Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 28.06.1995
- 5 B 3187/94
-

 (weitere Fundstellen: GewArch 1995, 470 f.)

 

Leitsätze:

1.

Laserspiele, bei denen durch simulierte Kampf- und Tötungshandlungen ein Verhalten eingeübt wird, wie es für Gewaltdelikte und gewalttätige Auseinandersetzungen typisch ist, widersprechen grundgesetzlichen Wertungen.

2.

Die Untersagung derartiger Laserspiele steht mit Art 3 Abs 1 GG im Einklang, auch wenn gegen andere Gewaltdarstellungen nicht eingeschritten wird.

 

Tatbestand:

1.

Die Antragstellerin betreibt ein sog. Laserdrom, in dem die Spieler mit einem maschinenpistolenähnlichen Laserzielgerät auf feststehende Ziele und auf Gegenspieler schießen. Unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagte der Antragsgegner Spielabläufe, die ein gezieltes Beschießen von Menschen mittels Laserstrahl zum Gegenstand haben. Der einstweilige Rechtsschutzantrag hatte in zweiter Instanz keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe:

2.

Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.

3.

Die Ordnungsverfügung vom 14.9.1994 ist nicht offensichtlich rechtswidrig; überwiegende Anhaltspunkte sprechen vielmehr für ihre Rechtmäßigkeit. Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage durfte der Antragsgegner die Ordnungsverfügung auf § 14 OBG stützen, um eine Störung der öffentlichen Ordnung abzuwehren.

4.

Der Begriff der öffentlichen Ordnung, der in Art. 13 Abs. 3 GG und Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG seine verfassungsrechtliche Anerkennung gefunden hat, umfaßt die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beobachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerläßliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird.

OVG NW, Urteil vom 31.5.1988 - 5 A 2638/85 -; Beschluß vom 22.6.1994 - 5 B 193/94 -; Franßen in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, Seite 201, 206; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., Seite 245.

5.

Die herrschenden Anschauungen über die unerläßlichen Voraussetzungen eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens werden geprägt durch die Wertmaßstäbe des Grundgesetzes. Im vorliegenden Zusammenhang sind dies insbesondere die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und das staatliche Gewaltmonopol (Art. 20 GG). Diesen Werten widerspricht das von der Antragstellerin veranstaltete Laserspiel.

6.

Vieles spricht bereits dafür, daß es mit dem Menschenbild des Grundgesetzes, insbesondere mit der in Art. 1 Abs. 1 GG normierten Unantastbarkeit der Würde des Menschen unvereinbar ist, die simulierte Tötung von Menschen zum Gegenstand und Ziel eines Unterhaltungsspiels zu machen. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mag jedoch offenbleiben, ob der Widerspruch zu den grundgesetzlichen Wertungen allein schon aus der besonderen Betroffenheit der am Spiel beteiligten Menschen folgt.

Vgl. zum Schutz Betroffener: BVerwG, Urteil vom 15.12. 1981 - 1 C 232.79 -, BVerwGE 64, 274, 278 f.; kritisch dazu: Drews/Wacke/Vogel/Martens, a. a. O., Seite 257 f; differenzierend: BVerwG, Urteil vom 30.1.1990 - 1 C 26. 87 -, BVerwGE 84, 314, 317 ff.

7.

Ein solcher Widerspruch ergibt sich jedenfalls aus dem System des Spiels und seiner Zielsetzung, durch simulierte Kampfhandlungen und Tötungshandlungen ein Verhalten einzuüben, wie es für Gewaltdelikte und gewalttätige Auseinandersetzungen typisch ist.

Vgl. für ähnliche Laserspiele: Rh.-Pf. OVG, Beschluß vom 21.6.1994 - 11 B 11428/94 -, NVwZ-RR 1995, 30, 31; Lippstreu, GewArch 1993, 311, 312 ff; Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, § 33 i Rn. 12 a; Bericht des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 12/8005, Seite 27; Antworten des Parlamentarischen Staatssekretärs Funke, BT-Drs. 12/7058, Seite 8 f, und BT-Drs. 12/7462, Seite 7; aA: Bay. VGH, Beschluß vom 4.7.1994 - 22 Cs 94.1528 -, NVwZ-RR 1995, 32, 33.

8.

Im Interesse des Spielerfolges und der Unterhaltung sollen die Spieler (Kampfhandlungen) Handlungen simulieren und zur Perfektion entwickeln, die von den genannten fundamentalen Normen grundsätzlich mißbilligt werden und überdies mit Strafe bedroht sind. Zur Einübung derartiger Verhaltensweisen sind allein bestimmte Personenkreise, wie Polizeibeamte und zur Verteidigung ausgebildete Soldaten (Art. 12a, 26 GG), legitimiert, deren Aufgabe gerade die Eindämmung und Abwehr von Gewalt ist. Demgegenüber ruft das Angebot an einen unbestimmten Kreis von volljährigen Personen zur Teilnahme an einem Gewaltspiel und Tötungsspiel die Gefahr hervor, daß ein entsprechendes Verhalten in der Realität entgegen den grundgesetzlichen und strafrechtlichen Wertungen auch außerhalb der beschriebenen, rechtlich legitimierten Ausnahmesituation als akzeptabel angesehen und damit ein Abstumpfen gegenüber Gewalthandlungen und Tötungshandlungen gefördert wird.

9.

Diese Gefahr besteht nicht zuletzt deshalb, weil das von der Antragstellerin betriebene Spiel die Gewaltsituation bzw. Tötungssituation in realistischer Weise simuliert. Das VG hat bereits zutreffend festgestellt, daß im Vordergrund des Spiels das Ziel steht, den Gegner zu treffen und kampfunfähig zu machen. Die Richtigkeit dieser Feststellung wird sowohl durch die Spielregeln, die ein vorübergehendes Ausschalten des Gegners als erstrebenswertes Zwischenziel zum Erreichen des Spielerfolges nahelegen, als auch durch den Umstand belegt, daß die das Zielen auf Menschen untersagende Ordnungsverfügung zur vorübergehenden Einstellung des - ohne diese Spielvariante offenbar nicht hinreichend attraktiven - Spielbetriebes geführt hat. Die Realitätsnähe des Spieles wird ganz wesentlich dadurch erreicht, daß sich (mindestens zwei) Menschen körperlich gegenüberstehen, die zugleich als Schütze und als Ziel und damit als zu tötende bzw. auszuschaltende Kontrahenten fungieren. Bei der Ausrichtung des Spiels als Gruppenwettbewerb wird der Eindruck einer gewalttätigen Auseinandersetzung noch verstärkt. Die durch das körperliche Gegenüber der Spieler gekennzeichnete Situation wird durch die Ausstattung realitätsnah ergänzt. Das für die Durchführung des Spiels zur Verfügung stehende Laserschießgerät weist große Ähnlichkeit mit einer Maschinenpistole, also mit einer für gewalttätige Auseinandersetzungen der heutigen Zeit typischen Waffe auf. Die von den Spielern getragene Weste mag für sich betrachtet verschiedene Assoziationen zulassen, im vorliegenden Spielzusammenhang liegt diejenige einer passiven Bewaffnung jedoch nahe. Die in der Halle aufgebauten Hindernisse erweitern die Variationsmöglichkeiten des simulierten Nahkampfes. Der Einsatz von Tarnnetzen und Nebeleffekten verstärkt die Kampfatmosphäre.

10.

Die Ordnungsverfügung, mit der der Antragsgegner die Antragstellerin gemäß § 17 OBG zutreffend als Verhaltensstörerin in Anspruch genommen hat, ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG. Bereits aus dem Tenor der Ordnungsverfügung ist klar ersichtlich, daß nicht der gesamte Betrieb des Laserdroms untersagt werden soll, sondern lediglich die Spielvariante, bei der auf Menschen gezielt wird. Dieser Umfang der Untersagung ergibt sich auch aus der Begründung der Ordnungsverfügung sowie aus der Vorgeschichte, in deren Verlauf die Antragstellerin bereits erkannt hatte, daß der Antragsgegner an der Aufklärung der Frage interessiert war, ob auch Menschen als Ziel dienen sollen.

11.

Auch die Ermessensausübung des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden. Insbesondere steht Art. 3 Abs. 1 GG einem Vorgehen gegen das Laserspiel der Antragstellerin nicht entgegen. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit der Antragsgegner überhaupt örtlich und sachlich für die Unterbindung von Gewaltdarstellungen etwa in Filmen, im Fernsehen oder in Westernstädten zuständig wäre sowie unabhängig von der Frage nach der Effizienz eines Vorgehens gegen anderweitige Gewaltdarstellungen  (vgl. zur Effizienz der Gefahrenabwehr als Differenzierungskriterium: BVerfG, Beschluß vom 9.3.1994 - 2 BvL 43/92 - ua, NJW 1994, 1577, 1584 f.) besteht hier jedenfalls in den geschilderten Besonderheiten des Laserspiels ein sachlicher Grund zu differenzierter Behandlung. Durch die unmittelbare körperliche Beteiligung der handelnden Spieler und die Simulation eines möglichst authentischen Kampfszenariums und Tötungsszenariums wird eine Nähe zu realen Kampfhandlungen- und Tötungshandlungen der Gegenwart hergestellt, die weder bei üblichen Kampfsportarten noch bei "herkömmlichen" Kriegsspielen unter Verwendung von Kriegsspielzeug noch bei der Inszenierung historischer Kampfspiele oder Westernspiele erreicht wird.

12.

Die der Antragstellerin erteilte Baugenehmigung vom 7.9. 1993 steht der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht entgegen. Die Baugenehmigung umfaßt nicht die Genehmigung einer bestimmten Art und Weise des Betriebes des zur Genehmigung gestellten Vorhabens. Im Bauantrag bezeichnet die Antragstellerin ihr Vorhaben als "Wettkampfstudio - Laserdrom" und erläutert in den weiteren Bauunterlagen die Ausstattung sowie lediglich in groben Zügen die Austragung der Wettkämpfe, ohne die Art der Ziele - feststehende oder bewegliche, insbesondere Menschen als Ziele - anzugeben. Die erteilte Baugenehmigung korrespondiert mit diesem Antrag und sieht eine Eingrenzung der Art und Weise des Betriebes nicht vor. Angesichts dieser wenig spezifizierten, für die Zwecke der baurechtlichen Prüfung jedoch ausreichenden Beschreibung der Nutzung könnte die nunmehr untersagte Betriebsweise vom Prüfungsprogramm des § 70 BauO NW und damit vom Genehmigungsumfang nur umfaßt sein, wenn sie die einzig mögliche Betriebsweise wäre. Denn die Versagung einer Baugenehmigung aus anderen als baurechtlichen Gründen - hier aus dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Gesichtspunkt der Gefährdung der öffentlichen Ordnung - ist nur indiziert, wenn das Vorhaben aus diesen anderen Gründen schlechthin nicht verwirklicht werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1983 - 4 C 21.83 -, BRS 40 Nr. 52; OVG NW, Urteil vom 20.3. 1992 - 11 A 610/90 -, BRS 54 Nr. 135; Boeddinghaus/Hahn, Bauordnung NW, § 70 Rdnr. 37, 39.

13.

Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Ein "Wettkampfstudio - Laserdrom" kann auch in einer Art und Weise betrieben werden, die - bei Verzicht auf Menschen als Ziele - mit den allgemeinen ordnungsrechtlichen Anforderungen der öffentlichen Ordnung nicht in Kollision gerät.

14.

Die weitere Abwägung des öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung des Antragsgegners gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, der an sie gerichteten Anordnung bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache nicht nachkommen zu müssen, fällt zuungunsten der Antragstellerin aus. Dieser ist zuzumuten, bis auf weiteres die Spielvariante, bei der auf Menschen gezielt wird, zu unterlassen. Denn durch diese Spielvariante sind Rechtsgüter von hohem verfassungsrechtlichen Rang bedroht. Zwar kann sich die Antragstellerin zur Verfolgung ihrer Interessen ebenfalls auf Verfassungsrecht, nämlich Art. 12 Abs. 1 GG, berufen. Das Gewicht ihrer Interessen, die angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung gerade der untersagten Spielvariante grundsätzlich nicht unerheblich sind, ist jedoch dadurch stark gemindert, daß die Antragstellerin durch ihr Verhalten eine rechtzeitige Klärung der Rechtmäßigkeit ihres Spielbetriebes - nach Möglichkeit noch vor Eröffnung des Laserdroms - verhindert hat, indem sie dem diesbezüglichen Aufklärungsanliegen des Antragsgegners nicht entsprochen hat. So hat sie auf das Schreiben vom 4.1.1994 überhaupt nicht reagiert. Auf die Anhörung vom 22.2.1994 hin hat sie erst nach mehr als einem Monat Angaben gemacht, die sich später als unzutreffend herausgestellt haben.