Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 7.2.1974
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XIII A 99/73 -

 (weitere Fundstellen: Kommunale Steuer-Zeitschrift 1974, 192 f.)

 

 

Tatbestand

1.

Die Klägerin betreibt einen gegen Eintrittspreis zugänglichen Vergnügungspark, in dem sich u. a. folgende Einrichtungen befinden:

1.  10 auf einer 800-900 m langen Go-Kart-Bahn betriebene Go-Karts, für die vor der Fahrt Fahrscheine (Chips) an einem Verkaufsstand oder Automaten zu lösen sind,

2.  10 auf entsprechenden Bahnen eingesetzte elektrische Kinder-Scooter, die durch Münzeinwurf in Bewegung gesetzt werden,

3.  eine Miniatureisenbahn, die einen Teil des Vergnügungsparks durchfährt; der Fahrpreis wird abkassiert,

4.  2 elektrisch betriebene, durch Münzeinwurf in Bewegung zu setzende Kinderkarussells mit je 4 Sitzen,

5.  ein auf den Scooter-Bahnen eingesetztes, ebenfalls durch Münzeinwurf in Bewegung zu setzendes Kindermotorrad,

6.  3 auf einer zum Vergnügungspark gehörenden künstlichen Wasserfläche eingesetzte, durch Münzeinwurf zu bewegende elektrische Motorboote.

2.

Der Gemeindedirektor zog die Klägerin durch Bescheid vom 3.11.1971 für diese Einrichtungen zur Vergnügungssteuer heran. Er legte hierbei entsprechend § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Vergnügungssteuer vom 4.12.1965, GV NW 361 (VStG 65) einen Steuersatz von 1/2 v. H. der Erstanschaffungspreise der Einrichtungen zugrunde.

3.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Widerspruch ein.

 

Aus den Gründen:

4.

Die von der Klägerin in ihrem Vergnügungspark betriebenen Einrichtungen unterfallen mit Ausnahme der 2 Fußballkicker, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind, nicht der Vergnügungssteuer nach § 2 Nr. 6 VStG 65. Nach dieser Vorschrift ist Gegenstand der Vergnügungssteuer das Halten von Musik-, Schau-, Scherz-, Spiel-, Geschicklichkeits- oder ähnlichen Apparaten in Gast- und Schankwirtschaften, in Vereins-Kantinen- oder ähnlichen Räumen sowie an anderen, jedermann zugänglichen Orten. Die Höhe der Steuer beträgt nach § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VStG 65 1/2 v. H. des Erstanschaffungspreises des Apparates, der Vorrichtung oder der Anlage, mindestens 10,- DM.

5.

Die streitigen, von der Klägerin in ihrem Vergnügungspark betriebenen Einrichtungen sind keine Apparate im Sinne von §§ 2 Nr. 6, 19 Abs. 1 VStG 65. Hierauf kommt es allein an, und nicht etwa, wie der Beklagte meint, darauf ob es sich um Vorrichtungen oder Anlagen im Sinne von § 19 Abs. 1 VStG 65 handelt. Auszugehen ist von § 2 Nr. 6 VStG 65, der den Steuergegenstand abschließend regelt und nur Apparate erwähnt. Wenn § 19 Abs. 1 VStG 65 im Zusammenhang mit der Regelung des Steuermaßstabes (Erstanschaffungspreis) zusätzlich die Begriffe "Vorrichtung" und "Anlage" einführt, ist dies hier unerheblich. Die Vorschrift ist jedenfalls nicht geeignet, eine Steuerpflicht für Objekte zu begründen, die nicht Apparate im Sinne von § 2 Nr. 6 VStG 65 sind. Sie kann allenfalls - wenn es sich nicht sogar um ein Redaktionsversehen handelt - die Bedeutung haben, daß im Einzelfall auch eine Vorrichtung oder Anlage, die nicht Bestandteil des Apparates als solchen ist ( zu denken wäre etwa an Zusatzlautsprecher für einen Musikapparat), mit ihrem Erstanschaffungspreis als Bemessungsgrundlage für die Steuerhöhe zusätzlich herangezogen werden kann.

6.

a) Unter "Apparat" hat der früher für das Vergnügungssteuerrecht zuständige III. Senat des Gerichtshofs, dem sich der erkennende Senat insoweit anschließt, vom Wortsinn (Apparat = Gerät, Vorrichtung, zusammengesetzte Werkzeugeinheit) ausgehend, einen Mechanismus verstanden, der eine durch Zusammenbau bewirkte Verbindung von Einzelteilen darstellt, in der wenigstens ein Teil zur Erreichung eines vorgeplanten Effektes beweglich sein muß, sei es durch Muskelkraft, Hand- oder Fußantrieb, sei es durch Auslösung sonstiger Energien (Spiralfedern, elektrischer Strom oder ähnliches).

Vgl. Urteile vom 12.5.1965 - III A 765/64 - DStZ B 1965, 471 = KStZ 1966, 18 = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1965, 919; und vom 30.6.1969 - III AQ 127/68 -, DStZ B 1969, 459 = KStZ 1970, 50 (insoweit nicht abgedruckt).

7.

Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob unter diese Definition auch die hier in Rede stehenden Einrichtungen der Klägerin fallen. Sie besitzen zwar Teile die - durchweg durch elektrische Energie - beweglich sind; der vorgeplante Effekt besteht hier jedoch in der Fortbewegung der gesamten Einrichtung als solcher und nicht nur einzelner Teile. Dies kann jedoch auf sich beruhen, da es für die Frage, ob die fraglichen Einrichtungen unter § 2 Nr. 6 VStG 65 fallen, in erster Linie auf den Sinn dieser Vorschrift ankommt.

8.

b) Das bis zum 31.12.1965 geltende VStG 56 ging von dem Grundsatz aus, daß alle "Vergnügungen" steuerpflichtig waren. Demgemäß bestimmte § 2 VStG 56 in der Generalklausel des Abs. 1, daß Gegenstand der Besteuerung die Vergnügungen sind, die im Gemeindegebiet veranstaltet werden, und führte in Abs. 2 Nr. 1-14 beispielhaft einzelne Arten von steuerpflichtigen Vergnügungen auf, während die Ausnahmen der nicht steuerpflichtigen Veranstaltungen in § 3 VStG 56 geregelt waren. Demgegenüber hat sich das ab 1.1.1966 geltende VStG 65 von der Generalklausel abgewandt und ist zum Enumerationsprinzip übergegangen, indem es in § 2 einen erschöpfenden Katalog der steuerpflichtigen Vergnügungen bestimmt. Steuerpflichtig ist hiernach nicht mehr jede Vergnügung, sondern ausschließlich die ausdrücklich aufgeführten.

9.

Als Steuerbestand weggefallen sind nach dem VStG 65 u. a. die zuvor in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VStG 56 genannten "Volksbelustigungen und Schaustellungen der auf Jahrmärkten, Kirmessen und ähnlichen Veranstaltungen üblichen Art". Demgegenüber ist der Kreis der "Apparate", deren "Halten" nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 VStG 56 einen steuerpflichtigen Tatbestand darstellte (Musik-, Spiel- und Geschicklichkeitsapparate) nach § 2 Nr. 6 VStG 65 um Schau-, Scherz- und "ähnliche" Apparate erweitert worden. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VStG 56 betraf nach seinem Wortlaut nicht nur die auf Jahrmärkten, Kirmessen und ähnlichen Veranstaltungen von Schaustellern betriebenen Volksbelustigungen und Schaustellungen, sondern stellte darauf ab, ob es sich um Einrichtungen der auf den genannten Veranstaltungen üblichen Art handelte, erfaßte also auch stationär, etwa in einem Vergnügungspark, betriebene Einrichtungen dieser Art, wie sie die Klägerin unterhält. Aus dem Wegfall dieser Vorschrift folgt daher nicht nur, daß das Schaustellergewerbe steuerlich entlastet werden sollte,

vgl. die mündliche Begründung des Abgeordneten Dr. von Ameln zum Entwurf eines Gesetzes über die Besteuerung von Musik-, Spiel- und Geschicklichkeitsapparaten (Landtagsdrucksache Nr. 399), des späteren VStG 65, Landtag Nordrhein-Westfalen, Stenografische Berichte, 5. Wahlperiode, S. 1347 (A); ferner Runderlaß des Innenministers vom 23.6.1967, MBl. NW 914

sondern auch, daß grundsätzlich die Steuerpflicht hinsichtlich aller hier genannten Volksbelustigungen und Schaustellungen entfallen sollte, wer auch immer sie betreibt. Dies zwingt zu einer einengenden Auslegung des § 2 Nr. 6 VStG 65, insbesondere des in dieser Vorschrift verwandten Begriffs "ähnliche Apparate".

10.

c) Daß es sich bei den streitigen, von der Klägerin betriebenen Einrichtungen nicht mit Musik-, Schau- oder Scherzapparate handelt, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung. Es handelt sich auch nicht und Spiel- oder Geschicklichkeitsapparate. Unter "Spiel" im Sinne von § 2 Nr. VStG 65 kann nicht jede Belustigung oder Vergnügung mittels einer mechanischen Anlage verstanden werden, sondern nur ein Geschehen, daß sich entweder wettkampfartig unter mehreren Spielern abwickelt (etwa an einem Tischfußballspiel oder an einer Tischkegelbahn) oder bei dem ein Spieler mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht den Mechanismus eines Apparates betätigt, um sich dessen Reaktion zu seiner Unterhaltung zunutze zu machen (etwa bei einem Geldspielgerät mit Gewinnmöglichkeit oder einem sogenannten Flipper). Unter einem Geschicklichkeitsapparat ist ein Spielapparat im oben genannten Sinne zu verstehen, bei dem die Reaktionen des Apparates nicht, wie etwa bei einem Geldspielgerät mit Gewinnmöglichkeit, vom bloßen Zufall geprägt sind, sondern, wie etwa bei einem Flipper, durch - vorwiegend manuelle - Geschicklichkeit beeinflußbar sind.

11.

Die Klägerin betreibt schließlich auch keine "ähnliche" Apparate im Sinne von § 2 Nr. 6 VStG 65. Die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Apparate der herkömmlichen, bekannten Art, wie sie sich an den aufgeführten Aufstellungsorten, ferner in sogenannten Spielhallen befinden, haben das Gemeinsame, daß "die Vergnügung", die den eigentlichen Steuergegenstand bildet (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 18.5.1971 - 1 BvL 7 und 8/69 -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 31, 119 (127), durch die akustischen, optischen und sonstigen unterhaltenden Reaktionen des vom Benutzer betätigten Apparates hervorgerufen wird. In keinem Fall besteht "die Vergnügung" jedoch darin, daß der "Apparat" den Benutzer zu seiner Belustigung bewegt oder sich mit ihm fortbewegt. Dies ist vielmehr die Eigenart eines Großteils der bisher unter § 2 Abs. 2 Nr. 3 VStG 56 fallenden Volksbelustigungen und Schaustellungen (Karussells, Schaukeln, Riesenräder, Achterbahnen, Autoscooter und ähnliche Einrichtungen). Diesem Zweck dienen aber die vom Kläger betriebenen, Belustigung durch Fortbewegung hervorgerufenen Anlagen. Sie können daher nach dem oben herausgestellten Sinn der Einengung der vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltungen durch das VStG 65 nicht mehr Gegenstand der Vergnügungssteuer gemacht werden.

12.

Nach alledem war die Befugung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 21.1.1960, BGBl. I 17, (VwGO) zurückzuweisen.