Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 5. Juni 1986
- 22 B 83 A.2512 u. 2707
-

 (weitere Fundstellen: NVwZ 1986, 1034 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Bekl. hatte dem Kl. die Erlaubnis gem. § 33a GewO zum Betrieb einer Peep-Show erteilt. Nach einer in diesem Bescheid enthaltenen "Auflage" waren Darbietungen, die den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderliefen, verboten; insb. durften Darbietungen "nicht in Körperstellungen ausgeführt oder mit Bewegungen begleitet werden, die Geschlechtsverkehrshandlungen oder grob anstößige sexuelle Handlungen nachahmen sollen".

2.

Mit Bescheid vom 8. 4. 1982 gab die Bekl. dem Kl. auf, den Betrieb der Peep-Show einzustellen. Die von der Bekl. gesetzte Stillegungsfrist änderte die Regierung von Oberbayern in ihrem Widerspruchsbescheid vom 15. 7. 1982 dahingehend ab, daß der Betrieb spätestens zwei Monate nach Bestandskraft der Schließungsverfügung einzustellen sei; im übrigen wies die Regierung den Widerspruch des Kl. zurück. Der Klage gab das VG mit Urteil vom 21. 6. 1983 statt (NVwZ 1983, 693 = GewArch 1983, 332). Hiergegen richtet sich die Berufung der Bekl. im Verfahren 22 B 83 A.2512.

3.

Mit Bescheid vom 24. 11. 1983 nahm die Bekl. "in Ergänzung des Bescheids vom 8. 4. 1982", der bezüglich der ausgesprochenen Schließungsanordnung weiterhin Gültigkeit habe, die dem Kl. erteilte Erlaubnis vom 26. 2. 1981 zurück; weiter gab die Bekl. dem Kläger unter Androhung eines Zwangsgeldes von 10.000,- DM jetzt auf, den Betrieb der Peep-Show bis zum 15. 2. 1984 einzustellen. Diese Maßnahmen begründete die Bekl. damit, daß der Kl. im Hinblick auf die Abhaltung tatsächlich sittenwidriger Vorführungen und im Hinblick auf fortgesetzte Verstöße gegen die nachträgliche Reinigungsauflage als gewerberechtlich unzuverlässig zu betrachten sei; im übrigen widerspreche sein Betrieb formellem und materiellem Baurecht. Die wirtschaftlichen Interessen des Kl. müßten bei der Ermessenshandhabung zurücktreten. Den Widerspruch des Kl. gegen diesen Bescheid wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 20. 7. 1984 zurück. Nach Abweisung seiner Klage durch Urteil des VG vom 17. 9. 1985 legte der Kl. die unter 22 B 85 A.2707 geführte Berufung ein. Die Berufung des Kl. im zuletzt genannten Verfahren hatte teilweise Erfolg. Die Berufung der Bekl. im Verfahren 22 B 83 A. 2512 war ebenfalls erfolgreich; sie führte zur Klageabweisung.

 

Aus den Gründen:

4.

... In der Sache hat die Berufung der Bekl. gegen das Urteil des VG vom 21. 6. 1983 Erfolg; der zugrundeliegenden Klage gegen den Bescheid der Bekl. vom 8. 4. 1982 hat das VG zu Unrecht stattgegeben. Andererseits dringt der Kl. mit seiner Berufung gegen das Urteil des VG vom 17. 9. 1985 weitgehend durch; die diesbezügliche Klage gegen den Bescheid der Bekl. vom 24. 11. 1983 hat das VG im wesentlichen zu Unrecht abgewiesen.

5.

Bei der rechtlichen Überprüfung des ersten Bescheids der Bekl. vom 8. 4. 1982 können die Regelungen ihres späteren Bescheids vom 24. 11. 1983 nicht außer Betracht bleiben. Die Bekl. "ergänzte" nämlich anläßlich der späteren Erlaubnisrücknahme die dem Kl. vorher gesetzte Frist für die Stillegung seines Betriebs - zwei Monate nach Bestandskraft des Ausgangsbescheids dahingehend, daß der Kl. den Betrieb seiner Peep-Show-Anlage bis zum 15. 2. 1984 einzustellen habe. Weil die beiden Bescheide, speziell was die Schließung der streitbefangenen Vorführräume angeht, zwar auf unterschiedliche rechtliche Gesichtspunkte gestützt sind, dem Kl. aber ein gleichartiges Verhalten auferlegen, können die voneinander abweichenden Schließungsfristen nicht nebeneinander Geltung beanspruchen. Maßgeblich konnte bezüglich beider Stillegungsverfügungen nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nur noch die bis zum 15. 2. 1984 laufende Schließungsfrist sein, weil es sich bei dieser um die zeitlich später erlassene Regelung handelte und sie der Sache nach auf eine Verkürzung der vorher beachtlichen Schließungsfrist hinauslief.

6.

Die auf die Sittenwidrigkeit der Veranstaltungen im kl. Betrieb gestützte, hinsichltich des Schließungstermins auf den 15. 2. 1984 veränderte Einstellungsverfügung der Bekl. vom 8. 4. 1982/15. 7. 1982/24. 11. 1983 findet in § 15 II 1 GewO - zitiert jeweils in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Gewerbeordnung vom 1. 1. 1978 - BGBl I, 97 - eine ausreichende Rechtsgrundlage. Danach konnte die Fortsetzung des Betriebs durch die zuständige Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Beginn eine besondere Genehmigung erforderlich war, ohne diese Genehmigung begonnen worden ist. Die vom Kl. in seiner Peep-Show durchgeführten Vorführungen waren als öffentliche Veranstaltungen (vgl. VGH München, GewArch 1984, 17 (18)) gem. § 33a GewO erlaubnispflichtig; die dem Kl. mit Bescheid vom 26. 2. 1981 erteilte Erlaubnis war ihm unter Verstoß gegen den Versagungsgrund des § 33a II Nr. 1 GewO a. F. - Sittenwidrigkeit der Veranstaltungen - gewährt worden und ist deshalb nach Art. 44 II Nr. 6 BayVwVfG nichtig.

7.

Für die rechtliche Qualifikation der vom Kl. betriebenen Schaustellungen sind die in der zitierten Entscheidung des BVerwG vom 15. 12. 1981 (BVerwGE 64, 274 = NJW 1982, 664 = NVwZ 1982, 193 L) entwickelten Rechtsgrundsätze nicht etwa deshalb unanwendbar, weil hier eine abweichende Betriebsgestaltung vorliege. Nach dem Erlaubnisantrag des Kl. vom 14. 1. 1981 (i. V. mit dem darin in Bezug genommenen Erlaubnisantrag des vorhergehenden Anlagenbetreibers vom 24. 11. 1976) waren die für das BVerwG wesentlichen Betriebseigentümlichkeiten (vgl. BVerwGE 64, 274 (278 f.) = NJW 1982, 664 = NVwZ 1982,193 L) auch im Gewerbebetrieb des Kl. vorgesehen. Die vom Kl. während des Verwaltungsverfahrens um die streitbefangene Schließungsanordnung durchgeführten baulichen Veränderungen beeinflußten das typische Erscheinungsbild des Betriebs nicht: Dadurch, daß der Kl. die Eingangstüren der einzelnen Zuschauerkabinen am oberen und am unteren Rand bis zu einer Höhe von ca. 170 cm bzw. von ca. 50 cm über dem Boden abschneiden ließ und daß er die Fenster zwischen den Zuschauerkabinen und dem Vorführpodium auf je 40 cm Länge und Breite vergrößern sowie entspiegeln ließ, wurde die Isolation der Benutzer der - von innen verschließbaren - Kabinen allenfalls geringfügig abgemildert; die Art der Zurschaustellung der beteiligten Frauen sowie der automatisierte Veranstaltungsablauf als solcher blieben unverändert.

8.

In der rechtlichen Beurteilung selbst folgt der VGH der Rechtsprechung des BVerwG. Die streitbefangenen Veranstaltungen laufen danach als typische Peep-Show-Darbietungen den guten Sitten zuwider (§ 33a II Nr. 1 GewO a. F.). Zwar ist das Urteil des BVerwG vom 15. 12. 1981 in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise auf Kritik, verbunden mit Gegenargumenten von unterschiedlichem Gewicht, gestoßen (vgl. etwa OVG Hamburg, NVwZ 1985, NVWZ Jahr 1985 Seite 841 = GewArch 1985, 125; VG Oldenburg, GewArch 1985, 124; VG Stuttgart, GewArch 1986, 90 (91 f.); v. Münch, GG, 3. Aufl. I (1985) - Art. 1 Rdnr. 32, S. 89 f.; Starck, in: v. Mangoldt-Klein, GG I, 3. Aufl. I (1985) Art. 1 1 Rdnr. 75; Gusy, DVBl 1982, DVBL Jahr 1982 Seite 988 f.; Höfling, NJW 1983, NJW Jahr 1983 Seite 1583; Kirchberg, NVwZ 1983, NVWZ Jahr 1983 Seite 142; Hörster, JuS 1983, JUS Jahr 1983 Seite 95 f.; Gusy, GewArch 1984, 155; Schatzschneider, NJW 1985, NJW Jahr 1985 Seite 2796). Doch hat das BVerwG in einer neueren, Striptease-Darbietungen betreffenden Entscheidung seinen bisherigen methodischen Ansatz für die Beurteilung sittenwidriger Veranstaltungen, unter Hinweis auf seine umstrittene Entscheidung vom 15. 12. 1981, bestätigt und damit zu erkennen gegeben, daß es an seiner rechtlichen Einstufung von Peep-Show-Vorführungen festhalten will (BVerwGE 71, BVERWGE Jahr 71 Seite 29 = NVwZ 1985, NVWZ Jahr 1985 Seite 826 = GewArch 1985, 161 (162)). Mithin erscheint die Rechtslage spätestens jetzt zugunsten der Bekl. i. S. einer Befriedigungsfunktion höchstrichterlicher Entscheidungen geklärt.

9.

Im übrigen lassen sich für die Erwägungen des BVerwG gute Gründe anführen, die in anderen, zustimmenden Erkenntnissen der Rechtsprechung und entsprechenden Äußerungen im Schrifttum dargestellt sind (vgl. etwa OVG Berlin vom 3. 2. 1982 OVG 1 S 17/82; OVG Münster, GewArch 1983, 262 (263) u. GewArch 1984, 332 (333); VG Karlsruhe, GewArch 1982, 230 (231); VG Berlin, GewArch 1986, 89 (90); Gern, NJW 1983, 1588 f.; M. Redeker, BayVBl 1985, 77 f.; Gronimus, JuS 1985, 175 f.; Starosta, GewArch 1985, 293 f.; Dickersbach, WiVerw 1986, 11 ff.).

10.

Entgegen der Auffassung des Kl. stehen die maßgeblichen Erwägungen des BVerwG nicht in Widerspruch zur Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG (§ 31 I BVerfGG; vgl. BVerfGE 40, 88 (93) = NJW 1975, 1388), die die Reichweite der Grundrechte interpretieren. Der Kl. weist zwar zutreffend darauf hin, daß der Schutzbereich der ihm verbürgten Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) aus der Verfassung selbst und nicht aus § 33a GewO als einfachgesetzlicher Regelung zu erschließen ist (vgl. BVerfGE 31, 58 (73) = NJW 1971, 1509, 2121 L). Jedoch erscheint dieses Gebot durch die grundsätzlichen Überlegungen des BVerwG nicht verletzt. Es unterlag durchaus der Entscheidung des Gesetzgebers, der öffentlichen und gewerbsmäßigen Zurschaustellung von Personen allgemeine Sozialrelevanz beizumessen und sie deshalb weitgehend einem formellen Genehmigungsvorbehalt zu unterstellen (vgl. BVerfGE 7, 377 (401 f.) = NJW 1958, 1035; BVerfGE 8, 71 (76) = NJW 1958, 1388). Sachlich steht der Erlaubnisversagungsgrund des § 33a II Nr. 1 GewO mit dem Grundgesetz in Einklang; dies gilt auch für die Auslegung der Vorschrift im konkreten Fall. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, daß ein Verbot von Peep-Show-Darbietungen als menschenwürde- und sittenwidrig für den Kl. eine solche Regelung der Berufsausübung darstellt, die wegen ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung der Berufswahl nahekommt und die deshalb entsprechend strengere Eingriffsvoraussetzungen bedingt (vgl. BVerfGE 30, 292 (313 f.) = NJW 1971, 1255; BVerfGE 31, 8 (26 ff.)), so ist das Verbot verfassungsrechtlich haltbar. Dieses ist nämlich zur Abwehr schwerer Gefahren für besonders wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig (vgl. BVerfGE 11, 30 (44 f.) = NJW 1960, 715, 1389 L); es gilt, die Menschenwürde (Art. 1 I GG) der Darstellerinnen in Peep-Show-Vorführungen zu schützen sowie, ganz allgemein, eine Diskriminierung der Frau durch ihre zunehmend objekthafte und kommerzialisierte Betrachtung zu verhindern. Im Zusammenhang mit der Gefahr einer solchen Entwicklung können die Wertentscheidungen der Verfassung auch Richtlinien für die Rechtsprechung geben (vgl. BVerfGE 49, B89 (141 f.) = NJW 1979, 359). Eine Einwilligung der Darstellerinnn in ihrer Situation kann die rechtliche Beurteilung nicht entscheidend verändern: Allgemein handelt es sich bei der Würde des Menschen um einen unverfügbaren Wert (BVerfGE 45, 187 (229) = NJW 1977, 1525). Diese Aussage kann für die spezielle Problematik nicht durch die Erwägung modifiziert werden, daß der Sexualbereich des Menschen als Teil der menschlichen Privatsphäre den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 2 I GG i. V. mit Art. 1 I GG genießt (vgl. BVerfGE 47, 46 (73) = NJW 1978, 807); die Darstellerinnen in einer Peep-Show werden nämlich, wie ausgeführt, in öffentlich zugänglichen und gewerbsmäßigen Veranstaltungen, und damit außerhalb des unantastbaren Kernbereichs persönlicher Freiheit, tätig (vgl. OVG Münster, GewArch 1983, 262 (263)). Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Bedenken der Beistände des Kl. gegen eine übermäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheitsräume werden vom VGH durchaus nicht verkannt. Andererseits kann die menschliche Selbstbestimmung im Hinblick auf die Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums nicht "prinzipiel unbegrenzt" sein (BVerfGE 45, 187 (227) = NJW 1977, 1525), gewisse justitiable Grenzen für die eigenverantwortliche Lebensgestaltung ergeben sich auch aus dem Sittengesetz (Art. 2 I GG; vgl. BVerfGE 49, 286 (298 f.) = NJW 1979, 595).

11.

Die nach allem gegebene Qualität der kl. Peep-Show-Darbietungen als sittenwidrig (§ 33a II Nr. 1 GewO) hat zur Folge, daß die dem Kl. erteilte Erlaubnis vom 26. 2. 1981 nichtig (Art. 44 II Nr. 6 BayVwVfG) und damit unwirksam ist (Art. 43 III BayVwVfG). Für eine bloße Aufhebbarkeit (Art. 43 II BayVwVfG) dieser Erlaubnis wird zwar vom Kl. geltend gemacht, daß die Bekl. sie ohne dolose Absicht erteilt habe, vielmehr das spezifische behördliche Fehlverhalten "nur" in einem Subsumtionsirrtum über den Charakter der streitbefangenen Veranstaltungen bestand. Teilweise wird auch im Schrifttum ein solcher Irrtum für die weitgehende Sanktion der Nichtigkeit sittenwidriger Verwaltungsakte (vgl. auch im Wortlaut übereinstimmende bundesrechtliche Regelung in § 44 II Nr. 6 VwVfG) als nicht ausreichend erachtet, indem diese Rechtsfolge entweder an eine qualifizierte behördliche Mitwirkung beim Eintritt eines sittenwidrigen Zustandes oder an eine bei konkreter Betrachtungsweise offenkundige Abweichung des in Rede stehenden Verwaltungsakts von den wesentlichen Zweck- und Wertvorstellungen der Rechtsordnung gebunden wird (vgl. einerseits Klappstein, in: Knack, VwVfG, 2. Aufl. (1982) § 44 Rdnrn. 5 f.; andererseits Meyer, in: Meyer-Borgs, VwVfG, 2. Aufl. (1981) § 44 Rdnr. 20; Kirchberg, NVwZ 1983, 142; ähnlich Erichsen-Martens, Allg. VerwR, 7. Aufl. (1986) S. 224 Fußn. 50 a; zur früheren Rechtslage Wolff-Bachof, VerwR I, 9. Aufl. (1974) § 51 IIIb 6). Eine derart differenzierte Betrachtungsweise findet jedoch im Gesetz keine Stütze. Nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift ist in Art. 44 II Nr. 6 BayVwVfG eine deutliche Ausnahme von dem Grundsatz statuiert worden, daß die Rechtsfehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts zu seiner Aufhebbarkeit führt. Ein fehlendes kollusives Verhalten der einen sittenwidrigen Verwaltungsakt erlassenden Behörde kann den Eintritt der Nichtigkeitsfolge - jedenfalls in der Regel - nicht im Hinblick auf den Vertrauensschutz des Verwaltungsaktsadressaten ausschließen, weil der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung insoweit die Anlegung möglichst objektivierter Beurteilungsmaßstäbe an das fehlerhafte Verwaltungshandeln gebietet, so liegt es auch im konkreten Fall, in dem, losgelöst von der Mitwirkung der Behörde, ein prinzipieller Widerspruch zwischen dem erlaubten sittenwidrigen Tun und dem für die Exekutive über Art. 1 III GG verbindlichen grundrechtlichen Wertsystem gegeben ist. Eine restriktive Auslegung von Art. 44 II Nr. 6 BayVwVfG in Richtung auf besondere Schwere und Offenkundigkeit des Fehlers (vgl. Art. 44 I BayVwVfG) erscheint unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht geboten, weil bereits der Begriff des gegen die guten Sitten verstoßenden Verwaltungsakts auf der Tatbestandsseite eine erhebliche Abweichung von den maßgeblichen Wertvorstellungen - wie vom BVerwG für Peep- Show-Veranstaltungen angenommen - voraussetzt und insofern ein normativ besonders benannter Fall eines evident fehlerhaften Verwaltungsakts in Rede steht (im Ergebnis genauso OVG Münster, NVwZ 1985, 286 f.; VG Düsseldorf, NVwZ 1983, 176; VG Berlin, GewArch 1986, 89 (90); Giehl, BayVwVfG, Art. 44 Anm. II Rdnr. 6; Mayer-Kopp, Allg. VerwR, 5. Aufl. (1985), S. 231; vgl. auch Obermayer, VwVfG - 1983, § 44 Rdnr. 97 zur früheren Rechtslage VGH München, BayVBl 1976, 237 (238); Forsthoff, VerwR I, AT, 10. Aufl. (1973), S. 247). Soweit sich der Kl. noch speziell auf die von ihm getätigten Investitionen beruft, handelt es sich um ein Problem der von der Bekl. angeordneten Betriebsstillegung infolge der Nichtigkeit der Erlaubnis gem. § 33a GewO.

12.

Die auf diesen Gesichtspunkt gestützte Stillegungsverfügung ist aber ihrerseits rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen solchen Eingriff gem. § 15 II 1 GewO a. F. lagen auch für den Fall vor, daß sich die zur Gewerbeaufnahme erforderliche "besondere Genehmigung" als unwirksam erwies (vgl. Marcks, in: Landmann-Rohmer, GewO, § 15 Rdnr. 12). Das ihr eingeräumte Schließungsermessen hat die Bekl. in nicht zu beanstandender Weise (vgl. § 114 VwGO, Art. 40 BayVwVfG) ausgeübt. Dabei wurde insb. die Schließungsfrist, die nach ihrer Abänderung durch den Bescheid vom 24. 11. 1983 bis zum 15. 2. 1984 lief, ausreichend bemessen. In dem letztgenannten Bescheid berief sich die Bekl., wie schon in der Schließungsanordnung vom 8. 4. 1982, unverändert auf die Abhaltung sittenwidriger Darbietungen durch den Kl. Für eine faktische Verkürzung der vorher geltenden Schließungsfrist konnte sich die Bekl. nun zusätzlich auf Verstöße des Kl. gegen die nachträgliche Reinigungsauflage vom 31. 8. 1982, die er infolge einer wirksamen Sofortvollzugsanordnung zu beachten hatte, stützen; gewisse Mängel bei der Reinhaltung der Zuschauerkabinen, wenn auch nicht in dem von der Bekl. behaupteten Umfang, räumt der Kl. für die Zeit bis Mitte Januar 1984 letztlich ein; auch zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 20. 7. 1984 brauchte behördlicherseits die Gefahr weiterer Auflagenverstöße als eine für die Abkürzung der Schließungsfrist sprechende Erwägung nicht endgültig verneint zu werden, weil wie vorher, so auch nach dem Einbau elektronischer Kontrollvorrichtungen im kl. Betrieb die Entscheidung über den "Reinigungsbedarf" der einzelnen Zuschauerkabinen weiterhin von der Gewissenhaftigkeit des Reinigungspersonals abhängig blieb. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer alsbaldigen Betriebsschließung auf den Kl., insb. im Zusammenhang mit seinen Betriebsinvestitionen, sind spätestens im Widerspruchsbescheid vom 20. 7. 1984 hinreichend abgewogen worden; dort ist für die Ermessensbetätigung ausdrücklich auf die Eilentscheidung des VGH vom 26. 6. 1984 - 22 CS 84 A.860 - verwiesen worden, in der davon die Rede war, daß der Kl. bereits seit dem Erlaß des Bescheids vom 8. 4. 1982 nicht mehr uneingeschränkt auf den Fortbestand seines Betriebs habe vertrauen können, und daß ihm noch eine Auslauffrist von rund zweieinhalb Monaten gewährt worden sei.

13.

Die Zwangsmittelandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 8. 4. 1982 ist hinsichtlich der Erfüllungsfrist wegen der Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung (Beschl. des VG München vom 14. 4. 1982, NVwZ 1983, 175) nicht wirksam geblieben. Die Höhe des seinerseits angedrohten Zwangsgelds steht mit Art. 31 II VwZVG in Einklang.

14.

Die Berufung des Kl. gegen das Urteil des VG vom 17. 9. 1985 hat deshalb weitgehenden Erfolg, weil für die Rücknahme der Erlaubnis gem. § 33a GewO nach den von der Bekl. vorher schon gezogenen Folgerungen aus der Nichtigkeit dieser Erlaubnis kein Raum mehr war. Selbst wenn man die generelle Streitfrage bejaht, ob nichtige Verwaltungsakte noch aus Klarstellungsgründen zurückgenommen werden können (vgl. BVerwG, DÖV 1981, 267; Kopp, VwVfG, 3. Aufl. (1983) § 48 Rdnr. 17), so hatte doch der Bescheid vom 24. 11. 1983 eine andere Zielrichtung. Mit ihm wollte die Bekl. nicht einen vom Bescheid vom 26. 2. 1981 noch ausgehenden Rechtsschein vernichten, sondern die Schließung des kl. Betriebs auf eine andere Rechtsgrundlage stellen. Dies war jedoch bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des vorherigen Rechtsstandpunkts der Bekl., daß die Nichtigkeit der dem Kl. erteilten Erlaubnis schon zu der im Bescheid vom 8. 4. 1982 angeordneten Betriebsschließung berechtigt habe, nicht erneut denkbar. Dafür, daß im Bescheid vom 24. 11. 1983 nur eine Zwischenregelung bis zum Eintritt der Bestandskraft des früheren Bescheids getroffen werden sollte, bestehen keine eindeutigen Anhaltspunkte. Mithin ist die Erlaubnisrücknahme auf einen rechtlich nicht mehr möglichen Erfolg gerichtet und deshalb aufhebbar (vgl. Kopp, VwVfG, § 44 Rdnr. 38).

15.

Das rechtliche Schicksal der Erlaubnisrücknahme teilt auch die darauf gestützte Betriebsschließungsanordnung. Gleichwohl ist Nr. 2 des Bescheids vom 24. 11. 1983 nicht durch Urteil aufzuheben, weil in der entsprechenden Regelung auch die - zulässigerweise getroffene - Abänderung der mit der früheren Schließungsanordnung vom 8. 4. 1982 verbundenen Schließungsfrist enthalten ist. Der Bekl. bleibt es allerdings verwehrt, aus der erneuten Schließungsanordnung selbständige rechtliche Folgerungen zu ziehen. Auch kann die Zwangsgeldandrohung zur erneuten Schließungsanordnung ebensowenig Bestand haben wie die Kosten- und Gebührenregelungen dieses Bescheids. Der Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 20. 7. 1984 ist hinsichtlich der Sachentscheidung in Nr. 1) insoweit aufzuheben, als sie sich auf die rechtlich zu beanstandenden Regelungen in Nrn. 1), 3), 5) und 6) des Ausgangsbescheids vom 24. 11. 1983 bezieht. Die Kostenentscheidung in Nr. 2) des Widerspruchsbescheids ist in vollem Umfang aufzuheben, obwohl der Rechtsbehelf ohne Erfolg geblieben ist. Der Fortbestand der letztgenannten Regelung ändert nämlich nichts an dem dargestellten vollen sachlichen Erfolg des speziell gegen die neuerlichen Betriebsschließungsmaßnahmen angestrengten Rechtsbehelfsverfahrens.