Leinen los!

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

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Im Ortsteil St. Louis der Stadt Saarheim befindet sich der Dorfanger, eine der zahlreichen Grünauen der Stadt. Diese eher kleine parkähnlich gestaltete Anlage erfreut sich, trotz der unmittelbaren Nachbarschaft der Hubert-Hölzl-KG, recht großer Beliebtheit bei den Einwohnern des Stadtteils St. Louis: In den frühen Morgenstunden finden sich bereits viele Sportbegeisterte zum Fitnesstraining zusammen, welche im Laufe des Vormittags überwiegend von Rentnerinnen und Rentern abgelöst werden, die den Park zum Spazierengehen, Tauben füttern oder schlichtweg zum Plaudern nutzen. Des Nachmittags füllt sich die Anlage regelmäßig mit spielenden Kindern, die wiederum im Laufe des frühen Abends Gesellschaft von anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern bekommen, die sich noch einmal die Beine vertreten wollen oder einen beschaulichen Ort suchen, um den Feierabend allein oder zu mehreren zu genießen. Auch die in unmittelbarer Nachbarschaft, im Kirchweg, ansässige mittlerweile 78jährige Annerose Eisenbeißer weiß die Annehmlichkeiten der kleinen, gut besuchten Grünanlagen zu schätzen: Mehrmals täglich führt sie, ähnlich wie viele andere Damen, ihren Hund, einen kleinen Scottish Terrier namens Minnie, spazieren, um diesem den notwendigen Auslauf und die Möglichkeit zur Verrichtung seiner natürlichen Notdurft zu geben, aber auch, um die Gelegenheit zum Plausch mit anderen älteren Damen oder zur neugierigen Beobachtung anderer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu nutzen.

Eines Nachmittags, als Frau Eisenbeißer wieder einmal den Dorfanger zusammen mit Minnie besucht, machen auch die beiden Saarheimer Polizeivollzugsbeamten Peter Prinz und Hajo Haßdenteufel vom Polizeiposten Saarheim ihren alltäglichen Rundgang durch den Park. Als Prinz sieht wie Minnie unangeleint und wild kläffend auf ihn zu gerannt kommt, um - an ihm vorbeischießend - sodann ein "stilles Örtchen" mitten im Sandkasten aufzusuchen, ist er erbost und teilt Frau Eisenbeißer unmissverständlich mit, sie habe ihren Hund künftig ordnungsgemäß an die Leine zu nehmen, so wie es durch die vom Oberbürgermeister der Stadt, Oskar Obenauf, unter Einhaltung aller Förmlichkeiten ordnungsgemäß erlassene und bekannt gegebene "Polizeiverordnung über die Anleinpflicht von Hunden auf den Straßen und Anlagen in der Stadt Saarheim - (HundAnleinVO)" vorgeschrieben sei. Auf Verlangen von Frau Eisenbeißer erhält sie am nächsten Tag vom Landespolizeipräsidium (dies ist die für das Saarland zuständige Polizeivollzugsbehörde aufgrund der nach § 82 Abs. 2 SPolG erlassenen Verwaltungsvorschrift über Organisation und Aufgaben des Landespolizeipräsidiums) eine schriftliche, begründete und von Prinz unterschriebene Bestätigung dieser Anordnung.

Die HundAnleinVO lautet:

"Aufgrund der § 1 Abs. 2, § 59, § 59a, § 60, § 63 des Saarländischen Polizeigesetzes erlässt der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim als Ortspolizeibehörde folgende Polizeiverordnung:

§ 1 Zweckbestimmung. Diese Verordnung dient dem Schutz vor Angriffen, Verunsicherungen, Beschädigungen, Beschmutzungen und Verunreinigungen durch frei laufende Hunde.

§ 2 Geltungsbereich. Die in dieser Polizeiverordnung enthaltenen Regelungen gelten als Ergänzung zu den bestehenden bundes- und landesrechtlichen Vorschriften im gesamten Gebiet der Stadt Saarheim an allen öffentlich zugänglichen Orten mit Ausnahme der besonders gekennzeichneten Hundefreilaufflächen.

§ 3 Anleinpflicht. Im Geltungsbereich dieser Polizeiverordnung (§ 2) ist es verboten, Hunde ohne eine Leine auszuführen. Die Leine muss dazu geeignet sein, den Hund am Ausbrechen, Anspringen bzw. Anfallen von Mitbürgern sowie unkontrolliertem Verrichten der Notdurft zu hindern.

§ 4 Ausnahmen. Von der Anleinpflicht nach § 3 sind ausgebildete Diensthunde und Blindenführhunde nicht betroffen. Weitere Ausnahmen können von der Ortspolizeibehörde in begründeten Einzelfällen zugelassen werden.

§ 5 Ordnungswidrigkeiten. Ordnungswidrig im Sinne des § 63 Abs. 1 des Saarländischen Polizeigesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig der Bestimmung des § 3 dieser Verordnung zuwider handelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 1.000,- Euro geahndet werden (§ 63 Abs. 2 des Saarländischen Polizeigesetzes).

§ 6 In-Kraft-Treten/Außer-Kraft-Treten. Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Sie tritt am 31. Dezember 2022 außer Kraft."

Annerose Eisenbeißer hält die ihr von Prinz auferlegte Anleinverpflichtung für grob ungerecht und legt daher hiergegen form- und fristgerecht Widerspruch ein. Sie begründet ihn mit dem Hinweis, dass schon im Hinblick auf Art. 20a GG und § 2 TierSchG auch kleine Hunde Gelegenheit haben müssten, sich frei und unangeleint auszutoben, und hierfür sei eine Grünanlage wohl am ehesten geeignet. Ohnehin gehe von der kleinen Hündin keinerlei Gefahr für die anderen Parkbesucher aus: So handele es sich bei dem von Prinz beobachteten Verrichten der Notdurft um ein einmaliges Versehen, das so noch nie vorgekommen sei und auch mit Sicherheit nie wieder vorkommen werde, und zudem verfüge Minnie, wie Hunde generell, über einen ausgezeichneten Gehorsam, so dass auch stets gewährleistet sei, dass sie weder unkontrolliert ausbreche noch fremde Leute anfalle. Und selbst wenn sie je eine andere Spaziergängerin oder einen anderen Spaziergänger anspringen sollte, so geschehe dies ausschließlich zur Kundgabe ihrer Freude, denn Minnie tue ja bekanntlich niemandem etwas. Ohnehin sei die allgemeine Rechtmäßigkeit einer Verordnung, die Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer pauschal im gesamten Stadtgebiet verpflichte, ihre Lieblinge anzuleinen, höchst zweifelhaft. Schließlich stellten Hunde ja auch keine größere Belästigungen dar als Kinder, bei denen ebenfalls jederzeit damit gerechnet werden müsse, dass sie plötzlich, sich von der Hand losreißend, wild tobend herumlaufen oder andere Leute dadurch stören, dass sie sie mit Bällen bewerfen, mit Eis bekleckern oder ungebeten anquengeln; im Gegenteil: Hunde seien doch meist besser erzogen. Nicht zuletzt sei es ihr "gutes Recht" als Hundehalterin, ihren Hund so auszuführen, wie sie es für richtig halte.

Zur weiteren Verärgerung von Frau Eisenbeißer wird der Widerspruch von dem insoweit zuständigen Saarländischem Ministerium für Inneres, Bauen und Sport abschlägig beschieden mit dem Hinweis, dass die der Anleinanweisung zugrunde liegende Verordnung dazu diene, die Stadt Saarheim und ihre Bevölkerung vor den Gefahren zu schützen, die von frei herumlaufenden Hunden ausgingen. So stelle das unkontrollierte Verrichten der Notdurft, insbesondere an Orten wie dem Dorfanger, eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit vor allem unbedarft spielender Kinder dar. Zudem sei dies auch ein äußerst unschöner Anblick, der den Erholungswert, den öffentliche Anlagen bieten sollen, stark beeinträchtige. Ferner könne kein Hundehalter dafür Gewähr übernehmen, dass sein Hund nicht doch einmal, angetrieben von tierischem Triebverhalten, unkontrolliert ausbreche und Menschen anfalle, erschrecke oder beschmutze. Daher stünde Hundehalterinnen und Hundehaltern,  wie Frau Eisenbeißer, gerade kein Recht zu, ihren Hund überall nach ihrem Belieben auszuführen. Im Übrigen habe die Stadt Saarheim über das gesamte Stadtgebiet gleichmäßig verteilt hinreichend große und durch Einzäunung gesicherte Hundefreilaufflächen eingerichtet, die auch den vierbeinigen Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern ausreichend Bewegungsmöglichkeiten schafften - wenn sie denn von ihren Halterinnen und Haltern dort hingebracht würden.

Frau Eisenbeißer erhebt nunmehr form- und fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht des Saarlandes gegen die von Prinz erlassene Anweisung.

Bitte prüfen Sie - ohne auf straßenrechtliche oder straßenverkehrsrechtliche Fragen einzugehen -, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat.

Lösungsvorschlag

Zu einer nach Berliner Landesrecht zu lösenden Fallvariante bei den Hauptstadtfällen

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polizeimuetze.gif (660 Byte)Teilnehmer des Polizeirechtsrundgangs: Nach Bearbeitung hier lang!