Anmerkung zur Begründetheit eines
Widerspruchs
(Stand der Bearbeitung: 27. Februar
2022)
Ist der Widerspruch zulässig (siehe dazu den Hinweis), ist hinsichtlich seiner Begründetheit zu
differenzieren
Anmerkung:
Siehe zum Prüfungsmaßstab beim Widerspruchsbescheid:
Hufen, § 7 Rn. 1,
2,
4, 6, 7.
I. Regelfall
Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist die
Widerspruchsbehörde berechtigt, den Widerspruch in vollem Umfang hinsichtlich seiner
Recht- und Zweckmäßigkeit zu überprüfen.
Handelt es sich bei dem Widerspruch
- um einen Anfechtungswiderspruch (§ 68
Abs. 1 VwGO), ist der Widerspruch nach dem Rechtsgedanken des § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO jedenfalls insoweit begründet, wie der Verwaltungsakt rechtswidrig
ist (§ 68 Abs. 1 VwGO) und den Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt.
Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist m.a.W. die Widerspruchsbehörde (in mit
der Anfechtungsklage durchsetzbarer Weise) verpflichtet, den
Ausgangsbescheid aufzuheben. Ist der Verwaltungsakt dagegen nur rechtswidrig,
verletzt den Kläger aber nicht in seinen Rechten oder ist er rechtmäßig, aber nach
Ansicht der Widerspruchsbehörde zweckwidrig, darf die
Widerspruchsbehörde grundsätzlich den Ausgangsbescheid aufheben (Ausnahmen können sich
bei Drittwidersprüchen gegen Verwaltungsakte mit Drittwirkung ergeben, vgl. die
Kommentierungen zu § 50 VwVfG), ist hierzu aber nicht rechtlich verpflichtet.
Der Widerspruchsführer kann dann die Aufhebung des Verwaltungsaktes nicht im Wege der
Anfechtungsklage erzwingen.
- um einen Verpflichtungswiderspruch (§ 68
Abs. 2 VwGO), ist der Widerspruch entsprechend dem Rechtsgedanken des § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO jedenfalls dann begründet, wenn der ablehnende Verwaltungsakt rechtswidrig ist und
den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt, also dann, wenn der
Widerspruchsführer einen Anspruch auf Erteilung des Verwaltungsakts hat.
Nur in diesen Fällen ist die Widerspruchsbehörde (in mit der Verpflichtungsklage
durchsetzbarer Weise) verpflichtet, den beantragten Verwaltungsakt zu
erlassen. Ist die Antragsablehnung dagegen nur zweckwidrig oder zwar rechtswidrig,
verletzt den Widerspruchsführer aber nicht in seinen Rechten, darf die
Widerspruchsbehörde grundsätzlich dem Widerspruch stattgeben, ist hierzu jedoch nicht
rechtlich verpflichtet. Zu beachten ist, dass die Widerspruchsbehörde in jedem Fall nicht
die Ausgangsbehörde verpflichtet, den Verwaltungsakt zu erlassen (wie es nach § 113 Abs.
5 VwGO das Gericht tut), sondern den begehrten Bescheid selbst erlässt.
Anmerkung: Siehe hierzu
Hufen, § 9 Rn. 10.
Dies gilt auch, wenn über den
Widerspruch - wie im Saarland (vgl.
§
8 AGVwGO) und in Rheinland-Pfalz - ein weisungsunabhängiger
Rechtsausschuss entscheidet.
- Einen Bescheidungswiderspruch
entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gibt es grundsätzlich nicht: Wenn die Erteilung
eines Verwaltungsakts im Ermessen der Behörde steht, hat die Widerspruchsbehörde dieses
Ermessen auszuüben; dies ergibt sich aus dem "Devolutiveffekt" des
Widerspruchs. Anders ist es im Saarland und in Rheinland-Pfalz,
wenn zuständige Widerspruchsbehörde ein weisungsunabhängiger Rechtsausschuss
ist: Hier werden Bescheidungswiderspruchsbescheide - wegen der gerichtsähnlichen
Ausgestaltung des Widerspruchsverfahrens - für rechtlich zulässig gehalten.
Anmerkung: Siehe hierzu U. Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, § 35
Rn. 371a.
II. Ausnahme
Teilweise darf die Widerspruchsbehörde den Widerspruch aufgrund
spezialgesetzlicher Anordnung nur auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen.
Dies ist dann der Fall, wenn entgegen § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO
aufgrund Landesrechts (vgl. § 73 Abs. 2 VwGO) über den Widerspruch gegen einen
Verwaltungsakt in Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht die
Selbstverwaltungsbehörde, sondern eine andere Behörde entscheidet.
Anmerkung: Siehe z.B. die
Bestimmung in § 8 Abs. 2 AGVwGO; vgl. im Übrigen
die Hinweise bei Rennert, in: Eyermann, VwGO,
§ 73 Rn. 6.
Handelt es sich bei dem Widerspruch um
- einen Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs.
1 VwGO), ist der Widerspruch nach dem Rechtsgedanken des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht
anders als sonst jedenfalls insoweit begründet, als der Verwaltungsakt
rechtswidrig ist (§ 68 Abs. 1 VwGO) und den Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten
verletzt. Ist der Verwaltungsakt dagegen nur rechtswidrig, verletzt den
Kläger aber nicht in seinen Rechten, kann die Widerspruchsbehörde den Bescheid ebenfalls
aufheben: Eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle ist möglich, jedoch nicht mit der
Anfechtungsklage erzwingbar. Ist der Widerspruch dagegen nach Ansicht der
Widerspruchsbehörde zweckwidrig, darf die
Widerspruchsbehörde den Bescheid nicht aufheben: Tut sie es trotzdem,
verletzt sie die Selbstverwaltungsrechte, so dass die betroffene
Selbstverwaltungskörperschaft als erstmalig beschwerter Dritter i.S.d. § 79 Abs. 1 Nr. 2
VwGO gegen den Widerspruchsbescheid klagen kann.
- einen Verpflichtungswiderspruch (§ 68
Abs. 2 VwGO), ist der Widerspruch entsprechend dem Rechtsgedanken des § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO jedenfalls dann begründet, wenn der ablehnende Verwaltungsakt
rechtswidrig ist und den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt, also dann, wenn
der Widerspruchsführer einen Anspruch auf Erteilung des Verwaltungsakts
hat. Nur in diesen Fällen ist die Widerspruchsbehörde (in mit der Verpflichtungsklage)
durchsetzbarer Weise verpflichtet, den beantragten Verwaltungsakt zu
erteilen. Ist die Antragsablehnung dagegen zwar rechtswidrig, verletzt den
Widerspruchsführer aber nicht in seinen Rechten, darf die Widerspruchsbehörde
grundsätzlich dem Widerspruch stattgeben, ist hierzu aber nicht rechtlich verpflichtet.
- Der Erlass eines Bescheidungswiderspruchs
entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist bei einer auf die Rechtmäßigkeitskontrolle
beschränkten Prüfungsbefugnis möglich (und jedenfalls bei den Rechtsausschüssen im
Saarland gängige Praxis), weil die Widerspruchsbehörde wegen des Ausschlusses der
Zweckmäßigkeitskontrolle gerade nicht ihre Ermessenserwägungen an die Stelle der
Ermessenserwägungen der Ausgangsbehörde setzen darf.