Stand der Bearbeitung: 30. Juli 2022
© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim
Siehe hierzu: OVG Frankfurt (Oder), 2 A 97/94 v. 30.11.1994 = KStZ 1996, 18 f.; VGH Kassel, V OE 31/70 v. 10.12.1970 = Der Gemeindetag, 1971, 158; OVG Koblenz, 6 A 10056/90. OVG v. 24.7.1990 = KStZ 1991, 56; OVG Münster, XIII A 99/73 v. 7.2.1974 = KStZ 1974, 192; OVG Münster, XIII A 1145/74 v. 19.12.1974 = KStZ 1975, 198; VG Freiburg, IV K 23/80 v. 25.11.1980 = KStZ 1981, 197; VG Schleswig, I A 120/74 v. 8.4.1975 = KStZ 1975, 199.
Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
Die Klage ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO gegeben sind.
Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.
I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen dem öffentlichen Recht angehören. Öffentlich-rechtlicher Natur sind diejenigen Rechtsnormen, die einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.
Anmerkung: Siehe hierzu nur BVerwG, 10 B 1/20 v. 26.5.2020, Abs. 6 = NVwZ 2020, 1363 Abs. 6.
Hier geht es um die Erhebung einer kommunalen Steuer nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes und der VgnSt-Satzung der Stadt Saarheim so dass eindeutig öffentlich-rechtliche Normen einschlägig sind.
Anmerkung: Es ist für die Falllösung durchaus wichtig zu erkennen, dass es sich bei der Festsetzung von kommunalen Vergnügungssteuern um eine - von den Kommunalabgabengesetzen der Länder - geregelte Kommunalabgabe handelt. Die Kommunalabgabengesetze der Länder bzw. das Hamburgische Abgabengesetz verweisen in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlicher Form auf die Regelungen der Abgabenordnung des Bundes, i.d.R. im Hinblick auf die Regelungen über das Steuerschuldverhältnis, das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsvollstreckung. Spiegelbildlich wird i.d.R. im Landes-Verwaltungsverfahrensgesetz (i.d.R. in § 2) die Geltung des jeweiligen Landes-VwVfG ausgeschlossen, soweit für das Verwaltungsverfahren die Vorschriften der Abgabenordnung (unmittelbar oder kraft Verweisung) gelten (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 SVwVfG), so dass es einen durchaus schweren Fehler darstellt, wenn auf das Landes-VwVfG zurückgegriffen wird, soweit die Abgabenordnung kraft Verweis gilt.
Die Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art, und auch eine Spezialzuweisung liegt nicht vor. Insbesondere sind nicht die Finanzgerichte nach § 33 FGO zuständig. Zwar handelt es sich vorliegend um eine Abgabenangelegenheit i.S.d. § 32 Abs. 2 FGO. Jedoch ist die Vergnügungssteuer nach Maßgabe der VgnSt-Satzung eine Gemeindesteuer (§ 3 KAG) und wird daher auch von der Stadt Saarheim verwaltet. Gemeinden sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 FVG jedoch keine Landesfinanzbehörden. Daher ergibt sich eine Zuständigkeit des Finanzgerichts nicht aus § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Da es vorliegend auch nicht um die Vollziehung, sondern um die Frage der Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides geht, ist auch § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO nicht einschlägig. Denkbar wäre damit allenfalls eine Zuständigkeit der Finanzgerichte nach § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO, doch wurde im Saarland von der Ermächtigung, auch Kommunalabgabenangelegenheiten (als "andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten") den Finanzgerichten zuzuweisen, kein Gebrauch gemacht.
Anmerkung: § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO ermöglicht die Zuweisung von Kommunalabgabenangelegenheiten an die Finanzgerichte durch Landesrecht. Von dieser Ermächtigung wurde in den Ländern jedoch in der Regel nur insoweit Gebrauch gemacht, wie die entsprechenden Abgaben von Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dagegen ist nach Artikel 6 Nr. 1 des Bremischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO) z. B. für Vergnügungssteuerangelegenheiten der Stadt Bremerhaven aufgrund landesrechtlicher Zuweisung das Finanzgericht Bremen zuständig (vgl. FG Bremen, 295 191 K 2 v. 14.5.1996 = NVwZ-RR 1997, 563).
II. Statthafte Klageart
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage darstellt (vgl. § 88 VwGO). Es ist also das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln.Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 2 BvR 1493/11 v. 29.10.2015, Abs. 37 = NVwZ 2016, 238, Abs. 37.
Hirsch wendet sich hier gegen den Abgabenbescheid vom 6. Juli. Er möchte die darin festgesetzte Steuer nicht zahlen, da er deren Erhebung für rechtswidrig hält. Diesem Begehren wird eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gerecht werden, da der Bescheid ein Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, des § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ist, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.
Anmerkung: Zum Verwaltungsaktbegriff der VwGO siehe U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15.
III. Klagebefugnis ( § 42 Abs. 2 VwGO)
Hirsch müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen können, durch den Bescheid vom 6. Juli in seinen Rechten verletzt zu sein. Hirsch wendet sich hier gegen einen belastenden Verwaltungsakt. Eine belastende Maßnahme greift stets in Grundrechte des Adressaten, zumindest in Art. 2 Abs. 1 GG, ein. Die Rechtswidrigkeit des Abgabenbescheides ist darüber hinaus nicht von vornherein ausgeschlossen, so dass eine Verletzung von Grundrechten Hirschs auch möglich erscheint und er somit klagebefugt ist.
Anmerkung: Zur Adressatentheorie siehe diesen Hinweis.
IV. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)
Der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim ist als die Behörde, welche den angegriffenen Verwaltungsakt erlassen hat, gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO passiv prozessführungsbefugt.
Anmerkung: Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO diesen Hinweis.
V. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)
Hirsch ist nach § 61 Nr. 1 VwGO, der Oberbürgermeister nach § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 1 AGVwGO beteiligtenfähig.
Anmerkung: Zum Behördenbegriff des § 61 Nr. 3 VwGO siehe diesen Hinweis.
VI. Vorverfahren (§ 68 VwGO)
Das Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO) wurde von Hirsch ordnungsgemäß durchgeführt. Er hat fristgerecht Widerspruch eingelegt (§ 70 Abs. 1 VwGO).
Anmerkung: Siehe beiliegende Kopie des Widerspruchs.
Über den Widerspruch hat jedoch hier jedoch der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ausgangsbehörde (abschließend) entschieden. Dies war rechtswidrig: Zuständig für den Erlass des Widerspruchsbescheides war vielmehr der Kreisrechtsausschuss des Saarpfalz-Kreises gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2, § 185 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AGVwGO.
Dass der Widerspruch nicht von der zuständigen Behörde beschieden wurde und somit der Widerspruchsbescheid für sich gesehen rechtswidrig ist, lässt jedoch die Zulässigkeitsvoraussetzung des durchgeführten Vorverfahrens nicht entfallen; denn § 68 VwGO besagt nicht, dass der Widerspruchsbescheid frei von Rechtsfehlern sein muss - was auch absurd wäre, weil sonst im Regelfall nur unbegründete Klagen zulässig wären.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 5 C 23/85 v. 6.2.1986 = NVwZ 1987, 320; BSG, 3 RK 26/62 v. 30.11.1965, S. 7 f. = BSGE 24, 134, 137; Geis/Hinterseh, JuS 2002, 34, 37.
Da das Fehlen sonstiger Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht erkennbar ist, ist die Klage zulässig.
Die Klage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und Hirsch dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da es sich bei dem Bescheides vom 6. Juli um eine an Hirsch adressierte, ihn unmittelbar belastende Maßnahme handelt, indiziert wegen Art. 2 Abs. 1 GG die Rechtswidrigkeit des Bescheids schon die Rechtsverletzung des Klägers, so dass hier nur die Rechtswidrigkeit des Bescheides näher zu untersuchen ist.
Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 C 8/14 v. 5.8.2015, Abs. 21 = BVerwGE 152, 355 Abs. 21. Allgemein zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts siehe diesen Hinweis.
Als Ermächtigungsgrundlage für die Steuerfestsetzung kommen § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Abs. 4 KAG, § 155 AO i.V.m. der VgnSt-Satzung in Betracht. Nach dem Sachverhalt ist von der formellen und materiellen Vereinbarkeit der VgnSt-Satzung mit höherrangigem Recht auszugehen.
Anmerkung: Siehe zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Kommunalabgaben-Satzung den Starenhut-Fall (für Benutzungsgebührensatzung). Ein spezielles Gesetz über die Erhebung von Vergnügungssteuern haben nur noch Berlin (Gesetz über eine Vergnügungsteuer in Berlin [Vergnügungssteuergesetz - VgnStG]), Bremen (Vergnügungssteuergesetz) und Hamburg (Hamburgisches Spielvergnügungsteuergesetz [HmbSpVStG]). In den übrigen Bundesländern ergibt sich die Möglichkeit für die Gemeinden, auf Grund einer Satzung Vergnügungssteuern zu erheben, aus den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen. Früher war dagegen - wie auch im Saarland - das Recht Vergügungssteuern zu erheben in eigenen Vergnügungssteuergesetzen der Länder geregelt gewesen, die teilweise Sondervorschriften zu den Kommunalabgabengesetzen darstellten.
Der Bescheid ist auch formell rechtmäßig, da die Gemeinde für die Steuerfestsetzung zuständig ist und Verfahrensfehler nicht erkennbar sind. Insbesondere durfte sich die Stadt Saarheim der hoheitlichen Ausgestaltung des Steuerrechtsverhältnisses in besonderem Maße entsprechenden - Handlungsform des Verwaltungsaktes bedienen
Anmerkung: Siehe zum hiermit angesprochenen Problem der "Verwaltungsaktbefugnis" diesen Hinweis und zum Kommunalabgabenverfahrensrecht den Schlachthof-Fall.
Fraglich ist jedoch, ob der Bescheid materiell rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn das "Halten" von Kinderreitautomaten nach § 2 VgnSt-Satzung der Vergnügungssteuer unterliegt, es nicht nach § 3 VgnSt-Satzung von der Vergnügungssteuer befreit ist, Hirsch Steuerschuldner nach § 4 VgnSt-Satzung ist, die Steuer nach § 17 VgnSt-Satzung fällig ist und auch gemäß § 12 VgnSt-Satzung der Höhe nach richtig festgesetzt wurde.
I. Steuerpflichtigkeit des Betriebs von Kinderreitautomaten nach § 2 VgnSt-Satzung
Welche "Vergnügen" nach der steuerpflichtig sind, ist in § 2 Abs. 1 VgnSt-Satzung enumerativ aufgezählt. Nur wenn das "Halten" von Kinderreitautomaten die Tatbestandsmerkmale eines der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 VgnSt-Satzung genannten Steuergegenstände erfüllt, ist somit eine Steuerpflicht gegeben. In Betracht kommt hier von vornherein nur eine Vergnügungssteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung ("das Halten von Musik-, Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparaten [...] an [...]der Öffentlichkeit zugänglichen Orten").
1. Vorliegen eines Apparates
Dann müsste es sich bei den Kinderreitautomaten zunächst einmal um "Apparate" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung handeln: Apparate in diesem Sinne sind, wenn man vom Wortsinne ausgeht (Apparat = Gerät, Vorrichtung, zusammengesetzte Werkzeugeinheit), "Mechanismen, die eine durch Zusammenbau bewirkte Verbindung von Einzelteilen darstellen, in der wenigstens ein Teil zur Erreichung des vorgeplanten Effekts beweglich sein muss, sei es durch Muskelkraft, Hand- oder Fußantrieb, sei es durch Auslösung sonstiger Energien, wie Spiralfedern, elektrischer Strom oder ähnliches." Nicht zu den Apparaten gehören damit grundsätzlich solche Mechanismen, bei denen der vorgeplante Effekt nicht in der Bewegung einzelner Teile, sondern der gesamten Einrichtung als solcher besteht.
Anmerkung: Siehe hierzu: OVG Münster, XIII A 99/73 v. 7.2.1974, Abs. 6 f. = KStZ 1974, 192 und OVG Münster, XIII A 1145/74 v. 19.12.1974, Abs. 2 = KStZ 1975, 198.
Dem folgend liegen hier "Apparate" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung vor: Durch Einwurf der Münzen wird bei Kinderreitautomaten elektrische Energie ausgelöst, mit Hilfe derer die auf dem Gerät montierte Pferdchenplastik in schaukelnde Bewegung gesetzt wird, ohne dass sich das Gerät insgesamt fortbewegt.
2. Kinderreitautomat als Spielapparat?
Der Kinderreitautomat könnte ein Spielapparat i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung sein. Dann müsste der Reitautomat dem "Spielen" dienen. Fraglich ist damit, ob das bloße "Sich-Schaukeln-Lassen", das "passive Hinnehmen des vorprogrammierten Bewegungsablaufs des Geräts", schon als Spielen anzusehen ist oder ob nicht mehr ein "aktives Tun" verlangt werden muss.
Anmerkung: Für erste Variante VGH Kassel, V OE 31/70 v. 10.12.1970 = Der Gemeindetag 1971, 158; für zweite Ansicht OVG Frankfurt (Oder), 2 A 97/94 v. 30.11.1994, Abs. 5 = KStZ 1996, 18, 19.
Für letztere Annahme spricht, dass die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Apparate-Arten in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung keinen Sinn machen würde, wenn unter "Spiel" i.S.d. genannten Vorschrift jede Belustigung oder Vergnügung mittels einer mechanischen Anlage verstanden werden könnte. Daher liegt es nahe, den Begriff des "Spielens" eng auszulegen und hierunter nur ein Geschehen zu begreifen, das sich entweder wettkampfartig unter mehreren Spielern abwickelt (Tischfußballspiel, Tischkegelbahn) oder bei dem der Spieler mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht den Mechanismus eines Apparates betätigt, um sich dessen Reaktion zu seiner Unterhaltung zu Nutze zu machen (Geldspielgerät oder Flipper), wobei der Mechanismus des Apparats gleichsam den "Gegner" des Spielers bildet, den es zu überlisten gilt.
Anmerkung: So OVG Münster, XIII A 1145/74 v. 19.12.1974, Abs. 4 ff. = KStZ 1975, 198.
Bei diesem engen Verständnis fallen im Ergebnis unter den Begriff des Spielgerätes vor allem die Geräte, die typischerweise in den § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) und b) VgnSt-Satzung ausdrücklich aufgeführten Räumen aufgestellt werden.
Folgt man der engen Auslegung des Begriff des "Spielens" sind Kinderreitautomaten nicht als Spielapparate anzusehen.
3. Kinderreitautomat als Musik-, Schau-, Scherz- oder Geschicklichkeitsapparat?
Kinderreitautomaten sind i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung auch keine Musikapparate, selbst wenn sie - wie im vorliegenden Fall - eine Begleitmusik spielen. Man wird als Musikautomat nur solche Geräte auffassen können, deren Hauptzweck es ist, Musik zu spielen, die also m.a.W. vom Benutzer nur mit dem Ziel in Betrieb gesetzt werden, Musik zu hören.
Sie sind auch keine Schauapparate, selbst wenn - wie regelmäßig - die Begleiter der Kinder diesen beim "Reiten" zuschauen, da auch dieser Schaueffekt nicht Ziel der Apparatnutzung ist, vielmehr der Nutzer selbst reitet und nicht bloß zuschaut.
Scherzapparate sind sie auch nicht, weil solche Apparate nur Geräte sind, deren Verwendung eine Erheiterung des Benutzers durch eine gezielte psychische Einwirkung in Form einer komischen oder zumindest als komisch gedachten Reaktion des Apparates bewirken soll, was bei Kinderreitautomaten nicht der Fall ist, da sich ihre Funktion in der bloßen Durchführung von Bewegungsabläufen erschöpft.
Anmerkung: So OVG Frankfurt (Oder), 2 A 97/94 v. 30.11.1994, Abs. 9 = KStZ 1996, 18, 19)
Kinderreitautomaten können schließlich auch nicht als Geschicklichkeitsapparate angesehen werden, da hiermit nur solche Geräte gemeint sind, deren Ziel es ist, besondere (fein-)motorische Fertigkeiten oder ein gewisses Reaktionsvermögen unter Beweis zu stellen.
Anmerkung: So OVG Frankfurt (Oder), 2 A 97/94 v. 30.11.1994, Abs. 7 = KStZ 1996, 18, 19.
Zwar kann es im Einzelfall mal passieren, dass ein Kind vom Pferd herunterfällt, jedoch ist ein Kinderreitautomat nicht als "Rodeo-Spiel" gedacht. Ein durchschnittlich geschicktes Kind soll jedenfalls auf dem Pferdchen sitzen bleiben können, sonst wäre das "Reiten" ja auch viel zu gefährlich.
Damit entspricht ein Kinderreitautomat keinem der in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung ausdrücklich genannten Apparate.
4. Kinderreitautomat als "ähnlicher" Apparat?
Also stellt sich die Frage, ob Kinderreitautomaten "ähnliche Apparate" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung sind.
a) Machen Kinderreitautomaten "Vergnügen"?
Dem steht nicht schon entgegen, dass ein Kinderreitautomat kein "Vergnügen" i.S.d. Eingangssatzes des § 2 Abs. 1 VgnSt-Satzung bewirkt. Zwar mögen - wie Hirsch in seinem Widerspruch ausführt - um einen Ritt auf einem Reitautomaten quengelnde Kinder kein Vergnügen für ihre Eltern darstellen. Darauf kommt es jedoch nicht an, sondern darauf, ob dem Benutzer des Apparates, also dem Kind, die Benutzung Vergnügen bereitet. Dass dies der Fall ist, ist jedoch offensichtlich, da andernfalls kaum verständlich wäre, wieso die Kinder sonst bereit wären, "einige Groschen von ihrem Taschengeld zu opfern oder ihre Begleiter um Geld zu bitten, nur um auf diesen Apparaten Platz zu nehmen und diese für eine Zeitlang in Gang zu setzen"
Anmerkung: So VG Schleswig, I A 120/74 v. 8.4.1975, Abs. 7 = KStZ 1975, 199.
b) Sind Kinderreitautomaten mit den in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung ausdrücklich genannten Apparaten "ähnlich"?
Jedoch könnte es an einer Vergleichbarkeit, also einer "Ähnlichkeit" des Kinderreitautomaten mit den in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung ausdrücklich genannten Apparaten fehlen.
Eine solche "Ähnlichkeit" könnte man mit der Begründung verneinen, dass die Vergnügungssteuer unter historischen Gesichtspunkten einen gewissen "prohibitiven Charakter" hat. Von der Vergnügungssteuer sollten ursprünglich vermeidbare Aufwendungen für die Teilnahme an Vergnügungen umfasst werden, um auf diese Weise dem Überhandnehmen von Vergnügungen entgegenzuwirken. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es tatsächlich nicht als geboten, den Betrieb von "unschuldigen" Kinderreitautomaten einzuschränken.
Anmerkung: So OVG Münster, XIII A 1145/74 v. 19.12.1974, Abs. 10 = KStZ 1975, 198.
Jedoch ist fraglich, ob die modernen Vergnügungssteuergesetze und -satzungen unter Heranziehung solcher Argumente ausgelegt werden können. Maßgebliches Ziel dieser Gesetze und Satzungen dürfte heute - in Zeiten knapper Kassen - weniger die Prohibition (mit dem hiermit verbundenen Wegfall der Steuerquelle), sondern vielmehr eine Art "Gewinnbeteiligung" der Gemeinde an besonders lukrativen Geschäften sein. Jedenfalls hat der historische Prohibitionsgedanke keinen Niederschlag im VgnSt-Satzung gefunden.
Gegen die "Ähnlichkeit" könnte auch sprechen, dass Kinderreitautomaten nach Größe und Beschaffenheit ausschließlich zur Benutzung durch Kinder bestimmt sind, was sie von den anderen in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung ausdrücklich genannten Apparaten typischerweise unterscheidet. Jedoch unterscheidet das VgnSt-Satzung nicht zwischen Veranstaltungen, die nur für Kinder bestimmt, und solchen, die nur oder auch für Erwachsene gedacht sind. So kann etwa auch ein Musik- oder ein Scherzapparat nahezu ausschließlich zur Verwendung durch Kinder gedacht sein. Eine scharfe Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenenvergnügen ließe sich auch gar nicht durchführen.
Anmerkung: So VGH Kassel, V OE 31/70 v. 10.12.1970, Abs. 5 = Der Gemeindetag 1971, 158.
Eine "Ähnlichkeit" mit den übrigen in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung genannten Apparaten könnte man auch deshalb verneinen, weil die ausdrücklich in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung genannten Apparate gemeinsam haben, dass die "Vergnügung" durch die akustischen, optischen und sonstigen unterhaltenden Reaktionen des vom Benutzer getätigten Apparats hervorgerufen wird, jedoch in keinem Fall dadurch, dass - wie beim Kinderreitautomat - der Apparat den Benutzer zu seiner Belustigung bewegt.
Anmerkung: So OVG Münster, XIII A 1145/74 v. 19.12.1974, Abs. 7 = KStZ 1975, 198.
Deshalb die "Ähnlichkeit" zu verneinen, führt jedoch im Ergebnis dazu, dass der Begriff der "Ähnlichkeit" durch den Begriff der "Gleichartigkeit" ausgetauscht wird. Man kann daher wohl auch nicht die Kinderreitautomaten jeweils mit den anderen Apparaten vergleichen und - weil sie keinen der ausdrücklich genannten Apparatetypen entsprechen - deshalb die "Ähnlichkeit" verneinen.
Anmerkung: So aber OVG Frankfurt (Oder), 2 A 97/94 v. 30.11.1994, Abs. 6 ff. = KStZ 1996, 18, 19.
Daher wird man darauf abstellen müssen, dass alle die in § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung genannten Apparate "Vergnügen" durch unterhaltende Reaktionen verursachen, die im weitesten Sinne auf die "Sinne" des Benutzers einwirken oder seinen Spieltrieb anregen und befriedigen sollen. Daher sprechen wohl die besseren Argumente dafür, Kinderreitautomaten grundsätzlich als "ähnliche Automaten" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung anzusehen.
Anmerkung: Die enge Auslegung des Begriffs des "ähnlichen Apparates" durch die Gerichte in Nordrhein-Westfalen (OVG Münster X III A 1145/74 v. 19.12.1974, Abs. 7 ff. =KStZ 1975, 198) und Brandenburg (OVG Frankfurt (Oder) 2A 97/94 v. 30.11.1994, Abs. 3 ff. = KStZ 1996, 18 f.) erklärt sich dadurch, dass die (damals) dort geltenden Vergnügungssteuergesetze - anders als § 3 Nr. 7 VgnSt-Satzung (hierzu sogleich unten B II) - nur eine Steuerbefreiung für Vergnügungen auf Jahrmärkten, Kirmessen etc. kennen bzw. kannten, nicht aber allgemeine Steuerbefreiung für Vergnügungen der auf Jahrmärkten etc. üblichen Art. In den Urteilsbegründungen wird auch sehr deutlich, dass durch die enge Auslegung des Begriffs des "ähnlichen Apparates" derselbe Effekt erzielt werden soll, den man auch durch eine analoge Anwendung des Steuerbefreiungstatbestands des "Jahrmarktsvergnügens" auf "Vergnügungen der auf Jahrmärkten üblichen Art" hätte erreichen können. Ganz anders muss die Argumentation schließlich in den Fällen laufen, in denen nicht die Vergnügungssteuertatbestände - wie in § 2 VgnSt-Satzung - enumerativ aufgezählt sind, sondern eine Generalklausel besteht, nach der grundsätzlich alle Vergnügungen steuerpflichtig sind. Dann kommt es nur darauf an, ob Kinderreitautomaten beim Benutzer Vergnügen bewirken, was zu bejahen ist (vgl. hierzu OVG Koblenz, 6 A 10056/90. OVG v. 24.7.1990, Abs. 7 ff. = KStZ 1991, 56; VG Schleswig, I A 120/74 v. 8.4.1975, Abs. 7 = KStZ 1975, 199).
5. Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) oder b) VgnSt-Satzung
Schließlich müssten die Kinderreitautomaten noch an einem der in § 2 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) oder b) VgnSt-Satzung genannten Örtlichkeiten "gehalten" werden. Hier ist die Alternative des "sonstigen der Öffentlichkeit zugänglichen Ortes" gegeben, da hierzu auch Privatgrundstücke zählen können, wenn sie der Allgemeinheit ohne Einschränkung zum freien Zutritt und Gebrauch überlassen werden. Dies trifft auch auf den Eingangsbereich von Kaufhäusern, Geschäften u.ä. zu, wo Hirsch seine Apparate aufgestellt hat.
Anmerkung: Siehe hierzu VGH Kassel, V OE 31/70 v. 10.12.197, Abs. 5 = Der Gemeindetag 1971, 158.
6. Ergebnis zu I
Das Halten von Kinderreitautomaten ist somit grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung vergnügungssteuerpflichtig.
II. Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 VgnSt-Satzung
Das nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VgnSt-Satzung grundsätzlich steuerpflichtige "Halten" von Kinderreitautomaten könnte aber nach § 3 VgnSt-Satzung von der Steuer befreit sein, wobei hier nur die Alternative des § 3 Nr. 7 VgnSt-Satzung in Betracht kommt. Dann müsste es sich bei dem Kinderreitautomat um eine "Volksbelustigung der auf Jahrmärkten, Kirmessen, Kirchweihfesten und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art" handeln.
Kinderreitautomaten weisen nun - wie sie auch im Einzelfall gestaltet sein mögen - als gemeinsames Merkmal auf, dass sie den Benutzer durch rüttelnde oder schaukelnde Bewegungen belustigen sollen. Damit gehören sie zur "üblichen Art" der auf Volksbelustigungen i.S.d. § 3 Nr. 7 VgnSt-Satzung anzutreffenden Geräte, zu denen etwa Schaukeln, Karussells, Riesenräder oder gleichartige Einrichtungen zu rechnen sind. Dem steht nicht entgegen, dass Kinderreitautomaten einfacher konstruiert sind und unter Umständen auch eine geringere Vergnügungswirkung hervorrufen als die auf Kirmessen üblicherweise anzutreffenden Geräte, weil eine Abgrenzung nach "Raffiniertheit" wohl kaum möglich ist.
Dementsprechend ist das "Halten" von Kinderreitautomaten nach § 3 Nr. 7 VgnSt-Satzung vergnügungssteuerfrei.
Anmerkung: Siehe hierzu VG Freiburg, IV K 23/80 v. 25.11.1980, Abs. 7 = KStZ 1981, 197, 198.
III. Ergebnis zu B
Da somit das "Halten" von Kinderreitautomaten nicht steuerpflichtig ist, ist der Vergnügungssteuerbescheid vom 6. Juli rechtswidrig und verletzt Hirsch in seinen Rechten. Die Klage ist somit begründet.
Anmerkung: Bei entsprechender Begründung ist natürlich auch eine andere Auslegung vertretbar, sofern nur sorgfältig subsumiert wird. Für den Fall, dass die Steuerpflicht bejaht und die Steuerbefreiung verneint wurde, besteht die Steuerschuld des Hirsch gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VgnSt-Satzung. Die richtige Festsetzung der Steuer ergibt sich dann aus den § 12 und § 17 Abs. 2 und 4 VgnSt-. Bei dieser Konstellation wäre der Bescheid also rechtmäßig (der Fehler in der Fälligkeitsberechnung nach § 17 Abs. 4 VgnSt-Satzung ist jedenfalls für Hirsch günstig - die Fälligkeit wird für die im 1. Quartal anfallenden Steuern nach hinten verschoben - und kann ihn daher insoweit nicht in seinen Rechten verletzen). Auf keinen Fall dürfte dieses Ergebnis in einer "Verhältnismäßigkeitsprüfung" in Frage gestellt werden, weil es sich um eine Maßnahme gebundener Verwaltung handelt, d.h. die Steuer unter diesen Voraussetzungen zwingend in der vorgeschriebenen Höhe festzusetzen war (siehe hierzu diesen Hinweis).
Die Klage ist zulässig und begründet und hat damit Aussicht auf Erfolg.
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