Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 09.03.1988
 - 4 B 8603226
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 (weitere Fundstellen: NJW 1988, 2754 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Kl. wurde auf dem Wahlvorschlag der CSU bei der Kommunalwahl 1984 zum Mitglied des Kreistags des Landkreises D. und später zum stellvertretenden Landrat gewählt. 1985 wurde er von einem Kaufhausdetektiv verdächtigt, mit einem Klebeband, Reißnägeln und Metallnadeln im Gesamtwert von 11,38 DM ohne zu zahlen die Kasse passiert zu haben. Der Kl. verteidigte sich zunächst damit, er sei von der Kaufhausleitung als Agent provocateur eingesetzt gewesen. Über diesen Vorfall, sowie über die sich daran anschließenden Beratungen im Kreistag und in der CSU-Fraktion berichtete die Presse ausführlich. Ein wegen des Vorfalls eingeleitetes Strafverfahren wurde von der StA gegen Zahlung eines Geldbetrages zugunsten der Staatskasse in Höhe von 150 DM eingestellt. Der Kreistag forderte durch einen u. a. mit den Stimmen der CSU-Fraktion gefaßten Beschluß den Kl. auf, vom Amt des stellvertretenden Landrats zurückzutreten. Der Kl. kam dieser Aufforderung nicht nach. Die Kreistagsfraktion der CSU beschloß deshalb, den Kl. aus der Fraktion auszuschließen und teilte ihm dies durch ein Schreiben des Fraktionsvorsitzenden mit. Auf den Widerspruch des Kl. hin bekräftigte die Fraktion den Fraktionsausschluß. Das VG wies die Klage auf Feststellung, daß der Ausschluß rechtswidrig ist, als unbegründet ab. Der VGH erklärte den Rechtsweg zu den VGen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige LG.

 

Aus den Gründen:

2.

... Die Sache ist eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, die auf den vorsorglich gestellten Hilfsantrag des Kl. an das örtlich zuständige Gericht des ersten Rechtszugs der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen ist (§ 41 III 1 VwGO).

3.

Nach § 40 I VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz oder auf dem Gebiet des Landesrechts durch Landesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

4.

Der Streit um die Rechtmäßigkeit eines Ausschlusses aus einer Kreistagsfraktion stellt keine öffentliche, sondern eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit dar, und gehört deshalb vor die ordentlichen Gerichte (§ 13 GVG).

5.

Öffentliche Streitigkeiten sind solche Streitigkeiten, deren Streitgegenstand sich als unmittelbare Folge des öffentlichen Rechts darstellt, d. h. bei denen sich das Klagebegehren als Folge eines Sachverhalts darstellt, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Maßgeblich ist allein die - nach dem erkennbaren Ziel der Klage und den vom Kl. vorgetragenen Behauptungen tatsächlicher Art festzustellende - wirkliche Natur des behaupteten Rechtsverhältnisses (vgl. Kopp, VwGO, 7. Aufl. (1986), § 40 Rdnr. 6).

6.

Nach Ansicht des Senats gehören Rechtsfragen der Gründung von Fraktionen kommunaler Vertretungskörperschaften in Bayern, der Aufnahme, des Austritts und des Ausschlusses aus solchen Fraktionen, die innere Ordnung dieser Fraktionen, sowie solche Fragen, die das Verhältnis der Fraktionen zu ihren Mitgliedern betreffen, wie z. B. Beitragszahlung, Sitzungsausschluß etc., nicht dem öffentlichen, sondern dem bürgerlichen Recht an (im Ergebnis ebenso Hahn, DVBl 1974, 509; Achterberg, ParlamentsR, 2. Aufl. (1984), S. 278; a. A. Schuegraf, BayVBl 1969, 116; Zuleeg, JuS 1978, 240; VGH Kassel, Beschl. v. 2. 8. 1984 - 2 TG 607/84; VG Minden, Urt. v. 19. 4. 1979 - 2 K 1072/78). Von den genannten Innenrechtsbeziehungen der Fraktionen zu unterscheiden sind ihre Außenrechtsbeziehungen, d. h. ihre Rechtsbeziehungen zu den Gemeinden, Landkreisen und Bezirken sowie deren Organen. Während die Außenrechtsbeziehungen Anteil an der öffentlichrechtlichen Qualität der kommunalen Gebietskörperschaften und ihrer Organe haben, gilt dies nicht auch für die Innenrechtsbeziehungen. Zur Regelung der Außenrechtsbeziehungen bestehen nämlich vereinzelte Vorschriften des öffentlichen Rechts (vgl. Art.33 I 4 BayGO, Art. 27 II 4 BayKreisO und Art. 26 II 4 BayBezO hinsichtlich des Stärkeverhältnisses und des Vorschlagsrechts der Fraktion bei der Besetzung von Ausschüssen; s. dazu VGH n. F. 4, 114, L. 2; VGH n. F. 8, 82, L. 1), oder es können in der Geschäftsordnung Regelungen hierzu getroffen werden (Art. 45 BayGO, Art. 40 BayKreisO, Art. 37 BayBezO). Im Hinblick auf die Ausschußbesetzung entsprechend dem Stärkeverhältnis der Parteien und Wählergruppen konnte der VGH deshalb auch Fraktionswechsel als "Vorgänge im Bereich des öffentlichen Rechts" bezeichnen (VGH n. F. 15, 82 (91)).

7.

1. Für die Regelung der Innenrechtsbeziehungen der Fraktionen enthält das bayerische Kommunalrecht dagegen keinerlei Rechtsvorschriften. Dies spricht für die Zuordnung des vorliegenden Rechtsstreits zum privaten Recht (vgl. im Unterschied dazu § 10 BT-GeschO und §§ 6 und 7 LT-GeschO vom 1. 8. 1985, GVBl S. 705). Das VG Augsburg hat deshalb im vorliegenden Fall zu Recht - ohne dies ausdrücklich zu sagen - vorwiegend vereinsrechtliche, d. h. bürgerlichrechtliche Rechtsgrundsätze zur Anwendung gebracht (s. dazu Reuter, NJW 1987, 2401). Nach einer häufig vertretenen Rechtsansicht, nach der es für die Zuordnung eines Rechtsverhältnisses zum öffentlichen oder zum bürgerlichen Recht vornehmlich darauf ankommt, welchem Bereich die anzuwendenden Rechtsvorschriften angehören, ist dies bereits ein wichtiges Indiz für die privatrechtliche Natur des Rechtsstreits. Allerdings kann dies allein noch kein zwingender Grund für eine Zuordnung zum bürgerlichen Recht sein, da auch eine analoge Anwendung zivilistischer Grundsätze im öffentlichen Recht denkbar ist (so Moecke, NJW 1965, 567).

8.

2. Auch die zur Unterscheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht häufig herangezogene Subjektstheorie (vgl. Ule, VerwR, 9. Aufl. 1987) und die Sonderrechtstheorie, welche darauf abstellen, ob die angezogenen Rechtssätze notwendigerweise nur den Staat oder andere Träger öffentlicher Gewalt oder ihre Organe berechtigen oder verpflichten, deutet darauf hin, daß die Innenrechtsbeziehungen der Fraktionen nicht öffentlichrechtlicher Natur sind; denn die sich hier ergebenden Rechtsstreitigkeiten könnten in gleicher Weise in zivilrechtlichen Vereinigungen, z. B. in einem Verein, auftreten. Ähnliches gilt für die Abgrenzung nach der sog. Subjektionstheorie (vgl. Menger, in: Festschr. f. H. J. Wolff, 1973, S. 149 ff.), nach der es auf das Bestehen eines Über-Unterordnungsverhältnisses ankommt. Die Möglichkeit eines einseitigen Ausschlusses aus einer Fraktion gegen den erklärten Willen des Betroffenen ist kein Beleg für eine Überordnung der Fraktion.

9.

3. Entscheidend kommt es deshalb nach Ansicht des Senats auf die Rechtsnatur der Fraktion in den kommunalen Vertretungen nach bayerischem Landesrecht an.

10.

a) Die Fraktion ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts (so aber Zuleeg, in: Hdb. der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. (1982), S. 147). Sie übt weder mittelbare Staatsverwaltung aus, noch wird sie durch staatlichen Hoheitsakt gegründet. Schließlich unterliegt die Fraktion auch keiner staatlichen Fach- oder Rechtsaufsicht (h. L., z. B. Moecke, NJW 1965, 278; Achterberg, ParlamentsR, 1984, S. 276); eine solche Aufsicht wäre auch mit dem Selbstverständnis der Parteien und Fraktionen nicht zu vereinbaren.

11.

b) Die Fraktion ist auch kein Organ oder mittelbares Organ der Gemeinde, des Landkreises oder des Bezirks bzw. des Gemeinderats des Kreis- oder des Bezirkstags (so aber Hauenschild für die Parlamentsfraktion, Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktion, 1968; v. Mangoldt-Klein, GG, 2. Aufl. (1966), Art. 40 Anm. III 1 d; Papier, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 40 Rdnr. 14). Organe sind Handlungseinheiten juristischer Personen, deren Handeln der juristischen Person selbst zugerechnet wird, weil die Rechtsordnung dies bestimmt (vgl. Wolff-Bachoff, VerwR II, 4. Aufl. (1976), § 74). Die Ausschüsse der kommunalen Vertretungsorgane, die beschließenden und die vorberatenden, sind solche Organe, weil sie nach der Bestimmung des Kommunalgesetzgebers den Willen der Kommune bilden. Die Willensbildung der im Gesetz nicht vorgesehenen verschiedenen Fraktionen dagegen ist nicht selten sogar gegenläufig und kann schon deshalb begrifflich nicht der Kommune zugerechnet werden (so auch Hahn, DVBl 1974, 509; vgl. auch Schmidt=Jortzig, KommunalR, 1982, S. 84). Die Geschäftsordnung des Kreistags des Landkreises D. vom 15. 5. 1984 führt daher in Übereinstimmung mit der vom Bayer. Staatsministerium des Innern herausgegebenen Mustergeschäftsordnung für Gemeinderäte vom 30. 3. 1984 (MABl S. 112) als Organe des Landkreises nur den Kreistag, den Kreisausschuß und die weiteren beschließenden Ausschüsse und den Landrat auf, nicht aber die Fraktionen.

12.

c) Die Fraktionen in den kommunalen Vertretungen sind nach bayerischem Landesrecht auch nicht Teile, Gliederungen oder Einrichtungen dieser Vertretungen. Allerdings sind die Fraktionen des Bayerischen Landtags Gliederungen und Einrichtungen dieses Parlaments, wie der BayVerfGH unter Hinweis auf die Erwähnung und Regelung in der Geschäftsordnung des Landtags festgestellt hat (Entsch. v. 30. 4. 1976, BayVBl 1976, 431). Dieser Rechtsansicht, die überwiegend auch hinsichtlich der Fraktionen im Deutschen Bundestag (BVerfGE 10, 4 (14) = NJW 1959, 1723) und in den Parlamenten der anderen deutschen Länder (vgl. BremStGH, DÖV 1970, 639) vertreten wird, hat sich das VG Minden (Entsch. vom 19. 4. 1979 - 2 K 1072/78) auch für die kommunalen Vertretungskörperschaften mit der Begründung angeschlossen, die Rechtsbeziehungen zwischen der Fraktion und ihren Mitgliedern beträfe stets auch die rechtliche Stellung der Fraktionsmitglieder als Ratsmitglieder.

13.

Hier ist darauf hinzuweisen, daß die Fraktion in den geltenden bayerischen Kommunalgesetzen an keiner Stelle erwähnt wird. In den Geschäftsordnungen der Parlamente und seit neuerer Zeit auch in den Kommunalgesetzen einer Anzahl anderer deutscher Länder (s. z. B. § 30 VII NRWGO vom 19. 12. 1974 - NRWGV 1975 S. 91; § 36a I 1 HessGO; § 39b I NdsGO; § 30 V SaarlKSVG; §  32a I, III SchlHGO) ist dies anders. Nach dem bayerischen Kommunalrecht entstehen Fraktionen weder automatisch durch die Wahl mehrerer Bewerber auf dem gleichen Wahlvorschlag, noch besteht eine rechtliche Verpflichtung zur Bildung von Fraktionen. Es gibt Gemeinderäte ohne Fraktionen. Die Tatsache allein, daß sich häufig die auf dem gleichen Wahlvorschlag gewählten Mandatsträger eines Vertretungsorgans zu einer Fraktion zusammenschließen, um ihr kommunalpolitisches Verhalten inner- und außerhalb des Vertretungsorgans aufeinander aufzustimmen, verschafft diesem Zusammenschluß noch keine öffentlichrechtliche Qualität. Soweit nach der Rechtsprechung des VGH München den Fraktionen öffentlichrechtliche Ansprüche zustehen, nämlich hinsichtlich des Vorschlagsrechts zur Ausschußbesetzung entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen (VGH n. F. 4, 114; 8, 87), betrifft diese Rechtsprechung nur die Außenrechtsbeziehungen, sie besagt aber nichts hinsichtlich des innerhalb der Fraktion anzuwendenden Rechts (zur Möglichkeit der unterschiedlichen rechtlichen Qualifizierung der verschiedenen Rechtskreise, denen eine Fraktion angehören kann, vgl. Achterberg, ParlamentsR 1984, S. 278). Es ist nicht ungewöhnlich, daß das öffentliche Recht an eine zivilrechtlich zu beurteilende Organisation auch einige öffentlichrechtliche Anforderungen stellt oder ihr öffentlichrechtliche Ansprüche einräumt (s. Art. 91 BayGO, Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 5. 8. 1964, Parteiengesetz vom 15. 2. 1984).

14.

Die Tatsache, daß Fraktionen Zusammenschlüsse von Personen darstellen, die alle Mitglieder der gleichen kommunalen Vertretung sind und sich zur wirksamen Ausübung ihres kommunalen Mandats zusammengeschlossen haben, vermag diesem Zusammenschluß ebenfalls keine öffentlichrechtliche Qualität zu verleihen. Weder die Exklusivität der Mitgliedschaft noch die befassung mit öffentlichen Aufgaben und kommunalpolitischen Themen berechtigen zu einer derartigen Qualifizierung. Denn sonst müßte z. B. auch eine aus Stadträten gebildete Reise- oder Sportgruppe oder eine sog. Rathauspartei öffentlichrechtlichen Charakter besitzen. All dies ist jedoch nicht der Fall. Für die Klage eines Bürgers auf Aufnahme in eine politische Partei oder gegen den Ausschluß aus einer politischen Partei ist trotz der verfassungsrechtlichen Stellung der Partei nach Art. GG Artikel 21 GG und ihrer öffentlichrechtlichen Reglementierung im Parteiengesetz der Zivilrechtsweg gegeben (vgl. Kopp, VwGO, 7. Aufl. (1986), § 40 Rdnr. 13; BGH, NJW 1980, 443).

15.

d) Die Fraktion wird gelegentlich auch als parlamentarischer Arm oder als parlamentarisches Organ der Partei angesehen (s. Wimmer, DVBl 1974, 502; Henke, Das Recht der politischen Parteien, 1972 S. 145). Setzen sich die Fraktionen in der Regel doch aus Mitgliedern der gleichen Partei zusammen, oder ihre Angehörigen sind wenigstens auf Vorschlag der gleichen Partei gewählt worden. Gelegentlich legen auch das Selbstverständnis mancher Fraktionsmitglieder und die Art und Weise des Umgangs der Partei mit der Fraktion und der Fraktion mit ihren Mitgliedern diese Sicht der Dinge nahe. Freilich wird dieser Sicht durch das verfassungsrechtlich verankerte freie Mandat (Art. 38 I 2 GG, Art. 13 II BayVerf.), das grundsätzlich auch für die kommunalen Mandatsträger gilt (BayVerfGH, BayVBl 1984, 621) Grenzen gesetzt. Dies alles kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben. In jedem Fall nämlich würde ein Heranrücken der Fraktion in die Nähe der Partei nicht zu einer öffentlichrechtlichen Qualifizierung der Fraktion führen, sondern spricht im Gegenteil für ihre Einordnung ins Zivilrecht, dem auch die Partei unterfällt.

16.

e) Nach einer weiteren Ansicht, welcher der Senat zuneigt, ohne dies abschließend entscheiden zu müssen, hat die Fraktion in der Regel die Rechtsnatur eines Vereins. Denn sie ist eine Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisatorischen Willensbildung unterworfen hat (vgl. § 2 I VereinsG vom 5. 8. 1964). Anders als bei den politischen Parteien und den Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder ist die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die Fraktionen der kommunalen Vertretungskörperschaften - soweit sie die Merkmale der o. a. Definition erfüllen - übrigens nicht ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 2 II VereinsG). Daß der Gesetzgeber des Vereinsgesetzes es für nötig fand, die Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder ausdrücklich nicht als Vereine i. S. des Gesetzes zu bezeichnen, deutet darauf hin, daß auch er die Fraktionen ihrer Rechtsnatur nach für Vereine gehalten hat.

17.

Für die parlamentarischen Fraktionen vertritt Moecke allerdings die Ansicht, daß sie Vereine des öffentlichen Rechts seien (NJW 1965, 567). Er leitet dies aus ihrer Einordnung in die öffentliche Ordnung des Staates her. Für den kommunalen Bereich kann diese Qualifikation nach Ansicht des Senats schon deshalb nicht übernommen werden, weil die kommunalen Fraktionen in die Kommunen nach der bayerischen Rechtslage - in der Praxis mag es erhebliche Unterschiede auch im Hinblick auf die Größe der Kommunen geben - weit weniger eingegliedert sind, als die Parlamentsfraktionen in die Parlamente. Die Parlamentsfraktion wird bereits mit der Wahl gebildet, so daß sich ihre Zusammensetzung automatisch ergibt; die Mitgliedschaft in der Fraktion endet bei einem Austritt aus der Partei automatisch; auch der Ausschluß aus einer Fraktion kann nicht isoliert von der Parteimitgliedschaft betrachtet werden (so Borchert, AöR 102 (1977), 230). Diese Rechtsfolgen lassen sich aus den Regelungen über die Fraktionen in den Geschäftsordnungen der Parlamente herleiten. All dies ist bei den Fraktionen der kommunalen Vertretungen nach bayerischem Landesrecht anders. Denn im geltenden bayerischen Kommunalrecht sind die Fraktionen gar nicht erwähnt und ein Ausschluß aus einer Fraktion bei fortbestehender Mitgliedschaft in der Partei ist keine Seltenheit.

18.

Darüber hinaus bestehen erhebliche Bedenken gegen die Neueinführung des "öffentlichrechtlichen Vereins" angesichts des geschlossenen Kanons der öffentlichrechtlichen Organisationsformen. Rechtspolitische Erwägungen und die tatsächliche Bedeutung mancher Fraktionen in manchen Kommunen vermögen die rechtsdogmatische Deutung der Fraktion nicht zu bestimmen.

19.

f) Die meisten Fraktionen - die über einen genügend engen Zusammenhalt verfügen - sind deshalb nach Ansicht des Senats als nicht rechtsfähige bürgerlichrechtliche Vereine zu qualifzieren (so auch Hahn, DVBl 1974, 510; Achterberg, ParlamentsR 1984, S. 278). Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, daß ein Zusammenschluß von gleichgesinnten Mitgliedern eines Gemeinderats, Kreistags oder Bezirkstags sich als Verein in das Vereinsregister eintragen läßt und so zusätzlich zur Innen- auch die komplette Außenrechtsfähigkeit und somit zugleich die volle bürgerliche Rechtsfähigkeit erlangt.

20.

Nachdem eine öffentlichrechtliche Natur der Fraktion in den kommunalen Vertretungskörperschaften nach bayerischem Kommunalrecht somit nicht nachgewiesen werden kann, läßt sich auch aus der Rechtsnatur der Fraktion kein Anhaltspunkt dafür gewinnen, daß der Streit um den Fraktionsausschluß eine öffentlichrechtliche Streitigkeit wäre.

21.

4. Alle herkömmlichen Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht sind deshalb nicht in der Lage, eine Begründung dafür zu liefern, daß der Streit um den Fraktionsausschluß eine öffentlichrechtliche Streitigkeit sein soll. Es wurde nun gelegentlich eine öffentlichrechtliche Streitigkeit "kraft Sachzusammenhangs" angenommen, "um die dem hoheitlichen Handeln nach außen vorausgehenden Entschließungen und Betätigungen nicht sinnwidrigerweise dem Privatrecht zuschlagen zu müssen" (so Zuleeg, JuS 1978, 241; VGH Kassel, Beschl. v. 2. 8. 1984 - 2 TG 607/84). Dies schiene dem Senat angängig, wenn es sich um einen untergeordneten Annex zu einem größeren Rechtsgebiet handelte, das vom öffentlichen Recht beherrscht wird. So verhält es sich im vorliegenden Fall jedoch nicht. Dem öffentlichen Recht gehört die gesetzlich geregelte Frage der Berücksichtigung der Fraktion bei der Ausschußbesetzung an und sonstige Ansprüche der Fraktionen gegen die Kommunen oder ihrer Organe, insbesondere soweit sie in Geschäftsordnungen geregelt sind. Dem steht jedoch der mindestens ebenso große Rechtsbereich gegenüber, der die Gründung, die Auflösung, den Austritt und den Ausschluß aus der Fraktion samt allen deren Rechtsbeziehungen zu ihren Mitgliedern (Innenrechtsbereich) umfaßt und der dem Zivilrecht angehört. Von einem untergeordneten Annex kann insoweit nicht mehr gesprochen werden.

22.

Da somit der Rechtsstreit unter keiner Betrachtungsweise dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann, stellt er einen bürgerlichrechtlichen Streit dar, für den der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist. Dieser Rechtsstreit war antragsgemäß an ein Zivilgericht zu verweisen.