Aufgerundet

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© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

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Vor Ablauf der letzten Wahlperiode hat der Saarländische Landtag das Fraktionsrechtsstellungsgesetz geändert: Dessen § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz bestimmt nunmehr: "Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Landtags." Da der Saarländische Landtag von Verfassungs wegen 51 Sitze hat (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 SVerf), bedeutet dies, dass Fraktionen künftig eine Mindeststärke von drei Abgeordneten aufweisen werden (5 % von 51 sind zwar nicht 2,55 und nicht drei, jedoch geht muss wegen der Unteilbarkeit der Sitze und Abgeordneten hier aufgerundet werden). § 1 Abs. 2 des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung hatte dagegen noch festgeschrieben "Eine Fraktion muss aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen."

Begründet wurde die Änderung des § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz damit, dass angesichts der zunehmenden Zersplitterung der "Parteienlandschaft" in Deutschland und im Saarland eine Anhebung der Mindestfraktionsmitgliederzahl geboten sei: In der parlamentarischen Praxis (auch im Saarland) habe sich herausgestellt, dass vor allem die Ausschussarbeit Zwei-Personen-Fraktionen vermehrt vor Probleme bei der Wahrnehmung der Sitzungstermine stelle. Dies führe gegebenenfalls zur Nichtrepräsentanz, wobei dieser Umstand insbesondere bei Mehrheitsverhältnissen, die die Regierung tragenden Fraktionen besonders begünstigen, das einer Beratung folgende Abstimmungsergebnis erheblich verfälschen könne. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments werde in erheblichem Maße gestärkt, wenn die Leistungsfähigkeit der Fraktionen auf einen höheren Mindeststandard angehoben werde. Zudem werde mit der Neuregelung  an die Fünf-Prozent-Klausel des § 38 des Landtagswahlgesetzes (LWG) angeknüpft, welche ihrerseits Ausdruck eines gemeindeutschen Wahlrechtsgrundsatzes sei, der die Effizienz des Parlaments sichern solle und deshalb auch für das Verfahren im Landtag maßgebliche Bedeutung besitze.

Die nachfolgenden Wahlen zum Saarländischen Landtag ergaben folgende Verteilung der 51 Sitze:

Sozialistische Partei (SP):

21

Christlich Liberale Partei (CLP):

16

Linkssozialisten-Saar

5

Freiheitliche Moralpartei (F.M.P.):

4

Bündnis Rechtschaffender, Aufrechter und Unabhängiger Nationalisten - BRAUN:

3

DIE BUNTEN

2

In seiner ersten Sitzung beschloss der neugewählte Landtag die Übernahme der Geschäftsordnung des Saarländischen Landtags der vorherigen Wahlperiode. Die Abgeordneten der SP, CLP, F.M.P., des BRAUN und auch die Abgeordneten der "BUNTEN", Dunja Detmold und Burda Bredestrauch, zeigten daraufhin jeweils der Präsidentin des Saarländischen Landtags nach § 10 Abs. 1 der Geschäftsordnung an, dass sie jeweils eine Fraktion bilden würden. Nur den Abgeordneten der "BUNTEN" teilte die Landtagspräsidentin, Aydan Aydoğan, jedoch mit, dass sie diese Anzeige als "wirkungslos" erachte, da nach dem neuen § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz eine Fraktion aus mindestens drei Landtagsabgeordneten bestehen müsse. Dies sei auch sachgerecht, weil man bei zwei Mitgliedern schließlich auch schlechthin nicht mehr von einer Fraktion sprechen könne. Im Ergebnis beeinträchtige § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz die beiden Abgeordneten der "BUNTEN" auch nicht übermäßig, da ihnen der Kernbereich der Mandatsausübung – freies Stimmrecht, selbständiges Rederecht und ein Mindestmaß an Antragsmöglichkeiten – gewährleistet sei. Der Landtag fasst schließlich mit 49 zu 2 Stimmen einen Beschluss, dass die zwei Abgeordneten der "BUNTEN" nach § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz keine Fraktion bilden könnten.

Über ihre "typisch sexistische Kaltstellung" durch die "alten weißen Männer der Landtagsmehrheit" sind die Abgeordneten der "BUNTEN", Dunja Detmold und Burda Bredestrauch, zutiefst empört. Der neue § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz führe dazu, dass einzig und allein den Abgeordneten ihrer Partei für die geltende Legislaturperiode der Fraktionsstatus versagt werde. Damit wären ihnen nicht nur wichtige parlamentarische Rechte verwehrt, sondern vor allem auch ein Anspruch auf die in § 5 des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes genannten Geld- und Sachleistungen. Hierfür gebe es keinen stichhaltigen Grund. Die Fünf-Prozent-Klausel des Landtagswahlgesetzes könne nicht als Vorbild genommen werden; es müsse vielmehr jeder parteipolitisch homogenen Gruppe, die den Einzug in den Landtag erreicht habe, Fraktionsstärke zugebilligt werden. Wenn die Abgeordneten der "BUNTEN" keine Fraktion bilden könnten, seien sie in ihren parlamentarischen Wirkungsmöglichkeiten entscheidend zurückgesetzt; es würde für ihre Partei letztlich eine zweite Wahlsperrklausel eingeführt. Im Übrigen kenne etwa auch das saarländische Gemeinderecht - wie § 30 Abs. 5 Satz 2 KSVG zeige - Zwei-Personen-Fraktionen. Schließlich verstoße der Beschluss auch gegen Art. 12 Abs. 2 der Saarländischen Verfassung: Hiernach seien Männer und Frauen gleichberechtigt und wären damit auch gleich zu behandeln. § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz und seine Anwendung durch die Landtagsmehrheit habe indes zur Folge, dass er bei den jetzigen Sitzverhältnissen im Landtag ausschließlich die Bildung einer rein weiblichen Fraktion verhindere, während eine rein männliche Fraktion wie die des "BRAUN" zugelassen werde, obwohl diese nur einen Sitz mehr erzielt habe.

Beide Abgeordneten der "BUNTEN" sehen sich daher durch die Vorenthaltung des Fraktionsstatus in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt, denn dies benachteilige sie als Abgeordnete und Frauen sowie ihre Partei und sei deshalb verfassungswidrig. Sie wollen daher als Fraktion oder – sollte dies nicht möglich sein – als Abgeordnete den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes anrufen, um eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Landtagsbeschlusses und damit auch des § 1 Abs. 2 Fraktionsrechtsstellungsgesetz zu erreichen. Hätte ein solcher Antrag Aussicht auf Erfolg?

Bearbeitervermerk: Hinweise zum Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, dessen Entscheidungen im Volltext sowie die Saarländische Verfassung und das saarländische Gesetz über den Verfassungsgerichtshof (und einen Kommentar zur Saarländischen Verfassung) finden Sie bei http://www.verfassungsgerichtshof-saarland.de

landtag.gif (20645 Byte)Lösungsvorschlag

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