 60 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zur Soldatenurlaubsverordnung (AusfBest SUV) hätte erfolgen dürfen, sondern gemäß § 8 Nr. 2 SUV. Danach sei - wenn der nach § 5 HUrlV zustehende Heimaturlaub zu einem späteren Zeitpunkt angetreten wird - auf den Heimaturlaub der gewährte Erholungsurlaub jeweils des Jahres anzurechnen, in dem Heimaturlaub regelmäßig zustehe (hier 1982) und nicht des Jahres, in das er überwiegend falle (hier 1983). Es müßten daher 27 Werktage = 31 Kalendertage in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs des Kalenderjahres 1982 angerechnet werden. Außerdem sei durch die Beendigung der Auslandsverwendung am 5. Oktober 1983 der Heimaturlaub samt Reisetagen um einen Tag vorzuverlegen gewesen. |
3. |
Der Antragsteller hatte am 28. November 1983 den Dienst bei seiner neuen Dienststelle anzutreten. |
4. |
Gegen den Bescheid vom 10. November 1983 beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 27. November 1983, beim BMVg eingegangen am 30. November 1983, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - Wehrdienstsenate -. Der BMVg legte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit seiner Stellungnahme vom 16. November 1984 dem Senat zur Entscheidung vor. |
5. |
Der Antragsteller führt zur Begründung aus, durch die Neuberechnung der Heimaturlaubstage habe sich die Gesamtzahl der Urlaubstage (einschließlich Erholungsurlaub) nicht verändert. Lediglich die Besoldung für diesen Zeitraum habe sich verschlechtert, da durch die Verkürzung des Heimaturlaubs entsprechend weniger an Auslandsbezügen zu zahlen gewesen seien. Durch die Neuberechnung verliere er 3.592 DM, die er fest erwartet und zur Bezahlung der Grunderwerbssteuer für eine am 10. November 1983 erworbene Eigentumswohnung fest eingeplant gehabt habe. |
6. |
Er beantragt, den Bescheid vom 10. November 1983 aufzuheben. |
7. |
Der BMVg beantragt, den Antrag zurückzuweisen. |
8. |
Er trägt vor, es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags, da es dem Antragsteller letztlich nicht um die truppendienstliche Maßnahme der Heimaturlaubsfestsetzung gehe, sondern um die damit verbundenen höheren Bezüge, deren Berechnung eine reine Verwaltungsangelegenheit darstelle. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Nach dem Rechtsgedanken des § 48 VwVfG hätte der Bescheid vom 15. Juli 1983 zurückgenommen werden können. Da der Antragsteller seinen Heimaturlaub entgegen den Regelungen der Heimaturlaubsverordnung aus zwingenden dienstlichen Gründen erst am Ende seiner Auslandsverwendung angetreten habe, hätte gemäß § 8 Nr. 2 Satz 2 SUV der Erholungsurlaub des Jahres 1982 angerechnet werden müssen (Nr. 61 Abs. 4 AusfBest SUV) und nicht der Erholungsurlaub des Jahres 1983 (Nr. 60 Abs. 2 Satz 2 AusfBest SUV). Der Bescheid sei unanfechtbar und begünstigend gewesen. Durch ihn sei das Bestehen des Anspruchs auf Heimaturlaub und seines Umfangs verbindlich festgestellt worden. Der Bescheid habe eine Sachleistung im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG gewährt. Die Rücknahme hätte jedoch erfolgen dürfen, weil die mit dem Bescheid vom 15. Juli 1983 gewährten Leistungen am 10. November 1983 noch nicht verbraucht gewesen seien. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Bescheides vom 15. Juli 1983 sei bei dieser Sachlage nicht gegeben gewesen; dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung nicht gerechtfertigter Aufwendungen sei der Vorrang einzuräumen gewesen. Im übrigen habe der Bescheid weder eine Geldleistung im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG gewährt noch sei er hierfür Voraussetzung gewesen. Für die Gewährung der Zuschläge zur Besoldung als mittelbar mit dem Verwaltungsakt verbundener Vorteile hätte es noch eines gesonderten Verwaltungsaktes bedurft. |
9. |
Der Antragsteller hat darauf erwidert, der rechtmäßige Bescheid vom 15. Juli 1983 habe nach § 49 Abs. 2 VwVfG nicht widerrufen werden dürfen. Der Widerruf des ursprünglich gewährten Heimaturlaubs sei weder im öffentlichen Interesse geboten noch um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen; außerdem habe er von seinem Heimaturlaub bereits "Gebrauch gemacht" gehabt (§ 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Dies ergebe sich daraus, daß der Urlaub vom 11. Oktober bis 24. Dezember 1983 als Heimaturlaub - nicht lediglich als Erholungsurlaub - genommen worden sei, sowie daraus, daß ihm am 28. November 1983 im Rahmen einer Überweisung der Wehrbereichsverwaltung 11.216,34 DM angewiesen worden seien, die den zwischen Gewährung vom Heimat- und Erholungsurlaub bestehenden Differenzbetrag in Höhe von 3.508,23 DM umfaßt hätten. Dieser Teilbetrag sei von seinem Konto später fernmündlich wieder abgebucht worden. |
10. |
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht vorliegenden Akten verwiesen. |
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Entscheidungsgründe: |
11. |
1. Der Antrag ist zulässig (§ 21 Abs. 1,Abs. 2 Satz 1, § 17 WBO). |
12. |
a) Die auf der Grundlage des § 28 SG i.V.m. §§ 1 und 8 SUV sowie der Heimaturlaubsverordnung erfolgte Urlaubsgewährung stellt eine im Rahmen des Über- und Unterordnungsverhältnisses ergangene Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO dar. Sie enthält eine selbständige, Außenwirkung erzeugende Regelung eines Einzelfalles und nicht nur die interne Prüfung eines Anspruchselements. Sie ist Voraussetzung für die Auszahlung der begehrten Unterschiedsbeträge gemäß § 58 BBesG mit der Folge, daß die Rechtswidrigkeit ihrer Verweigerung vor den Wehrdienstgerichten geltend gemacht werden kann (BVerwG Beschluß vom 18. Januar 1977 - 1 WB 60/76 -; ständige Rechtsprechung). |
13. |
b) Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Zwar hat der Antragsteller durch die angefochtene Neufestsetzung eines Heimaturlaubs insgesamt nicht weniger Urlaubstage erhalten als bei der ursprünglichen Festsetzung. Denn hierdurch hat sich nur das Verhältnis von Heimaturlaubstagen zu Erholungsurlaubstagen geändert. Gleichwohl wird der Antragsteller hierdurch beschwert. Denn an die Qualifizierung der Urlaubstage als Heimaturlaub knüpfen sich für den Antragsteller günstigere Rechtsfolgen, da für die Zeit des Heimaturlaubs die höheren Auslandsbezüge weitergewährt werden. Zwar stellt die Festlegung der Bezüge eine Verwaltungsangelegenheit dar, für die der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben ist, während die Gewährung von Heimaturlaub stets eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO darstellt, die im Wehrbeschwerdeverfahren anfechtbar ist (so bereits BVerwG Beschluß vom 13. Januar 1977 - 1 WB 51/76). Da aber die Gewährung von Heimaturlaub unmittelbare Voraussetzung für die Weitergewährung der Auslandsbezüge ist, ist der Beschwerdegegenstand (Heimaturlaubsberechnung) so eng mit den nachteiligen Folgen (Besoldungseinbußen) verknüpft, daß der Antragsteller bereits durch eine unrichtige Aufteilung der Tage für Heimaturlaub und Erholungsurlaub beschwert ist. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Fällen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses, in denen der Beschwerdegegenstand der Klärung einer Vorfrage dient, die tatsächlichen Auswirkungen dieser Vorfrage aber noch nicht überschaubar sind (BDH Beschluß vom 27. April 1967 - 1 WB 19/66). |
14. |
c) Der Antrag ist auch fristgerecht gestellt worden. Der angefochtene Bescheid des BMVg vom 10. November 1983 ist am gleichen Tag an den Antragsteller abgesandt worden, allerdings nicht unmittelbar, sondern über den Kommandeur der Technischen Schule der Luftwaffe in L. Der BMVg hat vorgetragen, die Aushändigung an den Antragsteller lasse sich nicht mehr feststellen. Unter diesen Umständen ist zugunsten des Antragstellers davon auszugehen, daß ihm der Bescheid des BMVg vom 10. November 1983 nicht vor dem 16. November 1983 bekanntgegeben worden ist. |
15. |
2. Der Antrag ist auch begründet. Der hier angefochtene Bescheid vom 10. November 1983 ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 19 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 und 2 WBO). Zwar war in den Ausgangsbescheiden vom 15. April und 15. Juli 1983 der Heimaturlaub des Antragstellers falsch berechnet worden (a), einer Rücknahme der Bescheide stand jedoch das Gebot angemessenen Vertrauensschutzes des Antragstellers entgegen (b). |
16. |
a) Bei der Berechnung, Festsetzung und Genehmigung des Heimaturlaubs durch Bescheid vom 15. Juli 1983 in Verbindung mit dem Bescheid vom 15. April 1983 ging der BMVg von einem dienstlichen Aufenthalt des Antragstellers in den USA vom 14. März 1981 bis 6. Oktober 1983, also einem Zeitraum von zwei Jahren, sechs Monaten und 23 Kalendertagen aus. Zu dem sich hieraus nach § 5 Abs. 3 und 4 HUrlV i.V.m. Nr. 61 Abs. 3, Nr. 66 Abs. 2 bis 4 Ausf-Best SUV ergebenden Heimaturlaub für den Anspruchszeitraum 14. März 1981 bis 13. März 1983 und anteiligen Heimaturlaub vom 14. März bis 6. Oktober 1983 von insgesamt zwei Monaten und 17 Kalendertagen rechnete er sieben Kalendertage (= sechs Werktage) als übertragenen Erholungsurlaub 1982 hinzu und kürzte diesen Heimaturlaub von zwei Monaten und 24 Kalendertagen um zehn Kalendertage, nämlich um die Dauer des Erholungsurlaubs, der auf die Zeit des anteiligen Heimaturlaubs 1983 gefallen ist; gleichzeitig wurde der Erholungsurlaub 1983 als abgegolten erklärt. Diese Urlaubsberechnung beruhte auf der Anwendung der Nr. 60 Abs. 2, Nr. 64 AusfBest SUV. Da der Antragsteller jedoch den Heimaturlaub aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb der Frist des § 5 Abs. 5 Satz 2 HUrlV (vgl. Nr. 61 Abs. 7 AusfBest SUV) bis zum 13. September 1983, sondern erst nach Beendigung der Auslandsverwendung (Nr. 66 der AusfBest SUV) antreten konnte, hätte die Berechnung nach § 8 Nr. 2 SUV erfolgen müssen. Danach ist auf den Heimaturlaub der gewährte Erholungsurlaub jeweils des Jahres anzurechnen, in dem Heimaturlaub regelmäßig zusteht. Dies bedeutet, daß auf den Heimaturlaub der im Kalenderjahr des zweiten Aufenthaltsjahres (erster Anspruchszeitraum) gewährte Erholungsurlaub hätte angerechnet werden müssen. Der Antragsteller hatte von dem ihm im zweiten Aufenthaltsjahr - 1982 - zustehenden Erholungsurlaub von 33 Werktagen vor Antritt seines Heimaturlaubs 27 Werktage in den USA in Anspruch genommen. Mithin waren diese mit 31 Kalendertagen auf den Heimaturlaub von zwei Monaten und 17 Kalendertagen anzurechnen mit der Folge, daß dem Antragsteller nur ein Heimaturlaub von einem Monat und 16 Kalendertagen zustand. Die Frage, ob zu diesem Heimaturlaub von einem Monat und 16 Tagen nicht auch der nicht gewährte und in das Urlaubsjahr 1983 übertragene Erholungsurlaub von sechs Werktagen = sieben Kalendertagen des Urlaubsjahres 1982 in der Neuberechnung des Heimaturlaubs vom 10. November 1983 als Heimaturlaub hätte gewährt werden müssen, kann offenbleiben. Selbst wenn dies nach Nr. 59 Satz 4, Nr. 64 AusfBest SUV zu bejahen wäre, würde die fehlerhafte Berechnung des Heimaturlaubs vom 15. Juli 1983 nicht ausgeglichen. Im Ergebnis war der Bescheid vom 15. Juli 1983 fehlerhaft und somit rechtswidrig. |
17. |
b) Trotz Rechtswidrigkeit konnte der BMVg diesen Bescheid vom 15. Juli 1983 jedoch nicht mehr mit dem Bescheid vom 10. November 1983 wegen der fehlerhaften Berechnung der Dauer des Heimaturlaubs zuungunsten des Antragstellers zurücknehmen. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 10. November 1983 überwog bereits das Vertrauensschutzinteresse des Antragstellers auf den Bestand des Bescheides das Interesse des Staates an der Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse. |
18. |
Daß im Falle der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Hoheitsaktes eine Abwägung zwischen Vertrauensschutzinteresse des Betroffenen und dem staatlichen Rechtsschutzinteresse (in Form des Berichtigungsbedürfnisses bezüglich rechtswidriger Verhältnisse) stattfinden muß, ist ein von der Rechtsprechung entwickelter Rechtsgrundsatz (dazu Becker in DÖV 1973, 379), der inzwischen in § 48 VwVfG für Verwaltungsakte seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Aus diesem Rechtsgrundsatz hat die Rechtsprechung weiter entwickelt, daß - vereinfachend ausgedrückt - eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (ex-tunc) regelmäßig nicht, eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft (ex-nunc) regelmäßig zulässig ist (vgl. Becker aaO, 384). Dieser Grundsatz ist zwar in dieser speziellen Form nicht in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen worden, beansprucht aber auch nach dessen Inkrafttreten Geltung (vgl. Meyer/Borgs, VwVfG 2.Aufl. § 48 RdNr. 52). Denn regelmäßig wird der Betroffene für Geld- und Sachleistungen (§ 48 Abs. 2 VwVfG), die ihm erst künftig zufließen sollen, nicht in gleicher Weise Vertrauensschutz beanspruchen können wie für Leistungen, die er bereits seinem Vermögen einverleibt hat. Da diese Grundsätze einem allgemeinen Rechtsgrundsatz entsprechen und daher auch auf den vorliegenden Fall der nachträglichen Heimaturlaubsneuberechnung und -gewährung an einen Soldaten anzuwenden sind, kann dahingestellt bleiben, ob das auf Verwaltungsakte zugeschnittene Verwaltungsverfahrensgesetz ungeachtet der Besonderheiten des militärischen Über- und Unterordnungsverhältnisses auch auf truppendienstliche Maßnahmen Anwendung findet (BVerwGE 63, 110, 114 = ZBR 1981, 390, 391; BVerwG Beschluß vom 28. Oktober 1980 - 1 WB 161, 166/77). |
19. |
In dem Bescheid des BMVg vom 15. Juli 1983 wurde nach der Berechnung der Dauer des Heimaturlaubes dieser für die Zeit vom 11. Oktober bis 24. Dezember 1983 festgesetzt und in Verbindung mit dem Bescheid vom 15. April 1983 genehmigt. Wenn Urlaub über mehrere Tage auch grundsätzlich eine "teilbare Leistung" darstellt, so handelt es sich im vorliegenden Fall aber um die Gewährung eines "einheitlichen und einmaligen" Heimaturlaubs für einen bestimmten Zeitraum. Mit der Aufhebung der Bescheide vom 15. April und 15. Juli 1983 durch den Bescheid vom 10. November 1983 wurde dieser "einheitliche" Heimaturlaub aufgehoben und gleichzeitig ein "anderer" Heimaturlaub festgesetzt. Da der Aufhebungsbescheid dem Antragsteller nicht vor dem 16. November 1983 (s.o. II 1. c) und demgemäß möglicherweise erst am 26. November 1983 bekanntgegeben worden ist, hatte er Wirkung auch in die Vergangenheit, denn auch der bis dahin bereits in Anspruch genommene (verbrauchte) Teil des einheitlich gewährten Heimaturlaubes wurde rückwirkend aufgehoben. Hierbei ist es unerheblich, daß der neu festgesetzte Heimaturlaub in den gleichen Zeitraum wie der aufgehobene fiel - abgesehen von der Vorverlegung um einen Tag wegen entsprechend früherer Beendigung des Auslandsaufenthaltes. |
20. |
Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller auf den Bestand des Bescheides vom 15. Juli 1983 vertraut hat (vgl. Kopp, VwVfG 3. Aufl. § 48 RdNr. 55). Die Heimaturlaubsberechnung ist relativ kompliziert, der Antragsteller hat in seinem Urlaubsantrag vom 14. März 1983 diese Berechnung ausdrücklich der Abteilung P überlassen. Da zudem die Heimaturlaubsberechnung vom 15. Juli 1983 der Berechnung vom 15. April 1983 entsprach, spricht nichts gegen das Vertrauen des Antragstellers auf den Bestand des Bescheides vom 15. Juli 1983. Dieses Vertrauen war schutzwürdig. Bei der Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens kommt es grundsätzlich auf eine wertende Abwägung der Gesichtspunkte, die für eine Aufrechterhaltung des begünstigenden Hoheitsaktes sprechen, gegen das öffentliche Interesse an der Herstellung des an sich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes an (herrschende Meinung, für alle Kopp, aaO Rd-Nr. 57 m.w.N.). Schutzwürdig ist grundsätzlich jeder Bürger, der sich mit guten Gründen auf die Rechte aus der begünstigenden hoheitlichen Maßnahme verlassen durfte, insbesondere wenn deren Fehlerhaftigkeit nicht in seinem Verantwortungsbereich liegt, ihm nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein mußte (BVerwGE 19, 198, 190; 40, 212, 217; DVBl 1982, 795, 798). Allerdings nimmt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Verhältnis zum Gewicht der (negativen) Auswirkungen des Fortbestandes der hoheitlichen Maßnahme für die Allgemeinheit ab (Kopp, aaO RdNr. 58). |
21. |
Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Antragstellers spricht im vorliegenden Fall zunächst die Tatsache, daß der BMVg drei Monate zuvor - im April 1983 - eine Heimaturlaubsberechnung erstellt hatte, die nach derselben Berechnungsweise vorgenommen worden war. Es bestand damit für den Antragsteller kein Grund, an der Richtigkeit der nicht unkomplizierten Berechnung zu zweifeln. Auf die Falschberechnung des Heimaturlaubes hat er selbst keinerlei Einfluß genommen, der Fehler fiel vielmehr allein in den Verantwortungsbereich des BMVg. Hinzu kommt, daß seit Erlaß des Bescheides vom 15. Juli 1983 bis zur Aushändigung des zurücknehmenden Bescheides vom 10. November 1983 vier Monate vergangen waren und der Antragsteller seinen Heimaturlaub bei Eröffnung der Neuberechnung bereits angetreten und großenteils verbraucht hatte. Auch ein nach Erlaß des Hoheitsaktes vergangener verhältnismäßig langer Zeitraum kann die Schutzwürdigkeit des Vertrauens begründen (Obermayer, VwVfG § 48 RdNr. 61; Kopp, aaO RdNr. 59). Der Antragsteller kam dadurch, daß er erst in der zweiten Novemberhälfte 1983 erfuhr, daß sein Heimaturlaub um fast einen Monat gekürzt sei, in die Lage, seinen ihm nunmehr noch zustehenden Erholungsurlaub 1983 neu planen zu müssen, da er sich am 28. November 1983 zum Dienstantritt zu melden hatte. Es war zuvor bereits zu einer Verfestigung seiner Rechtsposition gekommen, auf die er berechtigterweise vertrauen durfte. Auch eine solche Verfestigung der Rechtsposition stellt einen Gesichtspunkt dar, der bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu berücksichtigen ist (vgl. Kopp, aaO Rd-Nr. 59). |
22. |
Demgegenüber wiegt das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes hier nicht allzu schwer. Zwar ist auch das fiskalische Interesse des Staates an der Vermeidung ungerechtfertigter Ausgaben als öffentliches Interesse zu werten (vgl. Kopp, aaO RdNr. 57 m.w.H.). Es muß jedoch hier, wo der Antragsteller den ihm gewährten Heimaturlaub schon angetreten und weitgehend verbraucht hatte, hinter dem Vertrauensschutz des Antragstellers zurücktreten. |
23. |
Im Ergebnis ist daher dem Antrag stattzugeben und der Bescheid vom 10. November 1983 aufzuheben. Da der Zeitraum des mit Bescheid vom 15. Juli 1983 festgesetzten Urlaubs inzwischen verstrichen ist, ist der BMVg verpflichtet, dem Antragsteller fiktiv Heimaturlaub so zu gewähren, daß er nicht schlechter steht, als er nach dem Bescheid vom 15. Juli 1983 gestanden wäre. |
24. |
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Abs. 1 WBO. |