Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 15. Januar 2004
- 8 B 11983/03
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 (weitere Fundstellen: BauR 2004, 644)

 

Leitsatz:

 

Bordell- und Wohnungsprostitution sind als gewerbliche Betätigung in Wohngebieten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig; daran hat das Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 (BGBl. I, 3983) nichts geändert.

 

Aus den Gründen:

1.

Zu Unrecht wendet sich die Antragstellerin gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Bordell- bzw. Wohnungsprostitution in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig ist. Die Ausübung der Prostitution wird mitnichten, wie die Antragstellerin meint, von der Variationsbreite" des Wohnens gedeckt, sondern stellt eine gewerbliche Nutzung dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt [1]. Davon ist hier nach den Feststellungen der Antragsgegnerin, insbesondere angesichts der Internet-Werbung für das „Studio", ohne weiteres auszugehen.

2.

In einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet ist die Ausübung der Prostitution auch nicht ausnahmsweise als „sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb" i. S. von § 34 Abs.2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, folgt dies aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit den dem planungsrechtlichen Begriff des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen [2]. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gehen von der Nutzung zu Prostitutionszwecken Beeinträchtigungen der Wohnruhe aus, die die Grenzen der Gebietsverträglichkeit überschreiten. So belegen die von der Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung mitgeteilten Erfahrungen der Bauaufsicht mit Bordellen in vergleichbaren Wohnlagen, daß es dort nicht selten zu Belästigungen (wie Lärm im Treppenhaus durch unzufriedene oder alkoholisierte Freier, Klingeln an der falschen Wohnungstür u. a., zu schweigen von gewalttätigen Begleiterscheinungen des Rotlichtmilieus) kommt, die das Wohnumfeld erheblich beeinträchtigen und zu Spannungen führen. Ob und inwieweit das hier in Rede stehende Etablissement bereits konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht hat, ist demgegenüber unerheblich.

3.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sich an dieser Bewertung durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 [3] nichts geändert, so daß die davor zu § 4 BauNVO ergangene Rechtsprechung uneingeschränkt anwendbar bleibt. Aus dem sogenannten Prostitutionsgesetz mag über die dort getroffenen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen hinaus eine generelle Änderung sozialethischer Wertungen im Zusammenhang mit der Prostitution ableitbar sein. Sie hat aber keinen maßgebenden Einfluß auf das städtebauliche Leitbild eines dem Wohnen dienenden Baugebietes und auf die negative Einschätzung der Auswirkungen von Bordellen und Wohnungsprostitution auf das Wohnumfeld [4].

4.

Auch die Ermessensausübung der Antragsgegnerin begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Daß sie die hier umstrittene Nutzung jahrelang bewußt geduldet hätte, ist ebenso wenig glaubhaft gemacht wie die Behauptung, gegen Dutzende vergleichbarer Fälle von Wohnungsprostitution in allgemeinen Wohngebieten L. werde nicht eingeschritten.

5.

Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung hat die Antragstellerin auch kein schutzwürdiges Interesse daran, die Bordellnutzung noch bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens fortsetzen zu dürfen, vielmehr überwiegt das öffentliche Interesse, Störungen der Wohnruhe umgehend abzuwehren und Nachahmungseffekte wirkungsvoll auszuschließen.