Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss vom 07.03.1979
- RReg 4 St 220/78
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 (weitere Fundstellen: BayOblGSt 1979, 34 f.)

 

Leitsatz

 

Der Verkauf von Porno-Magazinen an einer Filmkasse fällt unter das Ladenschlußgesetz. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Erwerb der Pornohefte zugleich zum unentgeltlichen Besuch einer Pornofilmvorführung berechtigt.

 

Aus den Gründen:

1.

Die GmbH, deren Geschäftsführer der Angeklagte ist, betreibt in zahlreichen Städten sogenannte "Sex-Shops", in denen Sexartikel aller Art, insbesondere auch illustrierte Sex-Magazine verkauft werden. Dies geschieht ua in einem Geschäft in W., das im wesentlichen aus einem Verkaufsraum und einem Filmvorführraum mit 26 Sitzplätzen besteht, in welchem Filme pornographischen Inhalts gezeigt werden; dieser Raum und der Verkaufsladen haben einen gemeinsamen kleinen Vorraum. Jugendliche haben keinen Zutritt. Der Ladenraum ist werktags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Gleichzeitig mit der Öffnung des Ladens beginnen im angrenzenden Raum die Porno-Filmvorführungen, die bis zum 9.10.1977 bei Ladenschluß endeten und seit 10.10.1977 auf Anordnung des Angeklagten über den Ladenschluß hinaus bis 23 Uhr stattfinden. Zutritt hierzu hat während der Ladenöffnungszeiten jeder erwachsene Kunde des Sexgeschäfts, der zuvor irgendeinen beliebigen Artikel, von denen der billigste, nämlich eine Packung Präservative, 2 DM kostet, gekauft hat. Nach 18 Uhr liegen im Vorraum weiterhin Sex-Magazine zum Preis von 5 DM, der auch dem Ladenpreis entspricht, zum Verkauf bereit. Jedermann, der ein solches Sex-Magazin erworben hat, ist zum Besuch der Non-Stop-Filmvorführungen berechtigt.

2.

Auf Grund dieses Sachverhalts haben die Vorinstanzen gegen den Angeklagten, dem ein Vergehen nach § 184 Abs 1 Nr 7 StGB zur Last lag, wegen einer fortgesetzten Ordnungswidrigkeit nach §§ 1, 3 Abs 1 Nr 2, § 24 Abs 1 Nr 2 Buchst a LSchlG eine Geldbuße festgesetzt. Die Revision des Angeklagten blieb erfolglos.

3.

1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Vergehens nach § 184 Abs 1 Nr 7 StGB verneint.

4.

Im gegebenen Fall muß davon ausgegangen werden, daß die Filme mit pornographischem Inhalt unentgeltlich vorgeführt worden sind. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konnte in der Zeit von 10 Uhr bis 18 Uhr jeder erwachsene Kunde des Sexgeschäftes bei Erwerb irgendeines Artikels, von denen der billigste, eine Packung Präservative, 2 DM kostete, der Filmvorführung ohne Entrichtung eines weiteren Entgeltes beiwohnen. Irgendein Aufschlag auf die Ladenpreise, die auch die Kunden bezahlen mußten, die die Filmvorführungen nicht besuchten, sondern lediglich Waren im Geschäft kauften, wurde nicht erhoben. Von 18 Uhr bis 23 Uhr war der Eintritt zu den Filmvorführungen vom Erwerb eines Sex-Magazins zum Preis von 5 DM abhängig. Der gleiche Preis wurde aber auch beim normalen Ladenverkauf in der Zeit von 10 Uhr bis 18 Uhr verlangt. Er entspricht auch einer normalen Kalkulation, da der Einkaufspreis schon 2,60 DM betragen hat. Aus diesen Feststellungen, daß für die gebotenen Leistungen nur jeweils der normale Ladenpreis für den gekauften Artikel gefordert wurde, muß geschlossen werden, daß die Filmvorführung unentgeltlich gezeigt wurde. Eine unentgeltliche Vorführung von pornographischen Filmen ist nach § 184 Abs 1 Nr 7 StGB nicht strafbar.

5.

2. a) Dagegen stellt der Verkauf der Sex-Magazine ab 18.30 Uhr einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 Nr 2, § 3 Abs 1 Nr 2, § 24 Abs 1 Nr 2a des Gesetzes über den Ladenschluß (LSchlG) dar. Bei dem Abgabeort der Magazine handelt es sich zumindest um einen Verkaufsstand, von dem von einer festen Stelle aus (stehender Gewerbebetrieb iS von § 14 GewO) ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden (§ 1 Abs 1 Nr 2 LSchlG). Entgegen der Auffassung der Revision enthält das angefochtene Urteil insoweit keinen Widerspruch. Aus ihm ergibt sich eindeutig, daß das Landgericht von einem Verkauf der Magazine im Vorraum und nicht im eigentlichen Ladenraum ausgegangen ist. Der Verkauf kann an jedermann erfolgen. Selbst wenn Magazine nur an Besucher der Filmvorführungen abgegeben würden, könnte dies nichts daran ändern, da dieser Umstand die Filmbesucher nicht zu einem zusammengehörigen Personenkreis macht; sie sind lediglich ein Ausschnitt aus dem allgemeinen Publikum (vgl Sigl Ladenschlußgesetz Anm 5b zu § 1), da zudem jedem Erwachsenen der Kauf des Magazins und der Eintritt zu den Filmvorführungen möglich ist.

6.

An der Wareneigenschaft der Sex-Magazine ändert sich auch dadurch nichts, daß ihr Erwerb zugleich zum Besuch der Filmvorführung berechtigt. Da, wie unter 1. ausgeführt, die Filmvorführung unentgeltlich erfolgt ist, kann der Zweck der nach Ladenschluß abgewickelten Geschäfte von der Sicht des Angeklagten her nur der Verkauf der Sex-Magazine sein, der allerdings durch die Filmvorführungen angeregt werden soll. Dieser Verkauf ist aber nach 18.30 Uhr verboten (§ 3 Nr 2 LSschlG).

7.

b) Aber auch dann, wenn man in der Vorführung der Filme die eigentliche Leistung sehen wollte, die für den Kunden erbracht wird, wäre der Verkauf der Sex-Magazine während der Ladenschlußzeiten verboten.

8.

Ein gewohnheitsrechtlich zulässiger Zubehörhandel liegt insoweit nicht vor. Darunter versteht man einen Verkauf von Waren, der Bestandteil eines anderen Gewerbebetriebs ist und eine notwendige Ergänzung zu dessen Leistungen darstellt (Sigl aaO Anm 9). Der Zubehörhandel darf immer nur eine Nebenleistung zu einer (anderen) Hauptleistung des nicht an den Ladenschluß gebundenen Unternehmens sein. Ob eine Ergänzung der Hauptleistung vorliegt, richtet sich nach der allgemeinen Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Verbraucherbedürfnisse und der Verbrauchergewohnheiten (Bek des BStMWV vom 5.5.1958, WVMBl 1958, S 59; Erbs/Kohlhaas Anm 1g zu § 1 LSchlG; Gaisbauer Gewerbearchiv 1978, 215, 216; Reuss Wirtschaftsverwaltungsrecht II 1964 S 863, 864, 866; Michel/Kienzle 7. Aufl Anm II zu § 7 GaststG). So ist zB die Abgabe von Süßwaren in Lichtspielhäusern (OVG Hamburg vom 15.10.1954, DVBl 1955 S 195; Sigl, LSchlG S 79), ferner die Abgabe von Schallplatten sowie Textbüchern, soweit sie den mit der Hauptleistung verfolgten Zweck fördern und thematisch auf die Hauptleistung bezogen sind, bei Opernveranstaltungen, Theaterveranstaltungen und Konzertveranstaltungen gewohnheitsrechtlich zulässig (Erbs/Kohlhaas Anm 1g zu § 1 LSchlG).

9.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Pornomagazine stellen keine Ergänzung der Pornofilme dar. Die einzige Gemeinsamkeit liegt hier darin, daß es sich in beiden Fällen um eine Publikation von Pornographie handelt. Nach den bindenden Feststellungen des landgerichtlichen Urteils diente die Lektüre weder zum besseren Verständnis des Films noch wurde sie gekauft um ein während des Kinobesuchs auftretendes zusätzliches Bedürfnis des Publikums zu befriedigen. Selbst wenn einzelne Besucher den Wunsch nach den in den Schriften enthaltenen Informationen gehabt haben sollten, wäre es nicht notwendig, daß dieses Bedürfnis durch ein Feilhalten der Schriften während der Ladenschlußzeiten befriedigt wird. Anders als zB bei Programmheften, beziehen sich die in Frage stehenden Magazine nicht auf die Filmvorführungen, so daß ein berechtigtes Interesse an einer aktuellen Information hier nicht bejaht werden kann. Der Wert der Magazine leidet auch nicht, wenn sie nur während der gesetzlich zulässigen Ladenöffnungszeiten erworben werden können. Den Erwerbern ist es auch zumutbar, die Magazine außerhalb der allgemeinen Ladenschlußzeiten zu kaufen (vgl hierzu BVerwG Gewerbearchiv 1976, 171, 172). Verbrauchergewohnheiten wie sie sich in Filmtheatern für den Verzehr von Eis unmittelbar vor Beginn der Filmvorführungen herausgebildet haben, bestehen hier nicht (vgl dazu Ebner, Gewerbearchiv 1976, 216, 217, 223, der die Meinung vertritt, daß auch der Verkauf von Aufklärungsbüchern und Schallplatten mit Filmmusik nicht üblicherweise zu Filmveranstaltungen gehöre). Für die Pornomagazine muß hier das gleiche gelten wie für das übrige Sortiment eines Sex-Shops. Von einer allgemeinen Verkehrsauffassung, daß der Verkauf von Sexartikeln an Besucher von Pornofilmveranstaltungen nicht dem Ladenschlußgesetz unterliege, kann keine Rede sein.

10.

c) Das Vorgehen des Angeklagten ist hier auch nicht etwa, wie die Verteidigung meint, unter dem Gesichtspunkt des § 184 Abs 1 Nr 7 StGB gerechtfertigt. Von einer Verpflichtung der Kinobetriebe, Pornofilmvorführungen etwa unter Befreiung von den Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes mit dem Verkauf von Waren zu koppeln, kann keine Rede sein. Mit der Entgeltklausel des § 184 Abs 1 Nr 7 StGB sollte keine Ausnahmegenehmigung für Pornofilmveranstaltungen geschaffen werden. § 184 StGB dient dem Jugendschutz und dem Schutz Erwachsener vor unverlangter Konfrontation mit Pornographie. Durch die Entgeltklausel sollte eine Abgrenzung der Filmtheater, in denen die Vorführung pornographischer Filme unterbleiben sollte, von anderen Unternehmen erreicht werden. Bei diesen ging der Gesetzgeber davon aus, daß die Unkosten für die Filmvorführung durch den Preis für die weiteren Leistungen abgegolten würden, und der Aufschlag für die Vorführung in der Endabrechnung nicht überwiege. Die Vorführung pornographischer Filme sollte in Bars und Gaststätten sowie in ähnliche Betriebe abgedrängt werden (BVerfG vom 17.1.1978 - 1 BvL 13/76). Eine auch nur teilweise Freistellung von Lichtspielunternehmen, die Pornovorführungen mit Warenverkauf koppeln und damit den eigentlichen Zweck des § 184 Nr 7 StGB umgehen, von den Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes ist somit auch von dem Ziel des Gesetzgebers her gesehen nicht gewollt.

11.

3. Das Landgericht ist mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gekommen, daß ein etwaiger Verbotsirrtum des Angeklagten jedenfalls vermeidbar war.

12.

Auch die Bußgeldzumessungserwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.

13.

4. Die getroffenen Feststellungen legen es nahe, daß der Angeklagte auch gegen die Zugabeverordnung vom 9.3.1932 (RGBl I S 121) in der Fassung des EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl I S 469) verstoßen hat. Zugaben sind vom Verkehr wirtschaftlich eigenständig gewertete Zuwendungen, die zusätzlich und unberechnet neben dem Gegenstand entgeltlicher Hauptgeschäfte (Ware, Leistung) in Aussicht gestellt oder gewährt werden und die geeignet sind dem kaufenden Publikum das Hauptangebot besonders vorteilhaft erscheinen zu lassen (Hoth-Gloy Zugabe und Rabatt Anm 10 zu § 1 ZugabeVO). Nach obigen Ausführungen ist den Käufern eines Sex-Magazins oder eines sonstigen Gegenstandes aus dem Laden unentgeltlich der Eintritt zu Filmvorführungen gewährt worden. Daß kostenlose Vorführungen pornographischer Filme beim Kauf pornographischer Magazine weder handelsübliches Zubehör noch handelsübliche Nebenleistungen im Sinn des § 1 Abs 2d ZugabeVO darstellen, ist in der Rechtsprechung anerkannt und bedarf keiner näheren Ausführungen (OLG Karlsruhe GewArch 1977, 206, OLG Köln GewArch 1977, 67f; OLG Münster GewArch 1978, 60, 61). Der Umstand, daß der Angeklagte hierwegen nicht verurteilt wurde, beschwert ihn nicht. Zu einer Aufhebung des Urteils bestand deshalb insoweit kein Anlaß (Löwe/Rosenberg 23. Aufl RdNr 23 zu § 354 StPO).