Verwaltungsgericht Neustadt a.d.W.
Bschluss vom 12.04.1994
- 7 L 1161/94
.NW -

 (weitere Fundstellen: GewArch 1994, 236 f.)

 

 

Aus den Gründen:

1.

Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Ast‘in gegen die Verfügung der Ag‘in vom 07. 02. 1994 wiederherzustellen, mit der ihr die Inbetriebnahme des "Quasar—The Live action Laser game") im Anwesen … untersagt wurde, bleibt in der Sache ohne Erfolg….

2.

Die angefochtene Verfügung der Ag‘in vom 07. 02. 1994 ist offensichtlich rechtmäßig.

3.

Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes — POG — i. d. F. vom 10.11.1993 (GVBl S. 596). Dabei ist zu beachten, daß keine spezialgesetzlich geregelte Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der Verfügung in Betracht kommt. Soweit § 33i GewO eine Erlaubnispflicht für den Betrieb eines Unternehmens vorsieht, das der gewerbsmäßigen Aufstellung von Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeit dient, ist diese Alternative schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut von einer Räumlichkeit ausgeht, in der einzelne, in sich abgeschlossene Spielmöglichkeiten angeboten werden (vgl. die Aufzählung bei Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand: August 1993, § 33i Rdnr. 13). Von der Vorschrift werden hingegen solche Unterhaltungsspiele nicht erfaßt, die in einem Raum fest eingerichtet sind, so daß nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß sie dort "aufgestellt" werden.

4.

Auch § 8 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, der bestimmt, daß Kinder und Jugendliche in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen sich nicht aufhalten dürfen, vermag den Erlaß der hier streitigen Verfügung nicht zu rechtfertigen. Diese Vorschrift könnte allenfalls dazu herangezogen werden, den Kreis der möglichen Mitspieler altersmäßig zu begrenzen. Sie rechtfertigt indessen nicht die gänzliche Untersagung des Spielbetriebs.

5.

Nach der hiernach allein einschlägigen polizeirechtlichen Generalklausel des § 9 Abs. 1 POG können die allgemeinen Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Die von der Ast‘in beabsichtigte Einrichtung und der anschließende Betrieb einer "Quasar"-Anlage stellen einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar. Hierunter ist der Inbegriff der ungeschriebenen Normen zu verstehen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unentbehrliche Voraussetzung für ein geordnetes staatsbürgerliches Gemeinschaftsleben betrachtet wird (DrewsfWacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, 9. Auflage 1986, 245).

6.

Der von der Ast‘in beabsichtigte Betrieb einer "Quasar"-Anlage widerspricht einer von breiten Bevölkerungsteilen getragenen, fundamentalen sozial-ethischen Überzeugung, die für das menschliche Zusammenleben als unerläßlich anzusehen ist.

7.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß Ausrüstung und Spielablauf von "Quasar" dem Beobachter und Mitspieler den Eindruck vermitteln, daß hier eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen zwei verfeindeten Gruppen wirklichkeitsnah nachempfunden wird. Diese Sichtweise wird bereits nachhaltig durch die von der Ast‘in als "Handzeigegerät" oder "Handapparat" bezeichnete Infrarot- bzw. Laserpistole hervorgerufen, deren äußere Form mit der einer Maschinenpistole identisch ist. Entsprechend gestalten sich auch Handhabung und Haltung dieses Gerätes, wie sie besonders deutlich in den fotografischen Darstellungen des in der Behördenakte enthaltenen englischsprachigen Farbprospektes zum Ausdruck kommen. Ebenfalls an die in einer bewaffneten Auseinandersetzung auf kurze Entfernung gebräuchliche Ausrüstung erinnert die von der Ast‘in benutzte Weste, die offenkundig den Eindruck einer Panzerung bewirken soll.

8.

Auch der spätere Spielablauf vermittelt die Vorstellung einer Kampfszene mit Faustfeuerwaffen. Die Spielfläche ist durch entsprechende Einbauten so gestaltet, daß sie den einzelnen Beteiligten Deckung gegenüber den Angriffen der gegnerischen Spieler bieten soll. Die Mitspieler werden in gegeneinander antretende Mannschaften aufgeteilt, die sich durch eine uniformähnlich wirkende, farblich voneinander abgesetzte Bekleidung unterscheiden. Auch die Spielregeln lassen Parallelen zu taktischen Überlegungen bei realen bewaffneten Auseinandersetzungen erkennen. Ziel von "Quasar" ist es, letztlich unter größtmöglicher Schonung der eigenen Reserven eine möglichst große Zahl gegnerischer Mannschaftsmitglieder – wenn auch nur vorübergehend – einsatzunfähig werden zu lassen. Zwar bringt, wie die Ast‘in hervorhebt, ein auf die "Quasar"-Kontrolleinheit plazierter Treffer die weitaus höchste Punktzahl. Den spezifischen Reiz des Spiels macht aber offensichtlich der Kampf Mensch gegen Mensch aus, wie aus dem genannten Prospekt deutlich wird, in dessen Mittelpunkt eine Kampfszene steht, in der jeweils zwei Mitglieder der gegnerischen Mannschaften aufeinander zielen. Unterstützt wird dieser Spielablauf noch durch eine optische und akustische Untermalung, die wiederum stark an eine reale Kampfszene mit Schußwaffen angenähert ist. Dies wird besonders anhand des von der Ast‘in vorgelegten Videofilms deutlich. Hierin wird erkennbar, daß die Spielszene abgedunkelt ist und die Sicht zusätzlich durch den Einsatz von Trockeneis-Nebel erschwert wird. Weiterhin wird der Einsatz der Laserpistole von einem durchdringenden Geräusch begleitet, das dem Feuerstoß einer Maschinenpistole nachempfunden ist. Dieses Szenario wirkt im Videofilm nicht etwa irreal oder futuristisch, so daß vom Spieler von vornherein kein Bezug zur Wirklichkeit hergestellt würde. Vielmehr erscheint es eher geeignet, eine reale Kampfsituation mit Brandqualm und Pulverdampf zu simulieren. Und selbst wenn die Geräuschkulisse mit ihren maschinenpistolenähnlichen Effekten nur im Film zur Untermalung dienen und in der von der Ast‘in geplanten Anlage nicht erzeugt werden sollte, läßt der zu Werbezwecken hergestellte Film doch klar erkennen, auf welche Vorstellungen und Emotionen das "Quasar"-Spiel abzielt.

9.

Angesichts dieses offenkundigen Eindrucks einer imitierten Kampfszene ist der von der Ast‘in beabsichtigten Einrichtung ein erheblicher Unwertgehalt beizumessen. Es wird nicht lediglich eine Kriegshandlung durch Computer auf einem fiktiven, zweidimensionalen Spielfeld simuliert, wie dies bei den sogenannten Kriegsspielautomaten der Fall ist (vgl. hierzu: BayVGH, Beschluß vom 06. 10. 1980 – 21 CS 80 A.1037 – in GewArch 1981, 294). Vielmehr wird die Kampfszene in einer maßstabsgetreuen Umgebung durch real existierende Personen nachgestellt. Insoweit fehlt es schon an der bei Computerspielen erkennbaren Abstraktion und der dadurch entstehenden Distanz zwischen fiktiver Vorstellung und Realität bei den Spielern. Vor allem besteht aber die Kriegshandlung gerade im Abschießen des menschlichen Gegners mit einer Feuerwaffe, wobei der Gegner als Mensch und nicht als verfremdetes, abstraktes Ziel erkannt wird. Schon bei Kriegsspielautomaten unterscheidet man jedoch zwischen der Simulation allgemeiner Kriegshandlungen wie Bombardements und Abschuß von Raketen und dem "Erschießen" von auf dem Bildschirm erscheinenden, als Individuen zu erkennenden Menschen und wertet den "Spielerfolg" im letzteren Fall als sozial-ethisch verwerflich (vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 33i Rdnr. 14 m. w. N.). Erst recht wird das realitätsnähere "spielerische" Schießen auf den Gegner mit einer Handfeuerwaffe von weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr nur als geschmacklos, sondern als Störung der Gemeinschaftsordnung empfunden. Eine solche Bewertung entsteht insbesondere daraus, daß anhand einer realen Konfrontation zweier Menschen spielerisch, unter Einsatz einer auf Distanz wirkenden Strahlenpistole, das "Abschießen" eines Menschen zum Inhalt eines Spiels gemacht wird. Der Unterschied zu einem Schußwechsel mit Feuerwaffen besteht nur noch darin, daß die Mitspieler tatsächlich nicht verletzt werden.

10.

Dieser realitätsnahe spielerische Umgang mit einem Schußwechsel steht aber in krassem Widerspruch zu der hohen Wertstellung, die das menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit im Wertesystem unserer Gesellschaft erfahren. Dabei ist derzeit eine besondere Sensibilisierung der Bevölkerung einerseits dadurch festzustellen, daß Gewaltbereitsehaft und gewalttätige Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik Deutschland einen immer größeren Raum in der Berichterstattung der Medien erfahren. Zum anderen ist gerade im Hinblick auf die Kriegshandlungen im ehemaligen Jugoslawien ein verstärktes Bewußtsein für die negativen Folgen solcher bewaffneten Konflikte festzustellen. Hiermit kann aber die spielerische Nachahmung von Kampfhandlungen zum bloßen Zeitvertreib nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß das sozialethische Unwerturteil breiter Bevölkerungskreise maßgeblich auch davon bestimmt wird, daß jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, daß unter den von der Ast‘in als Hauptzielgruppe angesprochenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, bei denen vielfach die Persönlichkeitsbildung noch nicht abgeschlossen ist, die Trennung zwischen Fiktion und Realität verlorengeht und die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt oder gar Waffen als Möglichkeit der Konfliktaustragung oder gar der Befriedigung von Abenteuerlust absinkt. Beim "Quasar"-Spiel verlangen es die Spielregeln, Brust oder Rücken des Gegners zu treffen, um Punkte zu sammeln und somit gezielt einen Menschen dort zu treffen, wo der Schuß in der Realität tödlich wäre. Normalerweise besteht eine Hemmung, auf einen Menschen direkt mit einer Feuerwaffe zu zielen, um ihn zu töten oder kampfunfähig zu machen. Diese Hemmung muß bei Soldaten und Polizisten im Rahmen der Ausbildung erst – unter Aufsicht verantwortungsbewußter Ausbilder – abgebaut werden, und gerade dieser Teil der Ausbildung wird von den Betr. zumeist als seelisch besonders belastend empfunden, obwohl beim Schießen auf eine Pappfigur in Menschengestalt klar ist, daß kein Mensch verletzt oder gar getötet werden kann. Auch wenn diese natürliche Hemmschwelle beim "Quasar"-Spiel sicherlich noch nicht durch eine einmalige Teilnahme herabgesenkt wird, erscheinen aber gerade diejenigen ungefestigten Menschen gefährdet, die dem – im Werbematerial für künftige Veranstalter stark herausgestellten – Anreiz zur ständigen Wiederholung des Spiels und zur Verbesserung der "Trefferquote" erliegen. Wegen der möglichen Herabsetzung der Hemmschwelle gegenüber gewalttätigem Vorgehen muß das "Quasar"-Spiel unter sozialethischen Gesichtspunkten als nicht gemeinschaftsverträglich angesehen werden.

11.

Diese Beurteilung von "Quasar" wird auch nicht durch den Umstand beeinflußt, daß die Ast‘in in das Spiel durch eine Phantasiegeschichte einführt, nach der es Aufgabe der Mitspieler ist, die der Erde von einem anderen Planeten entzogene Energie zurückzuerobern. Diese Darstellung wirkt einerseits nicht überzeugend. Insbesondere bleibt unklar, weshalb die Energierückgewinnung auch durch Angriffe auf die gegnerische "Erdenmannschaft" erfolgen soll. Zum anderen wird diese Erläuterung kurz vor Beginn des Spiels gegeben. Zu diesem Zeitpunkt werden indessen viele Mitspieler mit der Technik ihrer Spielgeräte befaßt sein oder sich bereits auf den bevorstehenden Spielablauf konzentrieren, so daß diese Rahmengeschichte bei den Beteiligten keinen tiefergehenden Eindruck hinterläßt. Unabhängig von der vom Veranstalter beliebig variierbaren Spielhandlung reduziert sich das "Quasar-Spiel" nicht lediglich auf ein hochtechnisiertes Räuber-und-Gendarm-Spiel, wie es die Ast‘in darstellen möchte, sondern auf eine kriegsähnliche Nahkampfszene mit einer Waffenattrappe und bezieht gerade daraus seinen neuartigen Reiz. Das kommt ohne jede Beschönigung in dem bereits genannten, im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten englischen Prospekt zum Ausdruck, wo das Spiel wie folgt angepriesen wird:

"Du kriechst unter einen Pfeiler, suchst Schutz im rauchigen Dunkel des Raumes. Deine Ohren lauern auf das kleinste Geräusch deines sich nähernden Feindes. Dein Zeigefinger spielt im Rhythmus des Herzschlags nervös am Abzug. Ein Fußtritt. Du wirbelst herum. Aus dem Nebel heraus zeigt ein Gewehrdirekt auf dich, und deine Reflexe werfen dich zur Seite, als ein leuchtendroter Laserstrahl durch die tiefe Schwärze auf dich zugeschossen kommt. Augenblicklich betätigst du den Abzug und schickst eine Salve der durchdringenden roten Strahlen in die Schatten…"

12.

Gegenüber dieser den wahren Charakter des Spiels kennzeichnenden Spielbeschreibung können auch die in der deutschsprachigen Spielbeschreibung verwendeten Begriffe nicht zu einer Entschärfung der gewonnenen Anschauung beitragen; wenn hier von "pulsen" oder "biemen" die Rede ist, handelt es sich um Begriffe, die dem gewöhnlichen Sprachgebrauch fremd sind. Insoweit steht ebenfalls nicht zu erwarten, daß die Mitspieler diesen Bezeichnungen irgendeine Bedeutung beimessen.

13.

Weiterhin kann "Quasar" entgegen der Argumentation der Ast‘in nicht mit Sportarten – wie etwa dem Fechtsport – verglichen werden, die ebenfalls an Kampfhandlungen angelehnt sind. Denn einerseits stellt sich hier die gesellschaftliche Bewertung insoweit anders dar, als es sich um überlieferte sportliche Betätigungen handelt. Zum anderen hat bei diesen Sportarten, die ein langjähriges Training nach sportlichen Regeln erfordern und bei denen der Aspekt der Körperbeherrschung und Körperertüchtigung im Vordergrund steht, bereits gegenüber dem eigentlichen Kampfgeschehen eine derart starke Abstraktion stattgefunden, daß hier kein unmittelbarer Zusammenhang offenkundig wird.

14.

Stellt sich hiernach die von der Ast‘in beabsichtigte "Quasar"-Anlage als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar, so ist die Entscheidung der Ag‘in, deren Inbetriebnahme zu untersagen, rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere wird nicht erkennbar, daß die Untersagung unverhältnismäßig ist oder Grundrechte der Ast‘in verletzt.