Oberlandesgericht München
Urteil vom 20.4.2000
- 6 U 4072/99
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 (weitere Fundstellen: NVwZ 2000, 835 f.)

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Parteien streiten, ob die Bekl. Leistungen, die bis Mitte 1998 in ihrem Gebiet ausschließlich das Elektrohandwerk ausführte und die nicht zur Daseinsvorsorge gehören, erbringen darf. Die Kl. betreibt in München das Elektrikerhandwerk. Sie ist seit Jahren auf den Messen, Märkten und Festveranstaltungen im Raum der Landeshauptstadt München, so z. B. auf dem Oktoberfest als Elektriker tätig und erstellt die von den jeweiligen Marktkaufleuten für ihre „fliegenden Bauten benötigten Elektroinstallationen. Die Bekl. war bis Anfang September 1998 ein Eigenbetrieb der Stadt M. Sie wurde zum 3. 9. 1998 umgewandelt, und zwar in eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Landeshauptstadt München ist. In ihrer Eigenschaft als städtischer Eigenbetrieb schrieb die Bekl. jahrelang bis einschließlich Frühjahr 1998 in diesem Bereich Aufträge der L M aus, so z.B. den Auf- und Abbau von Verteilerschränken und die Elektroinstallationen auf dem Oktoberfest. Die Kl. gewann diese Ausschreibung für das Jahr 1998 und erhielt mit Schreiben vom 13. 5. 1998 den Auftrag. Die Bekl. führte jedoch nach ihrer Privatisierung einige im Vertrag enthaltene Leistungen selbst aus. Außerdem benutzte sie das Oktoberfest dazu, um einige Marktkaufleute als private Auftraggeber für die Erstellung der erforderlichen Einzelanschlüsse zu gewinnen. Sie erhielt auf dem Oktoberfest dann schließlich in ca. 100 Fällen von Marktkaufleuten Privataufträge für Elektroinstallationen mit einem Umsatzvolumen von insgesamt 9640 DM und führte diese aus. Für die Auer Herbstdult in M. akquirierte die Bekl. 20 Privataufträge von Marktkaufleuten, die sie mit einem Umsatzvolumen von 4000 DM erbrachte. Diese Arbeiten wurden bisher durch die auf dem Oktoberfest und der Auer Dult tätigen Handwerksfirmen, u. a. die Kl. ausgeführt. Die Bekl. erreichte auf diese Weise, dass innerhalb kurzer Frist eine Vielzahl von – größtenteils langjährigen – Kunden der Kl. zu ihr überwechselten. Bei der inzwischen erfolgen Ausschreibung der L für das Oktoberfest 1999 hat die Bekl. mit 72060,42 DM das günstigste Angebot abgegeben und den Zuschlag erhalten. Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, elektrische Anlagen zur Erzeugung, Fortleitung, Umwandlung und Abgabe der elektrischen Energie privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Auftrag herzustellen, insbesondere Stromanschlüsse und sonstige Einrichtungen auf Messen, Dulten und gleichartigen Veranstaltungen mit fliegenden Bauten für private oder gewerbliche Auftraggeber zu installieren sowie Arbeiten zu deren Instandhaltung, Reparatur, Auswechslung oder Neuerrichtung privaten oder gewerblichen Auftraggebern anzubieten und/oder in deren Antrag auszuführen sowie für derartige handwerkliche Dienstleistungen zu werben.

2.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. blieb ohne Erfolg.

 

Aus den Gründen:

3.

I. Der Senat hält an der Meinung, auch Art. 87 BayGO sei kein Schutzgesetz i. S. von § 823 BGB fest, billigt aber trotzdem unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bewusstes, auf Dauer ausgerichtetes, planmäßiges (vorsätzliches und fortgesetztes) Handeln, einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG dem unmittelbar Verletzten zu. Im Einzelnen kommen hier folgende Überlegungen zum Tragen:

4.

1. Art. 87 BayGO richtet sich an die Gemeinde. Es macht jedoch keinen Unterschied, ob die Gemeinde das Unternehmen als Eigenbetrieb (Art. 86 Nr. 1) oder als GmbH (Art. 86 Nr. 3) betreibt. Die Gemeinde kann durch die Wahl der Rechtskonstruktion nicht die Rechte eines durch ihre Unternehmenstätigkeit betr. Privaten schmälern. Die Bekl. macht daher vorliegend erfolglos geltend, die Kl. müsste die Stadt M. verklagen – und diese müsste dann als Alleingesellschafterin der GmbH entsprechend auf die Bekl. einwirken oder was sonst auch immer unternehmen.

5.

2. Art. 89 BayGO und nunmehr Art. 87 BayGO geben nach nahezu einhelliger Meinung kein subjektiv öffentliches Recht für einen Dritten, der sich wegen Missachtung der Regelungen verletzt fühlt. Es wird, soweit erkennbar, bezüglich des öffentlichen Rechts allgemein lediglich auf die Rechtsaufsicht verwiesen. Das ist völlig unzureichend. Der Sachverhalt, der der „Blockeis II"- Entscheidung des BGH zu Grunde lag (GRUR 1965, 373 ff.), verdeutlicht dies: Es wurde gegen eine Vorschrift der Gemeindeordnung verstoßen und zwar vorsätzlich und fortgesetzt, die Aufsichtsbehörde hat dieses Verhalten bereits beanstandet und der verfassungsmäßig berufene Vertreter hatte sogar noch die Unterlassung. des beanstandeten Handelns in wiederholten verbindlichen Erklärungen zugesagt (BGH, LM § 1 UWG Nr. 4 = BB 1965, 391 = GRUR 1965, 373 [375])! Völlig zu Recht weist daher von Falck in seiner Anmerkung zu der Entscheidung (GRUR 1965, 376) darauf hin, dass das Erfordernis solcher konkreter „besonderer" Umstände nicht entscheidungsrelevant sein sollte.

6.

3. Andererseits wäre es wenig sinnvoll, auf dem Zivilrechtswege das zu geben, was auf dem Verwaltungsgerichtsweg verweigert wird, also ein Schutzgesetz i. S. von § 823 BGB anzunehmen, dessen einmalige, auch fahrlässige Verletzung, einen Unterlassungsanspruch auslösen könnte. Daher wird auch diese Wertung von Art. 87 BayGO allgemein abgelehnt, soweit ersichtlich.

7.

4. Zutreffend weist der BGH bei diesem Konflikt darauf hin, dass es eine allgemein politische und wirtschaftspolitische Frage ist, ob und welche Grenzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand zu setzen sind, und die Lösung dieser Frage eine Aufgabe des Gesetzgebers ist („Sterbegeldversicherung" BGH, NJW 1995, 2352 = LM H. 8 1995 § 1 UWG Nr. 681 = WRP 1995, 475 [479]) – und nicht eines Gerichts, besetzt mit drei Ziviljuristen, bei der ihm zustehenden Prüfung von Wettbewerbshandlungen nach dem UWG. Andererseits muss der Zivilrichter eingreifen, wenn eine öffentlich-rechtliche Vorschrift die Zulässigkeit und die Grenzen privater Betätigung der öffentlichen Hand in einer Weise regelt, dass es der öffentlichen Hand verwehrt ist, in den Wettbewerb im Markt einzugreifen. Hier sei der Gesetzesverstoß regelmäßig auch als wettbewerbswidrig zu beurteilen (BGH, WRP 1995, 475 [479]). Es kommt dabei auf den Normzweck an.

8.

5. Danach hat der Bayerische Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass dem betroffenen privaten Mitbewerber unter Umständen ein Unterlassungsanspruch nach dem UWG zusteht.

9.

a) Die Gesetzesbegründung zu Art. 87 BayGO lautet wie folgt:

„... Mit den zusammenhängenden Vorschriften von § 5 1 Nr. 1 (Erfordernis eines öffentlichen Zwecks) und Satz 2 (Ausschluss allein auf Gewinnerzielung ausgerichteter Teilnahme am Wettbewerb) will der Gesetzentwurf nicht nur die Kommunen vor den Gefahren überdehnter unternehmerischer Tätigkeit schützen, sondern zugleich auch einer ‚ungezügelten Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand zu Lasten der Privatwirtschaft vorbeugen‘ (so VGH München, BayVBl 1976, 628 – zum Ziel der früheren einschlägigen Beschränkungen). Auch wenn dieses allgemeine Ziel dem einzelnen Konkurrenten kein subjektiv öffentliches Recht einräumt, kann es doch einen vor den Zivilgerichten zu verfolgenden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gem. §§ 1 i. V. mit 13 II UWG begründen (BGH, LM § 1 UWG Nr. 4 = BB 1965, 391 – „Blockeis II"; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1470 = NWVBl 1997, 353 = WRP 1997, 42; OLG Hamm, NJW 1998, 3504 = NVwZ 1999,107 L = JZ 1998, 576)..."

10.

b) Auch wenn die Bekl. nachhaltig darauf hinweist, dass dies nicht maßgebend sein soll, weil im Hinblick auf die Liberalisierung des Strommarkts die Lage der kommunalen Betriebe nicht verschlechtert, sondern das Verhältnis zur Privatwirtschaft beibehalten werden sollte, vermischt sie einerseits die materielle und andererseits die prozessuale Lage. Vorliegend geht es nur um die Frage, ob das Verhalten der Gemeinde, handelnd in der Form einer GmbH, zivilrechtlich auf seine Zulässigkeit hin überprüft werden kann oder nicht, nicht um eine Veränderung der materiellen Rechtslage.

11.

Die von der Bekl. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Umstände ergeben hier nichts zu ihren Gunsten, ebenso wenig die nachgereichten Materialien. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bayerische Gesetzgeber von der Begründung des Regierungsentwurfs abgewichen ist. Soweit bei dieser Prüfung durch das Gericht nachgereichtes Material und Ausführungen der Bekl. berücksichtigt werden, liegt kein Verstoß des rechtlichen Gehörs zu Lasten der Bekl. vor.

12.

c) Die gesetzliche Neuregelung besagt klar, „das allgemeine Ziel" räume dem einzelnen Konkurrenten kein subjektiv öffentliches Recht ein, könne jedoch einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch begründen, wobei hierfür auf drei konkrete Gerichtsentscheidungen verwiesen wird. Diese sollen demnach offenbar die näheren Voraussetzungen wiedergeben.

13.

d) Dabei ist abwegig, wenn die Bekl. geltend macht, die fraglichen Entscheidungen seien sämtlich zu einer Gemeindeordnung ergangen, die zwischenzeitlich geändert sei: Der Gesetzgeber verweist nicht auf jene Gemeindeordnung als „Geschäftsgrundlage", sondern auf einen Unterlassungsanspruch als Rechtsfolge, die auch in Bayern gelten soll. Die Änderung der dortigen damaligen Rechtsgrundlage ist also irrelevant.

14.

e) Eine Analyse der drei Entscheidungen ergibt Folgendes:

aa) Der Leitsatz der Blockeis II-Entscheidung des BGH lautet wie folgt:

„Eine Gemeinde begeht unlauteren Wettbewerb, wenn sie die ihrer privatwirtschaftlichen Betätigung durch die Gemeindeordnung zum Schutz der privaten Mitbewerber gezogenen Grenzen vorsätzlich und planmäßig überschreitet, obwohl sie dem privaten Mitbewerber Unterlassung des Wettbewerbs zugesichert hat und die Aufsichtsbehörde ihr Verhalten beanstandet hat".

15.

Der BGH hat es dabei dahinstehen lassen, ob auch ohne die erschwerenden Umstände der vorsätzliche und planmäßige Verstoß der öffentlichen Hand gegen die Gemeindeordnung in jedem Fall als wettbewerbswidrig angesehen werden müsste (LM § 1 UWG Nr. 4 = BB 1995, 391 = GRUR 1965, 375, bb). Da kein Anhaltspunkt dafür erkennbar ist, dass der Bayerische Gesetzgeber jene wirklich ganz besonderen Umstände (vgl. vorstehend Nr. 2) jeweils als unumgängliche Voraussetzung für einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch kodifizieren wollte, bleiben sie unberücksichtigt. Es genügt also vorsätzliches und planmäßiges Handeln.

16.

Der BGH hat hier im Übrigen klar auch zu den im vorliegenden Rechtsstreit angesprochenen Fragen Stellung genommen, weshalb auf seine Ausführungen verwiesen wird (nur einseitige Bindung, vgl. BGH, LM § 1 UWG Nr. 4 RE 1995, 391 = GRUR 1965, 373 [375] unter 3 a und 3 b, bb, Rechtsverletzung allein nicht stets sittenwidrig, vgl. 3 b an), insbesondere auch auf den Schutz eines abgrenzbaren Personenkreises, nicht der Gesamtheit der Staatsbürger im Allgemeinen, so dass jeder Einzelne geschützt ist, der dem fraglichen Personenkreis angehört. Es ist die schutzlose Lage nach dem Verwaltungsrechtsweg, Verneinung eines Schutzgesetzes i. S. von § 823 II BGB und der Schutz nach dem UWG „unter besonderen Umständen, die nach der jeweiligen Lage des Einzelfalles" zu beurteilen sind, angesprochen, insbesondere bei vorsätzlichen und fortgesetzten Übertretungen.

17.

bb) Die beiden anderen Entscheidungen, OLG Hamm, NJW 1998, 3504 = NVwZ 1999, 107 L = JZ 1998, 576; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1470 = NWVBl 1997, 353 = WRP 1997, 42, gehen davon aus, dass § 107 NWGO dem Schutz der privaten Wirtschaft gegen eine privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinde dient, und daher ein Verstoß gleichzeitig auch sittenwidrig i. S. von § 1 UWG ist (WRP 1997, 43, bzw. JZ 1998, 577). Dabei weist das OLG Hamm darauf hin, dass ein Überschreiten der Entscheidungsbefugnisse der öffentlichen Hand nicht ohne weiteres einen Unterlassungsanspruch herbeiführt. Eine Ausnahme sei jedoch gegeben, wenn die gesetzlichen Vorschriften die entsprechende Betätigung gerade zum Schutz der privaten Mitbewerber verbieten (entsprechend der BGH-Rechtsprechung). Eine Verweisung des Bayerischen Gesetzgebers in der Begründung zum Art. 87 BayGO auf diese Entscheidung des OLG Hamm mit dem Ziel, Art. 87 BayGO solle keine entsprechende Schutzwirkung zuerkannt werden, wäre unsinnig.

18.

cc) Die Verweisungen in der Begründung zu Art. 87 BayGO lassen also nur offen, ob ein Verstoß für sich ausreicht – so die beiden Oberlandgerichte oder besondere Umstände hinzutreten müssen – so der BGH.

19.

f) Der Senat schließt sich auf Grund der Überlegungen unter 3 der Interpretation an, es solle in Bayern die BGH-Lösung gelten, denn sonst wäre auch die Wortwahl „kann" in der Gesetzesbegründung verfehlt, denn ohne Hinzutreten besonderer Umstände stände dem Konkurrenten bei einem Verstoß gegen Art. 87 BayGO sonst der UWG-Anspruch ohne weiteres zu.

20.

6. Die beanstandeten Handlungen stellen einen Verstoß gegen Art. 87 BayGO dar:

21.

a) Es handelt sich nicht um eine unbedeutende Randnutzung vorhandener Ressourcen: Zum einen wäre es bedrückend, wenn die Stadt M. über Jahrzehnte hinweg ihren Eigenbetrieb trotz der Pflicht zur wirtschaftlichen Haushaltsführung nicht entsprechend ausgelastet hätte. Zum anderen startete die Bekl. ihrem eigenen Vortrag nach zum Oktoberfest 1998 lediglich einen „Pilotversuch" ohne Werbung und wurde von Interessenten auf deren Initiative hin angesprochen (so die Einlassung zum Amtsmissbrauch). Sie brauche sich nicht in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, weil die Arbeit von einem einzigen Mann bewältigt werden könne – nach der Eintragung muss sie aber Personal – (9000 Mitarbeiter) und Sachinvestitionen intensiv nutzen, weil sie sonst mit den privaten Stromanbietern nicht mehr konkurrenzfähig ist und auf Dauer gesehen nicht mehr existieren kann. Dieser ausschließlich eigene Vortrag der Bekl. verdeutlich nochmals, wie wichtig ein Rechtsschutz privater Mitbewerber ist, der über den Anspruch auf Prüfung der Rechtsaufsicht hinausgeht. Er offenbart aber auch, dass die Bekl. mit privaten Stromversorgern in der Form konkurrieren will, dass sie künftig Leistungen anbietet, die bisher ausschließlich das Elektrohandwerk erbrachte.

22.

b) Die Bekl. will hier offenbar gezielt auf Dauer neue Tätigkeitsfelder erschließen, ihre Tätigkeit also wesentlich erweitern, Art. 87 I Nrn. 1 und 4 BayGO. Der Satzungszweck der zum 3. 9. 1998, also nach In-Kraft-Treten von Art. 87 BayGO errichteten Bekl. steht einer zulässigen Erweiterung in diesem Sinne schon aus Zeitgründen nicht zur Seite. Es liegt eine wesentliche Erweiterung vor, wenn neue Geschäftsfelder eröffnet werden, die sich nicht lediglich als untergeordnete Annex-Aufgabe zum Unternehmensgegenstand qualifizieren lassen (Widtmann/Grasser, BayGO, Art. 87 Anm. 6 a). Vorliegend fürchtet die Bekl. um ihre Existenz ohne die neue Tätigkeit. Die Verkehrsanschauung und die Tätigkeitsfelder privater Konkurrenzunternehmen ordnen die streitgegenständlichen Arbeiten dem Elektrohandwerk und nicht einem Stromversorger zu.

23.

c) Ein öffentlicher Zweck erfordert diese Tätigkeit nicht. Daseinsvorsorge ist etwas anderes. Der Senat teilt insoweit die Meinung des OLG Hamm:

„Die bessere Auslastung gemeindlicher Einrichtungen durch eine zusätzliche privatwirtschaftliche Betätigung stellt keinen solchen die entsprechende Betätigung rechtfertigenden öffentlichen Zweck dar. Denn das Bedürfnis zu einer solchen Betätigung muss sich von außen ergeben. Es muss ein Bedürfnis gerade der örtlichen Gemeinschaft sein, das eine privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinde erfordert. Die Gemeinde kann sich den die Betätigung rechtfertigenden Zweck nicht selbst schaffen, indem sie die entsprechende Einrichtung so dimensioniert, dass sie nur bei zusätzlicher privatwirtschaftlicher Betätigung wirtschaftlich arbeiten kann".

24.

Widtmann/Grasser (BayGO, Art. 87 Anm. 4 b dort S. 9) sehen das ähnlich. Sie sehen schon den vorübergehenden Einsatz 3 bis zum Abbau von Personal oder Sachmitteln als unzulässig an.

25.

d) Im Übrigen erschiene es als kurios, wenn ein mit drei Personen besetztes Zivilgericht jeweils bei sich ändernden Verhältnissen zu entscheiden hätte, ob es sich noch um Ressourcen-Nutzung handelt oder die Bekl. 10, 20, 50, 100 (oder wieviel auch immer) Personen zuviel beschäftigt und daher die Grenze überschritten ist:

26.

7. Die Regelung des Art. 87 BayGO ist nicht am Europarecht zu messen: Den Kommunen ist eine gewinnorientierte Tätigkeit nach Art. 87 BayGO versagt, während freie Stromversorger eine solche als tragende Grundlage sehen. Das Europarecht dient nicht dazu, diese bewusste Schutzfunktion für Betriebe der öffentlichen Hand zu beseitigen.

27.

8. Der Senat sieht den planmäßigen, vorsätzlichen, auf Dauer angelegten Verstoß der Bekl. als unzulässig i. S. von § 1 UWG an mit der Folge des eingekl. Unterlassungsanspruchs für die Kl.

28.

a) Zu der Photovoltaik-Entscheidung (WRP 1998, 430) besteht kein Widerspruch, da es sich dort um eine zeitlich begrenzte Aktion aus umweltpolitischen Gründen gehandelt hat, der das Unrechtsmoment wie im vorliegenden Fall auf Grund der Umstände des Einzelfalles fehlt. Es bestand damals nur nicht die Notwendigkeit für den Senat einer so eingehenden Begründung.

29.

b) Der Bekl. wird auch nicht generell geboten, bei einer Fehlersuche den Kunden im Stich zu lassen, wenn der Fehler erkannt wird, aber im Privatbereich nach der Stromübergabe liegt. Es kommt stets auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, die eingangs erwähnten „besonderen Umstände" werden bei solchen Situationen in der Regel nicht vorliegen.

30.

Mangels eines Schutzgesetzes sind durch fahrlässige Verstöße oder einzelne Überschreitungen der Grenzen nicht geeignet, einen Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG auszulösen.

31.

c) Abschließend ist anzumerken, dass zu dem Abgrenzungsbereich zwischen Handwerk, kommunalen Unternehmen gem. Art. 86, 87 BayGO und privaten Stromversorgern angesichts der Liberalisierung des Strommarktes sicher noch viel gedacht und geschrieben wird, soweit dies noch nicht geschehen ist (vgl. z. B. die Stellungnahmen von Prof. Dr. Köhler). Anfang April fand eine Anhörung hierzu im Bayerischen Landtag statt.

32.

Der Senat hat versucht, anhand der Rechtsprechung, der Gesetzesmaterialien, einer historischen und teleologischen Auslegung und der Frage eines effektiven, aber nicht überzogenen Rechtsschutzes eine Lösung nach der derzeitigen Rechtslage aufzuzeigen, ist aber der Ansicht, dass hier nicht Richter, sondern die Volksvertretung eine Regelung herbeiführen sollte, falls die derzeitige Rechtslage diese nicht interessengerecht gewährt, wie der BGH in der „Sterbegeldversicherung" (WRP 1995, 479) schon betont hat.