Verwaltungsgericht Stuttgart
Beschluss vom 9.7.1999
- 13 K 673/99
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 (weitere Fundstellen: NVwZ-RR 2000, 14 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Ast. begehrten die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres mit Anwaltschreiben vom 12. 2. 1999 erhobenen Widerspruchs gegen eine baurechtliche Anordnung der Ag. vom 26. 1. 1999 insoweit, als ihnen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben wurde, den Betrieb des auf dem Dach des Gebäudes angebrachten "Skybeamers" sofort einzustellen.

 

Aus den Gründen:

2.

Dieser zulässige Antrag ist auch begründet. Denn bei der im Verfahren nach § 80 V VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung ist nach Auffassung des Gerichts dem privaten Interesse der Ast., vorläufig den "Skybeamer" weiter betreiben zu dürfen, der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser baurechtlichen Nutzungsuntersagung einzuräumen. Dies ergibt sich daraus, dass nach Auffassung des Gerichts die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsmittels gegen die auf Grund von § 65 S. 2 BadWürttBauO verfügte Nutzungsuntersagung derzeit als offen zu bezeichnen sind.

3.

Nach § 65 S. 2 BadWürttBauO kann die Nutzung von Anlagen untersagt werden, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Eine solche Nutzungsuntersagung setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass eine bereits aufgenommene Nutzung sowohl formell als auch materiell bau-rechtswidrig ist (vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1990, 480; Beschl. v. 2. 4. 1985 — 8 S 4940/94).

4.

Im vorliegenden Falle spricht nach Auffassung des Gerichts sehr vieles dafür, dass der von den Ast. betriebene "Skybeamer" baurechtlich genehmigungspflichtig ist. Zwar handelt es sich bei dem "Skybeamer" nicht um eine bauliche Anlage i. S. von § 2 I 1 BadWürttBauO, weil diese Anlage nicht aus Bauprodukten hergestellt ist. Nach § 49 I BadWürttBauO bedürfen jedoch auch die in § 50 BadWürttBauO aufgeführten anderen Anlagen und Einrichtungen der Baugenehmigung, soweit in §§ 50 und 51 BadWürttBauO nichts anderes bestimmt ist. Zu diesen anderen Anlagen zählen nach Nrn. 55 und 56 des Anhangs zu § 50 I 1 BadWürttBauO insbesondere Werbeanlagen, die im Innenbereich lediglich bis zu einer Ansichtsfläche von 0,5 qm verfahrensfrei sind. Nach Auffassung des Gerichts spricht vieles dafür, dass der "Skybeamer" als Werbeanlage in diesem Sinne anzusehen ist, weil es sich hierbei um eine örtlich gebundene Einrichtung handelt, die durch den im Verkehrsraum sichtbaren Lichtstrahl auf ein Gewerbe, nämlich auf die von den Ast. betriebene Diskothek, hinweist (ebenso VGH München, NVwZ 1997, 201; Hildebrandt, VBlBW 1999, 50; offen: OVG Münster, NVwZ 1995, 718 = BauR 1995, 225). Diese Werbeanlage dürfte auch genehmigungspflichtig sein, weil die Ausdehnung des Lichtstrahls in seiner optischen Wirkung einer Ansichtsfläche von mehr als 0,5 qm entsprechen dürfte.

5.

Ob der Betrieb des Skybeamers gegen Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, lässt sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht verlässlich beurteilen. Soweit die Ag. ihre Anordnung auf einen Verstoß gegen § 11 Bad WürttBauO stützt, lässt sich die Frage einer verunstaltenden Wirkung nur auf Grund eines Augenscheins, dessen Einnahme regelmäßig dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist, beurteilen. Denn bei dieser Beurteilung kommt es maßgeblich darauf an, ob der von dem "Skybeamer" ausgehende Lichtstrahl im Gegensatz zu seiner Umgebung steht und sich der sog. gebildete Durchschnittsbetrachter bei dessen Anblick in seinem ästhetischen Empfinden nicht bloß beeinträchtigt, sondern verletzt fühlt. Bei dieser Beurteilung dürfte nicht nur auf die Situation am Aufstellort, der in einem Gewerbegebiet liegt, abzustellen sein, sondern vielmehr auf die noch im Einzelnen festzustellende Umgebungsbebauung, auf die sich davon den Ast. betriebene "Skybeamer" auswirkt. Des Weiteren vermag das Gericht auf Grund des bisherigen Erkenntnisstandes auch nicht festzustellen, dass der "Skybeamer" einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung i. S. des § 3 I Bad WürttBauO darstellt. Für eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, eine Behinderung der astronomischen Forschung oder eine Beeinträchtigung des Vogelflugs bzw. eine Schädigung geschützter oder zu schützender Tiergruppen liegen weder nähere Untersuchungen noch Stellungnahmen sachverständiger Stellen vor, die eine solche Gefährdung nachweisen bzw. auch nur nahelegen würden. Darüber hinaus erscheint es dem Gericht auch zweifelhaft, ob die Beobachtung des Nachthimmels für Laien, die möglicherweise durch den "Skybeamer" beeinträchtigt wird, überhaupt Schutzgut im Rahmen des § 3 I BadWürttBauO ist. Auch in planungsrechtlicher Hinsicht dürfte der "Skybeamer" in dem festgesetzten Gewerbegebiet nach der Art der Nutzung gem. § 29, 30 BauGB i. V. mit § 8 BauNVO eine generell in diesem Gebiet zulässige Nutzung sein. Ob im vorliegenden Falle ein Verstoß gegen das in § 15 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot in Betracht kommt, lässt sich auf Grund des derzeitigen Erkenntnisstandes mangels ausreichender Feststellungen zu den Auswirkungen des "Skybeamers" auf die Umgebungsbebauung nicht feststellen. Auch insoweit ist ggf. die Durchführung eines Augenscheins erforderlich, um die hierfür maßgeblichen Feststellungen treffen zu können. Schließlich ist auch zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen die planungsrechtliche Festsetzung über die Zulässigkeit von Werbeanlagen nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes vorliegt. Zum einen haben die Ast. darauf hingewiesen, dass nach dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang von diesem im Bebauungsplan vorgesehenen Verbot von Werbeanlagen an Flachdachgebäuden oberhalb einer Gesamthöhe von 10 m nur solche Werbeanlagen erfasst werden, die an der Gebäudewand selbst angebracht sind, nicht aber solche, die auf dem Dach errichtet werden. Im Übrigen würde insoweit auch eine Ermessensentscheidung der Ag. über eine Ausnahme von diesem Verbot in Betracht kommen, weil dieser "Skybeamer" an der Stätte der Leistung errichtet worden ist.

6.

Schließlich ist derzeit auch nicht verlässlich zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen die von der Ag. herangezogene Vorschrift des § 20 BadWürttNatSchG vorliegt. Da der "Skybeamer" an einem Gebäude innerhalb eines festgesetzten Gewerbegebiets angebracht ist und dieses Gebäude auch nicht unmittelbar an den unbebauten Außenbereich anschließt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Lichtstrahl des "Skybeamers" von der freien Landschaft aus in störender Weise in Erscheinung tritt. Auch insoweit bleibt eine Klärung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

7.

Da die Erfolgsaussichten des von den Ast. eingelegten Rechtsmittels deshalb derzeit zumindest als offen zu bezeichnen sind, ist nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung des in § 80 I VwGO zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels die aufschiebende Wirkung des von den Ast. eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen, zumal neben den aufgezeigten materiellrechtlichen Problemen auch die Frage der Genehmigungspflichtigkeit nicht eindeutig geklärt ist. Dabei ist für die getroffene Entscheidung auch von Belang, dass der "Skybeamer" lediglich an zwei Nächten in der Woche betrieben wird und im Übrigen für das Gericht auch nicht ersichtlich ist, dass ohne den angeordneten Sofortvollzug eine erhebliche Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit oder von Anliegern eintritt.