Verwaltungsgericht Freiburg
Urteil vom 25. November 1980
- 4 K 23/80
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(weitere Fundstellen: Kommunale Steuer-Zeitschrift 1981, 197 f.)

Tatbestand

1.

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Vergnügungssteuer für von ihr im Stadtgebiet der Beklagten aufgestellte Kinderreitautomaten.

2.

Durch Bescheid vom 3. Oktober 1979 zog die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 1979 wegen des Bereitstellens von vier "Unterhaltungsgeräten" bei dem Kaufhaus f.A. zur Vergnügungssteuer in Höhe von insgesamt 120,- DM heran. Dem Steuerbetrag liegt eine monatliche Pauschsteuer von 10,- DM je Gerät zugrunde.

3.

Der am 18. Oktober 1979 erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchbescheid der Beklagten vom 21. Januar 1980 mit der Begründung zurückgewiesen, nach der Vergnügungsteuersatzung der Beklagten unterlägen Vergnügungen jeder Art der Steuer; dazu gehörten auch die bereitgestellten "Kinderreitautomaten".

Aus den Gründen:

4.

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach § 1 der aufgrund von § 6 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes - KAG - erlassenen Vergnügungsteuerordnung der Beklagten vom 16. Dezember 1970 in der Fassung vom 8. August 1974 - VStO - erhebt die Beklagte für die im Stadtgebiet veranstalteten Vergnügungen Vergnügungsteuer. Als steuerpflichtige Vergnügungen im Sinne des § 1 VStO sind in § 2 VStO "insbesondere" einzelne Vergnügungen aufgeführt, darunter die Bereitstellung von Musikautomaten, Diskotheken, Spiel-, Geschicklichkeits- und sonstigen Unterhaltungsapparaten (§ 2 Nr. 5 VStO). § 3 BStO enthält einen Katalog der steuerfreien Veranstaltungen. Von der Steuerpflicht freigestellt sind danach unter anderem unter bestimmten Voraussetzungen Veranstaltungen der Wirtschaftswerbung (§ 3 Nr. 2 VStO) sowie Volksbelustigungen der auf Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art (§ 3 Nr. 8 VStO).

5.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gemeindevergnügungssteuer der vorliegenden Art bestehen nicht (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse v. 4.6.1975, BVerfGE 40, 52 und 56; Beschluß v. 23.3.1976, BVerfGE 42, 38; BVerwG, Urteil v. 28.6.1974, KStZ 1974, 189); auch stellt § 6 Abs. 2 KAG eine zureichende Ermächtigung für die Vergnügungssteuerordnung dar /vgl. BVerwG, a.a.O.). Es ist ferner davon auszugehen, daß die Benutzung von Kinderreitautomaten grundsätzlich als Vergnügung im Sinne des § 1 VStO anzusehen ist (vgl. auch VG Schleswig, Urteil v. 8.4.1975, KStZ 1975, 199; Hatopp, KStZ 1978, 144 m.w.N.). Da der Steuergegenstand durch diese Generalklausel normiert wird und der Katalog des § 2 VStO nach seinem Wortlaut zweifelsfrei nicht abschließend ist, kann unentschieden bleiben, ob Kinderreitautomaten "sonstige Unterhaltsapparate" im Sinne des § 2 Nr. 5 VStO darstellen. Vergnügungsteuer für die Bereitstellung solcher Geräte kann die Beklagte jedenfalls deshalb nicht erheben, weil insoweit eine steuerfreie Veranstaltung im Sinne des § 3 VStO vorliegt.

6.

Keiner Entscheidung bedarf, ob das Bereithalten von Kinderreitautomaten als eine Veranstaltung der Wirtschaftswerbung im Sinne des § 3 Nr. 2 VStO vergnügungsteuerfrei ist, wie die Klägerin unter Berufung auf ein Schreiben der Stadt F. vom 7. Februar 1980 meint. Denn die Steuerpflicht für das Bereitstellen von Kinderreitautomaten entfällt jedenfalls deshalb, weil es sich im Sinne des § 3 Nr. 8 VStO um eine Volksbelustigung der auf Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art handelt.

7.

Kinderreitautomaten weisen, wie auch immer sie im Einzelfall gestaltet sein mögen, als gemeinsames Merkmal auf, daß sie den Benutzer durch rüttelnde oder schaukelnde Bewegung belustigen sollen (vgl. OVG Münster, Urteil v. 19.12.1974, KStZ 1974, 198); VG Schleswig, a.a.O.). Das verleiht ihnen zumindest Ähnlichkeit mit Volksbelustigungen der in § 3 Nr. 8 VStO genannten Art, zu denen etwa Schaukeln, Karussels, Riesenräder oder gleichartige Einrichtungen zu rechnen sind. Als solche sind sie vergnügungsteuerfrei, ohne daß es entscheidend darauf ankäme, ob die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Geräte einfacher konstruiert sind oder eine geringere Vergnügungswirkung hervorrufen als manche heutzutage auf Jahrmärkten übliche Geräte, die der Volksbelustigung dienen sollen. Ebensowenig kann dem Umstand Bedeutung zukommen, daß der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 8 VStO in Anlehnung an entsprechende Gesetzesänderungen in anderen Bundesländern nur zur steuerlichen Entlastung des Schaustellgewerbes eingeführt worden sein mag (vgl. OVG Münster, Urteil v. 7.2.1974, KStZ 1974, 192 m.w.N.); denn eine solche Einschränkung enthält der eindeutige Wortlaut des § 3 Nr. 8 VStO nicht, so daß insoweit für eine Auslegung kein Raum bleibt. Endlich scheidet der Tatbestand des § 3 Nr. 8 VStO im vorliegenden Fall nicht deshalb aus, weil die Kinderreitautomaten als Dauereinrichtung in der näheren Umgebung eines Kaufhause4s aufgestellt sind; denn die Vorschrift stellt ersichtlich nicht auf die Veranstaltung eines Jahrmarktes ab, sondern auf Einrichtungen der in solchen Veranstaltungen üblichen Art und erfaßt damit auch unabhängig von diesen stationär betriebene Einrichtungen (vgl. OVG Münster, Urteil v. 7.2.1974, KStZ 1974, 192). Die mit dieser Auslegung des § 3 Nr. 8 VStO von der Kammer vertretene Auffassung trägt im übrigen dem Umstand Rechnung, daß der Vergnügungsteuer nach ihrer historischen Entwicklung in gewissem Umfang eine eindämmende (prohibitive) Funktion zukommen sollte, um einer Überflutung mit Vergnügungen entgegenzuwirken (vgl. OVG Münster, a.a.O., m.w.N.); auch von hier aus liegt eine Auslegung dahin nahe, daß auch Kinderreitautomaten vergnügungsteuerfrei sind, da eine Notwendigkeit zur Eindämmung von Unterhaltungsgeräten dieser Art schwerlich zu erkennen ist.