Nichts für viel Lärm

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatix Legal Intelligence UG (haftungsbeschränkt), Gersheim

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Die Hubert-Hölzl-KG betreibt in dem zur Stadt Saarheim gehörenden Ortsteil St. Louis auf ihrem innerhalb des Ortszentrums befindlichen Grundstück eine Holzwarenfabrik. Die Lage dieser Fabrik ist städtebaulich denkbar ungünstig, da sich in der näheren Umgebung dieses Grundstücks vorwiegend Einfamilienhäuser befinden, deren Bewohner sich von dem Betrieb der Hubert-Hölzl-KG ausgehenden Lärms nicht unerheblich gestört fühlen. Als besonders "nervig" wird insoweit der Betrieb der großen Sägemaschine in der Hauptfabrikhalle empfunden. Hier wären zwar zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen technisch möglich. Auch hat der Geschäftsführer der Hubert-Hölzl-KG, Hermann-Hubert Hölzl, sich grundsätzlich bereit erklärt, eine solche "Nachrüstung" vorzunehmen. Er hält aber die Hubert-Hölzl-KG nicht für verpflichtet, die hierdurch entstehenden Kosten von etwa 30.000,- Euro zu übernehmen. Es ging daher ein Aufatmen durch die Nachbarschaft, als das insoweit zuständige Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz durch Bescheid vom 11. November letzten Jahres die Hubert-Hölzl-KG zur Nachrüstung der Sägemaschine auf Grundlage des § 24 i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verpflichtete. Daraufhin trat Hermann-Hubert Hölzl an den Oberbürgermeister der Stadt Saarheim, Oskar Obenauf, heran und forderte ihn auf, im Interesse der Sicherung des Wirtschaftsstandorts Saarheim die Kosten der Nachrüstung zu übernehmen. Einen Betrag von 30.000,- Euro könne das Unternehmen, das schon seit Jahren am Rande der Insolvenz stehe, schlicht nicht bezahlen. Wolle die Hubert-Hölzl-KG ihren Betrieb nicht einstellen, müsse sie deshalb einige Mitarbeiter freisetzen, um die Kosten der Lärmsanierung übernehmen zu können.

Angesichts dieser Sachlage war Obenauf sehr erfreut, nach einem Kassensturz festzustellen, dass die Stadt in diesem Jahr 40.000,- Euro Überschuss erwirtschaftet hatte. Deshalb beschließt er, das "Hölzl-Problem" kurzfristig auf die einfachste ihm bekannte Art zu lösen: Ein Zuschuss aus der Stadtkasse möge der Hubert-Hölzl-KG die benötigten 30.000,- Euro verschaffen. Am 20. November erhält daher Hermann-Hubert Hölzl als Geschäftsführer der Hubert-Hölzl-KG einen Brief des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim mit folgendem Wortlaut:

"An die Hubert-Hölzl-KG z. Hd. ihres Geschäftsführers Hermann-Hubert Hölzl

Sehr geehrter Herr Hölzl,

die Stadt Saarheim hat es sich zum Gebot gemacht, die einheimische Wirtschaft schnell und unbürokratisch zu unterstützen, wenn dies notwendig ist. Die Hubert-Hölzl-KG erhält daher von uns umgehend 30.000,- Euro "Lärmsanierungshilfe" unter der Auflage, mit diesem Geld die in dem Bescheid des Landesamts für Umwelt und Arbeitsschutz vom 11. November geforderten Lärmsanierungsmaßnahmen durchzuführen. Wenn Sie von dieser Unterstützungsmaßnahme Gebrauch machen wollen, teilen Sie uns bitte umgehend mit, wohin wir das Geld überweisen sollen. Um die diesem Bescheid entsprechende Verwendung des Geldes nachzuweisen, schicken Sie uns bitte – bis spätestens zum 15. März nächsten Jahres – entsprechende Nachweise (Handwerkerrechnungen etc.).

Abschließend weise ich Sie ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei der von uns beabsichtigten Unterstützungsmaßnahme um eine "De-minimis-Beihilfe" i.S.d. Verordnung (EU) 2023/2831 der Kommission vom 13. Dezember 2023 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (Amtsblatt EU L 2023/2831) handelt.

Mit freundlichen Grüßen

Oskar Obenauf

Oberbürgermeister der Stadt Saarheim."

Mit der Aufnahme des Verweises auf die Verordnung (EU) 2023/2831 der Kommission vom 13. Dezember 2023 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen ist der Oberbürgermeister seiner Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2023/2831 nachgekommen. Auch im Übrigen wurde das dort vorgesehene Verfahren seitens des Oberbürgermeisters genau eingehalten.

Hermann-Hubert Hölzl meldete sich daraufhin umgehend bei der Stadt Saarheim und die Hubert-Hölzl-KG erhielt postwendend das Geld überwiesen. Im Stadtrat der Stadt Saarheim stößt die Aktion Obenaufs jedoch auf wenig Gegenliebe. Man ist empört: Wie konnte der Oberbürgermeister einfach hinter dem Rücken des Stadtrates das Geld der Stadt aus dem Fenster hinauswerfen? Die Hubert-Hölzl-KG sei ein marodes Unternehmen, dessen Fabrikanlagen schon seit Jahren den Ortskern des Ortsteils St. Louis verschandelten. Dass allein wegen 30.000,- Euro Arbeitnehmer der Hubert-Hölzl-KG entlassen werden müssten, sei ohnehin völlig unglaubhaft. Jedenfalls sei der Oberbürgermeister zur Gewährung der Hilfe weder durch Gesetz ermächtigt gewesen noch finde sich im Haushaltsplan der Stadt Saarheim ein Titel "Lärmsanierungshilfen" oder Vergleichbares. Damit habe sich der Oberbürgermeister – ohne dass die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 KSVG vorlägen – über die geltende Haushaltssatzung für das laufende Jahr einfach hinweggesetzt. Dieses Verhalten könne der Stadtrat als das nach § 86 Abs. 1 KSVG für den Erlass der Haushaltssatzung zuständige Organ der Stadt nicht billigen, vielmehr verweigere er ausdrücklich seine Zustimmung zu der Aktion und fordere den Oberbürgermeister auf, diese umgehend rückgängig zu machen, soweit dies rechtlich möglich sei.

Auch Obenauf sieht ein, dass er wohl etwas voreilig gehandelt habe, zumal bis zum Stichtag des 15. März dieses Jahres keine Verwendungsnachweise der Hubert-Hölzl-KG bei der Stadt Saarheim eingegangen waren. Er beschließt daher, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und geht die Rückabwicklung der Zahlungen an die Hubert-Hölzl-KG an. Das Telefonat mit Hermann-Hubert Hölzl ergibt, dass das Geld auch tatsächlich nicht für die Lärmsanierungsmaßnahme verbraucht, sondern eine neue Hobelmaschine angeschafft worden war. Auf Widerspruch der Hubert-Hölzl-KG sei nämlich die Lärmsanierungsanordnung des Landesamtes für Umwelt und Arbeitsschutz vom insoweit zuständigen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz aufgehoben worden, so dass keine Notwendigkeit für die Durchführung der Maßnahme mehr bestanden habe. Darauf hingewiesen, dass die Stadt Saarheim prüfe, ob die 30.000,- Euro von der Hubert-Hölzl-KG zurückbezahlt werden müssten, kontert Hölzl, dass es allein seiner Entscheidung unterläge, wie das Firmenkapital eingesetzt werde; schließlich lebe man nicht in einer Planwirtschaft.

Daraufhin erhält die Hubert-Hölzl-KG am 26. April dieses Jahres einen ausführlich begründeten und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Saarheim, der Folgendes anordnet:

1. Der Zuwendungsbescheid vom 20. November des vergangenen Jahres wird rückwirkend aufgehoben.

2. Die Hubert-Hölzl-KG wird verpflichtet, 30.000,- Euro an die Stadt Saarheim zurückzuzahlen.

In der Begründung wird ausgeführt, der Zuwendungsbescheid sei wegen fehlender gesetzlicher Ermächtigung rechtswidrig. Zudem habe die Hubert-Hölzl-KG die ihr gewährten Mittel zweckwidrig verwendet, so dass schon deshalb eine Rückerstattung geboten sei. Gründe, die eine Aufrechterhaltung der Zuwendung rechtfertigen könnten, bestünden nicht: Im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der öffentlichen Haushaltsführung sei die Stadt Saarheim darauf angewiesen, ihre Mittel nur entsprechend ihrer Zweckbestimmung zu verwenden. Im Übrigen bestehe kein Grund für die Annahme, die Rückforderung der Zuwendung würde die Hubert-Hölzl-KG in die Insolvenz treiben, so dass sie insbesondere auch verhältnismäßig sei.

Hermann-Hubert Hölzl hält die Forderung des Oberbürgermeisters für eine Unverschämtheit und einen Vertrauensbruch. Er erhebt daher im Namen der Hubert-Hölzl-KG nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren fristgerecht beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage gegen den Bescheid vom 26. April.

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