Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss vom 07.06.1985
- 2 B 36/85
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(weitere Fundstellen: NJW 1985, 2347 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Ast. (NPD) beabsichtigte in der der Ag. (Stadt S.) gehörenden und von ihr betriebenen Festhalle am 15. 6. 1985 einen Bundeskongreß zu veranstalten. Sie beantragte im März 1985 bei der Ag., ihr die Halle hierfür zu vermieten. Die Ag. lehnte dies mit Bescheid sowie mit Widerspruchsbescheid ab und führte unter anderem aus, es sei wegen der angekündigten Gegendemonstrationen mit Ausschreitungen zu rechnen.

2.

Auf den Antrag, die Ag. durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, mit der Ast. einen Vertrag über die Miete der Festhalle am 15. 6. 1985 von 11.00 Uhr bis 22.00 Uhr abzuschließen, hilfsweise gegen Leistung einer Sicherheit von 100000 DM, hat das VG den Verwaltungsrechtsweg als unzulässig bezeichnet und das Verfahren an das LG verwiesen. Die Beschwerde hatte im Rahmen des Hilfsantrags Erfolg.

 

Aus den Gründen:

3.

... II. 1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, da es sich um eine öffentlichrechtliche Streitigkeit i. S. des § 40 I VwGO handelt. Hierfür kommt es auf die richtige Einordnung des nach dem Vorbringen der Ast. geltend gemachten Anspruchs an (Redeker-v. Oertzen, VwGO, § 40, Anm. 6). Es genügt also nicht schon, daß er auf öffentlichrechtliche Normen (hier etwa § 22 NdsGO oder § 5 PartG) gestützt wird.

4.

Vielmehr ist es erforderlich, daß der Anspruch wirklich nach derartigen, eine hoheitliche Beziehung regelnden Normen zu beurteilen ist. Das ist hier deshalb der Fall, weil es sich bei der Festhalle der Ag., auf die sich der Antrag bezieht, um eine "öffentliche Einrichtung" handelte. Damit ist das wesentliche Tatbestandsmerkmal der erwähnten Vergabevorschriften erfüllt. Sie begründen in bezug auf öffentliche Einrichtungen besondere Pflichten der Gemeinden (§ NDSGO § 22 NdsGO) und anderer Träger öffentlicher Gewalt (§ 5 PartG); diese Pflichten gehen über die Rechtsstellung der öffentlichen Hand als Eigentümer von Rechtsgütern (Fiskus) hinaus, sie ergeben sich vielmehr aus deren Funktion als Leistungsträger (Daseinsvorsorge).

5.

Die Festhalle ist eine öffentliche Einrichtung i. S. dieser Vorschriften. Zwar ergibt sich dies nicht aus einer Satzung der Ag.; nach ihrer Darstellung ist die Festhalle auch nicht ausdrücklich als öffentliche Einrichtung gewidmet worden. Eine derartige Versammlungsstätte, die im Eigentum oder in der Verfügungsgewalt einer Gemeinde steht, kann aber auch ohne ausdrücklichen Widmungsbeschluß, etwa durch langdauernde Übung, als öffentliche Einrichtung bereitgestellt werden (§ 2 I 2 NdsGO). Dafür gibt es hier zahlreiche Anhaltspunkte. Der Rat der Ag. hat im Jahre 1981 beschlossen, das Vermögen der Festhallen-GmbH, im wesentlichen also die Halle, zu übernehmen. Eine solche Übernahme eines wirtschaftlichen Unternehmens erfordert nach § 108 I Nr. 1 NdsGO, daß "der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt". Dies spricht dafür, daß der Rat die Festhalle für öffentliche Zwecke zu erhalten bestrebt war und mit der Übernahme mithin eine öffentliche Einrichtung bereitstellen wollte. Die Ag. hat daraufhin die Festhalle im Laufe der Jahre an viele Interessenten für Zwecke vergeben, denen üblicherweise öffentliche Versammlungsstätten dienen, darunter auch für Veranstaltungen (Delegiertentagung, Seniorentreffen) politischer Parteien. Die Vergabe oblag dem Leiter des Ordnungsamtes der Ag ... Auf den Bericht des Ordnungsamtsleiters hat deshalb hier sogleich der Verwaltungsausschuß die Entscheidung an sich gezogen. Folgerichtig sind die Entscheidungen in der Form des Verwaltungsakts und des Widerspruchsbescheides erlassen worden.

6.

Die Bedenken des VG gegen das Vorliegen einer öffentlichen Einrichtung sind nicht überzeugend. Wenn der Ratsbeschluß, die Festhalle zu übernehmen, noch nicht mit konkreten Anweisungen über die Art der Benutzung und die Bedingungen für die Vergabe verbunden wurde, so kann das den Grund gehabt haben, daß gegen die vorläufige Weiterführung der bisherigen Vergabepraxis keine Einwendungen erhoben wurden. Der Umstand, daß die Handhabung der Geschäftsführung der GmbH fortgestetzt worden ist, schließt nicht aus, daß Benutzungsbedingungen beabsichtigt waren und tatsächlich angewandt wurden, wie sie bei kommunalen öffentlichen Einrichtungen (§ 22 NdsGO) üblich sind. Denn auch private Träger einer größeren Versammlungsstätte werden sich bei der Vergabe meist ähnlich verhalten wie Hoheitsträger, jedenfalls wenn sie wegen einer Monopolstellung von einem Abschlußzwang ausgehen. Wird eine Vergabe nach derartigen Grundsätzen durch den hierfür ausdrücklich als zuständig bezeichneten Leiter des Ordnungsamts seitens der Gemeindeorgane über Jahre hindurch zur Kenntnis genommen, so zwingt das zu dem Schluß, daß die dabei angewandten Verwaltungsmaßstäbe von den Organen stillschweigend gebilligt werden. Damit ist die Festhalle als öffentliche Einrichtung nach § 2 I 2 NdsGO für kulturelle, soziale und auch politische Zwecke einheimischer und auswärtiger Veranstalter bereitgestellt worden ...

7.

3. Die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 123 I VwGO) liegen vor.

8.

a) Allerdings darf in einem derartigen vorläufigen Verfahren die in der Hauptsache angestrebte Entscheidung nur ausnahmsweise vorweggenommen werden, wenn ein effektiver Rechtsschutz, der zur Vermeidung unzumutbarer Nachteile erforderlich ist, anders nicht erreicht werden kann (Senat, Beschl. v. 22. 4. 1983 - 2 B 8/83; Kopp,VwGO § 123, Rdnr. 13 m. w. Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Ast. kann nicht darauf verwiesen werden, die Entscheidung über die Verpflichtungsklage abzuwarten, die von ihr nach frühzeitig gestelltem Antrag und abgeschlossenem Widerspruchsverfahren unverzüglich erhoben worden ist. Denn eine vollstreckbare Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist wegen der Ladungs- und Rechtsmittelfristen bis zum vorgesehenen Veranstaltungstermin nicht erreichbar. Nach diesem Termin ist eine Hauptsacheentscheidung für die Ast. nicht mehr von Interesse, weil es sich bei dem Bundeskongreß einer politischen Partei aus organisatorischen Gründen um eine termingebundene Veranstaltung handelt, die nicht beliebig verschoben oder nachgeholt werden kann. Zwar handelt es sich nicht um eine nach dem Parteiengesetz oder der Satzung der Ast. zu diesem Zeitpunkt notwendige Veranstaltung. Sie ist aber nach dem Selbstverständnis der Ast. zum Zwecke der Darstellung ihrer politischen Position gegenüber den Mitgliedern erforderlich; eine solche Selbstdarstellung entspricht der verfassungsrechtlich anerkannten Aufgabe nicht verbotener politischer Parteien (Art. 21 I GG). Es ist auch üblich und muß der politischen Gestaltungsfreiheit der jeweiligen Partei überlassen werden, für solche Tagungen bestimmte Termine festzulegen, etwa um eine Tradition zu pflegen oder durch Anknüpfen an gesetzliche Feiertage ihren Mitgliedern die Teilnahme zu erleichtern. Diese Gesichtspunkte haben nach dem glaubhaften Vorbringen der Ast. auch ihre Terminplanung bestimmt. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob es auch wegen der von der Ast. behaupteten terminlichen Verknüpfung mit dem geplanten Schlesiertreffen am 16. 6. 1985 in Hannover ihr nicht zugemutet werden kann, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

9.

b) Die Ast. erstrebt die einstweilige Regelung eines Rechtsverhältnisses - der Benutzung der Festhalle der Ag. -, um einen wesentlichen Nachteil abzuwenden (§ 123 I 2 VwGO), nämlich zu verhindern, daß der von ihr geltend gemachte Benutzungsanspruch durch Zeitablauf vereitelt wird und der mit der Planung und Vorbereitung des Kongresses verbundene Aufwand nutzlos vertan ist. Eine Regelung erscheint nötig; insbesondere kann von der Ast. für den Fall, daß ihr der geltend gemachte Zulassungsanspruch zusteht, nicht erwartet werden, daß sie sich auf die Möglichkeit einer zeitlichen oder räumlichen Verlegung ihres Kongresses verweisen läßt. Die Ablehnung des Rechtsschutzgesuchs wegen der theoretisch bestehenden Möglichkeit einer Terminverschiebung hätte, wie dargelegt, zur Folge, daß die Ast. gehindert wäre, sich von ihren eigenen, durch politische und parteiorganisatorische Überlegungen bestimmten Terminplanungen leiten zu lassen. Die Ast. würde damit genötigt, langfristig gleichsam auf Vorrat Verpflichtungsklagen zu erheben, mit denen aber Zulassungsansprüche auch nur theoretisch erstritten werden könnten, ohne daß schon terminbezogene Einwendungen mitbeschieden werden könnten.

10.

Die theoretische Möglichkeit, in der näheren oder weiteren Umgebung für den vorgesehenen Termin einen anderen geeigneten Tagungsraum anzumieten, kann dem Rechtsschutzgesuch ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Es ist dem Gericht bekannt, daß die Ast. auch an anderen Orten Schwierigkeiten gehabt hat und haben wird, geeignete Versammlungsstätten zu mieten. Gegenüber privaten Vermietern wird ihr im allgemeinen kein durchsetzbarer Rechtsanspruch zustehen, deren wirtschaftliches Interesse an einer Vermietung wird wegen der befürchteten Reaktionen politisch anders Orientierter meist gering sein. Die Verlagerung der Probleme auf einen anderen Träger öffentlicher Gewalt, der über vergleichbare Räume verfügt, führt nicht weiter und kann deshalb jedenfalls nicht schon die Notwendigkeit einer einstweiligen Regelung des gegenüber der Ag. angebahnten Rechtsverhältnisses in Frage stellen.

11.

4. Der Ast. steht auch ein regelungsfähiger Zulassungsanspruch (in den Grenzen des von ihr gestellten Hilfsantrags) zu. Zwischen den Beteiligten ist unumstritten, daß die öffentliche Einrichtung der Ag. anderen Parteien zur Verfügung gestellt worden ist. Die Ast. hat glaubhaft gemacht (§ 123 III VwGO i. V. mit § 920 II ZPO), daß sie die Zulassung zu einem ihrer politischen Funktion entsprechenden Zweck begehrt. Bei dieser Sachlage "soll" die Ast. anderen Parteien gleichbehandelt werden (§ 5 I 1 PartG i. d. F. vom 15. 2. 1984 - BGBl I, 242). Das bedeutet, daß sie, sofern nicht eine sachlich begründete Ausnahme in Betracht kommt, zu den gleichen Bedingungen wie andere Parteien zur Nutzung der Festhalle zuzulassen ist. Die "Soll-Vorschrift" räumt der Ag. nicht ein weites, unkontrollierbares Versagungsermessen ein, sondern ermöglicht ihr nur, den Gleichbehandlungsanspruch unter bestimmten, in der Rechtsordnung vorgezeichneten Voraussetzungen zu beschränken und ausnahmsweise mit Rücksicht auf höherrangige Rechtsgüter oder vordringliche Interessen abzulehnen. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Partei (vgl. BVerwG, NJW 1984, 813) fallen für die Ag. in diesem Zusammenhang nicht ins Gewicht; hierüber hat, soweit es sich um das politische Wirken einer Partei und deren sonstige Rechtsstellung handelt, allein das BVerfG zu urteilen (Art. 21 II GG).

12.

Zu einem Gleichbehandlungsanspruch mit anderen Parteien und sonstigen Organisationen führt auch die Vorschrift des § 22 I, III NdsGO. Wenn danach das den Einwohnern im Rahmen der bestehenden Vorschriften verliehene Benutzungsrecht "entsprechend" für juristische Personen und Personenvereinigungen gilt, so wird damit die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen nicht auf Ortsansässige beschränkt. Es liegt im Ermessen der Gemeinde, auch Ortsfremde und auswärtige Personenvereinigungen zuzulassen; geschieht dies üblicherweise, so führt dies über den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) zu einer Ermessensbindung (vgl. Senat, Beschl. v. 22. 11. 1983 - 2 B 90/83). Ob die Ast. als Bundespartei schon deswegen, weil jedenfalls örtliche Parteiorganisationen unmittelbar durch § 22 III NdsGO begünstigt werden, diesen auch insoweit über § 5 I PartG gleichgestellt ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn ein unmittelbares Benutzungsrecht findet ebenso wie ein aus der Ermessensbindung hergeleiteter Zulassungsanspruch seine Grenze in dem "Rahmen der bestehenden Vorschriften" (§ 22 I NdsGO, vgl. Senat, Urt. v. 9. 5. 1984 - 2 A 22/83). Gesetzliche Bestimmungen, allgemeine Rechtsgrundsätze und sonstige verbindliche Vorschriften stehen der Zulassung der Ast. zur Benutzung der Festhalle nicht entgegen, ermöglichen allerdings bestimmte Bedingungen und Vorbehalte.

13.

a) Eine Einschränkung des Zulassungsanspruchs ergibt sich aus der Befugnis der Gemeinde, ihre öffentlichen Einrichtungen vor drohenden Beschädigungen zu sichern. Mit dieser Begründung kann aber die Benutzung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel nur verweigert werden, wenn eine ernste Gefahr droht und Schäden auf andere Weise nicht abgewehrt werden können (BVerwGE 32, 333 (337)). Eine Gefahr für die Festhalle durch die Teilnehmer des Kongresses der Ast. befürchtet auch die Ag. nicht. Ihre Besorgnis, gewalttätige Teilnehmer von Gegendemonstrationen könnten Scheiben der Halle einwerfen, die Wände mit Farbbeuteln bewerfen und im Falle eines Eindringens in den Raum die Inneneinrichtung beschädigen, setzt ein Fehlschlagen der in Aussicht gestellten polizeilichen Schutzmaßnahmen voraus. Indessen besteht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, daß die Ordnungskräfte außerstande sein könnten, solche voraussehbaren Übergriffe unmittelbar am Veranstaltungsort zu verhindern. Gegebenenfalls werden sie sich voraussichtlich auf unbedeutende Einzelaktionen begrenzen lassen. Wegen einzelner, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abwehrbarer, sonst aber schnell behebbarer Schäden kann der Benutzungsanspruch insgesamt nicht verneint werden.

14.

b) Eher wahrscheinlich erscheint, auch in Anbetracht des zu erwartenden Einsatzes von Polizeikräften, ein Übergriff gewalttätiger, von der Festhalle ferngehaltener Demonstranten auf öffentliche oder private Einrichtungen im sonstigen Stadtgebiet, und zwar gerade dort, wo es an ausreichenden polizeilichen Sicherungsmaßnahmen fehlt. Solchen unvorhergesehenen Übergriffen könnten andere öffentliche Einrichtungen der Ag. in derselben Weise ausgesetzt sein wie Einrichtungen des Staates, anderer Körperschaften oder privater Eigentümer. Deshalb kann nicht schon der Umstand, daß zu den möglicherweise bedrohten Objekten im Stadtgebiet auch weitere Einrichtungen der Ag. gehören könnten, ihr eine durchgreifende Einwendung gegen die Vergabe der Festhalle verschaffen. Sie muß sich vielmehr insoweit wie jeder andere damit abfinden, daß der Schutz ihrer anderweitigen Einrichtungen und ihres sonstigen Eigentums vor Gewalttätigkeit Dritter eine staatliche Aufgabe ist; wegen möglicher Lücken dieses Schutzes kann nicht die Erfüllung eines Zulassungsanspruchs demjenigen verweigert werden, dessen Vorhaben unbeabsichtigt den Anlaß zu den befürchteten Übergriffen bietet.

15.

c) Auch soweit durch die Übergriffe eine Gefährdung nicht nur des Eigentums, sondern auch höherrangiger Grundrechte wie der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit Unbeteiligter droht, kann dies dem Zulassungsanspruch des Ast. nicht entgegengesetzt werden. Wohl ist es anerkannt, daß sich aus Art. 2 II 1 GG nicht nur Abwehrrechte herleiten lassen; die grundrechtlich geprägte Wertordnung des Grundgesetzes hat zugleich staatliche Schutzpflichten zum Inhalt. Diese binden nicht nur den Gesetzgeber, sondern vor allem im gesetzlich ungeregelten Bereich auch die Verwaltung (vgl. BVerfGE 49, 89 (142) = NJW 1979, 359; BVerfGE 66, 39 = NJW 1984, 601; v. Münch, GG, Art. 2 Rdnrn. 46 ff., 59 m. w. Nachw.). Indessen ist den Gemeinden im Selbstverwaltungsbereich, obwohl ihre Tätigkeit der öffentlichen Gewalt zuzurechnen ist, bisher im allgemeinen nicht die Befugnis zugesprochen worden, zum Schutze der Grundrechte ihrer Einwohner Rechtsbehelfe einzulegen (vgl. VGH München, DVBl 1979, 673 (678)). Deswegen läßt es sich auch nicht ohne weiteres begründen, daß die Gemeinden im Rahmen von Entscheidungen über die Vergabe kommunaler Einrichtungen den indirekt betroffenen Schutzinteressen ihrer Einwohner eine Priorität gegenüber einem Benutzungsanspruch einer Partei einräumen könnten, solange die nach der Rechtsordnung zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Staatsorgane bereit und imstande sind, ihre Aufgabe zu erfüllen. Dabei können zwar Unruhe und Spannungen entstehen. Die damit verbundenen Risiken liegen aber grundsätzlich im Bereich dessen, was in einer auf Demokratie und Meinungsfreiheit aufgebauten Rechtsordnung als Begleiterscheinung öffentlicher politischer Auseinandersetzung in Kauf genommen werden muß. Es ist nicht Aufgabe der Ag., derartige Risiken zu verhindern, indem sie den Anlaß eines politischen Meinungsstreits unterbindet.

16.

Nun hat allerdings der Niedersächsische Minister des Innern der Ag. mit Schreiben vom 24. 4. 1985 mitgeteilt, es könne "nicht ausgeschlossen werden, daß es bei Gegendemonstrationen - insbesondere wenn es sich dabei wie bei dem ... Parteitag in ... - um militante Gruppen handelt - trotz aller polizeilichen Präventivmaßnahmen zu Ausschreitungen kommt, die zumindest vorübergehend eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bewirken". Hierbei handelt es sich nach Ansicht des Senats jedoch nur um eine allgemein gehaltene Prognose eines Risikos der oben gekennzeichneten Art; damit wird nicht auf eine ernste Gefahr und auf den voraussichtlichen Eintritt erheblicher, mit polizeilichen Mitteln nicht abwendbarer Schäden hingewiesen. Der Minister hat nicht auf besondere Umstände oder Sachverhalte aufmerksam gemacht, die auf eine voraussichtliche Erfolglosigkeit der vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen schließen ließen. Auch die Gründe, mit denen die sofortige Vollziehbarkeit des Verbots eines Treffens ehemaliger Angehöriger der ... in ... bestätigt worden ist (Beschl. des 12. Senats dieses OVG v. 16. 5. 1984 - 12 B 53/84), zeigen nicht auf, daß durch die Versammlung von ... Mitgliedern in der Festhalle von ... aus vergleichbaren Gründen eine ähnliche Gefahrenlage hervorgerufen wird. In jenem Fall drohte schon durch die Wahl des Tagungsorts für das Kameradschaftstreffen wegen des historischen Bezuges eine besonders heftige Konfrontation mit Gegendemonstranten, die sich herausgefordert fühlten. Die Ag. hat mit Blick darauf versucht, einen zeitlich-historischen Bezug zum 8. 5. 1945, 40. Jahrestag des Endes der national-sozialistischen Terrorherrschaft, herzustellen, und vermutet, daß dadurch eine starke Motivation zu aufgebrachten Gegenaktionen ausgelöst wird. Auch bei den in den Akten befindlichen Ankündigungen von Gegendemonstrationen wird dieser zeitliche Bezug hergestellt (Schreiben des DGB und der SPD vom 4. 4. 1985 und der DKP vom 22. 4. 1985). Die öffentliche Diskussion um die Gestaltung des Jahrestages und die schon in den vorangehenden Wochen durch Presse, Fernsehen und Gedenkveranstaltungen geweckten Erinnerungen machen verständlich, daß sich dieser Zusammenhang aufdrängte. Es wurde dabei aber nicht berücksichtigt, daß der Jahrestag bei der beabsichtigten Veranstaltung schon etwa 6 Wochen zurückliegen wird und daß die durch einen solchen Gedenktag hervorgerufenen Empfindungen nach seinem Ablauf im allgemeinen wieder in den Hintergrund treten, so daß andere aktuelle Ereignisse die politische Diskussion beherrschen. Dies läßt sich auch für die Zeit nach dem 8. 5. 1945 feststellen. Das schließt zwar ein erneutes Aufflammen heftiger Emotionen nicht aus, wenn sich eine Partei versammelt, von der eine überzeugende Distanzierung gegenüber dem NS-Gewaltregime bisher nicht bekannt geworden ist. Die Akten und das Vorbringen der Beteiligten lassen aber über den Grad der zu erwartenden Erregung von Gegendemonstranten nichts erkennen, was den Bereich bloßer Vermutungen und mithin des oben gekennzeichneten allgemeinen Risikos bei politischen Konfrontationen überschritte.

17.

d) Eine Schranke des Benutzungsanspruchs könnte sich schließlich daraus ergeben, daß er - ähnlich wie es der 12. Senat in dem erwähnten Beschluß für die Versammlungsfreiheit angenommen hat - unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung steht. Soweit diese den staatlichen Schutz des Grundrechts aus Art. 2 II 1 GG zugunsten Unbeteiligter gebietet, ist auf das schon Ausgeführte zu verweisen. In Betracht zu ziehen ist noch ein Schutz der verfassungstreuen Bevölkerung oder von Minderheiten vor Aktivitäten und Parolen, deren Radikalität oder Aggressivität als Beeinträchtigung freiheitlich-demokratischer Grundpositionen empfunden werden könnte. Dies wird etwa in der Eingabe des "Initiativkreises Ausländer" der Arbeiterwohlfahrt vom 25. 4. 1985 deutlich. Zwar ist die Ast. eine nicht verbotene Partei und daher berufen, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 I GG). Das hindert die Ag. aber nicht, zur Verminderung des Risikos von Konfrontationen die Überlassung der Festhalle - wenn dazu Anlaß besteht - von Bedingungen abhängig zu machen wie etwa derjenigen, daß im Saal und davor keine Transparente mit ausländerfeindlichen Parolen angebracht werden dürfen. Allerdings können sich solche Einschränkungen nur auf die äußere Gestaltung und Organisation, nicht auf die Inhalte (Themen des Kongresses, Redebeiträge etc.) beziehen. Die Freiheit zur Äußerung auch solcher Meinungen, die nach dem Verständnis der Ag. zu mißbilligen sind, muß sie der Ast. und den Teilnehmern ihrer Veranstaltung belassen. Das hindert die Ag. nicht, durch ihre gewählten Organe sich in geeigneter Form von politischen Ansichten der Ast. zu distanzieren.

18.

e) Auch ist die Ag. angesichts der angekündigten Gegendemonstrationen berechtigt, schon wegen der von ihr nur befürchteten Beschädigungen von der Ast. zu verlangen, daß sie vor Überlassung der Räumlichkeiten eine Sicherheit leistet (BVerwGE 32, 333 (337)). Die Kaution kann sich dabei auch auf eine Garantiehaftung für Schäden erstrecken, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung durch Dritte an Einrichtungen und Gegenständen der Ag. verursacht werden oder für die sie von etwaigen Drittgeschädigten aus Anlaß der Überlassung der Halle an die Ast. in Anspruch genommen werden könnte. Durch die Kaution dürfen auch etwaige Mehrkosten abgedeckt werden, die durch Einstellung zusätzlicher Hilfskräfte zur schnellen, eine Benutzbarkeit der Halle für die nächste Veranstaltung sichernden Schadensbeseitigung aufgewendet werden müssen.

19.

Wenn die Ag. auf einer derartigen Haftungsgarantie besteht, so kann dies nicht als Mißbrauch ihrer Monopolstellung als Verfügungsberechtigte über eine geeignete Versammlungsstätte angesehen werden. Denn sie ist verpflichtet, ihre Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten (§ 96 II NdsGO). Nutzungsinteressenten, deren Veranstaltungen öffentliche Proteste hervorrufen, müssen sich darauf einstellen, daß ihnen öffentliche Einrichtungen nur zur Verfügung gestellt werden, wenn sie für Folgeschäden einzustehen bereit sind, ohne daß der Träger der Einrichtung jeweils den Nachweis schuldhafter Schadensverursachung führen müßte.

20.

5. Ob auch der Erlaß der einstweiligen Anordnung insgesamt im Ermessen des Gerichts liegt (Kopp, VwGO, § 123 Rdnr. 30) oder eine Rechtsentscheidung ist (Redeker-v. Oertzen, VwGO, § 123 Anm. 17), bedarf hier keiner Entscheidung. Auch wenn ein richterliches Ermessen anerkannt wird, darf von diesem nur nach rechtlichen Maßstäben Gebrauch gemacht werden. Dabei steht das Ziel im Vordergrund, unter den Voraussetzungen des § 123 I VwGO den nötigen einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und damit den Rechtsfrieden zu fördern. Hiervon läßt sich der Senat auch bei der vorliegenden Entscheidung leiten. Zwar könnte wahrscheinlich die Unruhe, von der man annimmt, daß sie in Teilen der Bevölkerung entstehen wird, vermieden werden, wenn die einstweilige Anordnung abgelehnt würde. Damit entfiele die Möglichkeit einer Konfrontation überhaupt. Indessen ist es nicht die Aufgabe der Gerichte im freiheitlich-demokratischen Staat, den Schutz bestehender Rechte dann zu verweigern, wenn deren Ausübung andere zum Widerspruch herausfordert und möglicherweise auch einzelne Gegner zu Protestaktionen veranlaßt, die zu Gewalttätigkeiten führen können. Solche Konflikte müssen in einer von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit wesentlich mitgeprägten Demokratie ertragen und bewältigt werden. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik ist bereit, die Meinungsfreiheit anderer anzuerkennen und - bei aller Härte der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner - die Gewaltanwendung bei politischen Konflikten zu verurteilen. Es besteht deshalb berechtigter Anlaß, darauf zu vertrauen, daß auch die hier als notwendig angesehene politische Auseinandersetzung sachlich geführt und nicht von einzelnen Gruppen als Vorwand für Gewalttaten mißbraucht werden wird.