Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen
Urteil vom 21. Oktober 2014
- 1 A 253/12 -

(weitere Fundstellen: NordÖR 2015, 79 ff.)

 

 

Leitsätze

1.

Das bremische Bestattungsrecht kennt keine Rangfolge zwischen den Bestattungspflichtigen.

2.

 Mehrere Bestattungspflichtige haften für die Kosten einer behördlich angeordneten Bestattung als Gesamtschuldner.

2.

Die Bestattungsbehörde kann sich im Rahmen ihrer Gesamtschuldnerauswahl an den Gesamtschuldner halten, der ihr am leistungsfähigsten erscheint. Ihr Auswahlermessen ist nicht dadurch eingeschränkt, dass sie den sozialhilferechtlichen Antrag eines weiteren Bestattungspflichtigen auf Übernahme der Bestattungskosten (vermeintlich) zu Unrecht abgelehnt hat.

 

Tatbestand

1.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu den Kosten einer Bestattung.

2.

Am 05.05.2009 verstarb in Bremerhaven ihr Bruder. Er hinterließ einen Sohn sowie drei im Bundesland Brandenburg lebende Geschwister; zwei Schwestern und einen Bruder. Das Gesundheitsamt der Beklagten nahm am 06.05.2009 zunächst telefonisch Kontakt zu den drei Geschwistern auf, die es jedoch ablehnten, für die Bestattung zu sorgen. Name und Aufenthaltsort des Sohnes waren der Beklagten zunächst nicht bekannt. Am 13.05.2009 ordnete das Gesundheitsamt die Bestattung als anonyme Feuerbestattung behördlich an. Für die daraufhin durchgeführte Bestattung, die nach Maßgabe einer Vereinbarung zwischen dem Sozialamt und den ortsansässigen Bestattern durchgeführt wurde, entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 2.088,82 Euro. Am 22.08.2009 verstarb der Bruder des Verstorbenen. Das Gesundheitsamt versuchte in den folgenden Monaten, den Sohn des Verstorbenen ausfindig zu machen. Nachdem dies aufgrund aufwändiger Ermittlungen letztendlich erst im Februar 2010 gelang, erließ es am 11.03.2010 gegenüber den beiden Schwestern und dem Sohn des Verstorbenen jeweils einen Bescheid, mit dem es – entsprechend seiner üblichen Verwaltungspraxis – von jedem von ihnen unter Hinweis auf ihre Haftung als Gesamtschuldner die Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.288,82 Euro (2.088,82 Euro Auslagen zuzüglich 200,00 Euro Gebühren) forderte.Hiergegen legte allein die Klägerin am 29.03.2010 Widerspruch ein. Sie habe die Erbschaft ihres Bruders ausgeschlagen. Dadurch entfalle auch ihre Bestattungskostenpflichtigkeit. Außerdem gelte das Bremische Leichengesetz für sie als Brandenburger Bürgerin nicht.

3.

Am 07.04.2010 stellte der Sohn des Verstorbenen beim Sozialamt der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten gemäß § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Dies lehnte das Sozialamt mit Bescheid vom 13.04.2010 mit der Begründung ab, es seien noch weitere Verpflichtete vorhanden, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt seien. Dies gehe zu seinen Lasten. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass eine Ausfertigung dem Gesundheitsamt Bremerhaven zugeleitet werde, so dass sich dieses an die anderen Verpflichteten halten könne. Widerspruch gegen den Bescheid des Sozialamts erhob der Sohn des Verstorbenen nicht. Mit Schreiben vom 28.04.2010 wies das Rechtsamt der Beklagten die Klägerin auf die Möglichkeit hin, ihrerseits einen Antrag nach § 74 SGB XII auf Übernahme der Bestattungskosten zu stellen. Dies lehnte die Klägerin bislang ab.

4.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010, zugestellt am 14.10.2010, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 14.11.2010 Klage erhoben, mit der sie den Bescheid dem Grunde und der Höhe nach angreift. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom OVG Bremen zugelassenen Berufung.

 

Entscheidungsgründe

5.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid des Gesundheitsamts der Beklagten vom 11.03.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010 sind rechtmäßig. Ihre dagegen gerichtete Anfechtungsklage ist unbegründet.

6.

1.Der von der Klägerin angegriffene Kostenbescheid beruht auf § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG vom 27.10.1992 (Brem.GBl. S. 627), zum Zeitpunkt der Bestattung in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes v. 16.05.2006 (Brem.GBl. S. 271). Die Voraussetzungen für die Kostenheranziehung, für die das Gesundheitsamt Bremerhaven als Teil des Magistrats gemäß § 1 der Bekanntmachung über die nach dem Gesetz über das Leichenwesen zuständigen Behörden vom 18.06.1997 (Brem.ABl. S. 288) zuständig ist, liegen vor.

7.

Das bremische Bestattungsrecht regelt die Bestattungs- und Kostenpflicht wie folgt:

8.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 LeichenG haben für die Bestattung die Angehörigen oder die Person, die mit der verstorbenen Person in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt hat, zu sorgen. Im Hinblick auf den Angehörigenbegriff nimmt die Vorschrift Bezug auf die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LeichenG. Angehörige sind danach der Ehegatte oder die Ehegattin, die eingetragene Lebenspartnerin oder der eingetragene Lebenspartner, die volljährigen Kinder, die Eltern oder die volljährigen Geschwister. Wird für eine in eine Leichenhalle eingelieferte Leiche kein Antrag auf Bestattung gestellt, so veranlasst die zuständige Behörde gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 LeichenG spätestens zehn Tage nach Einlieferung die Bestattung. Nach Satz 3 entscheidet die zuständige Behörde bei ihrer Anordnung über Ort, Art und Durchführung der Bestattung, die sodann gemäß Satz 4 durch ein Bestattungsunternehmen erfolgt. Wird kein Antrag auf Beisetzung einer Urne gestellt, so kann die zuständige Behörde gemäß Satz 5 einen Monat nach der Einäscherung die Beisetzung veranlassen. § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG regelt die vorliegend zwischen den Beteiligten umstrittene Kostenpflichtigkeit: Danach werden die Maßnahmen auf Kosten des oder der Pflichtigen vorgenommen.

9.

Die Klägerin ist nach diesen Regelungen dem Grunde nach kostenpflichtig. Als Schwester des Verstorbenen zählt sie zu den bestattungspflichtigen Angehörigen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LeichenG i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 1 LeichenG. Hieraus folgt sogleich ihre Kostenpflichtigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG.

10

2. Das bremische Bestattungsrecht kennt keine Rangfolge zwischen den Bestattungspflichtigen. Aus dem Gesetz folgt sie nicht (a.). Das bremische Landesrecht unterscheidet sich insoweit von den bestattungsrechtlichen Regelungen anderer Bundesländer (b.), ohne dass der Landesgesetzgeber hierdurch gegen höherrangiges Recht, insbesondere Bundesverfassungsrecht, verstoßen hat (c.). Die Klägerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, sie sei gegenüber dem Sohn des Verstorbenen nur nachrangig verpflichtet.

11.

a) § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG selbst sieht keine Rangfolge unter den Bestattungspflichtigen zugunsten der entfernteren Verwandten vor. Eine solche Rangfolge folgt auch nicht aus dem in § 17 Abs. 2 Satz 1 LeichenG enthaltenen Verweis auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LeichenG. § 4 LeichenG regelt die Verpflichtung zur Benachrichtigung des Arztes oder Ärztin, der die Leichenschau vorzunehmen hat. Für diese Verpflichtung sieht § 4 Abs. 1 LeichenG ein Rangverhältnis vor, das bei den in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LeichenG genannten Angehörigen beginnt und bei der "Jedermanns Pflicht" nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LeichenG endet. Für die Bestattungspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 LeichenG folgt hieraus nichts, weil diese Vorschrift sich allein der in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LeichenG enthaltenen Bestimmung des Angehörigenbegriffs bedient.

12.

b) Das bremische Bestattungsrecht weicht im Hinblick auf die Gleichrangigkeit der Bestattungs- und Kostenpflichtigen von den Regelungen anderer Bundesländer ab. Soweit ersichtlich, sehen fast alle Bundesländer ein Rangverhältnis unter den Angehörigen vor. Soweit die Klägerin sich etwa auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen bezieht, besteht dort seit dem 01.09.2003 unter den Hinterbliebenen eine entsprechende Rangfolge (vgl. hierzu OVG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschl. v. 31.03.2006 – 19 E 969/04, juris). Von einer die Angehörigen gleichrangig treffenden Bestattungs- und Kostenpflicht geht, soweit ersichtlich, ebenfalls § 13 Abs. 2 und 5 des hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (GVBl. I 2007, 338, zuletzt geändert durch Gesetz vom 02.02.2013, GVBl. S. 42) i. V. m. § 8 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus.

13.

Bei einem Vergleich der unterschiedlichen Bestattungsgesetze der Bundesländer fällt allerdings auf, dass die bremische Regelung zwar auf eine Rangfolge verzichtet, gleichzeitig aber den Kreis der Bestattungspflichtigen eng hält. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern erstreckt sich die Bestattungspflicht insbesondere nicht auf Enkel und Großeltern. Teilweise weiten die Bundesländer die Bestattungspflicht auch auf Nichten und Neffen sowie auf Verschwägerte ersten Grades aus (vgl. etwa § 15 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der bayerischen Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes vom 01.03.2001, GVBl. 2001, S. 92, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.07.2014, S. 286).

14.

c) Der bremische Landesgesetzgeber ist nicht gehalten, kraft höherrangigen Rechts eine Rangfolge unter den Hinterbliebenen vorzusehen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Die Klägerin rügt die unterschiedliche Ausgestaltung der Bestattungsgesetze der Länder als eine sie willkürlich treffende Ungleichbehandlung. Das überzeugt schon deswegen nicht, weil der Gleichbehandlungsanspruch auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt ist (vgl. BVerfG Beschl. v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54, 68; BVerfG Beschl. v. 12.05.1987 – 2 BvR 1226/83 u. a., BVerfGE 76, 1, 73). Aus Art. 3 Abs. 1 GG kann daher kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt. Im Übrigen ist die unterschiedliche Regelung vergleichbarer Sachverhalte in den Bundesländern Folge der bundesstaatlichen Kompetenzordnung. Darauf hat das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen.

15.

Die von § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG vorgegebene gleichrangige Kostenhaftung der Bestattungspflichtigen verletzt auch kein sonstiges Bundesrecht, das nach Art. 31 GG dem Landesrecht vorgehen würde. Art. 31 GG regelt die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht und setzt daher voraus, dass Regelungen des Bundes- und des Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen können. Eine solche Situation liegt hier ersichtlich nicht vor. Es gibt keine bundesgesetzlichen Regelungen über die Bestattungspflichten der Angehörigen, weil der Bund hierfür keine Gesetzgebungskompetenz besitzt. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die im bremischen Bestattungsrecht vorgesehenen Regelungen zur Kostenpflicht verstießen gegen § 74 SGB XII, regelt diese Vorschrift nicht die ordnungsrechtliche Bestattungspflicht, sondern den sozialrechtlichen Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten (vgl. zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG). Zuletzt verletzt § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG auch nicht insoweit Bundesrecht, als er sich in Widerspruch setzt zu erbrechtlichen Vorschriften, die die zivilrechtliche Pflicht über die Tragung der Beerdigungskosten eigenständig regeln (vgl. z. B. § 1968 BGB im Hinblick auf die Kostenpflicht des Erben). Die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht besteht hiervon unabhängig (vgl. zusammenfassend nur BVerwG Beschl. v. 14.10.2010 – 7 B 56/10, juris m.w.N.).

16.

3. Die dem Grunde nach bestehende Kostenpflicht ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren gegen die Kostenhöhe erhobenen Einwände beruhen auf einem Missverständnis. Sie bezieht sich insoweit auf Gebührenregelungen, die für die Stadt Bremerhaven nicht gelten. Das Verwaltungsgericht hat dies im Einzelnen zutreffend dargelegt (Seite 8 der Urteilsabschrift). Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 130b Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bezug genommen.

17.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht zudem gerügt hat, die Kosten seien für eine Bestattung, "bei der niemand mitgeht", allgemein zu hoch, ist hierfür nach dem Akteninhalt nichts ersichtlich. Die Kostenrechnung des von der Beklagten eingeschalteten Bestattungsinstituts ist Bestandteil der Behördenakte. Die Bestattung erfolgte nach den zwischen der Stadt und den Bestattungsunternehmen vereinbarten Konditionen, die den im Rahmen des § 74 SGB XII geltenden Maßstab ausfüllen sollen. Diesen Sondervereinbarungen liegt als Regelfall eine Kostenübernahme durch die Stadt Bremerhaven zugrunde, so wie auch im Rahmen ordnungsbehördlich angeordneter Bestattungen nicht in jedem Fall leistungsfähige Kostenpflichtige vorhanden sind. Schon wegen dieses Eigeninteresses ist es unwahrscheinlich, dass sie zu Lasten bestattungspflichtiger Angehöriger überhöht sein könnten. Nach den einzelnen in der Rechnung enthaltenen Kostenpositionen ist hierfür auch nichts ersichtlich. Zutreffend hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen einer ordnungsbehördlichen Anordnung eine würdige Bestattung sicherzustellen ist. Dies muss nicht die billigste sein. Insoweit deckt sich der bestattungsrechtliche mit dem im Rahmen des § 74 SGB XII zu beachtenden sozialhilferechtlichen Maßstab.

18.

4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Heranziehung der Klägerin zu den Bestattungskosten in voller Höhe nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

19.

Nach § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG steht die Heranziehung der Bestattungspflichtigen zu den Kosten der behördlich angeordneten Bestattung nicht im Ermessen der Behörde. Eine – eingeschränkte – Ermessensbindung ergibt sich allerdings aus der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Kostenschuldner nach § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG. Soweit die insoweit ergänzend anzuwendenden zivilrechtlichen Vorschriften über die Gesamtschuld dem Gläubiger das Recht geben, die Leistung "nach seinem Belieben" von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern (§ 421 Satz 1 BGB), ist dieses "Belieben" im Hinblick auf eine öffentlich-rechtliche Gesamtschuld zu verstehen im Sinne der Ausübung eines ordnungsgemäßen Ermessens. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu entsprechenden bundesrechtlichen Anordnungen gesamtschuldnerischer Haftung (vgl. etwa BVerwG Urt. v. 22.01.1993 – 8 C 57/91, NJW 1993, 1667, 1669 m. w. N. zu § 1 Abs. 1 Satz 2 AFWoG) und gilt auch im Rahmen des bremischen Gebühren- und Beitragsrechts.

20.

Die insoweit hinsichtlich der Auswahl der Kostenschuldner bestehende Ermessensbindung unterliegt allerdings wichtigen Einschränkungen: Die Anordnung der Gesamtschuldnerschaft bezweckt nicht Schuldnerschutz, sondern Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzugs (vgl. etwa BVerwG Urt. v. 21.10.1994 – 8 C 11/93, juris Rn. 17 m. w. N.). Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht durch überhöhte Anforderungen an das Auswahlermessen umgangen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Behörde im Regelfall nicht verpflichtet, die Gründe ihrer Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Auswahl der Kostenschuldner anzugeben (vgl. BVerwG Urt. v. 21.10.1994 – 8 C 11/93, NVwZ-RR 1995, 305, 308 zu § 25 Abs. 5 SchfG in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung). Unter Einbeziehung des bremischen Gebührenrechts kommt hinzu, dass es nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BremGebBeitrG geboten sein kann, ohne Weiteres erkennbare (sachliche) Billigkeitsgründe bereits im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu berücksichtigen (vgl. hierzu ausführlich Urt. des Senats vom 27.08.2013 – 1 A 22/11, NordÖR 2013, 473), wofür vorliegend nichts ersichtlich ist. Umso weniger besteht Anlass, die von der Behörde vorzunehmende Gesamtschuldnerauswahl letztlich ebenfalls aus Billigkeitsgesichtspunkten zu beschränken.

21.

Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, es lägen im vorliegenden Fall besondere Umstände vor, die die Ermessensentscheidung der Behörde beschränkten, folgt dem der Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, das Gesundheitsamt der Beklagten hätte die Klägerin deshalb nicht im Umfang der vollen Kosten in Anspruch nehmen dürfen, weil das Sozialamt den Antrag des Sohnes des Verstorbenen auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII zu Unrecht abgelehnt habe. Dies überzeugt nicht.

22.

Das Gesundheitsamt der Beklagten hat nicht allein die Klägerin in Anspruch genommen. Stattdessen hat sie gegenüber allen drei gleichrangig verpflichteten Kostenschuldnern Bescheide erlassen. Zwar ist nach dem Akteninhalt anzunehmen, dass sie gegen den anscheinend hilfebedürftigen Sohn des Verstorbenen nicht aus dem Kostenbescheid vollstrecken wird. Hierzu ist sie nicht verpflichtet. Diese Entscheidung ist vielmehr ersichtlich umfasst von der Befugnis des Gläubigers, sich an denjenigen zu halten, der leistungsfähig ist (vgl. etwa BVerwG Urt. v. 23.10.1979 – 1 C 48.74, BVerwGE 59, 13, 19 zu § 24 Abs. 6a Satz 1 AuslG i. d. F. des Gesetzes v. 07.08.1972, BGBl. I S. 1393).

23.

Vor diesem Hintergrund fehlt es von vornherein an der vom Verwaltungsgericht angenommenen Atypik. Soweit es in dem Urteil heißt, die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Verpflichteter führe im Regelfall nicht zu einer unangemessenen Belastung Einzelner, da diese bei Leistung der Gesamtschuld einen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Verpflichteten hätten, überzeugt dies den Senat nicht. Durch die Anordnung einer Gesamtschuld wird das Risiko der Zahlungsunfähigkeit einzelner Gesamtschuldner auf alle Gesamtschuldner verlagert. Wenn alle Gesamtschuldner zahlungsfähig und zahlungswillig sind, bedarf es keiner Gesamtschuld. Der vorliegende Fall zeichnet sich dadurch aus, dass einer der drei verbliebenen Gesamtschuldner nach seinen gegenüber dem Sozialamt nachgewiesenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht leistungsfähig ist und sich die Beklagte als Gläubigerin der Gebührenforderung im Rahmen der Vollstreckung voraussichtlich an die beiden anderen Gesamtschuldner halten wird. Ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt, der das Auswahlermessen der Behörde beschränkt, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.

24.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Überlegung, dass die Beklagte in ihrer Funktion als örtliche Trägerin der Sozialhilfe den Antrag des Sohnes des Verstorbenen nach § 74 SGB XII, für den sie gemäß § 98 Abs. 3 SGB XII örtlich zuständig war, angeblich zu Unrecht abgelehnt hat. Die Frage der Rechtmäßigkeit jenes Ablehnungsbescheides betrifft allein das zwischen dem Sohn des Verstorbenen und dem Sozialamt der Beklagten bestehende Sozialrechtsverhältnis. Der Ablehnungsbescheid ist insoweit bestandskräftig geworden. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts würde demgegenüber dazu führen, dass die Stadtgemeinde (entweder in ihrer Funktion als Trägerin der Ordnungsbehörde oder als Sozialhilfeträgerin) bei Bedürftigkeit einzelner Bestattungspflichtiger im Ergebnis immer deren Kostenanteile zu tragen hätte; unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der übrigen Verpflichteten. Dies ist mit der in § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung nicht zu vereinbaren und widerspricht auch dem Grundgedanken der in § 17 Abs. 2 Satz 6 LeichenG niedergelegten Kostenpflicht, wonach vorrangig die Angehörigen und erst nachrangig die Allgemeinheit für die Kosten der Bestattung aufzukommen haben.

25.

5. Unter dem Gesichtspunkt einer gesamtschuldnerischen Kostenhaftung nach § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG ist es zuletzt auch nicht zu beanstanden, dass das Gesundheitsamt der Beklagten gegenüber allen drei Kostenschuldnern jeweils Bescheide über die volle Summe erlassen hat. Diese Verwaltungspraxis ist von § 13 Abs. 4 BremGebBeitrG i. V. m. § 421 Satz 1 BGB gedeckt, wonach der Gläubiger die Leistung von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann. Dies schließt das Recht ein, gegenüber jedem Gesamtschuldner zunächst den vollen Betrag durch Bescheid festzusetzen. Diese Wahl steht dem Gläubiger bis zur Erfüllung frei (§§ 421 Satz 2, 422 Abs. 1 Satz 1 BGB). Darauf hat der Senat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.

26.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.