Aufbauhilfe für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts
(Stand der Bearbeitung: 25. November 2017)
Auf die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes kommt es i. d. R. nur an, wenn die Rechtswidrigkeit Tatbestandsmerkmal einer anderen Norm ist (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG/SVwVfG oder § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder wenn gefragt wird, was die Behörde in einer bestimmten Situation tun kann.
Ganz wichtig: Auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes kommt es nicht an, wenn nach der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts gefragt wird (siehe hierzu diese Aufbauhilfe). Wer dies verkennt, macht einen Fehler, der genauso schwer wiegt, als wenn in einer zivilrechtlichen Arbeit das Abstraktionsprinzip missachtet wird.
Im Einzelnen sollte bei der Prüfung wie folgt vorgegangen werden, wobei hier - wie sonst - in der schriftlichen Ausarbeitung nur die Probleme näher zu behandeln sind, zu deren Prüfung der Sachverhalt Anlass gibt. Besonderheiten gelten bei Drittanfechtungsklagen, siehe hierzu den Wolfsgehege-Fall.
I. Vorfragen
- Liegt überhaupt ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG/SVwVfG vor? Siehe hierzu diesen Hinweis.
- [Ist dieser Verwaltungsakt ordnungsgemäß nach § 41 VwVfG/SVwVfG bekanntgegeben und damit nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG/SVwVfG wirksam geworden?]
Die Bekanntgabe wird zumeist als "normale" Voraussetzung der formellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts geprüft. Das ist allerdings wegen der spezifischen Fehlerfolgen nicht wirksam bekanntgegebener Verwaltungsakte ("Inexistenz") nicht unproblematisch (zu diesen Fehlerfolgen U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 Rn. 222 ff.). Die Prüfung der ordnungsgemäßen Bekanntgabe im Rahmen der Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit vorzunehmen, erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn es um die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage geht; denn für das Vorliegen eines Verwaltungsakts i.S.d. Verwaltungsprozessrechts kommt es auf die ordnungsgemäße Bekanntgabe nicht an. Konsequenterweise kann dann als "Rechtmäßigkeitsvoraussetzung" i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch die ordnungsgemäße Bekanntgabe zu prüfen sein (sehr str., siehe hierzu den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall, den Ruprechts-Razzia-Fall).
- Welchen Inhalt hat dieser Verwaltungsakt (ggf. Auslegung)? Siehe hierzu diesen Hinweis.
II. Vorliegen bzw. Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für den Verwaltungsakt
- Auf welche Rechtsgrundlage ist die getroffene Maßnahme ausdrücklich gestützt worden oder könnte (von dieser Behörde) vor allem im Hinblick auf die dort angeordnete Rechtsfolge gestützt werden?
- Ist die gefundene Rechtsgrundlage mit höherrangigem Recht vereinbar?
Dies ist regelmäßig nur zu prüfen, wenn sich nach dem Sachverhalt eine solche Prüfung nahezu aufdrängt.
- Wenn keine (wirksame) Rechtsgrundlage gefunden wurde: Bedarf es für den Erlass dieses Verwaltungsaktes nach der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes überhaupt einer Rechtsgrundlage?
III. Formelle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
- Zuständigkeit, Form und Verfahren?
- Ggf. Heilung oder Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 45, § 46 VwVfG/SVwVfG?
Die Prüfung der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG/SVwVfG kann u. U. auch erst nach der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts durchzuführen sein. Denn hiervon hängt vielfach die Antwort auf die Frage ab, ob der Verfahrensfehler offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
IV. Materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
- Liegen die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage im Einzelnen vor?
Auf diesem (und dem folgenden Punkt) liegt zumeist der Schwerpunkt einer Klausur oder Hausarbeit und hier kann man zumeist die meisten "Punkte machen". Hier gilt es vor allem die Sachverhaltsinformationen auszuwerten und ordentlich zu subsumieren!
Wenn Ermessen eingeräumt wird (und nur dann): Wurden bei der Entscheidung die Vorgaben des § 40 VwVfG/SVwVfG beachtet?
- Wurde das Ermessen unter Berücksichtigung des Zwecks der Ermessenseinräumung ausgeübt (die Klärung dieser Frage setzt voraus, dass der Zweck der Ermessenseinräumung ggf. durch Auslegung der Ermessensnorm zuvor bestimmt wird).
- Wurden die Grenzen des Ermessens beachtet? Dies sind insbesondere die Grundrechte (und in diesem Zusammenhang) das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe auch diesen Hinweis.
- Durfte die Behörde die Entscheidung durch Verwaltungsakt treffen (Problem der sog. "Verwaltungsaktbefugnis")?
Dieser Prüfungspunkt sollte nicht "überstrapaziert", sondern nur in den Bereichen untersucht werden, in denen er herkömmlicherweise diskutiert wird. Siehe hierzu - auch zur Stellung dieses Prüfungspunkts im Aufbau - näher diesen Hinweis.
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)