Lösungsvorschlag

Der Neue Mensch

Stand der Bearbeitung: 13. Juli 2023

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Siehe hierzu:

 

Da der Kläger einen Hauptantrag und einen Hilfsantrag stellt, ist es wegen des sich danach ergebenden Eventualverhältnisses geboten, beide Anträge getrennt auf ihre Zulässigkeit und Begründetheit zu untersuchen.

Anmerkung: Siehe zum Aufbau des Gutachtens bei Klagehäufung im Verwaltungsprozess diesen Hinweis.

Erster Teil: Feststellungsantrag

Der Feststellungsantrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit

Der Antrag ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO erfüllt sind.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, für die keine Sonderzuweisung besteht. Um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt es sich dann, wenn die für die Streitentscheidung maßgebliche Norm eine des öffentlichen Rechts ist. Öffentlich-rechtlicher Natur sind diejenigen Rechtsnormen, die einen Träger öffentlicher Gewalt gerade als solchen berechtigen oder verpflichten, die also einen öffentlichen Verwaltungsträger zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Befugnissen ausstatten oder besonderen Regeln unterwerfen.

Anmerkung: Siehe hierzu nur BVerwG, 10 B 1/20 v. 26.5.2020, Abs. 6 = NVwZ 2020, 1363 Abs. 6.

Hier sind die §§ 29 ff. BauGB und §§ 60 ff. LBO für die Streitentscheidung maßgeblich, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Trotz der - möglicherweise zu beachtenden - verfassungsrechtlichen Garantie der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG handelt es sich nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit, weil darunter lediglich Streitigkeiten von Verfassungsorganen über ihre verfassungsrechtlich verbürgten Kompetenzen verstanden werden. und der Verwaltungsrechtsweg somit eröffnet ist.

II. Statthafte Klageart

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, wie es sich bei verständiger Würdigung der Rechtslage darstellt (§ 88 VwGO). Es ist also das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 2 BvR 1493/11 v. 29.10.2015, Abs. 37 = NVwZ 2016, 238, Abs. 37.

Dr. Lautstark beantragt die Feststellung, dass er für sein Vorhaben keiner Baugenehmigung bedarf. Für diesen Antrag könnte die (negative) Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart sein. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Danach muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 3 C 26/13 v. 20.11.2014, Abs. 12 = NVwZ-RR 2015, 420, Abs. 12; ferner: BVerwG, 6 A 1/13 v. 28.5.2014, Abs. 20 = BVerwGE 149, 359 Abs. 20; BVerwG, 6 A 9/14 v. 14.12.2016, Abs. 12 = BVerwGE 157, 8 Abs. 12; BVerwG, 6 C 46/16 v. 25.10.2017, Abs. 12 = BVerwGE 160, 169 Abs. 12; Hufen, § 18 Rn. 4; näher Mruk Jura 2022, 663 ff.

Eine Norm, die für ein bestimmtes Verhalten eine Genehmigung anordnet, begründet ein Rechtsverhältnis zwischen demjenigen, der sich in bestimmter Weise verhalten will, und der Genehmigungsbehörde. Geht also jemand davon aus, eine Maßnahme sei nicht genehmigungsbedürftig, so kann er diese Auffassung mit einer (negativen) Feststellungsklage klären lassen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, VII C 240.59 v. 25.5.1962, Abs. 20 = BVerwGE 14, 202, 203; BVerwG, 6 C 44/16 v. 25.10.2017, Abs. 11 = BVerwGE 160, 157 Abs. 11.

Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen: Als speziellere Klageart käme in Fällen wie dem vorliegenden zwar als eine Form der Leistungsklage die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO auf Erteilung der Genehmigung in Betracht, aber diese Klage würde dem Begehren des Klägers nicht gerecht; sollte sich herausstellen, dass tatsächlich keine Genehmigung erforderlich ist, wäre die Klage sogar abzuweisen, weil dann auch kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung bestände.

Die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung der Genehmigungsbehörde im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO würde dem Kläger ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, weil dann, wenn das Vorhaben nicht genehmigungsbedürftig war, auch keine positive Entscheidung des Antrags auf Erteilung der Genehmigung hätte erfolgen können.

Die erhobene Feststellungsklage ist somit statthaft.

III. Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO)

Nach § 43 Abs. 1 VwGO muss der Kläger einer Feststellungsklage ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses haben. Als ein solches Feststellungsinteresse ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 B 14/17 v. 20.12.2017, Abs. 13 = NVwZ 2018, 739 Abs. 13.

Ein solches Interesse ist hier gegeben, weil Dr. Lautstark schon durch eine bestehende Genehmigungspflicht in seiner verfassungsrechtlich verbürgten Baufreiheit (Art. 14 GG), darüber hinaus auch möglicherweise in seiner Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) betroffen ist.

IV. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

In der Rechtsprechung wird heute die Ansicht vertreten, auch bei der Feststellungsklage sei § 42 Abs. 2 VwGO analog anzuwenden.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 7 B 71.90 v. 30.7.1990, Abs. 5 = NVwZ 1991, 470, 471; BVerwG, 10 C 18/14 v. 2.12.2015, Abs. 17 = NVwZ-RR 2016, 344 Abs. 17.

Das vermag im Hinblick auf das Erfordernis des Feststellungsinteresses zwar wenig zu überzeugen.

Anmerkung: Siehe hierzu Hufen, § 18 Rn. 17.

Dies kann aber dahingestellt bleiben, da aus den zuvor genannten Gründen (Einschränkung der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Baufreiheit bzw. der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunstfreiheit) eine Rechtsverletzung jedenfalls als möglich erscheint.

V. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

Dr. Lautstark hat hier den Landrat des Saarpfalz-Kreises - untere Bauaufsicht - als Beklagten auch für den Feststellungsantrag benannt. Behörden können jedoch nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO nur in Fällen von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen verklagt werden; ansonsten ist - auch in den Ländern, welche von der Ermächtigung des § 61 Nr. 3 und des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben, die Körperschaft zu verklagen, der die handelnde Behörde zuzurechnen ist, weil Behörden als solche keine Rechte und Pflichten haben, sondern unselbständiger Teil ihres jeweiligen Trägers sind.

Anmerkung:  Hufen, § 12 Rn. 22; siehe allgemein zur Bedeutung des § 78 Abs. 1 Nr. 2 und des § 61 Nr. 3 VwGO diesen Hinweis.

Zu verklagen ist daher der Saarpfalz-Kreis, weil er die Aufgaben der Bauaufsicht nach § 58 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 LBO i.V.m. § 178 KSVG als Auftragsangelegenheit wahrnimmt. Dass Dr. Lautstark den Landrat als Beklagten benannt hat, ist jedoch dem Rechtsgedanken des § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO entsprechend unschädlich. Das Gericht muss hier die "richtige" Beklagtenbezeichnung von Amts wegen vornehmen.

Anmerkung: Siehe hierzu Klenke, NWVBl. 2004, 85, 86; Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider, § 78 Rn. 62; U. Stelkens, Jura 2016, 1013, 1024.

VI. Beteiligtenfähigkeit

Dr. Lautstark ist als natürliche Person, der Saarpfalz-Kreis als juristische Person nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig.

VI. Ergebnis zu A

Die Feststellungsklage ist zulässig.

B) Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn das streitige Rechtsverhältnis nicht besteht (§ 43 Abs. 1 VwGO), Dr. Lautstark für sein Vorhaben also keiner Baugenehmigung bedarf.

I. Voraussetzungen des § 60 LBO

Eine Genehmigungspflicht könnte sich aus § 60 Abs. 1 LBO ergeben. Hiernach bedürfen bauliche Anlagen grundsätzlich der Baugenehmigung. Fraglich ist also, ob das Vorhaben von Dr. Lautstark eine bauliche Anlage darstellen wird. Bauliche Anlagen sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 LBO mit dem Erdboden verbundene, aus Baustoffen und Bauteilen hergestellte Anlagen. Die Statue und ihr Sockel sollen mit dem Erdboden verbunden werden. Der Sockel selbst besteht auch aus Baustoff (Granitstein), so dass - selbst wenn man der Ansicht sein sollte, dass die Statue als solche nicht aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt ist - eine bauliche Anlage vorliegt, weil Sockel und Statue eine Einheit bilden.

Anmerkung: Zum bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage siehe auch den Himmelsstrahler-Fall und den Mobilmachungs-Fall.

Das Vorhaben ist auch nicht nach § 61 LBO genehmigungsfrei: Die Befreiung des § 61 Abs. 1 Nr. 13 lit. f LBO betrifft nur Denkmäler und Plastiken bis zu 4 m Höhe, während die Dr. Lautstark gehörende Statue allein schon 6 m - und zusammen mit dem Sockel sogar 13 m - misst. Schließlich kommt auch ein Freistellungsverfahren gemäß § 63 LBO nicht in Betracht. Das geplante Bauvorhaben lässt sich nicht unter die in § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 LBO aufgezählten baulichen Anlagen subsumieren. Da das Vorhaben auch keiner baulichen Anlage i.S.d. § 62 LBO entspricht, ist somit nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 LBO für das Vorhaben des Klägers eine Baugenehmigung erforderlich, die allerdings nur im vereinfachtem Verfahren nach § 64 LBO zu erteilen wäre (vgl. § 64 Abs. 1 i. V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO).

Anmerkung: Zum Prüfungsumfang und zu den Wirkungen einer im vereinfachten Verfahren erteilten Baugenehmigung s. u. Zweiter Teil B.

II. Einschränkung des § 60 LBO durch Art. 5 Abs. 3 GG

Hiergegen könnten jedoch Bedenken bestehen. Dr. Lautstark beruft sich nicht - wie sonst nahezu jeder Bauherr - primär auf die in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Baufreiheit, sondern auf die in Art. 5 Abs. 3 GG vorbehaltlos gewährte Kunstfreiheit. Die Baufreiheit als Teil des grundgesetzlich geschützten Eigentums kann nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG eingeschränkt werden, soweit die Sozialbindung des Eigentums dies zulässt. Demgegenüber ließe sich die Auffassung vertreten, die Kunstfreiheit werde durch das Erfordernis einer Genehmigung für das Aufstellen von Kunstwerken verletzt, mit der Folge, dass § 60 Abs. 1 LBO "verfassungskonform" auszulegen wäre und deshalb z.B. Kunstwerke generell nicht unter den Begriff der baulichen Anlage des § 2 Abs. 1 LBO fielen. Dies setzte jedoch voraus, dass der Schutzbereich der Kunstfreiheit betroffen wäre, das Genehmigungserfordernis einen Eingriff darstellte und dieser Eingriff sich nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen ließe.

1. Betroffenheit des Schutzbereiches der Kunstfreiheit

Fraglich ist daher zunächst, ob das Vorhaben des Klägers überhaupt in den Schutzbereich der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG fällt. Die Kunstfreiheit schützt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht nur die eigentliche künstlerische Tätigkeit, den sog. "Werkbereich", sondern auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte, den sog. "Wirkbereich".

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG, 1 BvR 435/68 v. 24.2.1971 = BVerfGE 30, 173, 189; BVerfG, 1 BvR 816/82 v. 11.7.1984 = BVerfGE 67, 213, 224; BVerfG, 1 BvR 1257/84, 1 BvR 861/85 v. 3.11.1987 = BVerfGE 77, 240, 251; BVerfG 1 BvR 1783/05 v. 16.6.2006, Abs. 65 = BVerfGE 119, 1, 22; BVerfG (K), 1 BvR 2112/15 v. 8.2.2018, Abs. 14 = NJW 2018, 1744 Abs. 14; BVerfG (K), 1 BvR 1738/16 v. 28.1.2019, Abs. 16 = NJW 2019, 1277 Abs. 16; Hufen, JuS 2022, 897.

In dieser Ausprägung verbürgt die Kunstfreiheit das Recht, Kunstwerke der Öffentlichkeit darzubieten und zu verbreiten. Ob es sich hierbei um eigene oder fremde Kunstschöpfungen handelt, spielt keine Rolle.

 Anmerkung: Siehe hierzu Kingreen/Poscher, Rn. 835.

Kunstfreiheit umfasst auch sog. "Baukunstwerke", so dass es auch das grundgesetzlich geschützte Recht gibt, derartige Baukunstwerke an einem bestimmten Ort aufzustellen, worauf sich Dr. Lautstark beruft.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 4 B 70/95 v. 13.4.1995, Abs. 5 = NJW 1995, 2648.

Fraglich ist allerdings, ob es sich bei der Statue überhaupt um ein Kunstwerk i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG handelt. Hieran könnten wegen ihrer Größe und ihres Charakters als nationalsozialistischer "Auftragsarbeit" Zweifel bestehen. Jedoch kann die Statue einem bestimmten Werktyp zugeordnet werden (Bildhauerei) und erfüllt somit den sog. formalen Kunstbegriff; auch stellt sie sich wegen ihrer Einzigartigkeit nicht als reines Kunstgewerbe dar. Es kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass der Künstler selbst ein Kunstwerk schaffen wollte und versuchte, seine individuellen Erfahrungen und Erkenntnisse - mögen sie auch nationalsozialistischer Prägung gewesen sein - umzusetzen. Generell darf die Anerkennung von Kunst nicht von einer staatlichen Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkungen des Kunstwerks abhängig gemacht werden.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG (K), 1 BvR 1738/16 v. 28.1.2019, Abs. 16 = NJW 2019, 1277 Abs. 16. Siehe zum Kunstbegriff allgemein BVerfG, 1 BvR 435/68 v. 24.2.1971 = BVerfGE 30, 173, 188 f.; BVerfG, 1 BvR 816/82 v. 11.7.1984 = BVerfGE 67, 213, 226 ff.; BVerfG (K), 1 BvR 2112/15 v. 8.2.2018, Abs. 13 = NJW 2018, 1744 Abs. 13; Hufen, JuS 2022, 897 ff.

Dass bestimmte Werke auf den Geschmack Adolf Hitlers, Hermann Görings, Joseph Goebels oder anderer Nationalsozialisten ausgerichtet waren, hindert daher nicht, sie dennoch als Kunst i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG anzusehen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG 1 BvR 1783/05 v. 16.6.2006, Abs. 59 = BVerfGE 119, 1, 20 f.

Hiergegen spricht auch nicht, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz als Gegenentwurf gerade zum Nationalsozialismus, den sie unmittelbar vor Augen hatte, konzipiert haben. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass Nazi-Kunst am Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG nicht teilhaben kann.

Anmerkung: Anders Ludyga (NJW 2023, 713 ff.) in Bezug auf antisemitische Werke, deren Anerkennung als Kunst i.S.d. Art. 5 Abs. 3 GG aus Gründen der historischen Verpflichtung der Bundesrepublik zum Kampf gegen Antisemitismus abzulehnen sei. Selbst wenn man dem im Hinblick auf explizit antisemitische Werke folgen will, lässt sich diese Überlegung jedoch nicht auf "Nazi-Kunst" allgemein übertragen: Was Nazi-Kunst ist (nur Kunst von Nazis oder auch Kunst, die Nazis gefällt oder gefallen hat?) lässt sich kaum definieren, so dass sich dieses Merkmal nicht als Instrument zur Einschränkung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG eignet.

Der Schutzbereich der Kunstfreiheit ist demnach betroffen.

2. Eingriff in den Schutzbereich

In den Wirkbereich der Kunstfreiheit müsste durch den Umstand, dass das Aufstellen von (Bau-) Kunstwerken einer (baurechtlichen) Genehmigung unterworfen wird, eingegriffen werden. Ein solcher Eingriff ergibt sich schon aus den zahlreichen formellen Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren nach den §§ 60 ff. LBO sowie insbesondere den materiellen Baurechtsvorschriften, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung ist (vgl. § 64 Abs. 2, § 65 Abs. 1 LBO) und die im Einzelfall auch dazu führen können, dass Baukunstwerke nicht, nicht so wie beabsichtigt oder nicht am vorgesehenen Ort errichtet werden dürfen. Ein Eingriff liegt somit vor.

3. Rechtfertigung des Eingriffs

Der Eingriff in die Kunstfreiheit könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dies setzt zunächst voraus, dass er durch oder auf Grund eines Gesetzes angeordnet wird.

Anmerkung: Alle Eingriffe in Grundrechte können nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie durch oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen (Vorbehalt des Gesetzes). Dies ist auch dann nicht entbehrlich, "wenn für den Eingriff gute oder sogar zwingende sachliche Gründe sprechen mögen [...]. Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass in Grundrechte nur auf der Grundlage eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Vorbehalt des Gesetzes), hat gerade den Sinn, die primäre Zuständigkeit für die Bewertung von Grundrechtsbeschränkungen als wohlbegründet oder ungerechtfertigt zu bestimmen. Er stellt sicher, dass die Grenzen zwischen zulässigem und unzulässigem Grundrechtsgebrauch, zwischen zulässiger und unzulässiger Grundrechtseinschränkung nicht fallweise nach eigener Einschätzung von beliebigen Behörden oder Gerichten, sondern primär – in der Form eines allgemeinen Gesetzes – durch den Gesetzgeber gezogen werden." (so BVerfG, 2 BvR 228/12 v. 20.2.2013, Abs. 52 ff. = BVerfGE 133, 112, 131).

Hier besteht der Eingriff in den genannten gesetzlichen Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren (§§ 60 ff. LBO) und den materiellen Baurechtsvorschriften, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung ist (vgl. § 64 Abs. 2, § 65 Abs. 1 LBO). Dass dieser Eingriff gerechtfertigt ist, könnte aber zweifelhaft sein, weil die die Kunstfreiheit - im Gegensatz zu den in Art. 5 Abs. 1 GG gewährten Grundrechten - nicht unter einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt steht. Dies bedeutet aber nicht, dass dieses Grundrecht schrankenlos gewährleistet wäre. Vielmehr findet es seine Grenzen dort, wo die Grundrechte anderer oder sonstige Verfassungsgüter eine Einschränkung des Grundrechts erfordern (sog. immanente Schranken). Gesetze, die solchen Zwecken dienen, können daher auch vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte einschränken.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerfG 1 BvR 1783/05 v. 16.6.2006, Abs. 68 = BVerfGE 119, 1, 23; BVerfG [K], 1 BvR 1738/16 v. 28.1.2019, Abs. 19 = NJW 2019, 1277 Abs. 19.

Das Erfordernis der Baugenehmigung für die Errichtung von Werken der Baukunst stellt eine solche zulässige Einschränkung dar. Es gewährleistet, dass bei Errichtung eines Bauwerks bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Vorgaben berücksichtigt werden. Diese Vorgaben dienen u.a. auch dem Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang. So dient zum Beispiel § 3 LBO auch dem Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Andere Vorschriften haben den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zum Ziel, einem Rechtsgut, das durch Art. 20a GG mit Verfassungsrang ausgestattet wird. Die Vorschriften zur Baugestaltung schützen darüber hinaus den Wirkbereich von Baukunstwerken der Nachbarn, der nicht durch eine besonders auffällige Gestaltung eines anderen Bauwerks erdrückt werden darf.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 4 B 138.90 v. 27.6.1991, Abs. 6 = NVwZ 1991, 983, 984.

Wenn aber solche Vorschriften materiellrechtlich die Kunstfreiheit einschränken dürfen, so muss es auch verfahrensrechtlich möglich sein, ihre Einhaltung zu sichern. Es lässt sich daher nicht generell sagen, dass das Erfordernis einer Baugenehmigung für Werke der Baukunst mit der Kunstfreiheit nicht vereinbar sei. Das Baugenehmigungsverfahren ist vielmehr ein geeignetes, erforderliches und auch zumutbares Mittel, um die widerstreitenden Interessen und die (mit Verfassungsrang ausgestatteten) Rechte zum Ausgleich zu bringen. Dies bedeutet nicht, dass jede Vorschrift des Baurechts die Errichtung von Baukunstwerken ausschließen darf, sondern es ist im Einzelfall sicherzustellen, dass bei Erteilung einer Baugenehmigung für Baukunstwerke - unter Umständen auch durch Ausschöpfung von Ausnahmetatbeständen - die Kunstfreiheit angemessen berücksichtigt und sie nur durch solche Vorschriften eingeschränkt wird, die Konkretisierungen der grundrechtsimmanenten Schranken darstellen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 4 B 138.90 v. 27.6.1991 Abs. 6 = NVwZ 1991, 983, 984.

Hierbei sind allerdings weiterreichende Einschränkung der Kunstfreiheit möglich, als dies der Fall wäre, wenn es sich nicht um Baukunst handeln würde. Baukunst ist nämlich in weit stärkerem Maße als sonstige Kunstformen durch einen Gemeinschaftsbezug gekennzeichnet. Sie wird maßgeblich durch die Sozialbindung des Eigentums mitgeprägt. Ihre Ausübung setzt Grundeigentum voraus, dessen Nutzung an strengere rechtliche Vorgaben geknüpft ist als das bewegliche Eigentum. Werke der Baukunst werden auch stets in das gegebene Orts- oder Landschaftsbild eingefügt. Sie üben schon deshalb eine gesteigerte Wirkung auf die Umwelt aus, weil sich ihrem Eindruck keiner, der mit ihrer Wirkung konfrontiert wird, entziehen kann.

Anmerkung: So BVerwG, 4 B 70/95 v. 13.4.1995, Abs. 11 = NJW 1995, 2648, 2649; siehe zu diesen Überlegungen auch den Straßenkunst-Fall.

III. Ergebnis zu B

Das Vorhaben Dr. Lautstarks ist somit nach § 60 Abs. 1 LBO genehmigungspflichtig und auch der Umstand, dass der Kläger ein Kunstwerk aufstellen will, steht dem nicht entgegen. Der Feststellungsantrag ist daher unbegründet.

C) Ergebnis des Ersten Teils

Der Klageantrag zu 1) ist somit zulässig, jedoch unbegründet.

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Zweiter Teil: Verpflichtungsantrag

Da der Hauptantrag nach alledem keinen Erfolg haben wird, ist über den Hilfsantrag zu entscheiden. Dieser Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit

Der Hilfsantrag ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. VwGO erfüllt sind.

Anmerkung: Für die Prüfung der Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verwaltungsprozess siehe diesen Hinweis.

I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO)

Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, weil die für die Streitentscheidung maßgeblichen Normen auch hier baurechtliche Vorschriften sind, welche dem öffentlichen Recht angehören, so dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.

II. Statthafte Klageart

Der Kläger beantragt, den Landrat als untere Bauaufsichtsbehörde zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag eine Baugenehmigung zu erteilen. Hierfür ist die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die statthafte Klageart, da es sich bei der begehrten Baugenehmigung nach § 73 LBO um einen Verwaltungsakt i.S.d. Legaldefinition des § 35 VwVfG, des § 31 SGB X, des § 118 AO und der entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder handelt, die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für die Auslegung der VwGO maßgeblich ist.

Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 12 und 15; zum Verwaltungsaktcharakter der Baugenehmigung ausführlich: Lindner/Struzina, JuS 2016, 226.

III. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)

Dr. Lautstark müsste geltend machen können, durch die Ablehnung der Baugenehmigung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn er einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung haben könnte. Ein solcher Anspruch könnte sich hier aus§ 73 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBO und Art. 5 Abs. 3 GG ergeben.

Anmerkung: Falsch wäre es hier, die Klagebefugnis auf die Adressatentheorie zu stützen, siehe hierzu diesen Hinweis. Auch aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich allenfalls ein Anspruch darauf, sein Grundstück bebauen zu können, nicht jedoch ein Anspruch gerade auf Erteilung einer Baugenehmigung: Dies zeigen deutlich die §§ 60 ff. LBO, die nicht für jedes Bauvorhaben die Erteilung einer Baugenehmigung vorschreiben.

IV. Vorverfahren (§ 68 VwGO)

Das Vorverfahren nach § 68 Abs. 2 VwGO wurde form- und fristgerecht durchgeführt.

V. Passive Prozessführungsbefugnis (§ 78 VwGO)

Die Klage ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 2 AGVwGO gegen den Landrat als untere Bauaufsichtsbehörde zu richten. Er ist insofern für den Saarpfalz-Kreis passiv prozessführungsbefugt (§ 58 Abs. 1 Satz 2, § 59 Abs. 1 LBO i.V.m. § 178 Abs. 2 Satz 1 KSVG).

Anmerkung: Siehe zur Bedeutung des § 78 VwGO diesen Hinweis.

VI. Beteiligtenfähigkeit (§ 61 VwGO)

Der Kläger ist als natürliche Person nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig. Die Beteiligtenfähigkeit des Landrats als Behörde ergibt sich aus § 61 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 19 Abs. 1 AGVwGO.

Anmerkung: Siehe zum Behördenbegriff des § 61 Nr. 3 VwGO diesen Hinweis.

VII. Beiladung (§ 65 VwGO)

Da die Stadt Saarheim an dem Baugenehmigungsverfahren nach § 36 BauGB zu beteiligen war, ist sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, IV C 61.70 v. 16.2.1973, Abs. 7 f. = BVerwGE 42, 8, 11.

VIII. Klagefrist

Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO ist eingehalten.

IX. Ordnungsgemäße Klageerhebung (§§ 81 ff. VwGO)

Schließlich müsste die Klage ordnungsgemäß erhoben worden sein. Hier könnten Bedenken bestehen, weil der Antrag unter einer Bedingung steht, nämlich dass der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Grundsätzlich kann eine Klage nicht unter einer Bedingung erhoben werden, da dies dem Erfordernis der Rechtssicherheit im Prozess nicht entspricht. Jedoch ist eine eventuelle Klagehäufung zulässig, da der Hilfsantrag nicht von dem Eintritt eines außerhalb des Prozesses liegenden ungewissen Ereignisses abhängt. Die Entscheidung über den Hauptantrag stellt vielmehr eine innerprozessuale Bedingung dar, deren Eintritt das Gericht selbst herbeiführt. Der Prozessgegner kann demnach nicht einwenden, das Vorgehen des Klägers belaste ihn mit einer nicht zumutbaren Ungewissheit. Dies gilt allerdings nur, solange derselbe Beklagte betroffen ist. Ein gegen einen Dritten gerichteter Hilfsantrag ist unzulässig, da sich die Bedingung hier nicht mehr innerhalb desselben Prozessrechtsverhältnisses verwirklichen würde, sich dieser vielmehr in einen fremden laufenden Prozess hineingezogen sähe.

Anmerkung: Siehe hierzu: Buchheister, in: Schoch/Schneider, § 44 Rn. 9.

Hier richtet sich der Hauptantrag gegen den Saarpfalz-Kreis, der Hilfsantrag jedoch gegen den Landrat als für den Landkreis passiv Prozessführungsbefugten, also somit gegen unterschiedliche Beklagte. Würde man deshalb aber die hilfsweise Klagehäufung für unzulässig halten, so wäre die Rechtsstellung des Klägers im Saarland (und in den anderen Bundesländern, welche von der Ermächtigung des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben) gegenüber der Rechtsstellung des Klägers in den Bundesländern, welche am Rechtsträgerprinzip des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO festgehalten haben, geschwächt, weil eine Kombination im Eventualverhältnis von Feststellungs- und Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklagen durchaus sinnvoll sein kann.

Um dies zu vermeiden, wird teilweise angenommen, dass der Landrat, der hier nur als Behörde (also als Organ) des Landkreises verklagt wird, nicht eigentlich vom Landkreis verschieden ist. Deshalb solle in der hier vorliegenden Konstellation auch in den Bundesländern, welche von der Ermächtigung des § 61 Nr. 3 und des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben, in Wirklichkeit gar keine subjektive, sondern eine objektive Klagehäufung vorliegen, da tatsächlich keine Parteiverschiedenheit vorliege. Der Rechtsträger einerseits und die Behörde andererseits würden dann also "denselben Beklagten" i.S.d. § 44 VwGO bilden.

Anmerkung: So Buchheister, in: Schoch/Schneider, § 44 Rn. 6; Desens, NVwZ 2013, 471, 474 f.; Wöckel, in: Eyermann, § 44 Rn. 8; ähnlich BVerwG, 4 C 1.00 v. 29.11.2001, Abs. 52 = BVerwGE 115, 274, 294; BSG, B 8 SO 20/10 R v. 25.8.2011, Abs. 12 f. = BSGE 109, 61 Abs. 12 f.

Dies widerspricht jedoch wohl der Systematik der VwGO, die bei Geltung des Behördenprinzips durchaus von verschiedenen Beteiligten und damit verschiedenen Beklagten i.S.d. VwGO ausgeht (§ 63 VwGO). Näher liegt es, in der hier vorliegenden Fallkonstellation in den Ländern, in denen das Behördenprinzip gilt, zwar grundsätzlich vom Vorliegen einer subjektiven Klagehäufung i.S.d. § 64 VwGO auszugehen, die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen jedoch im Wege der teleologischen Reduktion zu Gunsten des Klägers so anzupassen, dass im Ergebnis nichts anderes gilt als in den Bundesländern, die dem Rechtsträgerprinzip folgen.

Anmerkung: Kritisch zu diesem methodischen Weg, weil dasselbe Ziel auch durch "schlichte" systematische Auslegung gewonnen werden könne: Desens, NVwZ 2013, 471, 473.

Begründen lässt sich dies damit, dass die Eröffnung der Möglichkeit, das Behördenprinzip für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen durch Landesgesetz einzuführen, nach der Entstehungsgeschichte des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO jedenfalls keine negativen Konsequenzen für den Kläger haben sollte.

Anmerkung: Zur Entstehungsgeschichte des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO siehe diesen Hinweis.

Folgt man dem, ist daher in der vorliegenden Fallkonstellation die eventuelle Klagehäufung ungeachtet der Verschiedenheit der Beklagten als zulässig anzusehen, da auch die übrigen Voraussetzungen des § 44 VwGO erfüllt sind und sie somit in den Ländern, welche am Rechtsträgerprinzip des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO festgehalten haben, zulässig wäre.

Anmerkung: Wie hoffentlich deutlich wurde, kann sich dieses Problem nur in den Bundesländern stellen, die von der Ermächtigung des § 61 Nr. 3 und des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben. Siehe zur Bedeutung dieser Ermächtigung diesen Hinweis und zur Frage der Klagehäufung in vergleichbaren Konstellationen ferner den Gothic-Fall, den Nächtliche-Schlagfertigkeits-Fall und den "Saarheim-Alternativ"-Fall

X. Ergebnis zu A

Der Verpflichtungsantrag ist somit insgesamt zulässig.

B) Begründetheit

Die Verpflichtungsklage ist - entgegen dem insoweit zumindest ungenauen Wortlaut des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO - nicht schon dann begründet, soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist und der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr kommt es nach einhelliger Auffassung darauf an, ob der Kläger (jetzt noch) einen Anspruch auf den unterlassenen oder versagten Verwaltungsakt hat.

Anmerkung: Siehe hierzu etwa BVerwG, 4 C 33/13 v.4.12.2014, Abs. 18 = BVerwGE 151, 36 Abs. 18; BVerwG, 8 C 5.20 v. 7.7.2021, Abs. 16 = BVerwGE 173, 101 Abs. 16; Herbolsheimer, JuS 2023, 217, 219.

Daher ist im vorliegenden Fall Klage begründet, wenn Dr. Lautstark einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat.

Ein solcher Anspruch könnte sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LBO ergeben. Das Vorhaben des Klägers ist nach § 60 LBO genehmigungsbedürftig (s.o. Erster Teil B I). Fraglich ist jedoch, ob es auch genehmigungsfähig ist. Dies ist gegeben, wenn es den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, die im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren zu prüfen sind.

Hier ist nur eine im vereinfachtem Verfahren nach § 64 LBO zu erteilende Baugenehmigung erforderlich (vgl. § 64 Abs. 1 i. V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBO). Im vereinfachten Verfahren ist nur die Vereinbarkeit des Vorhaben nach den in § 64 Abs. 2 LBO abschließend aufgezählten Vorschriften zu prüfen. Dem steht nicht entgegen, dass Dr. Lautstark nach § 60 Abs. 3 LBO die Möglichkeit gehabt hätte, die Durchführung eines "vollständigen" Baugenehmigungsverfahrens nach § 65 LBO anstelle des vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 64 LBO zu verlangen. Denn Dr. Lautstark hat ein solches Verlangen nicht nur nicht geäußert, sondern sogar ausdrücklich verlangt, die behördlichen Prüfungen auf das unbedingt Notwendigste zu beschränken.

Anmerkung: Beim vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird die Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht mehr umfassend, sondern nur am Maßstab der abschließend aufgezählten Vorschriften geprüft. Daher ist eine solche Baugenehmigung nicht rechtswidrig (und kann deshalb auch nicht nach § 48 SVwVfG zurück genommen werden), wenn das Bauvorhaben mit Vorschriften unvereinbar ist, die im vereinfachten Verfahren nicht zu prüfen sind (OVG Hamburg, 2 Bf 405/05 v. 30.3.2011, Abs. 39 ff. = NordÖR 2011, 338 ff.). Wenn das Bauvorhaben gegen baurechtliche Regelungen verstößt, die im vereinfachten Verfahren nicht zu prüfen sind, kann dementsprechend eine erteilte Baugenehmigung Abrissverfügungen und sonstigen bauordnungsrechtlichen Maßnahmen aber auch nicht entgegengehalten werden (deutlich OVG Berlin-Brandenburg, OVG S 99.09 v. 23.6.2010, Abs. 4 = NVwZ-RR 2010, 794, 795; VG Neustadt a.d.W., 4 K 646/02.NW v. 4.7.2002, Abs. 11; ferner [in Bezug auf nachbarrechtliche Abwehransprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB wegen Verletzung nachbarschützender baurechtlicher Vorschriften]: BGH, V ZR 76/20 v. 21.1.2022, Abs. 18 = BGHZ 232, 252 Abs. 18). Die durch die Genehmigung vermittelte Legalisierungswirkung ist also auf den Umfang des gesetzlichen Prüfprogramms beschränkt (s. hierzu [sehr lesenswert] Sauthoff, BauR 2013, 415 ff.). § 60 Abs. 2 Satz 1 LBO formuliert dies letztlich unmissverständlich (so auch OVG Saarlouis, 2 A 5/16 v. 23.5.2016, Abs. 23 = BauR 2017, 1352, 1353): "Die [...] Beschränkung der bauaufsichtlichen Prüfung nach [...] § 64 entbinde[t] nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt." Siehe hierzu den Sonnendeck-Fall.

Nach dem Sachverhalt bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben gegen die in § 64 Abs. 2 Nr. 2 LBO abschließend aufgezählten Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, die zum Prüfprogramm einer auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu erteilenden Baugenehmigung gehören. Die Fälle der § 64 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 LBO sind hier ebenfalls ersichtlich nicht einschlägig. Daher stellt sich hier nur die Frage, ob das Vorhaben gegen die nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 LBO zum Prüfprogramm gehörenden Vorschriften des Baugesetzbuches oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften außerhalb des Bauordnungsrechts entgegen stehen. Das Vorhaben könnte insoweit den bauplanungsrechtlichen Vorgaben der §§ 29 ff. BauGB widersprechen.

I. Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB

Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften ist zunächst, dass es sich bei dem Vorhaben um eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB handelt. Dieser Begriff deckt sich grundsätzlich mit dem des § 2 LBO, jedoch muss hinzukommen, dass das Vorhaben eine gewisse städtebauliche Relevanz aufweist, dass es die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt oder berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.

Anmerkung: Siehe hierzu Muckel/Ogorek, § 7 Rn. 14 ff.; ausführlich Scheidler, ZfBR 2016, 116, 117 ff.

Nach einer neueren Entscheidung des BVerwG fallen dementsprechend unter den planungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage alle Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden werden und die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren können, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 4 CN 7/16 v. 7.12.2017, Abs. 11 = BVerwGE 161, 53 Abs. 11.

Dies ist bei der von Dr. Lautstark geplanten Statue der Fall, da diese eine Größe aufweist, die das Landschaftsbild (nachteilig) beeinflussen kann.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 6 C 18.00 v. 7.5.2001, Abs. 18 = BVerwGE 114, 206, 209 f. Keine bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB, wohl aber i.S.d. Bauordnungsrechts, soll etwa eine "klassische" Litfaßsäule auf einem öffentlichen Weg sein (OVG Hamburg, Bf II 13/96 v. 20.2.1997, Abs. 10 ff. = NVwZ-RR 1998, 616 ff.).

II. Vereinbarkeit mit § 35 BauGB

Da es sich um ein Vorhaben im Außenbereich handelt, ist § 35 BauGB einschlägig, der allerdings im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG auszulegen ist (s.o. Erster Teil B II 3).

Anmerkung: Siehe zur Systematik und den Grundgedanken des § 35 BauGB: Herbolsheimer/Krüper, Jura 2020, 22 ff.; Kümper, JuS 2023, 638 ff. und JuS 2023, 729 ff.; Scheidler, BauR 2019, 190 ff.

Bei dem Vorhaben handelt es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB, so dass es nach § 35 Abs. 2 BauGB nur zugelassen werden kann, wenn es öffentliche Belange, insbesondere solche des § 35 Abs. 3 BauGB, nicht beeinträchtigt. Bei der erforderlichen Abwägung ist die Bedeutung des Art. 5 Abs. 3 GG angemessen zu berücksichtigen, doch folgt daraus nicht, dass Werke der Baukunst auch im Außenbereich regelmäßig zulässig sind. Vielmehr ist dies nur dann der Fall, wenn dem kein öffentlicher Belang mit Verfassungsrang entgegensteht, wobei es entscheidend auf den Einzelfall ankommt.

Anmerkung: Siehe hierzu BVerwG, 4 B 70/95 v. 13.4.1995, Abs. 12 = NJW 1995, 2648, 2649.

Als beeinträchtigter öffentlicher Belang ist im vorliegenden Fall die Verhinderung der Verunstaltung des Landschaftsbildes und der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihrer Aufgabe als Erholungsgebiet in Betracht zu ziehen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).

Zumindest der letztgenannte Aspekt steht dem von Dr. Lautstark geplanten Vorhaben entgegen. Nach dem Sachverhalt handelt es sich um eine besonders schöne Landschaft, die auch als Naherholungsgebiet dient, und die Errichtung einer 13 Meter hohen Anlage führt - unabhängig von ihrem Gegenstand - zu einer Beeinträchtigung einer derartigen Landschaft. Dem steht nicht entgegen, dass einige Bürger die Errichtung der Statue auch als Gewinn ansehen mögen, weil es nicht unbedingt auf die Ästhetik des in Frage stehenden Vorhabens ankommt, sondern auf die Funktion des Außenbereichs allgemein. Entscheidend ist, dass das Baugesetzbuch das Bauen im Außenbereich grundsätzlich nur ausnahmsweise zulässt, weil mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden muss, so dass dessen Fläche als Lebensgrundlage des Menschen erhalten bleibt, ihrer natürlichen Bestimmung gemäß für die Land- und Forstwirtschaft genutzt werden sowie dem Menschen für Erholung und Naturgenuss zur Verfügung stehen soll. Diese Notwendigkeit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist zumindest teilweise Ausfluss der aus Art. 2 Abs. 2 GG erwachsenden Pflicht des Staates, die Gesundheit seiner Bürger zu schützen, und darüber hinaus auch in Art. 20a GG als Staatsziel festgeschrieben. Sie ist demnach grundsätzlich mit Verfassungsrang ausgestattet und daher geeignet, die an sich vorbehaltlos gewährleistete Kunstfreiheit einzuschränken.

Baukunst ist somit nur dann im Außenbereich zulässig, wenn sie dessen Funktion nicht beeinträchtigt, wobei aber nicht zu strenge Maßstäbe aufzustellen sind. So dürften Plastiken bis zu vier Metern Höhe, deren Errichtung nach saarländischen Baurecht keiner Baugenehmigung bedarf (§ 61 Abs. 1 Nr. 12 lit. f LBO), auch im Außenbereich unbeschränkt zulässig sein, weil sie nicht über ihren unmittelbaren Umkreis hinaus wirken und wegen der Bedeutung der Kunstfreiheit eine einschränkende Auslegung des § 35 Abs. 3 BauGB geboten ist. Das zulässige Maß ist aber bei Monumentalstatuen der vorgesehenen Größe von 13 m überschritten, die bereits von weitem als (künstlicher und künstlerischer) Fremdkörper in der Landschaft zu erkennen sind. Entscheidend für die Unzulässigkeit des Vorhabens ist also nicht die Kunstrichtung, die in der Statue verkörpert wird - dies wäre eine unzulässige staatliche Geschmackszensur -, sondern allein die Größe des Kunstwerks.

Die Statue beeinträchtigt die natürliche Eigenart der Landschaft, so dass das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist.

III. Ergebnis zu B

Das Vorhaben verstößt somit gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften des BauGB, so dass eine Baugenehmigung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1i.V.m. § 64 Abs. 2 LBO nicht erteilt werden kann. Die Ablehnung des Antrags erfolgte demnach zu Recht, und die Verpflichtungsklage ist somit nicht begründet.

C) Ergebnis des Zweiten Teils

Auch der Hilfsantrag ist zulässig, aber nicht begründet.

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Dritter Teil: Gesamtergebnis

Beide Anträge sind somit zulässig, jedoch nicht begründet, so dass sie abzuweisen sind. Über beide Begehren kann das Gericht in einem gemeinsamen Verfahren entscheiden, weil insoweit eine subjektive Klagehäufung nach § 64 VwGO i.V.m. § 60 ZPO zulässig ist (siehe oben Zweiter Teil A IX).

Anmerkung: Vertretbar wäre auch, hier das Vorliegen einer objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO anzunehmen. Eine solche ist jedenfalls in den Bundesländern gegeben, welche von der Ermächtigung des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO keinen Gebrauch gemacht haben, siehe hierzu auch den Gothic-Fall, den Nächtliche-Schlagfertigkeits-Fall, den Ruprechts-Razzia-Fall und den "Saarheim-Alternativ"-Fall.

Fragen und Anregungen zur Lösung? stelkens@uni-speyer.de

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Zu einer nach Berliner Landesrecht zu lösenden Fallvariante bei den Hauptstadtfällen

Zur "Hörbuchvariante" des Falles von Sebastian Baur und Kourosh Semnani unter Mitwirkung von Ulrich Stelkens: https://open.spotify.com/episode/22ePxUAlbXGeX4k4MMd8Pe

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