Interessante Entscheidungen des Reichsgerichts und des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich zum Verfassungsrecht und Verfassungsprozessrecht des Deutschen Reichs

(Stand der Bearbeitung:14. März 2021)

© Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

mit freundlicher Unterstützung der jurmatiX GbR, Ottweiler

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I. Entscheidungen zu "organstreitähnlichen" Verfahren

Anmerkung: Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich ergingen auf Grundlage von Art. 19 Abs. 1 Alt. 1 WRV: "Über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, in dem kein Gericht zu ihrer Erledigung besteht, sowie über Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen dein Reiche und einem Lande entscheidet auf Antrag eines der streitenden Teile der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, soweit nicht ein anderer Gerichtshof des Reichs zuständig ist."

RG, III 70/80 v. 15.11.1881 = RGZ 3, 409 ff.  Kein Zivilrechtsweg für Streitigkeiten zwischen Landesherrn und Ständen
StGH v. 12.7.1921 (Landtagsfraktion des Landeswahlverbands Braunschweig ./. Staatsministerium Braunschweig), in: RGZ 102, 415 ff. Fraktionen sind berechtigt, Rechte des Landtages durchzusetzen
StGH v. 12.7.1921 (Senat in Bremen ./. Bürgerschaft Bremen), in: RGZ 102, 425 ff Streit zwischen Regierung und Landtag um die Kompetenzen von Untersuchungsausschüssen
StGH v. 12.1.1922 (Fraktion der Bürgerpartei und des Bauernbundes im württembergischen Landtag ./. württembergischer Landtag und Freistaat Württemberg), in: RGZ 104, 423 ff. Zulässigkeit von Streitigkeiten zwischen Fraktion und Landtag
StGH v. 19.11.1924 (Ortsgruppe Nassau des vormals unmittelbaren Reichsadels ./. preußisches Staatsministerium), in: RGZ 111, Anh. 1 ff. Streit um die Frage, ob ein bestimmtes „Gebilde“ Verfassungsorgan ist, ist verfassungsrechtliche Streitigkeit (Ortsgruppe Nassau des vormals unmittelbaren Reichsadels)
StGH v. 21.11.1925 (Regierung des Landes Preußen ./. Preußischer Landtag) in: RGZ 112, Anh. 1 ff. Verfassungsmäßigkeit von Notverordnungen
StGH v. 18.6.1927 (12 Abgeordnete des Braunschweigischen Landtags ./. den Braunschweigischen Landtag und das Braunschweigische Staatsministerium), in: RGZ 116, Anh. 45 ff. Zulässigkeit von Streitigkeiten zwischen einzelnen Abgeordneten und Landtag
StGH, 6/27 v. 17.12.1927, in: RGZ 118, Anh. 22 ff. Antragsbefugnis politischer Parteien im verfassungsgerichtlichen Verfahren
StGH, 3/28 v. 12.5.1928, in: RGZ 120, Anh. 19 ff. Grenzen der Subsidiaritätsklausel für Landesorganstreitigkeiten
StGH, 8/28 v. 10.10.1927, in:  RGZ 124, Anh. 19 ff. Grenzen des Notverordnungsrechts
StGH, 5/28 v. 23.3.1929, in: RGZ 124, Anh. 40 ff. Grenzen der Antragsbefugnis politischer Parteien im verfassungsgerichtlichen Verfahren
StGH, 10/29 v. 17./18.2.1930, in: RGZ 128, Anh. 46 ff. Streit zwischen Fraktion und Landtag über Geschäftsordnung
StGH, 7/30 v. 17./18.7.1930, in: RGZ 129, Anh. 28 ff. Antragsbefugnis von "Rathausparteien" im verfassungsgerichtlichen Verfahren
StGH, 4/30 v. 24.4.1931, in: RGZ 132, Anh. 1 ff. Antragsbefugnis eines gewählten Abgeordneten, dessen Mandat nicht anerkannt wird

II.  Entscheidungen zu Reich-Länder-Streitigkeiten

Anmerkung: Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich ergingen auf Grundlage von Art. 19 Abs. 1 Alt. 2 WRV: "Über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, in dem kein Gericht zu ihrer Erledigung besteht, sowie über Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen dein Reiche und einem Lande entscheidet auf Antrag eines der streitenden Teile der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, soweit nicht ein anderer Gerichtshof des Reichs zuständig ist."

StGH v. 30.6.1923 (Reichsverkehrsministerium ./. Preußische Regierung), in: RGZ 107, Anh. 7 ff. Streit um Verwaltungskompetenzen im Eisenbahnrecht
StGH v. 18.10.1924 (Deutsches Reich ./. Land Preußen), in: RGZ 109, Anh. 17 ff. Streit um Verwaltungskompetenzen im Eisenbahnrecht
StGH v. 21.11.1925 (Deutsches Reich ./. Land Thüringen), in: RGZ 112, Anh. 13 ff. Streit um Verwaltungskompetenz im Wasserstraßenrecht
StGH v. 5.6.1926 (Deutsches Reich ./. Mecklenburg-Schwerin), in:  RGZ 113, Anh. 1 ff. Wann liegt ein Land vor?
StGH v. 15.10.1927 (Land Bremen ./. Deutsches Reich, in: RGZ 118, Anh. 41 ff. Streit um Gesetzgebungskompetenzen
StGH, 4/27 v. 17.11.1928, in: RGZ 122, Anh. 17 ff. Grenzen der Antragsbefugnis eines Landes, soweit es um die Gültigkeit von Reichsgesetzen geht
StGH, 4/27 v. 17.11.1928, in: RGZ 127, Anh. 25 ff. Verhältnis zwischen Reich-Länder-Streit und Reichsaufsicht
StGH, 3/29 v. 9.12.1929, in: RGZ 129, Anh. 9 ff. Streit um die Zulässigkeit der landesrechtlichen Einführung "parteipolitischer" Schulgebete
StGH, 5/30 v. 11.7.1930, in: RGZ 130 Anh. 1 ff. Streit um "Thüringer Polizeikostenzuschüsse"
StGH, 15/32 v. 25.7.1932 in: RGZ 137, Anh. 65 ff. "Preußenschlag"- Einstweilige Anordnung
StGH, 15,16, 17, u. 19/32 v. 10./14. und 17.10.1932, in: RGZ 138, Anh. 1 ff. "Preußenschlag" - Hauptsacheentscheidung

III. Entscheidungen zur abstrakten Normenkontrolle

Anmerkung: Die Entscheidungen des Reichsgerichts ergingen hier ergingen auf Grundlage von Art. 13 Abs. 2  WRV: "Bestehen Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine landesrechtliche Vorschrift mit dem Reichsrecht vereinbar ist, so kann die zuständige Reichs- oder Landeszentralbehörde nach näherer Vorschrift eines Reichsgesetzes die Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Reichs anrufen." Hierzu auch das Gesetz zur Ausführung des Art. 13 Abs. 2 der Verfassung des Deutschen Reichs (RGBl. I, S. 510)

RG, VII B 1/21 v. 20.10.1921 = RGZ 103, 91 ff. Zeitlicher Geltungsanspruch der Reichsverfassung
RG, IV Tgb. 83/25 v. 20.6.1925 = RGZ 111, 134 ff. Rechtsgrundlagen für abstrakte Normenkontrolle
RG, III. Tgb. 125/28 v. 23.11.1928 = RGZ 122, 306 ff. Verhältnis zwischen abstrakter Normenkontrolle und Organstreitverfahren
IV. Entscheidungen zur richterlichen Normverwerfungsungskompetenz
PrOVG, Erkenntnis v. 10.6.1880 = Preußisches Verwaltungsblatt 1879/80, 401 ff. (Nachdruck DVBl. 1985, 216 ff.) Kompetenz zur Überprüfung der Gesetzeskonformität von Landesrechtsverordnungen (1. Kreuzbergurteil)
RG, I 513/82 v. 17.2.1883 = RGZ 9, 233 ff. Zur Frage der Zulässigkeit und Gebotenheit einer verfassungskonformen Auslegung - Verneinung eines richterlichen Prüfungsrechts der Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Landesverfassung
RG, IV 4/89 v. 28.3.1889 = RGZ 24, 1 ff. Kompetenz zur Überprüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit von Reichsverordnungen - ob auch eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von formellen Gesetzen besteht wird offen gelassen
RG, IVa 303/09 v. 26.1.1900 = RGZ 45, 267, 270 f. Grundsatz, dass der Richter die Gültigkeit der anzuwendenden Rechtsnorm prüfen darf, soweit dies nicht gesetzlich ausgeschlossen sei. Ein solcher Ausschluss ergebe sich in Preußen aus Art. 106 der preußischen Verfassung in Bezug auf Landesgesetze und königliche Verordnung; diese Ausnahmen gelten aber nicht gegenüber preußischen Polizeiverordnungen.
RG, III 26/01 v. 26.3.1901 = RGZ 48, 84, 87 ff. Kompetenz zur Überprüfung der Gesetzes- und Verfassungskonformität von Reichsverordnungen
RG, Vereinigte Zivisenate, IV 216/00 v. 22.5.1901  = RGZ 48, 195, 205 Kompetenz zur Überprüfung der Vereinbarkeit von Landesverordnungen mit Reichsgesetzen (auch wenn die richterliche Prüfungskompetenz für diese Verordnung durch die Landesverfassung ausgeschlossen ist.
RG, VII 71/11 v. 6.10.1911  = RGZ 77, 229, 231 Es besteht kein Anlass an der Verfassungsmäßigkeit eines Reichsgesetzes zu zweifeln, das formell ordnungsgemäß vom Bundesrat und Reichstag beschlossen wurde.
RG, VII 368/20 v. 28.4.1921  = RGZ 102, 161, 164 Behauptung, das Reichsgericht habe in ständiger Rechtsprechung die Gerichte für befugt erklärt, die formelle und materielle Rechtmäßigkeit von Gesetzen und Verordnungen nachzuprüfen, soweit die Nachprüfung nicht durch Gesetz ausgeschlossen sei
RG, I 211/21 v. 15.12.1921 = RGSt 56, 177, 179 ff. Kompetenz zur Überprüfung der formellen und materiellen Vereinbarkeit von Landesrecht aller Art mit Reichsrecht
RG, V 154/25 v. 2.7.1925 = RGZ 111, 199 ff. Aufhebung alten Reichsrechts durch Grundrechte?
RG, V 621/24 v. 4.11.1925 = RGZ 111, 320 ff. Befugnis zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen
RG, III 329/35 v. 28.7.1936 = RGZ 152, 86 ff. Reichsrecht bricht Landesrecht im Führerstaat?

V. Entscheidungen in "verfassungsbeschwerdeähnlichen" Verfahren

Anmerkung: Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich ergingen auf Grundlage von Art. 19 Abs. 1 Alt. 1 WRV: "Über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, in dem kein Gericht zu ihrer Erledigung besteht, sowie über Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen dein Reiche und einem Lande entscheidet auf Antrag eines der streitenden Teile der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, soweit nicht ein anderer Gerichtshof des Reichs zuständig ist."

StGH, Tgb. 35/28 v. 13.12.1929, in: RGZ 126, Anh. 25 ff. Keine Antragsbefugnis einzelner Staatsbürger im Verfassungsprozess
StGH, 12/30 und 1/31 v. 12./13.6.1931, in: RGZ 133, Anh. 29 ff. Keine Antragsbefugnis privatrechtlicher Vereine im Verfassungsprozess

VI. Entscheidungen in "kommunalverfassungsbeschwerdeähnlichen" Verfahren

Anmerkung: Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich ergingen auf Grundlage von Art. 19 Abs. 1 Alt. 1 WRV: "Über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, in dem kein Gericht zu ihrer Erledigung besteht, sowie über Streitigkeiten nichtprivatrechtlicher Art zwischen verschiedenen Ländern oder zwischen dein Reiche und einem Lande entscheidet auf Antrag eines der streitenden Teile der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, soweit nicht ein anderer Gerichtshof des Reichs zuständig ist."

RG, VII 283/10 v. 4.4.1911 = RGZ 76, 121 ff. Kein Zivilrechtsweg für Anspruch auf angemessene Finanzausstattung der Kommunen
StGH, 9 und 11/27 v. 8.8.1927, in: RGZ 121, Anh. 13 ff. "Potsdamer Flaggenstreit"
StGH, 9, 11,13, 15, 16 und 18/29 v. 29.7.1929, in: RGZ 126, Anh. 14 ff. Antragsbefugnis einer durch Neugliederungsgesetz aufgelösten Gemeinde
StGH, 2/30 v. 21.11.1930, in: RGZ 130, Anh. 3 ff. Antragsbefugnis juristischer Personen des öffentlichen Rechts