Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil vom 22. September 1989
- 5 S 248/89 -

(weitere Fundstellen: UPR 1990, 275)

 

 

Leitsätze:

1.

Ein Billardcafé ist eine Vergnügungsstätte, wenn es primär dem Billardspiel zur Unterhaltung und Entspannung und nicht dem Verabreichen von Getränken und Speisen dient.

2.

Ein Billardcafé mit 230 qm Fläche, das neben einer 95 qm großen Spielothek in demselben Gebäude betrieben wird, ist keine kerngebietstypische Vergnügungsstätte und daher in einem Gewerbegebiet zulässig.

 

Aus den Gründen:

1.

Das vom Kl. zur Genehmigung gestellte Billardcafé stellt keine kerngebietstypische Vergnügungsstätte dar. Allerdings stimmt der Senat nicht der Ansicht des Kl. zu, dass ein Billardcafé grundsätzlich nicht als Vergnügungsstätte, sondern als Anlage für sportliche Zwecke anzusehen sei. Richtig ist, dass Billard auch als Sport betrieben wird und daher ein Raum, in dem dies geschieht, als Anlage für sportliche Zwecke nach §8 Abs. 3. Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet zugelassen werden kann. Dem Kl. geht es aber erkennbar nicht darum, dass Billard-Sportler in dem Billardcafé trainieren und eventuell Wettkämpfe durchführen können. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Kl. nicht einen Trainingsraum für Billardspieler, sondern ein Billardcafé mit 37 Sitzplätzen einrichten will; nach den Angaben des Kl. in der Klageschrift können lediglich acht Personen gleichzeitig Billard spielen. Das Verhältnis zwischen Spielmöglichkeit und Sitzplätzen im Café spricht eindeutig gegen eine Anlage für sportliche Zwecke. Im übrigen wären jedenfalls eine Teeküche und ein Personalraum nicht notwendig, wenn der Kl. lediglich den Billardsport fördern wollte.

2.

Das vom Kl. geplante Billardcafé ist auch nicht als Schank- und Speisewirtschaft, sondern als Vergnügungsstätte einzustufen. Dem Kl. ist zuzugeben, dass beide Betriebsarten in Betracht kommen. Eine Vergnügungsstätte ist gegeben, wenn der Betrieb so eingerichtet ist, dass das Billardspiel zum Zweck der Unterhaltung ein bestimmendes Merkmal des Betriebs ist. Die ist der Fall, wenn die Gäste gerade wegen der dort vorhandenen Spielmöglichkeit die Gaststätte aufsuchen und nicht etwa die Billardtische nur deswegen aufgestellt sind, um den Gästen, die die Gaststätte wegen der dort angebotenen Speisen und Getränke besuchen, eine gewisse Unterhaltungsmöglichkeit zu bieten (vgl. Odenthal, NVwZ 1988, 1107). Bei dem vom Kl. beabsichtigten Billardcafé nimmt der für die vier Billardtische vorgesehene Raum ungefähr dieselbe Fläche in Anspruch wie der Café-Bereich. Dass bei dem Betrieb das Verabreichen von Speisen und Getränken nicht im Vordergrund steht, ergibt sich daraus, dass lediglich eine Teeküche von 13 qm Größe vorgesehen ist, so dass lediglich Getränke und einfach zu bewirtende Speisen angeboten werden können. Eine Gesamtwürdigung aller Umstände spricht dafür, dass es sich bei dem Billardcafé um eine Einrichtung handelt, in der sich die Besucher zum Zweck der Unterhaltung, Entspannung und angenehmen Freizeitgestaltung aufhalten. Damit handelt es sich um eine Vergnügungsstätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.November 1983 - 4 C 64.79 - BVerwGE 68, 207; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB $7 BauNVO RdNr. 23; Dolde/Schlarmann, Baurecht 1984, 121).

3.

Auch wenn das Billardcafé als Vergnügungsstätte anzusehen ist, ist es gleichwohl bauplanungsrechtlich zulässig, weil es sich nicht um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt. Dabei geht der Senat aus den im Urteil vom heutigen Tag im Parallelverfahren 5 S 249/89 dargelegten Gründen davon aus, dass bei der Beurteilung der planungsrechtlichen Situation das Billardcafé und die bereits vorhandene Spielhalle auf dem Grundstück Flst. Nr. 1330 als Einheit betrachtet werden müssen. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung, weil das Billardcafé bei isolierter Betrachtungsweise erst recht baurechtlich unbedenklich wäre.

4.

Ein Billardcafé mit vier Spieltischen und 37 Sitzplätzen sowie eine Spielhalle von knapp 100 qm Nutzfläche stellen keinen zentralen, für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbaren Dienstleistungsbetrieb mit größerem Einzugsbereich dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. Februar 1986 - 4 C 31.83 - UPR 1986, 349). Allerdings haben das BVerwG (Beschl. v. 28. Juli 1988 - 4 B 119.88 - UPR 1989, 75) und der 3. Senat des erkennenden Gerichtshofs (Urt. v. 20. April 1988 - 3 S 716/88 - BRS Bd. 48 Nr. 39) bei einer Spielhalle mit 230 qm Fläche eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte angenommen. Dies kann aber nicht gleichermaßen auf die auf dem Grundstück Flst. Nr. 1330 beabsichtigte Kombination von Spielhalle und Billardcafé übertragen werden, auch wenn die Summe der Nutzfläche beider Einrichtungen mit 330 qm deutlich größer ist. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Spielothek mit einer Fläche von 98 qm in einem Gewerbegebiet unbedenklich zulässig ist; der Senat hat im Parallelverfahren 5 S 249/89 entschieden, dass in einem Gewerbegebiet Spielhallen bis zu 150 qm Fläche regelmäßig unbedenklich sind; eine Spielhalle dieser Größenordnung ist nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 23. Februar 1989 - 5 S 2128/88 - VBlBW 1989, 344) sogar in einem Mischgebiet zulässig. Durch die Ergänzung der vorhandenen Spielhalle um das ebenfalls relativ kleine Billardcafé wird keine Einrichtung geschaffen, die eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte in dem oben erläuterten Sinn darstellt. Denn es erscheint ausgeschlossen, dass die Errichtung des Billardcafés dazu führen wird, dass nunmehr ein größeres und allgemeines Publikum aus einem größeren Einzugsbereich diese Vergnügungsstätte aufsuchen wird; insoweit besteht ein städtebaulich bedeutsamer Unterschied zu dem im Parallelverfahren 5 S 249/88 entschiedenen Fall, in dem es um die Eröffnung einer zweiten Spielhalle und damit um die Verdoppelung der Spielfläche geht.