Friseurgeschäfte

© Klaus Grupp (Universität des Saarlandes) und Ulrich Stelkens (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer)

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Nach langen Lehrjahren hat Pierre-Frédérik Scheer seine Meisterprüfung im Friseurhandwerk bestanden und nach entsprechender Eintragung in die Handwerksrolle der Handwerkskammer des Saarlandes und Einhaltung aller sonstigen Formalitäten nunmehr in seiner Heimatstadt Saarheim einen eigenen Betrieb aufgemacht. Um sich gegenüber der zahlreichen Konkurrenz durchzusetzen, wagt er ein neues Geschäftskonzept: Sein "Salon Pierre S." soll schon morgens ab 5:00 Uhr geöffnet sein. Kunden und Kundinnen, die bis 8:00 Uhr kommen, bekommen zur Stärkung außer einem Heißgetränk (Kaffee, Tee oder Kakao) ein Croissant, ohne dass ihnen hierfür ein gesondertes Entgelt berechnet wird. Tatsächlich hat Scheer hiermit eine Marktlücke gefunden: Zahlreiche Saarheimer Bürger und Bürgerinnen sind froh, den Friseurbesuch schon vor der Arbeit erledigen zu können und dabei auch noch ein kleines Frühstück serviert zu bekommen, um so frohen Gemüts und in neuer Façon den Tag zu beginnen.

Ungern sehen diesen Geschäftserfolg allerdings die alteingesessenen Saarheimer Friseurbetriebe, die zahlreiche Kunden verlieren. Es gelingt ihnen jedoch, die Handwerkskammer zu überzeugen, dass ein solches Geschäftsmodell den Interessen des Saarheimer Friseurhandwerks zuwider laufe, weil hierdurch nur ein "ungesunder" Wettbewerb um Frühaufsteher entstehe und dadurch "unerwünschte Marktverschiebungen" zu Lasten der alteingesessenen Betriebe einträten. Die Handwerkskammer wendet sich daraufhin an den Oberbürgermeister der Stadt Saarheim, Oskar Obenauf, mit der Bitte um Prüfung, ob das Geschäftsmodell Scheers nicht direkt oder indirekt verboten werden könne. Daraufhin wird Scheer ins Rathaus der Stadt Saarheim geladen, wo er zu einer Reihe von "Verstößen gegen das Gewerberecht" angehört werden soll. Mit Schrecken erfährt er dort, welche Schritte die Stadt Saarheim gegen ihn plant:

1. Zunächst wird vorgebracht, es sei schlicht unhygienisch und unappetitlich, in einem Friseursalon Getränke und Speisen zu servieren. Denn es lasse sich nie ausschließen, dass Haare, Sprays etc. hiermit in Berührung kämen. Daher sei die Stadt auf Grund des Saarländischen Gaststättengesetzes ermächtigt, Scheer die Verabreichung von Croissants und Heißgetränken in seinem Friseurgeschäft an seine Kunden zu untersagen, soweit dies in den zum Haareschneiden vorgesehen Räumlichkeiten und insbesondere gleichzeitig mit der Ausübung der eigentlichen Friseurtätigkeiten erfolge.

2. Zumindest müsse der Betrieb seiner "Gaststätte" in der Zeit zwischen 5:00 und 6:00 Uhr morgens untersagt werden, da auch die von Scheer betriebene Friseur-Gaststätte an die Sperrzeiten nach § 11 Abs. 1 SGastG gebunden sei. Eine Ausnahme hiervon könne nicht erteilt werden.

3. Zudem wird Scheer mitgeteilt, der Oberbürgermeister der Stadt Saarheim beabsichtige als Ortspolizeibehörde, ihm - Scheer - zu untersagen, außerhalb der Ladenöffnungszeiten des § 3 des Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (Ladenöffnungsgesetz - LÖG Saarland) Haarpflegemittel an seine Kunden zu verkaufen. Tatsächlich verkauft Scheer auch schon in den frühen Morgenstunden an seine Kunden die von ihm benutzten und empfohlenen Haarpflegemittel.

4. Schließlich werde erwogen, Scheer generell den Betrieb seines Friseursalons wegen Unzuverlässigkeit zu untersagen, da er bei diesem Betrieb eben beharrlich gegen das Ladenöffnungsgesetz und das Gaststättengesetz verstoße. Zudem habe er - was zutrifft - am letzten Montag Frau Irene Igelbauer das Ohrläppchen abgeschnitten, was beweise, dass er eine Gefahr für seine Kunden darstelle.

Völlig aufgelöst läuft Scheer zu dem Saarheimer Rechtsanwalt Rudi Rathgeber und beauftragt ihn, ihn in dieser Angelegenheit gegenüber der Stadt Saarheim und ihren Behörden zu vertreten. Er sei sich keiner Schuld bewusst und halte die Annahme, neben seinem Friseursalon noch ein Gaststättengewerbe und ein Ladengeschäft zu betreiben, schlicht für absurd. Dass der Unfall mit Frau Igelbauer dazu führe, dass er seinen Betrieb einstellen müsse, sei ebenfalls unglaublich: Bevor der Unfall passiert sei, habe er der Frau mehrfach gesagt, sie solle stillsitzen. Gerade als er geschnitten habe, sei sie dennoch plötzlich und ohne Vorwarnung von ihrem Stuhl aufgesprungen, um ihre heruntergefallene Handtasche aufzuheben. Da sei er abgerutscht. Der Vorfall sei also allein Frau Igelbauer zuzuschreiben, weshalb sich auch seine Berufshaftpflicht-Versicherung geweigert habe, ihr ein Schmerzensgeld zu zahlen. Ohnehin unterliege er keiner "Gewerbeaufsicht", weil er sich als Haar-Stylist und damit als Künstler verstehe. Tatsächlich habe er als Haar-Designer schon verschiedene Haarkunst-Wettbewerbe gewonnen. Zumindest sei er Inhaber des "großen Befähigungsnachweises" für das Friseurhandwerk, so dass ihm die Gewerbeaufsicht auch deshalb den Betrieb seines Friseurbetriebes nicht untersagen dürfe.

Rathgeber denkt sich, dass dies wieder eines dieser Mandate sei, auf die er gerne verzichten würde. Eine erste Überprüfung ergibt jedoch, dass grundsätzlich die Gemeinden nach der einschlägigen saarländischen Zuständigkeitsverordnungen für den Vollzug der Gewerbeordnung als auch nach § 2 Abs. 1 SGastG für den Vollzug des Gaststättengesetzes zuständig sind. Auch ermittelt er, dass alle einschlägigen Gesetze nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsgemäß sind. Nachdem dies geklärt ist, fragt er nun Sie, ob die Stadt Saarheim bzw. der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde tatsächlich die gegenüber Scheer angekündigten Maßnahmen rechtmäßigerweise treffen kann.

Lösungsvorschlag

Zu einer nach Berliner Landesrecht zu lösenden Fallvariante bei den Hauptstadtfällen

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