Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
Beschluss vom 23. September 1958
- VII B 682/58 -

(weitere Fundstellen: DVBl. 1959, 294 f.)

 

Leitsätze:

1.

Ein Antrag auf Erlaß einer einstw. Anordnung ist unzulässig, wenn er nicht bestimmt ist.

2.

Der Antrag ist nur dann bestimmt, wenn er erkennen läßt, welchen Rechtsschutz der Antragsteller begehrt und in welchem Umfange.

 

Tatbestand

1.

Der Ast. ist Eigentümer ausgedehnter, in der LHeide gelegener Grundstücke, die seit Jahren von brit. Stationierungsstreitkräften zur Durchführung von Truppenübungen benutzt wurden. Er beantragt:

Dem Ag., einem BMinister, im Wege der einstw. AO aufzugeben, diejenigen VerwMaßnahmen zu widerrufen bzw. rückgängig zu machen, die es den brit. Truppen gestatten, auf den Grundstücken des Ast. Übungen abzuhalten;

hilfsweise:

geeignete Vorkehrungen zu treffen, daß Übungen durch die brit. Truppen auf den Grundstücken des Ast. nicht mehr stattfinden;

hilfsweise:

dem Ag. andere nach dem Ermessen des Gerichtes geeignete Maßnahmen aufzuerlegen, durch die die Grundstücke des Ast. der Benutzung durch die brit. Truppen entzogen werden.

2.

Das LVG gab dem zweiten Hilfsantrage statt, im Beschwerdeverfahren wurden alle Anträge verworfen.

 

Aus den Gründen:

3.

1. Nach § 54 Abs. 1 MRVO 165 muß die Klageschrift einen "bestimmten Antrag" enthalten. Für einen Antrag auf Erlaß einer einstw. AO, wie ihm der Ast. gestellt hat, fehlt zwar eine entsprechende Bestimmung, weil das Rechtsinstitut der einstw. AO im Prozeßrecht für das verwgerichtliche Verfahren keine Regelung gefunden hat. Läßt man dieses Institut trotzdem auch im VerwGerichtsprozeß zu, so müssen die Vorschriften des § 54 Abs. 1 MRVO 165 auf den Antrag auf einstw. AO entsprechend angewandt werden, weil nur dann das Gericht in der Lage ist, die Anträge zu prüfen und darüber zu entscheiden.

4.

Ein Antrag ist bestimmt, wenn er erkennen läßt, welchen Rechtsschutz der Ast. begehrt und in welchem Umfange. (Vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechtes, 7. Aufl., S. 429.) Das RG führt dazu in seinem Urteil vom 16.2.1929, RGZ 123, 309, aus: "Der Anspruch muß nach Art und Umfang so genau bezeichnet werden, daß jede Ungewißheit vermieden wird. Demgemäß ist auch der Antrag bestimmt zu begrenzen. Die Anforderungen an solche Bestimmtheit müssen freilich je nach Lage des Falles verschieden sein. Genaue Bezeichnung ist aber in der Regel schon darum nötig, weil dem Bekl. vor Verurteilung Gelegenheit gegeben werden muß, sich gegen den Klageanspruch ausgiebig zu verteidigen. ..Auch die Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung und Vollstreckung erheischt genaue Behauptungen darüber, welchen Inhalt und Umfang der Anspruch habe."

5.

Diesen Anforderungen entsprechen die Anträge des Ast. nicht. Der Hauptantrag bezeichnet nicht die VerwMaßnahmen des Ag., die widerrufen bzw. rückgängig gemacht werden sollen. Die vom Ast. beigefügte Erläuterung, daß diejenigen VerwMaßnahmen gemeint seien, "die es den brit. Streitkräften ermöglichen, auf den im Gebiete der Heide belegenen Grundstücke des Ast. Manöver und andere Übungen abzuhalten", ist unzureichend. Durch die fehlende Bestimmtheit ist es dem Ag. unmöglich, sich gegen den Antrag "ausgiebig zu verteidigen". Denn er kann eine Verteidigung nur dadurch führen, daß er darlegt, daß seine VerwMaßnahmen, die irgendwie ursächlich dafür waren, daß die Grundstücke des Ast. für Truppenübungen benutzt werden, rechtmäßig waren. Weil unter "VerwMaßnahmen" nach den Ausfführungen des Ast. nicht VerwAkte im Sinne von § 52 Abs. 1 MRVO 165 zu verstehen sind, kommt ein weiter Bereich von Handlungen des Ag. in Frage, der von seiner Mitwirkung bei den Verhandlungen zum Abschluß des Generalvertrages (BGBl. 1955 II S. 305) und des Truppenvertrages (BGBl. II 1955 S. 321) bis zu informatorischen Besprechungen mit Dienststellen der brit. Streitkräfte reicht. Es ist unmöglich für Ag., alle in diesen Bereich fallenden Handlungen darzulegen und zu rechtfertigen. Außerdem würde der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, die dem Hauptantrag des Ast. entsprechen würde, völlig unbestimmt und eine Vollstreckung einer solchen Entscheidung wegen ihrer Unbestimmtheit unmöglich sein.

6.

Dasselbe gilt für den ersten Hilfsantrag. Der Antragsteller begehrt hiermit "geeignete Vorkehrungen" zur Verhinderung weiterer Truppenübungen auf seinen Grundstücken. Es ist unklar, was hierunter zu verstehen sein soll. Darum hat sich der Ag. darauf beschränkt, hierzu zu behaupten, er sei "seit geraumer Zeit unter Anwendung aller vertretbaren Mittel um die Freigabe der Grundstücke des Ast. bemüht". Ob, wenn diese Behauptung des Ag. zutrifft, tatsächlich der Anspruch des ersten Hilfsantrages erfüllt ist, läßt sich wegen der Unbestimmtheit dieses Antrages nicht feststellen. Auch wäre eine gerichtliche Entscheidung, die den Ag. zu "geeigneten Vorkehrungen" zur Verhinderung weiterer Truppenübungen auf den Grundstücken des Ast. verpflichten würde, wegen ihrer Unbestimmtheit keiner Vollstreckung fähig.

7.

Der zweite Hilfsantrag unterscheidet sich von dem ersten Hilfsantrag wesentlich nur dadurch, daß "nach dem Ermessen des Gerichtes geeignete Maßnahmen" dem Ag. aufgegeben werden sollen, durch die weiteren Truppenübungen auf den Grundstücken des Ast. verhindert werden sollen. Durch diese Formulierung wird lediglich die Beseitigung der dem ersten Hilfsantrag fehlenden Bestimmtheit dem Gericht überlassen. Damit aber wird vom Gericht eine Aufgabe gefordert, die es nicht erfüllen kann und darf. Es ist nach § 22 ff. MRVO 165 dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Verwaltung zu überprüfen, aber nicht ermächtigt, an Stelle der Verwaltung Ermessensentscheidungen zu fällen, die allein dieser zustehen. Weil darum das Gericht keine Auswahl zwischen verschiedenen Maßnahmen treffen kann, die geeignet sein könnten, weitere Truppenübungen auf den Grundstücken des Antragstellers zu verhindern, ist auch der zweite Hilfsantrag nicht genügend bestimmt.

8.

2. Die Anträge des Ast. sind außerdem unzulässig, weil mit ihnen der Erlaß oder die Aufhebung justizfreier Hoheitsakte begehrt wird. Die Zuständigkeit der VerwGerichte ist nach § 22 Abs. 1 MRVO 165 auf Anträge beschränkt, die die Anfechtung von VerwAkten und andere Streitigkeiten des öff. Rechtes mit Ausnahme von Verfassungsstreitigkeiten zum Gegenstand haben. Hierzu gehören nicht Anträge, mit denen justizfreie Hoheitsakte angegriffen werden oder der Erlaß solcher Hoheitsakte begehrt wird. Hierüber besteht in der Rechtsprechung und im Schrifttum Einhelligkeit. Streitig ist allerdings, wie und nach welchen abstrakten rechtlichen Gesichtspunkten derartige justizfreie Hoheitsakte zu bestimmen und gegen die der Gerichtsbarkeit der VerwGerichte unterliegenden Maßnahmen der Verwaltung abzugrenzen sind. (Vgl. hierzu die Übersicht bei van Husen: Gibt es in der VerwGerichtsbarkeit justizfreie Regierungsakte, DVBl. 1953, 70.)

9.

Für die vorliegende Entscheidung ist es nicht erforderlich, auf dieses Rechtsproblem näher einzugehen. Denn Einmütigkeit besteht darüber, daß jedenfalls behördliche Maßnahmen, die nicht zur innerstaatlichen Verwaltung gehören, darunter Maßnahmen der Außenpolitik, die in den Bereich der Beziehung zu ausländischen Staaten fallen, zu den justizfreien Hoheitsakten gehören. (Vgl. van Husen, aaO, S. 72; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 6. Aufl., S. 444.)Hierzu gehören auch die Maßnahmen, deren Widerruf oder Rückgängigmachung oder deren Durchführung der Ast. von dem Ag. mit seinen Anträgen verlangt. Zwischen den Parteien besteht Einmütigkeit darüber, daß eine Einstellung von Truppenübungen auf den Grundstücken des Ast. nur dadurch vom Ag. erreicht werden kann, daß dieser die der Bundesrepublik zustehenden Rechte auf Grund abgeschlossener internationaler Verträge gegen die brit. Streitkräfte geltend macht oder durch Verhandlungen mit diesen eine Freigabe der Grundstücke des Antragstellers zu erreichen sucht. Das aber sind Maßnahmen, die in den Bereich der Außenpolitik, nämlich der Beziehungen der Bundesrepublik zu Großbritannien fallen. Sie sind nicht justiziabel, so daß Anträge im VerwGerichtsverfahren, mit denen die Verpflichtung zur Durchführung oder der Widerruf derartiger Maßnahmen begehrt wird, unzulässig sind.