Lösungsvorschlag

Baumfällig

Stand der Bearbeitung: 3. Juni 2023

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Nach dem letztlich unmissverständlichen Hinweis im Sachverhalt ist zunächst die materielle Rechtslage zu prüfen. Insoweit ist zu differenzieren zwischen der Frage, ob der Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim rechtmäßig ist (Erster Teil), und der Frage, ob die Behörde die von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Alternativlösung akzeptieren muss (Zweiter Teil). Erst anschließend ist zu untersuchen, mit welchen Mitteln Frau Hubbard-Siontologis verhindern kann, dass ihr Baum durch die Ortspolizeibehörde nach Ablauf der gesetzten Frist abgesägt wird (Dritter Teil).

Erster Teil: Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ortspolizeibehörde

Nach dem Sachverhalt stützt sich der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim bei der Anordnung in Nr. 1 des Bescheides, den Baum absägen zu lassen, auf seine ortspolizeiliche Zuständigkeit, er wollte also eine auf § 1 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 SPolG gestützte Gefahrenabwehrmaßnahme treffen (A). Nr. 2 des Bescheides enthält demgegenüber eine Anordnung der sofortigen Vollziehung der sich aus Nr. 1 des Bescheides ergebenden Verpflichtung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO (B). Bei Nr. 3 des Bescheides handelt es sich schließlich um die Androhung eines Zwangsmittels, deren Zulässigkeit sich nach § 50 SPolG richtet, weil eine Polizeiverfügung vollstreckt werden soll, für die das spezielle Polizeivollstreckungsrecht der §§ 44 ff. SPolG ausweislich des § 1 Abs. 3 SVwVG den allgemeinen Bestimmungen des SVwVG vorgeht (C).

Anmerkung: Zum Verhältnis der §§ 44 ff. SPolG zum SVwVG siehe den Abgeschleppt-und-Abgezockt-Fall, den Be- und Erstattung-Fall und den Scheunenabbruch-Fall.

Da sich die Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen nach unterschiedlichen Voraussetzungen richtet, sind sie getrennt voneinander zu untersuchen.

Anmerkung: Allgemein zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis, zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrverfügung diesen Hinweis.

A) Rechtmäßigkeit der in Nr. 1 des Bescheides getroffenen Anordnung

Die auf § 1 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 SPolG gestützte Anordnung der Nr. 1 des Bescheides ist rechtmäßig, wenn der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde formell und materiell ordnungsgemäß gehandelt hat.

I. Formelle Rechtmäßigkeit

Der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim ist für eine auf § 8 Abs. 1 SPolG beruhende Maßnahme der Gefahrenabwehr als Ortspolizeibehörde gemäß § 1 Abs. 2, § 75 Abs. 2 Nr. 3, § 76 Abs. 3, § 80 Abs. 1 und 2, § 81 Abs. 1 SPolG örtlich und sachlich zuständig.

Anmerkung: Das Saarland bezeichnet als "Polizei" i.S.d. SPolG (s. § 1 Abs. 1 SPolG) die Vollzugspolizei (§§ 82 ff. SPolG) und die Polizeiverwaltungsbehörden (§§ 75 ff. SPolG), denen gemeinsam die Aufgabe der Gefahrenabwehr (s. § 1 Abs. 2 SPolG) zugewiesen wird. Sowohl die Vollzugspolizei wie die Polizeiverwaltungsbehörden können sich damit unmittelbar auf die im SPolG enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen berufen - es sei denn, eine bestimmte Ermächtigung ermächtigt ausschließlich die Vollzugspolizei (z. B. bei § 10 SPolG). Das Saarland folgt damit (in preußischer Tradition) dem sog. "Einheitssystem", bei dem alle Behörden, denen allgemeine Gefahrenabwehraufgaben übertragen sind, als "Polizei" bezeichnet werden und die Befugnisse aller "Polizeibehörden" in einem einheitlichen "Polizeigesetz" geregelt sind. Außer dem Saarland folgen diesem Modell noch Baden-Württemberg und Bremen (einen Link zu ihren "Polizeigesetzen" finden Sie hier). Die übrigen Bundesländer folgen dagegen dem sog. "Trennungssystem", das nur die "Vollzugspolizei" als "Polizei" bezeichnet, während die Behörden, die in der preußischen Tradition "Polizeiverwaltungsbehörden" heißen, i.d.R. als "Ordnungsbehörden" bezeichnet werden. Dabei folgen Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein einem "abgeschwächten Trennungssystem". Hier wird zwar zwischen der "Polizei" (damit ist eben nur die Vollzugspolizei gemeint) und "Ordnungsbehörden" (in Hamburg und Niedersachsen schlicht als "Verwaltungsbehörden", in Sachsen-Anhalt als "Sicherheitsbehörden" bezeichnet) unterschieden. Die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Polizei- und Ordnungsbehörden werden jedoch in einem einheitlichen "Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" (in Rheinland-Pfalz "Polizei- und Ordnungsbehördengesetz", in Schleswig-Holstein Zweiter Teil, Abschnitt III [Öffentliche Sicherheit] des LVwG) geregelt (einen Link zu diesen "Gesetzen über die öffentliche Sicherheit und Ordnung" finden Sie hier). Konsequenter ist das Trennungssystem dagegen in Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen ausgestaltet. Deren "Polizeigesetze" regeln ausschließlich die Aufgaben, Befugnisse und Organisation der Vollzugspolizei, wobei die Vollzugspolizei schlicht als "Polizei" bezeichnet wird. Die Aufgaben, Befugnisse und die Organisation der allgemeinen "Ordnungsbehörden" (in Bayern: "Sicherheitsbehörden") ergeben sich dagegen aus einem eigenem Gesetz, das in Bayern "Landesstraf- und Verordnungsgesetz", sonst "Ordnungsbehördengesetz" heißt (einen Link zu diesen "Polizeigesetzen" und "Ordnungsbehördengesetzen" finden Sie hier). Seit dem 1. Januar 2020 folgt schließlich auch Sachsen (das bisher wie das Saarland dem Einheitssystem gefolgt hatte) dem Trennungssystem, wenn auch auf eine eigene Weise: Zwar gibt es in Sachsen nunmehr mit dem Sächsischen Polizeibehördengesetz (SächsPBG) und dem Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPDVG) unterschiedliche Gesetze für die Vollzugspolizei und die Ordnungsbehörden. Jedoch bezeichnet das SächsPBG die Ordnungsbehörden nach wie vor als "Polizeibehörden" (vgl. § 1 SächsBG), während das SächsPDVG den Polizeivollzugsdienst nur verkürzt als "Polizei" bezeichnet (§ 1 Satz 2 SächsPDVG). Wichtig ist schließlich: Wenn Bundesgesetze von "Polizei" (z. B. in § 36, § 44 Abs. 2 StVO), "Vollzugspolizei" (z. B. in § 80 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) oder "Polizeidienst (z. B. in § 163 StPO) sprechen, ist in allen Bundesländern - auch solchen, die dem Einheitssystem folgen - immer nur die Vollzugspolizei gemeint.

Da es sich bei der Anordnung des Oberbürgermeisters um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 des nach seinem § 1 Abs. 1 anwendbaren SVwVfG handelt, waren vor ihrem Erlass die Verfahrensvoraussetzungen der §§ 9 ff. SVwVfG zu beachten. Insoweit bestehen keine Bedenken: Insbesondere ist Frau Hubbard-Siontologis vor Erlass der Verfügung anlässlich des veranschlagten Ortstermins angehört (§ 28 Abs. 1 SVwVfG) und der Bescheid mit einer Begründung (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG) versehen worden. Schließlich ist der Bescheid wirksam in Form der Zustellung nach § 1 SVwZG i.V.m. §§ 1 ff. VwZG Frau Hubbard-Siontologis bekanntgegeben worden (§ 41 Abs. 5 SVwVfG), so dass er ihr gegenüber auch wirksam geworden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SVwVfG).

Anmerkung: Eine Zustellung des Bescheides war hier insgesamt geboten, da mit der Anordnung nach Nr. 1 des Bescheides in dessen Nr. 3 auch eine Zwangsmittelandrohung verbunden war. Diese ist nach § 50 Abs. 6 SPolG zwingend zuzustellen - und zwar, die wie Bestimmung ausdrücklich hervorhebt, auch dann, wenn sie mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist und für ihn keine Zustellung vorgeschrieben ist.

II. Materielle Rechtmäßigkeit

Nach § 8 Abs. 1 SPolG ist die Polizei befugt, im Rahmen der ihr durch § 1 Abs. 2 SPolG übertragenen Aufgabe der Gefahrenabwehr die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Einzelfall zu begegnen.

1. Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit

Tatbestandsvoraussetzung für eine auf § 8 Abs. 1 SPolG gestützte Verfügung ist zunächst das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.

Anmerkung: Die nachfolgend aufgeführten Definitionen der Begriffe "öffentlicher Sicherheit", "öffentlicher Ordnung" und "Gefahr" sind Standarddefinitionen des Polizei- und Ordnungsrechts bzw. des Gefahrenabwehrrechts, die bei der Fallbearbeitung beherrscht werden müssen und deren Wiedergabe - natürlich nur wenn es darauf ankommt - sowohl in universitären Übungsarbeiten als auch bei Klausuren im ersten wie im zweiten Staatsexamen erwartet wird. Sie gelten grundsätzlich immer, wenn der Bundes- oder Landesgesetzgeber die Begriffe "Gefahr", "öffentliche Sicherheit", "öffentliche Ordnung" usw. verwendet (BVerwG, 7 C 20/15 v. 20.10.2016, Abs. 12 = NVwZ 2017, 624 Abs. 12; BVerwG, 3 C 4/16 v. 14.9.2017, Abs. 18 = NVwZ 2018, Abs. 18; BVerwG, 3 C 46/16 v. 14.9.2017, Abs. 18 = BVerwGE 160, 169 Abs. 18). Diese Begriffe müssen also - jedenfalls für Klausuren aber auch für die mündlichen Prüfungen - auswendig gelernt werden. Studierende und Rechtsreferendare in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben insoweit allerdings seinen gewissen Vorteil. Denn die Polizei- und Ordnungsgesetze dieser Länder enthalten "Begriffsbestimmungen", die die gängigen polizeirechtlichen Begriffe legaldefinieren (siehe § 2 BremPolG, § 3 Abs. 3 SOG M-V, § 2 NPOG, § 3 SOG LSA, § 3 SächsPBG, § 4 SächsPDVG). Auf diese Legaldefinitionen ist dann aber auch in der Fallbearbeitung zu verweisen - allerdings nur wenn und soweit diese Gesetze auch anwendbar sind (weil die Legaldefinitionen nur innerhalb des Anwendungsbereichs der jeweiligen Gesetze gelten). Insbesondere können diese Legaldefinitionen nicht unmittelbar zur Auslegung von Bundesrecht herangezogen werden, weil Landesrecht natürlich nicht Bundesrecht konkretisieren kann. Dies hindert aber natürlich nicht daran, diese landesrechtlichen Legaldefinitionen gleichsam als "Spickzettel" auch für die Definition der gleichlautenden Begriffe im Bundes- und Landesrecht zu nutzen. Denn die jeweiligen Landesgesetzgeber haben insoweit nur die überkommenen und von der Rechtsprechung eben bei der Auslegung aller Gefahrenabwehrgesetze einheitlich verwendeten Definitionen in Gesetzesform gegossen.

Unter den Begriff "öffentliche Sicherheit" fallen sowohl der Schutz individueller Rechtsgüter (nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen des Einzelnen) als auch der des Staates und seiner Einrichtungen sowie der gesamten Rechtsordnung.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 1 BvR 233, 341/81 v. 14.5.1985 = BVerfGE 69, 315, 352; BVerwG, 6 C 12/11 v. 28.3.2012, Abs. 23 = BVerwGE 143, 74 Abs. 23; BVerwG, 7 C 20/15 v. 20.10.2016, Abs. 12 = NVwZ 2017, 624 Abs. 12; Götz/Geis, § 10 Rn. 3.

Die "öffentliche Ordnung" wird definiert als die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 C 1.13 v. 26.2.2014, Abs. 15 = NVwZ 2014, 883, Abs. 15; Götz/Geis, § 11 Rn. 1; Koch, Jura 2021, 1151, 1160.

"Gefahr" bedeutet gemäß der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 SPolG eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Eine solche konkrete Gefahr liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d.h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde. Der Schadenseintritt braucht nicht mit Gewissheit zu erwarten sein. Andererseits ist aber die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts nicht ausreichend. Der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist dabei abhängig vom Rang des Rechtsgutes, in das eingegriffen werden soll, sowie vom Rang des polizeilichen Schutzgutes.

Anmerkung: Zum Begriff der konkreten Gefahr: BVerfG, 1 BvR 1619/17 v. 26.4.2022, Abs. 158 = BVerfGE 162, 1, 76 f.; BVerwG, 6 C 12/11 v. 28.3.2012, Abs. 27 = BVerwGE 143, 74 Abs. 27; BVerwG, 3 C 4/16 v. 14.9.2017, Abs. 19 = NVwZ 2018, Abs. 19; BVerwG, 3 C 46/16 v. 14.9.2017, Abs. 19 = BVerwGE 160, 169 Abs. 19; Götz/Geis, § 12 Rn. 17 f.

Hier liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach dem Sachverhalt vor: Auch wenn der Baum zur Zeit wieder "sicher" steht, ist erkennbar, dass er jedenfalls beim nächsten stärkeren Regen oder bei einer Aufweichung des Bodens aus sonstigen Gründen auf die Straße fallen wird. Hierdurch können Passanten oder Autofahrer erkennbar verletzt werden, und zwar nicht nur in dem Moment, in dem der Baum fällt, sondern auch noch, solange er ungesichert "auf der Straße" liegt. Eine Gefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 SPolG liegt damit vor.

2. Inanspruchnahme einer nach §§ 4 ff. SPolG polizeipflichtigen Person

Tatbestandsvoraussetzung einer auf § 1 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SPolG gestützten Maßnahme ist weiterhin, dass diese sich an den richtigen Adressaten richtet. Wer polizeirechtlich in Anspruch genommen werden kann, bestimmt sich nach § 4, § 5 und § 6 SPolG, die insoweit die Eingriffsermächtigungen der §§ 8 ff. SPolG ergänzen.

Anmerkung: Siehe hierzu Goldhammer, Jura 2021, 638 f. Die Frage, ob der polizeirechtlich in Anspruch Genommene überhaupt in Anspruch genommen werden darf, ist keine Frage des Entschließungs- oder gar des Rechtsfolgeermessens und damit auch keine Frage der Verhältnismäßigkeit. Sie darf auf keinen Fall mit der Frage verwechselt werden, ob die Auswahl zwischen mehreren Polizeipflichtigen ohne Ermessensfehler getroffen wurde. Auch diese Frage stellt sich nur, wenn mehrere Personen nach den §§ 4 ff. SPolG materiell polizeipflichtig sind, also überhaupt als Adressaten einer Polizeiverfügung in Betracht kommen (hierzu sogleich bei A II 3 c).

a) Inanspruchnahme als Gefahrverursacherin?

Insoweit könnte zunächst eine Inanspruchnahme von Frau Hubbard-Siontologis nach § 4 Abs. 1 SPolG in Betracht kommen. Dann müsste Frau Hubbard-Siontologis die Gefahr verursacht haben. Dies ist eine Kausalitätsfrage. Nach der überwiegend vertretenen "Theorie der unmittelbaren Verursachung" ist nur derjenige aufgrund seines Verhaltens polizeipflichtig, der selbst die konkrete Gefahr unmittelbar herbeiführt, mit anderen Worten: in dessen eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten wird. In der neueren Literatur besteht ferner weitgehend Einigkeit darüber, dass der Verursachungsbegriff normativ zu bestimmen ist, mithin häufig das Ergebnis einer Wertung darstellt.

Anmerkung: Siehe hierzu nur Götz/Geis, § 13 Rn. 10 ff.; im Ergebnis (mit einer etwas anderen Herleitung) auch Goldhammer, Jura 2021, 638, 641 ff.

Hiernach ist Frau Hubbard-Siontologis nicht als Verursacherin der Gefahr anzusehen: Nicht sie, sondern Aralia und wohl auch noch Florina Deborah haben aufgrund ihrer Beteiligung an dem Unfall, auf den die "Baumfälligkeit" des Baumes zurückzuführen ist, die Gefahr unmittelbar verursacht. Eine Inanspruchnahme von Frau Hubbard-Siontologis nach § 4 Abs. 1 SPolG ist demnach ausgeschlossen.

b) Inanspruchnahme als Zustandsverantwortliche?

Frau Hubbard-Siontologis ist jedoch als Eigentümerin des Grundstückes auch Eigentümerin des Baumes (vgl. § 94 Abs. 1 BGB), von dem die Gefahr ausgeht. Zudem ist sie anscheinend auch Inhaberin der tatsächlichen Gewalt. Deshalb können Gefahrenabwehrmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 und 2 SPolG auch an sie gerichtet werden.

c) Ergebnis zu 2

Frau Hubbard-Siontologis ist somit nach § 5 Abs. 1 und 2 SPolG als sog. Zustandsstörer polizeipflichtig.

3. Ordnungsgemäße Ermessensausübung (§ 40 SVwVfG i.V.m. § 2, § 3 SPolG)

Die gegenüber Frau Hubbard-Siontologis erlassene Polizeiverfügung entspricht somit dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 i.V. m. § 5 Abs. 1 und 2 SPolG. Die zu treffende Maßnahme steht jedoch im Ermessen der Ortspolizeibehörde, so dass diese die Grenzen des Ermessens nach § 2, § 3 SPolG, § 40 SVwVfG einhalten muss. Hierzu gehört insbesondere das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsprinzip), das in § 2 SPolG eine gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat.

Anmerkung: Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip als Ermessensgrenze i. S. des § 40 Alt. 2 VwVfG, § 114 Satz 1 Alt. 1 VwGO: BVerfG (K), 2 BvR 1487/17 v. 24.7.2017, Abs. 41 = NVwZ 2017, 1526 Abs. 41; BVerwG, 1 VR 3/17 v. 13.7.2017, Abs. 11 = NVwZ 2017, 1531 Abs. 11; allgemein zur Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips siehe diesen Hinweis.

Dementsprechend muss die Verpflichtung von Frau Hubbard-Siontologis, den Baum abzusägen, auch verhältnismäßig sein.

a) Geeignetheit

Voraussetzung wäre - wovon auch § 2 Abs. 1 SPolG ausgeht - zunächst, dass die getroffene Maßnahme überhaupt zur Abwehr der Gefahr geeignet ist. Dies ist unproblematisch: Wird der Baum abgesägt, kann er nicht mehr auf die Straße stürzen, so dass die Gefahr "gebannt" wäre. Die Maßnahme ist also geeignet.

b) Erforderlichkeit

Fraglich ist jedoch, ob die Anordnung, den Baum abzusägen, auch erforderlich ist, also das Mittel zur Gefahrenbeseitigung darstellt, das - wie § 2 Abs. 1 SPolG es formuliert - den Betroffenen (hier Frau Hubbard-Siontologis) am wenigsten beeinträchtigt. Hieran könnten Zweifel insoweit bestehen, als Frau Hubbard-Siontologis durch die Verfügung zur Zerstörung ihres Eigentums verpflichtet wird, während die Beseitigung der Gefahr auch durch eine "Reparatur" des Baumes möglich wäre. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob eine "Baum-Reparatur" in zeitlicher Hinsicht ein gleich geeignetes Mittel gegenüber der Anordnung des Baumfällens ist, da die für die Reparatur notwendigen Fachkräfte anscheinend so schnell nicht verfügbar sind (siehe hierzu näher Zweiter Teil B).

Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben: Aus der Sicht der Ortspolizeibehörde stellte sich die Anordnung des Baumfällens jedenfalls als das mildeste Mittel zur Gefahrenabwehr dar: Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten war im Hinblick auf die durch die in Betracht kommenden Maßnahmen entstehenden Kosten (200,- Euro gegenüber 13.000,- Euro) die Anordnung des Abholzens erkennbar das mildeste Mittel. Zumal weil Frau Hubbard-Siontologis sich in dem Ortstermin nicht dazu geäußert hatte, dass sie bereit sei, auch die wesentlich kostspieligere Reparatur des Baumes zu bezahlen, sondern sich schlicht geweigert hatte, überhaupt etwas zu tun, brauchte die Polizeibehörde nicht damit zu rechnen, dass Frau Hubbard-Siontologis es aus "emotionalen Gründen" vorziehen würde, den Baum "reparieren" zu lassen. Insoweit geht § 3 Abs. 2 SPolG erkennbar davon aus, dass es trotz der sich aus § 2 Abs. 1 SPolG ergebenden Pflicht zur Bestimmung des mildesten Mittels nicht Aufgabe der Polizei ist zu erforschen, welche Maßnahme den Betroffenen subjektiv am wenigsten beeinträchtigt. Vielmehr kommt sie ihrer Pflicht aus § 2 Abs. 1 SPolG schon dann nach, wenn sie das Mittel bestimmt, dass sich nach objektiven Gesichtspunkten als das Mittel darstellt, das ein "Durchschnittsmensch" als das mildeste Mittel empfinden würde.

Anmerkung: Siehe hierzu Grupp, VerwArch 69 (1978), 125, 140 ff.; ferner BVerwG, 1 C 26/14 v. 17.9.2015, Abs. 25 = BVerwGE 153, 24 Abs. 25.

Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass die Ortspolizeibehörde den "homo oeconomicus" als "Leitbild" gewählt hat. Es musste nicht damit gerechnet werden, dass jemand zu einem relativ gewöhnlichen Baum - einer Kastanie - in einer so "emotionalen" Bindung steht, dass er bereit ist, 13.000,- Euro für dessen Instandsetzung zu zahlen (anders dürfte es z. B. bei Haustieren sein). Die Anordnung, den Baum abzusägen, war demnach auch erforderlich.

c) Zumutbarkeit (Verhältnismäßigkeit i.e.S)

Zweifel könnten jedoch an der Zumutbarkeit oder Verhältnismäßigkeit i.e.S. der Maßnahme bestehen. Es wird nämlich vielfach vertreten, dass eine Inanspruchnahme des Zustandsstörers nach § 5 SPolG für diesen unzumutbar sei, wenn die von seiner Sache ausgehende Gefahr auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen sei, der seinerseits als Verhaltensstörer nach § 4 SPolG zur Gefahrenabwehr herangezogen werden könne. In diesem Fall sei der Zustandsverantwortliche selbst ein "Opfer" und werde durch die Gefahrverursachung selbst gestört. Dieser Umstand müsse bei der Ermessensentscheidung darüber, wer polizeirechtlich in Anspruch zu nehmen sei, erheblich ins Gewicht fallen. Jedenfalls soweit die Heranziehung des Verhaltensstörers gleich effektiv wie die Inanspruchnahme des Zustandsstörers sei, müsse der Verhaltensstörer in Anspruch genommen werden: Die Polizei sei zwar nicht zu einer gerechten Lastenverteilung zwischen den Polizeipflichtigen verpflichtet, dürfe sie jedoch nicht durch die willkürliche Heranziehung geradezu verhindern.

Anmerkung: Siehe hierzu Götz/Geis, § 13 Rn. 91 ff.; Schoch, Jura 2012, 685, 688 f.

aa) Vorliegen anderer Polizeipflichtiger

Hier ist die Gefahr tatsächlich i.S.d. § 4 Abs. 1 SPolG unmittelbar von Aralia verursacht worden. Unter wertenden Gesichtspunkten wird man zudem auch als eigentliche Unfallverursacherin Florina Deborah als Verhaltensstörerin ansehen können. Wie § 4 Abs. 2 SPolG verdeutlicht, steht weder ihre Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Abs. 1 Nr. 1 BGB) noch ihre Handlungsunfähigkeit im Verwaltungsverfahren (§ 12 SVwVfG) noch ihre Schuldunfähigkeit (§ 828 Abs. 1 BGB) ihrer materiellrechtlichen Polizeipflicht entgegen.

Anmerkung: Siehe hierzu auch den Scheunenabbruch-Fall.

Schließlich hätten auch die Eltern Florina Deborahs als "Quasi-Verhaltensstörer" nach § 4 Abs. 2 SPolG in Anspruch genommen werden können.

bb) Keine Gleichwertigkeit der Effektivität der Gefahrenabwehr bei Heranziehung der übrigen polizeipflichtigen Personen

Es kann jedoch bereits nicht angenommen werden, dass die Verpflichtung Aralias, Florina Deborahs oder ihrer Eltern eine im Vergleich zur Inanspruchnahme von Frau Hubbard-Siontologis gleich effektive Gefahrenabwehrmaßnahme gewesen wäre. Dies ergibt sich schon daraus, dass Frau Hubbard-Siontologis nur dann das Absägen des Baumes durch eine dieser Personen hätte dulden müssen, wenn die Ortspolizeibehörde ihr gegenüber eine entsprechende Duldungsverfügung erlassen hätte. Eine Doppelverpflichtung erscheint jedoch bereits weniger effektiv als die Verpflichtung nur einer Person.

cc) Keine besondere "Opfersituation" von Frau Hubbard-Siontologis

Vor allem aber sind im konkreten Fall nicht nur Frau Hubbard-Siontologis, sondern alle Beteiligten gleichermaßen Opfer der Situation. Auch unter allgemeinen "Gerechtigkeitsgesichtspunkten" lässt sich nicht begründen, weshalb Aralia, dessen Verhalten von der Rechtsordnung gebilligt und wohl auch gefordert war (vgl. § 228 BGB), bzw. Florina Deborah, ein in jeder Hinsicht schuldunfähiges Kind, "näher an der Gefahr" stehen sollen als der Eigentümer der letztlich gefahrverursachenden Sache. Unter "Gerechtigkeitsgesichtspunkten" wäre deshalb die Inanspruchnahme aller Störer gleichermaßen willkürlich. Der Fall zeigt daher deutlich, dass es einen allgemeinen Vorrang der Inanspruchnahme des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer nicht gibt.

Anmerkung: Wie hierzu auch Goldhammer, Jura 2021, 638, 646.

dd) Ergebnis zu c

Die Heranziehung Frau Hubbard-Siontologis war damit trotz ihrer "Opferstellung" für sie zumutbar. Da die Polizeipflichtigkeit verschuldensunabhängig ist, ist insoweit unerheblich, dass sie für das Entstehen der Gefahr nicht verantwortlich war.

d) Ergebnis zu 3

Die Anordnung, den Baum abzusägen, ist demnach auch nicht ermessensfehlerhaft.

3. Ergebnis zu II

Die Anordnung, den Baum abzusägen, ist folglich auch materiell rechtmäßig.

III. Ergebnis zu A

Die in Nr. 1 des Bescheides enthaltene Anordnung ist insgesamt rechtmäßig.

B) Rechtmäßigkeit der in Nr. 2 des Bescheides getroffenen Anordnung

Durch Nr. 2 des Bescheides wird die in Nr. 1 getroffene Regelung für sofort vollziehbar erklärt. Die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme richtet sich nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Auch diese Maßnahme muss formell und materiell rechtmäßig sein.

I. Formelle Rechtmäßigkeit

Zuständig für die Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist die Behörde, die den Verwaltungsakt (hier die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Anordnung) erlassen hat, im vorliegenden Fall also der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde. Nach dem Sachverhalt ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch entsprechend den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich begründet worden.

Welche Verfahrensvoraussetzungen im Übrigen bei Erlass einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einzuhalten sind, ist umstritten. Insoweit wird teilweise angenommen, dass es sich bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 SVwVfG handele, so dass auch vor Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Verwaltungsverfahren nach §§ 9 ff. SVwVfG und damit insbesondere auch eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 SVwVfG durchzuführen sei.

Insoweit ist bereits fraglich, ob sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO tatsächlich unter die Legaldefinition des § 35 SVwVfG subsumieren lässt. Insoweit ist das Tatbestandsmerkmal "Regelung" fraglich, da durch die Anordnung nicht selbst eine eigentliche Rechtsfolge gesetzt wird. Hierauf kommt es aber letztlich nicht an: Das Regelungsprogramm der § 80, § 80a VwGO weicht für die Anordnung der sofortigen Vollziehung so erheblich von dem der §§ 35 ff. SVwVfG ab, dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber der VwGO auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO abschließend geregelt hat, die Verwaltungsverfahrensgesetze insoweit also auch nicht subsidiär anwendbar sind. Dementsprechend war hier auch eine gesonderte Anhörung nach § 28 Abs. 1 SVwVfG entbehrlich.

Anmerkung: Siehe zum Ganzen: Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 28 Rn. 26; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 218 f.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 164 m.w.N.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist demnach formell ordnungsgemäß ergangen.

II. Materielle Rechtmäßigkeit

Materielle Voraussetzung einer Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, dass sie im öffentlichen Interesse erfolgt. Insoweit verdeutlicht § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO, dass in den vagen Begriff des öffentlichen Interesses insbesondere auch die Vermeidung drohender Nachteile für Leben, Gesundheit oder Eigentum fällt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung steht dementsprechend schon dann im öffentlichen Interesse, wenn die Verwirklichung der Regelung des Verwaltungsaktes zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben und Eigentum besonders dringlich ist.

Anmerkung: Siehe hierzu Schoch, in: Schoch/Schneider, § 80 Rn. 210 f.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben: Zwar war ein Sofortvollzug nach § 44 Abs. 2 SPolG hier wohl (noch) nicht möglich, da die Gefahr auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes noch nicht gegenwärtig war: Der Baum drohte erst in absehbarer Zeit umzustürzen, ohne dass schon jederzeit mit einem Umstürzen gerechnet werden musste. Angesichts der konkreten Umstände war aber erkennbar, dass mit der Vollstreckung der Anordnung, den Baum abzusägen, bis zum Abschluss eines u. U. mehrinstanzlichen Gerichtsverfahrens nicht gewartet werden konnte, eben weil in absehbarer Zeit - nämlich schon bei Eintritt erneuter stärkerer Regenfälle - die Gefahr gegenwärtig werden würde.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung lag daher auch im öffentlichen Interesse und ist damit auch materiell rechtmäßig.

III. Ergebnis zu B

Auch die in Nr. 2 des Bescheides enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung ist damit insgesamt rechtmäßig.

C) Rechtmäßigkeit der in Nr. 3 des Bescheides getroffenen Anordnung

Bei Nr. 3 des Bescheides handelt es sich schließlich um die Androhung eines Zwangsmittels für eine polizeiliche Verfügung, deren Zulässigkeit sich nach § 50 SPolG bestimmt.

I. Formelle Rechtmäßigkeit

Der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde ist zunächst nach § 44 Abs. 3 SPolG als die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, dessen Vollstreckung nach § 50 SPolG angedroht werden sollte, für die Anwendung von Zwangsmitteln und damit auch für deren Androhung zuständig gewesen.

Auch die speziellen Verfahrens- und Formanforderungen des § 50 SPolG wurden eingehalten: Die Androhung wurde nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SPolG mit dem Verwaltungsakt verbunden, dessen Vollstreckung angedroht wurde (nämlich der Nr. 1 des Bescheides). Dies war geboten, da wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 2 des Bescheides nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Rechtsbehelf gegen den in Nr. 1 des Bescheides enthaltenen Verwaltungsakt keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO hat. Die Androhung bezog sich nach § 50 Abs. 3 SPolG auf bestimmte Zwangsmittel, nämlich die Androhung der Ersatzvornahme nach § 46 SPolG, und enthielt auch die nach § 50 Abs. 4 SPolG notwendige Angabe der hierdurch voraussichtlich entstehenden Kosten. Schließlich ist die Androhung Frau Hubbard-Siontologis auch förmlich zugestellt worden, wie § 50 Abs. 6 SPolG i.V.m. § 1 SVwZG i.V.m. § 1 Abs. 2 VwZG dies verlangt.

Da es sich bei der Androhung nach § 50 SPolG um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 SVwVfG handelt, waren zudem die allgemeinen Verfahrensanforderungen der §§ 9 ff. SVwVfG einzuhalten.

Anmerkung: Zur Rechtsnatur der Zwangsmittelandrohung U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 165.

Einer gesonderten Anhörung nach § 28 Abs. 1 SVwVfG bedurfte es jedoch nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 SVwVfG nicht, weil es sich auch bei der Androhung von Verwaltungszwang nach Maßgabe der Verwaltungsvollstreckungsgesetze um eine Maßnahme "in der Verwaltungsvollstreckung" i.S. dieser Vorschrift handelt. Nach dem Sachverhalt enthält der Bescheid jedoch auch insoweit eine den Anforderungen des § 39 Abs. 1 SVwVfG gerecht werdende Begründung.

Die Zwangsmittelandrohung ist damit formell rechtmäßig.

II. Materielle Rechtmäßigkeit

Fraglich ist jedoch, ob die Zwangsmittelandrohung nach § 50 SPolG auch materiell rechtmäßig war.

Hier liegen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung des Verwaltungszwangs nach § 44 Abs. 1 Alt. 2 SPolG vor: Rechtsbehelfe gegen den in Nr. 1 des Bescheides enthaltenen Verwaltungsakt haben aufgrund der in Nr. 2 des Bescheides enthaltenen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO. Zudem ist der Verwaltungsakt auch auf die Vornahme einer Handlung - nämlich das Absägen des Baumes - gerichtet.

Ferner konnte auch die Ersatzvornahme nach § 46 SPolG als Zwangsmittel angedroht werden, da die durchzusetzende Verpflichtung auf eine vertretbare Handlung gerichtet ist.

Schließlich setzt die Androhung Frau Hubbard-Siontologis als Betroffene auch nach § 50 Abs. 1 Satz 2 SPolG eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung. Die Frist von 10 Tagen ab Zustellung des Bescheides erscheint insbesondere angesichts der von dem Baum ausgehenden Gefahren auch als angemessen. Wegen der Unsicherheiten der Wetterverhältnisse erschien es jedenfalls bei Erlass des Verwaltungsaktes nicht als geboten, Frau Hubbard-Siontologis für das Absägen des Baumes eine noch längere Frist zu setzen.

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist zudem davon auszugehen, dass die - im Ermessen stehende - Zwangsmittelandrohung auch ermessensgerecht i.S.d. § 40 SVwVfG erfolgte.

Die Zwangsmittelandrohung war damit auch materiell rechtmäßig.

III. Ergebnis zu C

Auch die in Nr. 3 des Bescheides enthaltene Zwangsmittelandrohung ist damit rechtmäßig.

D) Ergebnis des Ersten Teils

Die in dem Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde getroffenen Maßnahmen sind damit insgesamt rechtmäßig.

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Zweiter Teil: Verpflichtung der Ortspolizeibehörde, die von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Alternative zu akzeptieren

Eine Verpflichtung der Ortspolizeibehörde, die von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Alternativlösung zu akzeptieren, könnte sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG ergeben. Hiernach ist dem Betroffenen auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.

A) Formelle Voraussetzungen

Frau Hubbard-Siontologis müsste die Gestattung der Alternativlösung also zunächst bei der Ortspolizeibehörde nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG beantragen. Die Ortspolizeibehörde ist nicht von Amts wegen verpflichtet, die in Nr. 1 des Bescheides getroffene Anordnung aufzuheben, wenn sie erkennt, dass das von ihr zunächst festgesetzte und für den Betroffenen bei objektiver Beurteilung mildeste Mittel nicht das Mittel ist, das von dem Betroffenen selbst als mildestes Mittel angesehen wird (s. o. Erster Teil A II 3 b). Besondere Anforderungen stellt das Gesetz für diesen Antrag nicht auf, so dass er insbesondere auch formlos, d. h. mündlich oder fernmündlich erfolgen kann. Jedoch erscheint schon aus Beweisgründen ein schriftlicher Antrag sinnvoll.

B) Materielle Voraussetzungen

Materielle Voraussetzung für die Zulassung des anderen Mittels ist nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG weiterhin, dass das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Mittel gleich wirksam ist und die Allgemeinheit nicht stärker beeinträchtigt. Dass das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Mittel im Ergebnis gleich geeignet ist, die von dem Baum ausgehende Gefahr zu beseitigen, ist nach dem Sachverhalt zu unterstellen. Jedoch bestehen hier Zweifel an der gleichen Eignung in zeitlicher Hinsicht: Erst in einem Monat kann die "Baumreparatur" überhaupt beginnen. Dementsprechend wird auch die Allgemeinheit der von dem Baum ausgehenden Gefahr länger ausgesetzt, als wenn der Baum jetzt sofort (oder jedenfalls innerhalb der von der Behörde in der Zwangsmittelandrohung festgesetzten Frist von 10 Tagen) abgesägt wird.

Jedoch ist fraglich, ob diese Zeitkomponente im vorliegenden Fall die Verpflichtung der Ortspolizeibehörde, das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Mittel zu akzeptieren, wirklich ausschließt. Jedenfalls wenn die Verwirklichung einer Gefahr - wie im vorliegenden Fall - nur absehbar, jedoch noch nicht gegenwärtig ist, räumt das SPolG den Polizeibehörden auch einen Ermessensspielraum in zeitlicher Hinsicht ein. Dies verdeutlicht insbesondere § 50 Abs. 1 SPolG, der verlangt, dass auch für die Vollstreckung von Gefahrenabwehrmaßnahmen trotz Vorliegens ihrer materiellen Voraussetzungen insbes. nach § 8 Abs. 1 SPolG dem Betroffenen eine angemessene Frist zu setzen ist. Wie lange diese Frist im einzelnen Fall sein muss, bestimmt sich dementsprechend im Wesentlichen allein nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Dies rechtfertigt aber im Fall des § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG, eine Verpflichtung der Polizeibehörde zur Gestattung eines anderen Mittels auch dann für geboten zu erachten, wenn sich der Zeitrahmen für die Gefahrenabwehrmaßnahme hierdurch nach hinten verschiebt, solange nur sichergestellt ist, dass die Maßnahme noch rechtzeitig vor Verwirklichung der Gefahr durchgeführt wird.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Alternativlösung zu akzeptieren ist: Bei Erlass der Verfügung bestand aus der Sicht der Behörde kein Anlass, die Durchsetzung der Gefahrenabwehrmaßnahme nach hinten zu verschieben, da die Anordnung, den Baum abzusägen, aus ihrer Sicht das mildeste Mittel war, auf jeden Fall etwas getan werden musste und keine Interessen der Eigentümerin erkennbar waren, weshalb dies nicht sofort, sondern erst später geschehen solle. Umgekehrt zeigt die relativ großzügige Bemessung der Frist im Rahmen der Zwangsmittelandrohung nach § 50 SPolG, dass auch aus Sicht der Behörde kein sofortiger Handlungsbedarf bestand. Diese Frist ist zwar nicht unangemessen kurz (s. o. Erster Teil A II), jedoch folgt hieraus nicht, dass sie nicht auch verlängert werden könnte, solange sich die Umstände (trockenes Wetter) nicht ändern. Die Besonderheit des Falles liegt somit darin, dass sofortiges Handeln letztlich nur bei Aufweichung des Bodens durch Dauerregen oder sonstige Gründe notwendig ist, während bei Sonnenschein letztlich beliebig lange zugewartet werden kann.

Angesichts dessen ist das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Mittel jedenfalls dann als gegenüber der in Nr. 1 des Bescheides getroffenen Anordnung als gleich wirksam anzusehen, wenn während der einmonatigen Wartezeit sichergestellt ist, dass bei beginnender Aufweichung des Bodens der Baum notfalls sofort, ohne weitere Verfahrensschritte und auf Kosten von Frau Hubbard-Siontologis (sachkundig) abgesägt wird. Insbesondere muss letztlich "Tag und Nacht" so etwas wie eine "Bereitschaft" gewährleistet sein, damit notfalls externe Hilfe durch die Feuerwehr angefordert werden kann. Es müsste daher noch näher geklärt werden, welche Sicherungen der Ortspolizeibehörde hier als ausreichend erscheinen. Da es die Polizeibehörde jedoch immerhin für möglich hielt, innerhalb von 10 Tagen ohne einen solchen "Bereitschaftsdienst" auszukommen, spricht einiges dafür, dass die Anforderungen über diesen Zeitraum hinaus nicht wesentlich höher sein können.

Das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Mittel ist somit gleich wirksam und belastet die Allgemeinheit auch nicht stärker als das von der Ortspolizeibehörde festgesetzte Mittel, wenn für die "Wartezeit" hinreichende Vorkehrungen für eine "Alarmbereitschaft" auf Kosten Frau Hubbard-Siontologis getroffen werden.

C) Ergebnis des Zweiten Teils

Wenn Frau Hubbard-Siontologis eine "Alarmbereitschaft" für die Wartezeit sicherstellt, ist ihr von der Ortspolizeibehörde zu gestatten, die von dem Baum ausgehende Gefahr durch eine "Reparatur" zu beseitigen.

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Dritter Teil: Von Frau Hubbard-Siontologis einzuleitende Verfahrensschritte, um die Vollstreckung der Nr. 1 des Bescheides zu verhindern

Frau Hubbard-Siontologis will verhindern, dass nach Ablauf der in der Zwangsmittelandrohung festgesetzten 10-Tages-Frist die in Nr. 1 des Bescheides festgesetzte Anordnung, den Baum abzusägen, im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzt wird. Die hierdurch entstehenden Kosten scheinen ihr angesichts ihrer Bereitschaft, ihren Baum "um jeden Preis" zu retten, jedoch weniger wichtig zu sein.

A) Antrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG

Bevor Frau Hubbard-Siontologis irgendwelche förmlichen Verfahren einleitet, ist dennoch zu berücksichtigen, dass die Behörde noch gar nichts davon weiß, dass sie bereit ist, der Ortspolizeibehörde ein gleich wirksames Mittel anzubieten. Insoweit muss Frau Hubbard-Siontologis dies erst nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG bei der Polizeibehörde beantragen (s. o. Zweiter Teil A).

Da nach dem bisher Gesagten die Behörde auch materiellrechtlich verpflichtet ist, Frau Hubbard-Siontologis das andere Mittel zu gestatten (s. o. Zweiter Teil B), erwächst aus diesem Antrag bereits ein materiellrechtlicher Anspruch auf Abänderung der bereits getroffenen Verfügung.

Anmerkung: Siehe hierzu Grupp, VerwArch 69 (1978), 125, 144 f.

Die Polizeibehörde muss auf Antrag von Frau Hubbard-Siontologis das von ihr angebotene Mittel zulassen und dementsprechend auch die in der Zwangsmittelandrohung festgesetzte Frist verlängern. Jedoch muss sie nicht die bereits getroffene Anordnung im Ganzen aufheben, vielmehr kann sie an der bereits getroffenen Anordnung als dem objektiv mildesten Mittel festhalten, damit sie diese notfalls erzwingen kann, wenn das Austauschmittel nicht durchgeführt wird.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Greifswald, 3 M 98/13 u. a. v. 8.7.2013, Abs. 22 f.

Zudem wird sie in dem vorliegenden Fall auch die Befugnis haben, für die "Wartezeit" ergänzende Verpflichtungen für Frau Hubbard-Siontologis zur Sicherung der Gefahr aufzunehmen, was in Form von Nebenbestimmungen nach § 36 SVwVfG zu der Gestattung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG geschehen kann.

Anmerkung: Siehe hierzu Grupp, VerwArch 69 (1978), 125, 140.

Wenn die Behörde sich also auf Antrag von Frau Hubbard-Siontologis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG bereit erklärt, den von ihr getroffenen Bescheid entsprechend zu ändern, besteht gar kein Anlass für weitergehende Rechtsbehelfsmaßnahmen mehr.

Deshalb sollte Frau Hubbard-Siontologis die Gestattung des von ihr angebotenen Mittels möglichst sofort beantragen und auf eine möglichst sofortige Entscheidung drängen, damit die Behörde vor Ablauf der 10-Tages Frist noch eine Entscheidung treffen kann. Zudem empfiehlt es sich, ausdrücklich auch auf eine Verlängerung der in Nr. 3 des Bescheides festgesetzten Frist zu drängen.

B) Einstweiliger Rechtsschutz

Erst wenn erkennbar wird, dass die Ortspolizeibehörde das von Frau Hubbard-Siontologis angebotene Austauschmittel nicht akzeptieren wird, besteht die Notwendigkeit förmlicher Rechtsbehelfe. Angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit kommt insoweit nur gerichtlicher Eilrechtsschutz in Betracht. Ein entsprechender Antrag hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

I. Zulässigkeit

Ein Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes ist zulässig, wenn die hierfür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.

1. Zuständiger Rechtsweg

Auf welchem Rechtsweg Eilrechtsschutz erlangt werden kann, richtet sich nach den hierfür geltenden allgemeinen Bestimmungen, insbes. § 13 GVG und § 40 VwGO. Hier liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor, so dass die VwGO anwendbar ist. Die Ortspolizeibehörde nimmt polizeirechtliche Befugnisse in Anspruch, so dass die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen solche des Polizeirechts sind. Der Verwaltungsrechtsweg ist somit eröffnet.

Anmerkung: Eine Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte nach § 40 Abs. 1 Satz 1 a.E. VwGO i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG kommt hier von vornherein nicht in Betracht, weil die Ortspolizeibehörde keine Befugnisse im Bereich der Strafrechtspflege hat, ihre Bediensteten vor allem keine Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft i.S.d. § 152 StPO sind (vgl. die Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 11. 7. 1996). Die Ortspolizeibehörde kann also nur präventiv und nicht repressiv handeln. Auf § 23 EGGVG wäre allenfalls einzugehen, wenn es um eine Maßnahme der Vollzugspolizei ginge.

2. Statthafte Form des einstweiligen Rechtsschutzes

Als Formen des einstweiligen Rechtsschutzes kommt insoweit sowohl ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch ein Antrag nach § 123 VwGO in Betracht. Welche Rechtsschutzform hier statthaft ist, richtet sich danach, mit welcher Rechtsschutzform der Antragsteller sein Begehren in der Hauptsache verfolgen könnte.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nur statthaft, wenn die Klage in der Hauptsache eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) wäre, wenn sich der Antragsteller also gegen den Vollzug eines Verwaltungsakts wendet.

Anmerkung: Siehe hierzu Hufen, § 32 Rn. 33; zu bestimmten Ausnahmen, in denen auch in einer Verpflichtungsklagesituation § 80 Abs. 5 VwGo einschlägig sein kann: Herbolsheimer, JuS 2024, 24, 25.

Dies ist hier auf den ersten Blick gegeben: Frau Hubbard-Siontologis geht es darum, die Vollstreckung der sich aus Nr. 1 des Bescheides ergebenden Verpflichtung auszusetzen. Bei dieser Verpflichtung handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition der § 35 VwVfG, § 31 SGB X, § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.

Anmerkung: Zum Verwaltungsaktbegriff der VwGO siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15.

Allerdings ist fraglich, ob im Hauptsacheverfahren tatsächlich die Anfechtungsklage die statthafte Klageart wäre. Frau Hubbard-Siontologis kann nicht geltend machen, dass die in Nr. 1 festgesetzte Verpflichtung schon bei deren Erlass rechtswidrig war. Vielmehr war sie rechtlich nicht zu beanstanden (s. o. Erster Teil A). Sie könnte allenfalls rechtswidrig geworden sein, nämlich dann, wenn die Ortspolizeibehörde spätere Umstände, nämlich den Antrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG nicht zum Anlass nimmt, den Verwaltungsakt abzuändern (s. o. Zweiter Teil). Die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO wird demnach nur dann dem Begehren von Frau Hubbard-Siontologis im Hauptsacheverfahren gerecht, wenn als "rechtswidrig" i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch der rechtswidrig gewordene Verwaltungsakt anzusehen wäre.

Dies führt zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt es bei der Rechtskontrolle eines Verwaltungsaktes nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ankommt. Als "Faustformel" hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass bei der Anfechtungsklage im Zweifel der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung der für die Rechtmäßigkeitsprüfung maßgebliche Zeitpunkt sei. Anders sei dies jedoch (nicht nur bei sogenannten Verwaltungsakten mit Dauerwirkungen, sondern auch) bei nicht vollzogenen Maßnahmen, die von dem Verpflichteten ein bestimmtes Tun verlangen. Insoweit müsse die Behörde die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bis zu ihrem Vollzug "unter Kontrolle" halten, so dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Kontrolle nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in einem solchen Fall ausnahmsweise der Zeitpunkt der letzten gerichtlichen mündlichen Verhandlung sei. Hierfür könnte insbesondere sprechen, dass auf diese Weise in einem einheitlichen Rechtsbehelfsverfahren sowohl über die Frage der ursprünglichen Rechtswidrigkeit als auch über die Frage späterer Rechts- und Tatsachenänderungen entschieden werden könnte und berücksichtigt würde, dass die Behörde auch an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrig gewordenen Bescheides kein Interesse haben kann, solange die Angelegenheit noch nicht erledigt ist. Ob dem im Allgemeinen gefolgt werden kann, ist allerdings fraglich.

Anmerkung: Siehe hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 18 ff.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 225 jeweils m.w.N. Im Grundsatz ist unbestritten, dass Verwaltungsakte, die zu einem einmaligen Tun auffordern, bis zur Erfüllung dieser Pflicht hinsichtlich des für § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO maßgeblichen "Rechtswidrigkeitszeitpunkts" wie Verwaltungsakte mit Dauerwirkung zu behandeln sind. Vgl. zum allgemeinen Problem des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes maßgeblichen Sach- und Rechtslage die zusammenfassende Darstellungen von Gärditz/Orth, Jura 2013, 1100 ff.; Käß, BayVBl 2009, 677 ff.; Rennert, DVBl. 2019, 593 ff.; Schenke, JuS 2019, 833 ff.

Jedenfalls für den Fall des Angebots des anderen Mittels in § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG geht das SPolG jedoch materiellrechtlich deutlich von einer gestuften Verfahrensweise aus: Die Polizeibehörde hat zunächst ein (rechtmäßiges) Mittel festzusetzen. Erst in einem besonderen Antragsverfahren ist eine Entscheidung über die Abänderung des ursprünglichen Bescheides zu treffen.

Anmerkung: Siehe hierzu OVG Lüneburg, 1 ME 112/17 v. 6.9.2017 = BauR 2017, 2144, 2147; OVG Münster, 8 A 2577/12 v. 7.8.2014, Abs. 22 = ZUR 2015, 182, 184; VG Berlin, 13 K 255.15 v. 15.3.2016, Abs. 26.

Das Gesetz verpflichtet insoweit gerade nicht die Behörde selbst, die Polizeiverfügung "von Amts wegen" unter Kontrolle zu halten, sondern gewährt lediglich einen Abänderungsanspruch, wobei die Initiative vom Betroffenen ausgehen muss.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG , 1 C 26/14 v. 17.9.2015, Abs. 25 = BVerwGE 153, 24 Abs. 25.

Ein Anspruch auf Abänderung eines Verwaltungsaktes ist jedoch auf Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet und dementsprechend im Wege der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zu verfolgen.

Folgt man dem, richtet sich der einstweilige Rechtsschutz im vorliegenden Fall nach § 123 VwGO, da im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungsklage statthaft wäre.

Anmerkung: Mit entsprechender Begründung wäre hier auch die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Form des § 80 Abs. 5 VwGO vertretbar. Dann müsste aber das Problem des rechtswidrig gewordenen Verwaltungsaktes und des für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunktes näher erörtert werden. Wird § 80 Abs. 5 VwGO für die statthafte Verfahrensart gehalten, ist jedoch zusätzlich zu beachten, dass vielfach als Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auch angesehen wird, dass der Antragsteller bereits einen Rechtsbehelf eingelegt hat, der die aufschiebende Wirkung auszulösen in der Lage ist und dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden soll (Schoch, in: Schoch/Schneider, § 80 Rn. 460 f.). Dies ist im Hinblick auch § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO zwar nicht unumstritten (ablehnend z. B. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, § 80 Rn. 139; s. a. Herbolsheimer, JuS 2024, 24, 27). Für den Anwalt, der im Interesse seines Mandanten immer den sichersten Weg zu wählen hat, bedeutet dies aber, dass er vorsorglich auch Widerspruch einlegen muss und nicht darauf vertrauen darf, das Gericht werde der ihm günstigen Ansicht folgen. Um sicher zu verhindern, dass die Nr. 1 des Bescheides nach Ablauf von 10 Tagen vollstreckt wird, muss Frau Hubbard-Siontologis dementsprechend sowohl Widerspruch nach § 68 VwGO einlegen als auch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen. Allgemein zur Zulässigkeit und Begründetheit eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO siehe den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall.

Inhalt des Rechtsschutzes könnte hier nur eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO dahingehend sein, dass die Behörde verpflichtet wird, bis zum Ablauf eines Monates die Vollstreckung aus der Nr. 1 des Bescheides (vorläufig) auszusetzen.

3. Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

Da vorläufiger Rechtsschutz sinnvollerweise nur zu gewähren ist, wo auch ein Hauptsacheverfahren zulässig wäre, ist § 42 Abs. 2 VwGO auf das Verfahren nach § 123 VwGO analog anzuwenden. Da Frau Hubbard-Siontologis einen Anspruch auf Gestattung des Austauschmittels aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG herleiten kann, sofern sie dies zuvor bei der Behörde beantragt hat, kann auch diese Voraussetzung erfüllt werden.

4. Vorverfahren

Da - wie bereits erwähnt - vorläufiger Rechtsschutz sinnvollerweise nur zu gewähren ist, wenn auch ein Hauptsacheverfahren zulässig wäre, ist in den Fällen, in denen im Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre, der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nur dann zulässig, wenn ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 2 VwGO durchgeführt wurde bzw. seine Durchführung noch nicht wegen Fristablaufs nach § 70 VwGO ausgeschlossen ist. Solange noch keine Ablehnung der Gestattung erfolgt ist, ist im vorliegenden Fall jedoch noch kein Widerspruch nach § 68 Abs. 2 VwGO zulässig, so dass ein Vorverfahren noch gar nicht eingeleitet werden kann.

5. Passive Prozessführungsbefugnis

Da es sich bei dem Antrag nach § 123 VwGO um ein "Nebenverfahren" handelt, ist § 78 VwGO auf das Verfahren nach § 123 VwGO analog anzuwenden, wenn in der Hauptsache - wie hier - eine Verpflichtungsklage statthaft wäre, um ein Auseinanderfallen der Prozessführungsbefugnis im Hauptsacheverfahren und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu vermeiden. Dementsprechend ist im vorliegenden Fall gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde passiv prozessführungsbefugt.

Anmerkung: Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO diesen Hinweis.

6. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)

Frau Hubbard-Siontologis ist nach § 61 Nr. 1 VwGO, der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde nach § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 1 AGVwGO beteiligtenfähig.

Anmerkung: Siehe zum Behördenbegriff des § 61 Nr. 3 VwGO diesen Hinweis.

7. Zuständiges Gericht

Für den Erlass der einstweiligen Anordnung wäre sachlich und örtlich zuständig nach § 123 Abs. 2 i.V.m. § 45, § 52 Nr. 5 VwGO das Verwaltungsgericht des Saarlandes.

8 Ergebnis zu I

Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wäre somit zulässig.

II. Begründetheit

Der Antrag auf Erlass der begehrten Sicherungsanordnung ist nach § 123 Abs. 1 Satz VwGO begründet, wenn Frau Hubbard-Siontologis gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft machen kann, dass der zu sichernde Anspruch auf Gestattung des Austauschmittels nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG nach materiellem Recht überhaupt besteht (sog. Anordnungsanspruch) und wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Anordnungsgrund).

Dass nach materiellem Recht Frau Hubbard-Siontologis einen Anspruch auf Gestattung des von ihr angebotenen Austauschmittels hat, ist bereits dargelegt worden (s.o. Zweiter Teil) und sie wird diesen Anspruch - da der Sachverhalt unstreitig sein dürfte - auch glaubhaft machen können.

Anmerkung: Oft findet sich bei der Prüfung des § 123 VwGO die Formel, dass das Bestehen des Anordnungsanspruchs aufgrund einer summarischen Prüfung festgestellt werden muss. Diese Formel bedeutet- wie das "Glaubhaftmachen" des Anordnungsanspruchs - im vorliegenden Zusammenhang meist nur, dass bezüglich der Tatsachengrundlage kein Beweis erhoben werden muss, der Sachverhalt also nicht zur vollständigen Überzeugung des Gerichts (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) feststehen muss, sondern das Gericht sich mit Wahrscheinlichkeiten begnügen kann. Rechtsfragen werden dagegen in der Regel nicht summarisch, sondern vollständig durchgeprüft (vgl. hierzu Happ, in: Eyermann, § 123 Rn. 48; Schoch, in: Schoch/Schneider, § 123 Rn. 62, 69), und genau das wird jedenfalls auch im Examen erwartet (siehe zur Frage der [Un-]Möglichkeit "guter" summarischer Rechtsprüfungen auch Heinemann, NVwZ 2019, 517 ff.; ferner Herbolsheimer, JuS 2024, 24, 28 f.). Siehe hierzu ferner den Obdachlos-Fall, den Parteilichkeit-II-Fall und den Presseflug-Fall (zum Prüfungsmaßstab nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und den Keinen-Platz-den-Drogen-Fall (zum Prüfungsmaßstab bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO).

Fraglich ist demnach nur, ob auch ein Anordnungsgrund vorliegt, ob es also als nötig erscheint, die Ortspolizeibehörde der Stadt Saarheim zu verpflichten, die Vollstreckung der in Nr. 1 ihres Bescheides vorhandenen Verpflichtung vorläufig auszusetzen. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Recht von Frau Hubbard-Siontologis aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG, ein gleich wirksames Austauschmittel zur Gefahrenbeseitigung einzusetzen, das sie subjektiv weniger beeinträchtigt, vereitelt wird, wenn die Behörde ihre bereits erlassene Polizeiverfügung vollstreckt und den Baum im Wege der Ersatzvornahme nach § 44, § 46 SPolG abholzen lässt. Ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung, würde dementsprechend der Anspruch von Frau Hubbard-Siontologis gegenstandslos werden. Insoweit scheint eine Sicherung des status quo durch Erlass einer entsprechenden Anordnung geboten.

Anmerkung: Das Problem der Vorwegnahme der Hauptsache (siehe hierzu den Presseflug-Fall), stellt sich hier nicht: Zwar bekommt Frau Hubbard-Siontologis genau das, was sie will, nämlich eine zeitweilige Aussetzung der Vollstreckung aus der Polizeiverfügung. Jedoch ist Gegenstand des Hauptsacheverfahrens der sich aus § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG ergebende Anspruch auf Änderung der Polizeiverfügung. Stellt sich aufgrund veränderter Umstände heraus, dass dieser Anspruch nicht mehr besteht (etwa weil Frau Hubbard-Siontologis ihren Antrag zurückzieht, nach Ablauf eines Monates nicht tätig wird oder weil sich die Witterungsverhältnisse ändern und deshalb ein sofortiges Einschreiten notwendig wird), kann die Anordnung deshalb ohne weiteres aufgehoben werden, ohne dass sich die Rechtsposition der Behörde durch die Anordnung selbst (endgültig) verschlechtert hätte.

Ein Antrag, die Behörde zur zeitweiligen Aussetzung der Vollstreckung der in Nr. 1 ihres Bescheides enthaltenen Anordnung zu verpflichten, erscheint demnach auch als begründet.

III. Ergebnis zu B

Rathgeber wird dementsprechend Frau Hubbard-Siontologis für den Fall, dass die Behörde seinem Antrag auf Zulassung des Austauschmittels nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG nicht nachkommt, auf die Möglichkeit der Beantragung einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO hinweisen, die gute Aussicht auf Erfolg hat.

C) Ergebnis des Dritten Teils

Rathgeber wird Frau Hubbard-Siontologis folglich raten, zunächst einen Antrag nach § 3 Abs. 2 Satz 2 SPolG auf Zulassung des Austauschmittels zu stellen und zugleich deutlich zu machen, dass sie während der Wartezeit bereit sei, einen "Bereitschaftsdienst" sicherzustellen, um bei Änderung der Witterungsverhältnisse sofort den Baum beseitigen zu können. Dementsprechend sollte er auch eine Verlängerung der in Nr. 3 des Bescheides festgesetzten Frist beantragen. Nur wenn die Behörde dem nicht folgt, besteht Anlass, eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beantragen, die hinreichend Aussicht auf Erfolg hat.

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Zu einer nach Berliner Landesrecht zu lösenden Fallvariante bei den Hauptstadtfällen

Zur "Hörbuchvariante" des Falles von Sebastian Baur und Kourosh Semnani unter Mitwirkung von Ulrich Stelkens: https://open.spotify.com/episode/57jTGRpziZRlLUfKtHIWi0

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