Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss vom 12.09.1988
- 12 B 37/88
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 (weitere Fundstellen: NJW 1989, 1235 f.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der Ast. betreibt seit 1987 auf dem Grundstück H.-Straße eine Selbstbedienungs-Autowaschanlage mit sechs Waschplätzen. Die Anlage liegt im Bereich des Bebauungsplanes der Ag., das dem Kl. verpachtete Grundstück ist als Fläche für Bahnanlagen ausgewiesen. Es liegt zu den angrenzenden Straßen H.-Straße und A.-Straße erhöht, die Betriebsanlagen zur Straße hin sind durch Anpflanzungen abgegrenzt. Im Osten wird das Grundstück durch Gleisanlagen der Bundesbahn begrenzt. Jenseits der H.-Straße in einer Entfernung von mehr als 70 m liegt eine Wohnbebauung, von der man die Waschplätze sehen kann. Der Ast. betrieb die Anlage auch an Sonn- und Feiertagen. Die Ag. untersagte ihm mit Verfügung vom 16. 4. 1987 den Betrieb der Anlage an Sonn- und Feiertagen. Die Ag. ordnete mit weiterer Verfügung vom 6. 1. 1988 die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung an.

2.

Das VG hat den Antrag des Ast. auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Untersagungsverfügung zurückgewiesen. Die Beschwerde blieb erfolglos.

 

Aus den Gründen:

3.

Auch in sachlicher Hinsicht ist die Sofortvollziehungsanordnung fehlerfrei, da es im Interesse des Sonn- und Feiertagsschutzes geboten ist, daß bereits während des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens die Selbstbedienungswaschanlage des Ast. geschlossen bleibt. Dies ergibt die Abwägung der in der Sache einander gegenüberstehenden Belange des Sonn- und Feiertagsschutzes gegen die gewerblichen Interessen des Ast.

4.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt der Feiertagsschutz auch für automatische Selbstbedienungs-Waschanlagen für Kraftwagen. Dies hat der Senat für das Schleswig-Holsteinische Landesrecht (§ 4 des Gesetzes über Sonn- und Feiertage) bereits entschieden (Beschl. v. 29. 7. 1987 - 12 B 23/87). Auch für das Niedersächsische Landesrecht ist die gleiche Entscheidung getroffen worden (Beschl. v. 16. 5. 1988 - 12 B 44/88). In beiden Fällen hat der Senat seine Entscheidung nicht nur darauf abgestellt, ob das Autowaschen im Selbstbedienungsbetrieb öffentlich bemerkbar ist i. S. des § 4 NdsFeiertagsG, sondern auch die Auffassung vertreten, daß der Autowaschbetrieb dem Wesen der Sonn- und Feiertage widerspricht (§ 4 I NdsFeiertagsG). In beiden Entscheidungen hat der Senat den Autowaschbetrieb in derartigen automatischen Selbstbedienungsanlagen als Handlung eingeordnet, die dem Inhaber des Betriebes zuzurechnen sind. Diese Gesetzesauslegung hat in der Literatur Zustimmung gefunden (vgl. z. B. Mattner, Sonn- u. FeiertagsR, 1988, S. 217, und Pahlke, WiVerw 1988, 90). Der Anlagenbetreiber wird als verantwortlich für die Arbeit der Anlage angesehen. Das gewerbliche Autowaschen gehört nach Auffassung des Senats und der zitierten Literatur zu den typischen werktäglichen Handlungen. Das Waschen von Fahrzeugen ist eine alltägliche Tätigkeit; sie ist für den Betrieb eines Fahrzeuges nicht entscheidend notwendig, sondern dient lediglich dessen Werterhaltung sowie ästhetischen Bedürfnissen, die eine Pflege von Fahrzeugen nahelegen; viele der Fahrzeugeigentümer pflegen ihre Fahrzeuge auch lediglich aus Repräsentationsbedürfnissen. Alle diese Interessen des Fahrzeugeigentümers zwingen ihn nicht dazu, gerade an einem Sonn- oder Feiertag das Fahrzeug zu waschen, solche Tätigkeiten können ohne Nachteile für den Fahrzeughalter an Sonn- und Feiertagen unterlassen und auf den Werktag verschoben werden. An Sonn- und Feiertagen soll gerade im öffentlichen Leben eine spürbare Unterbrechung des werktäglichen Arbeitsprozesses eintreten, der Konkurrenzdruck der Arbeitswelt soll möglichst weitgehend aufgehoben und es soll gewährleistet werden, daß jeder Einwohner unbelastet von den Anstrengungen des Alltags seine Freizeit genießen, seine Liebhabereien verfolgen und seinen seelischen, insbesondere auch religiösen Bedürfnissen nachgehen kann.

5.

Allerdings ist dem Senat bekannt, daß in den Ländern Hamburg und Bremen derartige Anlagen betrieben werden dürfen. Im Lande Hamburg geschieht dies ausdrücklich aus der Erwägung, das private Autowaschen am Straßenrand zurückzudrängen und in Autowaschanlagen zu verlagern, weil moderne Gesichtspunkte des Umweltschutzes, insb. die Reinhaltung des Grundwassers, dies nahelegen. Auch Strafgerichte, so das AG Pforzheim (Urt. v. 15. 8. 1986 - 6 OWi 236/86), legen bei der feiertagsrechtlichen Beurteilung einen "großzügigen Maßstab" an und sehen den Betrieb derartiger Waschanlagen als erlaubt an, wenn sie weder störend sind noch das Ruhebedürfnis von Mitbürgern gefährden. Der Senat sieht indessen keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, obwohl die beiden Niedersachsen benachbarten Stadtstaaten Hamburg und Bremen automatische Autowaschanlagen als erlaubt ansehen. Es hat sich in den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein infolge der konsequenten Rechtsprechung des Senats eine einheitliche Rechtspraxis und Rechtsauffassung gebildet. An dieser muß im Interesse der Kontinuität und Einheitlichkeit der Rechtsentwicklung festgehalten werden. Kein Gewerbetreibender in beiden Ländern, insb. die Betriebsinhaber in den Hamburger und Bremer Randgebieten, können darauf vertrauen, daß alle Richter eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten oder stets an ihr festhalten. Einer solchen einheitlichen Rechtsprechung steht entgegen, daß die Rechtspflege durch die Unabhängigkeit der Richter konstitutionell "einheitlich" ist (BVerfG, NJW 1988, 2787 = DVBl 1988, 782). Es verbleibt sonach bei der bisherigen Rechtsauffassung des Senats.

6.

Der Ast. kann sich auf das feiertagsrechtlich, straßen- und umweltschutzrechtlich möglicherweise nicht erlaubte Autowaschen am Straßenrand nicht berufen, wenn es um die feiertagsrechtliche Beurteilung dieses Tatbestandes geht.