© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)
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Der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim gibt als "Amtliches Bekanntmachungsblatt für die Stadt Saarheim" das Blatt "SaarheimInForm" für öffentliche Bekanntmachungen, insbesondere von Satzungen, amtlichen Mitteilungen usw. heraus, das kostenlos an alle Haushalte in der Stadt verteilt wird. Aufgrund der vom Stadtrat beschlossenen "Grundsätze für die Berichterstattung der Parteien und Fraktionen" dürfen auch die im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählergemeinschaften sowie die einzelnen Stadtratsmitglieder Berichte über ihre Tätigkeit im kommunalen Bereich, namentlich im Stadtrat, und ihre Auffassungen zu städtischen Angelegenheiten in "SaarheimInForm" veröffentlichen; die Berichterstattung ist nach diesen "Grundsätzen" in ihrem Umfang auf eine Seite im Mitteilungsblatt je Fraktion - bzw. eine Viertelseite je fraktionsloses Mitglied - beschränkt und innerhalb der letzten sechs Wochen vor dem Termin einer Kommunalwahl ausgeschlossen.
Dr. Lutz Lautstark, der Vorsitzende des "Bundes Deutscher Bürger - B. D. B." und der Fraktion der dieser Wählergemeinschaft angehörenden Mitglieder im Stadtrat von Saarheim, wollte Anfang September vergangenen Jahres in "SaarheimInForm" unter der Überschrift "Gegen den Ausverkauf unseres Vaterlandes" die nach Meinung des "Bundes Deutscher Bürger - B. D. B." völlig verfehlte Flüchtingspolitik sowohl der Bundesregierung als auch der sie tragenden Parteien kritisieren.
Nachdem der Oberbürgermeister Oskar Obenauf diesen Beitrag zur Veröffentlichung in "SaarheimInForm" erhalten hatte, teilte er Dr. Lautstark in einem Schreiben vom 8. September mit, der vorgelegte Artikel entspreche nicht den vom Stadtrat beschlossenen Richtlinien, wonach nur kommunale Angelegenheiten in den Berichten der Fraktionen behandelt werden dürften, und sandte deshalb das Manuskript als nicht veröffentlichungsfähig zurück. Dr. Lautstark erwiderte in einem Schreiben vom folgenden Tage, er fühle sich wegen rechtlicher Bedenken an diese Richtlinien nicht gebunden: Zum einen werde dadurch sein Grundrecht aus Art. 5 GG, zum anderen sein Anspruch auf Benutzung der gemeindlichen öffentlichen Einrichtungen unerträglich eingeschränkt. Da die Fraktion des "Bundes Deutscher Bürger - B. D. B." nicht über die finanziellen Mittel verfüge, ihre Auffassung in einer Tageszeitung oder auf sonstige Weise zu publizieren, bestehe er auf einer Veröffentlichung des Beitrages in "SaarheimInForm" und werde wegen der erheblichen politischen Bedeutung, die die Angelegenheit für ihn habe, so lange nicht mehr an den Stadtratssitzungen teilnehmen, bis der Artikel im Mitteilungsblatt erschienen sei.
Oberbürgermeister Obenauf setzte daraufhin den Verhandlungsgegenstand "Verhalten von Dr. Lautstark" auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung am 24. September und fügte der Einberufung zu dieser Sitzung den Briefwechsel in Kopie bei. In der öffentlichen Sitzung, an der Dr. Lautstark entsprechend seiner Ankündigung nicht teilnahm, traf der Stadtrat nach eingehender Diskussion mit Stimmenmehrheit den folgenden Beschluss:
1. Der Stadtrat stellt fest, dass kein wichtiger Grund für das Fernbleiben seines Mitglieds Dr. Lautstark an den Sitzungen des Stadtrats vorliegt.
2. Der Stadtrat ermahnt Herrn Dr. Lautstark, seine Pflichten als Stadtratsmitglied künftig wieder gewissenhaft zu erfüllen und an den Ratstisch zurückzukehren.
In der Begründung der Beschlussvorlage ist u.a. ausgeführt, dass ein Stadtratsmitglied nur aus dringenden persönlichen oder beruflichen Gründen ausnahmsweise einer Sitzung fernbleiben dürfe, politische oder rechtliche Differenzen hingegen kein Fernbleiben rechtfertigten. Wiederholtes Fehlen stelle eine grobe Pflichtverletzung dar, und die von Dr. Lautstark angeführten Gründe berechtigten ihn nicht, die Teilnahme an den Stadtratssitzungen einzustellen, sondern seien als Ablehnung einer korrekten Ausübung eines Ehrenamtes anzusehen.
Gegen diesen ihm vom Oberbürgermeister mitgeteilten Beschluss legte Dr. Lautstark zwei Wochen später Widerspruch ein, nachdem in Presse und Rundfunk über die Angelegenheit berichtet worden war und mehrere Kommentatoren das Verhalten von Dr. Lautstark deutlich kritisiert hatten. Der Widerspruch wurde vom Kreisrechtsausschuss jedoch nach zwei Monaten mit einem ausführlich begründeten Bescheid, der eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung aufwies und auch zugestellt wurde, als unzulässig zurückgewiesen.
Nach längerem, fast ein Vierteljahr währendem Überlegen entschloss sich Dr. Lautstark, zunächst wieder an den Stadtratssitzungen teilzunehmen, obwohl er an seinen Rechtsauffassungen festhält und gewillt ist, dem Oberbürgermeister erneut das Fernbleiben von den Sitzungen anzukündigen, falls die Veröffentlichung des Beitrags in "SaarheimInForm" zum zweiten Mal abgelehnt werden sollte.
Allerdings möchte Dr. Lautstark eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Er erhebt daher gegen den - wie er meint, seinem Ansehen bei seinen Wählern abträglichen - Beschluss des Stadtrats vom 24. September Klage beim Verwaltungsgericht des Saarlandes. Denn dieser Beschluss verkenne, dass er - Dr. Lautstark - berechtigt gewesen sei, den Stadtratssitzungen fernzubleiben, um sein Beitragsveröffentlichungsrecht durchzusetzen. Unabhängig davon gehe es nicht an, dass der Stadtrat und der Bürgermeister einseitig über die Frage entschieden, ob ein wichtiger Grund für das Fernbleiben von den Stadtratssitzungen vorläge. Hierzu sei der Stadtrat nicht berechtigt und er werde hierdurch in seinem freien Mandat beeinträchtigt. Dies werde das Gericht feststellen müssen.
Hat diese Klage Aussicht auf Erfolg?
Teilnehmer der Rathausführung: Nach Bearbeitung hier lang!