Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 16.01.1997
- 4 A 12/94
-

 (weitere Fundstellen: BVerwGE 104, 29 ff.)

 

Leitsätze:

1.

Die Haftungsregelung des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG ist in ihrem Kernbereich eine schon vor Erlaß eines Ausführungsgesetzes unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage (wie Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45).

2.

Der unmittelbar anwendbare Kernbereich der Haftungsregelung des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG erfaßt nur vorsätzliche, nicht aber auch grob fahrlässige Pflichtverletzungen (Fortentwicklung des Urteils vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45).

 

Tatbestand:

1.

Die klagende Bundesrepublik Deutschland begehrt von dem beklagten Land Ersatz für einen Schaden, der bei der Verwirklichung eines Straßenbauvorhabens im Rahmen der Auftragsverwaltung entstanden ist.

2.

Die Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz stellte durch Planfeststellungsbeschluß vom 2. Mai 1984 den Ausbau der Bundesstraße ... in D. fest. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens wurden durch Beschlüsse der Bezirksregierung K. als Enteignungsbehörde vom 5. Mai 1986 und 23. März 1987 zwei Grundstücke in der Gemarkung D. enteignet. Im Grundbuch waren zum Zeitpunkt der Enteignung Grundschulden in Höhe von 350 000 DM eingetragen. Als Enteignungsentschädigung wurden insgesamt 94 220 DM festgesetzt. Die bestehenden Grundschulden wurden nicht aufrechterhalten und die Hinterlegung der Entschädigungsbeträge bestimmt. Der Entschädigungsbegünstigte blieb unbestimmt.

3.

Im Januar 1987 ordnete das Amtsgericht D. auf Antrag des Straßenbauamtes D. die Hinterlegung eines Teilbetrags der Entschädigung in Höhe von 91 770 DM an. Das Antragsformular hatte ein Verwaltungsangestellter des Straßenbauamtes unter Mithilfe eines Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichts im Gerichtsgebäude teilweise ausgefüllt und später vervollständigt; der Geschäftsstellenbeamte hatte als Empfangsberechtigte lediglich den Namen der Grundstückseigentümerin - versehen mit dem Zusatz "a.)" - eingetragen. Bei der Vervollständigung des Antragsformulars unterblieb jedoch die Bezeichnung des Grundschuldgläubigers als des vorrangigen Berechtigten. Der Betrag wurde im Februar 1987 zur Zahlung an das Amtsgericht - Hinterlegungsstelle - angewiesen. Der Entschädigungsbetrag für das weitere Flurstück wurde in gleicher Weise im Mai 1987 beim Amtsgericht D. hinterlegt. Auch hier wies der Hinterlegungsantrag nur die Grundstückseigentümerin als Berechtigte aus.

4.

Im Juni 1988 zahlte die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts den für das größere der beiden Grundstücke hinterlegten Betrag einschließlich Zinsen an die Grundstückseigentümerin aus, nachdem diese die Auszahlung an sich selbst verlangt hatte. Der Grundschuldgläubiger verlangte im August 1988 die Auszahlung des hinterlegten Betrages. Auf dieses Begehren erhielt er von dem beklagten Land im Juni 1993 zunächst die als Enteignungsentschädigung für beide Grundstücke festgesetzten Beträge und im Dezember 1993 die darauf entfallenden Zinsen für die Zeit seit Besitzüberlassung der enteigneten Grundstücke, insgesamt nach Auskunft des Beklagten an die Klägerin 134 046,65 DM.

5.

Die Klägerin hat am 22. September 1994 im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Klage auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens erhoben. Sie ist der Ansicht, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei gegeben. Die anhängig gemachte Streitigkeit wurzele im Fernstraßenrecht, auch wenn die Anspruchsgrundlage selbst eine Norm der Verfassung sei. Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG sei im Verhältnis zwischen Bund und Ländern unmittelbar anwendbar und begründe eine Haftung für die objektiv pflichtwidrige Ausführung von Bundesgesetzen. Die Vorschrift greife zwar erst bei einer groben Verletzung der Pflicht zu ordnungsmäßiger Verwaltung ein, doch liege ein solcher Fall vor: Der Bedienstete des Straßenbauamtes habe aufgrund der Beratung im Amtsgericht gewußt, daß das Antragsformular unvollständig ausgefüllt gewesen sei, da die Bezeichnung des Erstattungsberechtigten noch gefehlt habe. Dieses Verhalten sei grob fahrlässig gewesen.

6.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 134 046,65 DM zuzüglich 4 v.H. Prozeßzinsen seit dem 22. September 1994 zu zahlen.

7.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

8.

Die Klage sei unzulässig. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei nicht gegeben. Es handle sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit; einzige Anspruchsgrundlage sei Art. 104 a Abs. 5 GG. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Art. 104 a Abs. 5 GG enthalte einen Verfassungsauftrag, aber ohne Erlaß eines Ausführungsgesetzes keine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage. Selbst wenn man annähme, daß Art. 104 a Abs. 5 GG als Anspruchsgrundlage dienen könne, so seien jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht gegeben. Der Fehler, der bei der Vervollständigung des Hinterlegungsantrags aufgetreten sei, überschreite die Schwelle der groben Fahrlässigkeit nicht. Ursächlich für die Schädigung der Klägerin sei im übrigen nicht das Verhalten der Landesbediensteten gewesen, sondern das Auszahlungsverlangen der Grundstückseigentümerin. Derartige Fälle seien vom Normzweck des Art. 104 a Abs. 5 GG nicht erfaßt. Die Durchführung eines Enteignungsverfahrens sei nicht als eine dienstrechtliche Hauptpflicht von Bediensteten der Straßenbauverwaltung anzusehen. Auch dies spreche gegen eine Anwendung des Art. 104 a Abs. 5 GG. Eine ausdehnende Auslegung dieser Vorschrift auf eine verschuldensunabhängige Haftung schließlich sei ohne Ausführungsgesetz nicht begründbar.

9.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Gründe:

10.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des ihr in Höhe der Klageforderung entstandenen Schadens.

11.

1. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gegeben, die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen vor. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art besteht nicht. Das Bundesverwaltungsgericht ist auch instanziell zuständig, wie sich aus § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ergibt (ebenso BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 - BVerwG 7 A 4.73 - Buchholz 11 Art. 104 a Nr. 2; Urteil vom 27. März 1980 - BVerwG 4 A 1.77 - Buchholz 11 Art. 104 a Nr. 4; Urteil vom 18. April 1986 - BVerwG 8 A 1.83 - BayVBl 1987, 23 und 55; Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45; Urteil vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 A 1.92 -; Urteil vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 A 5.92 - NVwZ 1995, 991).

12.

Der Streit wurzelt im einfachen Recht. Den Beteiligten geht es im Kern nicht um die Sicherung und gegenseitige Abgrenzung der ihnen von der Verfassung zugewiesenen Rechte und Pflichten (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juli 1961 - 2 BvG 2/58, 2 BvE 1/59 -, BVerfGE 13, 54 <72>; Urteil vom 22. Mai 1990, 2 BvG 1/88, BVerfGE 81, 310 <329>). Das folgt auch nicht aus der geltend gemachten Anspruchsgrundlage. Im Streit steht vielmehr lediglich die Berechtigung von Sekundäransprüchen zum Ausgleich von Rechtsverletzungen auf der Ebene des einfachen Rechts. Zu einem finanziellen Schaden bei der Klägerin hat die fehlerhafte Durchführung der Hinterlegung im Enteignungsverfahren geführt. Mit diesem Schadensersatzbegehren tritt die Klägerin gegenüber dem beklagten Land nicht als Verfassungsorgan auf, sondern als Beteiligte eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses.

13.

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens.

14.

2.1. Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG kann Grundlage eines Schadensersatzbegehrens wegen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern sein. Die Vorschrift ist jedenfalls in einem Kernbereich auch ohne Erlaß des in Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG genannten Ausführungsgesetzes anwendbar. Der Senat schließt sich in dieser Frage der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesverwaltungsgerichts an (ausführlich BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45; ebenso Urteil vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 A 1.92 -; Urteil vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 A 5.92 - NVwZ 1995, 991; vgl. auch Urteil vom 30. November 1995 - BVerwG 7 C 56.93 - Buchholz 11 Art. 104 a GG Nr. 15).

15.

Allerdings ist Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG sowohl hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen konkretisierungsbedürftig. Dies allein unterscheidet die Vorschrift jedoch nicht von zahlreichen anderen Verfassungsnormen. Es hindert insbesondere ihre interpretative Vervollständigung nicht, sofern diese auf einen - eng zu verstehenden - Haftungskern beschränkt bleibt. Daß Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG dem Gesetzgeber den Auftrag zur näheren Ausgestaltung der Haftung nach Art und Umfang erteilt, rechtfertigt nicht die Annahme, der Vorschrift fehle jeglicher unmittelbar anwendbare Gehalt. Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte mit der Formulierung des Art. 104 a GG eine sofort wirksame Haftungsregelung erreichen (im einzelnen BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1994, a.a.O.). Dies findet im Wortlaut der Vorschrift hinreichenden Ausdruck. Der Verfassungsgesetzgeber betont mit der Beschränkung auf einen ausfüllungsfähigen offenen Rahmen in derartigen Fällen lediglich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Das zeigt ein Vergleich mit anderen Verfassungsnormen, in deren Anwendungsbereich das "Nähere" erst durch den einfachen Gesetzgeber geregelt werden soll. Die Beschränkung des Verfassungstextes auf eine knappe Festlegung von Grundzügen bedeutet nicht, daß die in der Verfassung selbst enthaltenen Aussagen ohne Ausgestaltungsgesetz nicht anwendungsfähig wären. Dies trifft auch auf Art. 104 a Abs. 5 GG zu. Dessen Satz 1 ordnet eine Haftung für eine "ordnungsmäßige Verwaltung" im Verhältnis zwischen Bund und Ländern an. Damit werden Haftungssubjekt und Haftungsgrund genannt, so daß hinreichende Anknüpfungspunkte für eine konkretisierende Auslegung vorliegen.

16.

2.2. Die Rechtsprechung ist jedoch nicht befugt, für den Zeitraum bis zum Erlaß des vom Verfassungsgesetzgeber erwarteten Ausführungsgesetzes bereits ein vollständiges und differenziertes Regelungsmodell zu formulieren und anzuwenden. Vielmehr muß sie sich auf das zur Sicherung der Effektivität verfassungsrechtlicher Vorschriften Notwendige beschränken. Die konkretisierende Auslegung des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG muß dies bei der Bestimmung des ohne Ausführungsgesetz anwendbaren Normkerns beachten. Sie erfordert eine Auseinandersetzung mit einer Fülle denkbarer Haftungsfälle und muß zugleich die Besonderheiten des bundesstaatlichen Verhältnisses von Bund und Ländern berücksichtigen.

17.

Angesichts des insoweit offenen Wortlauts des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG wäre etwa die Anknüpfung an schuldhaftes Handeln von Amtsträgern ebenso denkbar wie eine Haftungszurechnung, welche die objektive Pflichtwidrigkeit der schadensverursachenden Handlung zum Ausgangspunkt für eine Haftung nimmt; auch eine Differenzierung hinsichtlich der Schuldformen steht dem Gesetzgeber offen. Daneben mögen weitere Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, die den Kreis der traditionellen Haftungsmodelle verlassen und angesichts der Unterscheidung zwischen Ausgabenverantwortung und Verwaltungshoheit beispielsweise den Begriff der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung als spezifisch bundesstaatlichen Anknüpfungspunkte für eine Haftung im Bund-Länder-Verhältnis mit eigenständigen Rechtsfolgen verstehen. Weiter kann auch hinsichtlich der Haftungsfolge - voller Schadensersatz oder bloße Weiterleitung eines im Innenverhältnis zwischen Schädiger und Dienstherrn bestehenden Haftungsanspruchs - unterschieden werden. Diese unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten nötigen im Hinblick auf den in Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG erteilten Gesetzgebungsauftrag dazu, bei der Handhabung der Vorschrift bis zum Erlaß eines Ausführungsgesetzes Zurückhaltung zu üben.

18.

Ausgehend von diesen Grundsätzen löst jedenfalls vorsätzliches Handeln die Haftung nach Art. 104 a Abs. 5 GG aus (BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1994 und 2. Februar 1995, a.a.O.). Vorsätzlich schädigendes Verhalten wird in aller Regel unabhängig davon, welches Haftungsmodell der Gesetzgeber in Ausführung des ihm obliegenden Gesetzgebungsauftrags wählen mag, im bundesstaatlichen Gefüge von Bund und Ländern zu einem Ausgleich entstandener Schäden führen. Dies erfordert der Begriff der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung. Derartige Fälle sind nach allgemeiner Rechtsüberzeugung grundsätzlich als haftungsbegründend einzuordnen. Sie erfüllen ohne weiteres sowohl den Tatbestand schuldhaften Handelns als auch den einer groben objektiven Pflichtverletzung und wären gleichermaßen auch im Rahmen eines gesetzlich ausgestalteten Haftungsmodells jenseits der traditionellen Handlungshaftung erheblich. Es gibt keinen Anhalt dafür, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber hiervon in Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG abweichen wollte. Insofern hält der erkennende Senat die in einer früheren Entscheidung (Urteil vom 27. März 1980 - BVerwG 4 A 1.77 - Buchholz 11 Art. 104 a GG Nr. 4) geäußerten Zweifel nicht mehr aufrecht.

19.

Dies gilt indes nicht in gleicher Weise für den Fall einer grob fahrlässigen Schädigung. Mit der Einbeziehung auch der groben Fahrlässigkeit in den "Haftungskern" des Art. 104 a Abs. 5 GG würde der Weg zu einem auf dem Gedanken der Handlungshaftung beruhenden Haftungsmodell in zu weitgehender Weise beschritten. Damit würde die Rechtsprechung gleichsam als "Ersatzgesetzgeber" fungieren und die dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegende Aufgabe der näheren Ausgestaltung der Haftung übernehmen. Dies gilt bereits für die Frage, ob überhaupt fahrlässiges Handeln in ein Haftungsmodell einbezogen werden soll oder ob nicht beispielsweise - wie dies seinerzeit erörtert wurde - eine Anknüpfung an das Gebot der Bundestreue zu eigenständigen Haftungsregeln führen könnte (vgl. BTDrucks V/2861 S. 86, und die Gegenäußerung der Bundesregierung ebenda S. 94). Das gilt angesichts der Schwierigkeit, die "grobe" Fahrlässigkeit zuverlässig einzugrenzen (vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rz 421 ff.) erst recht für die Frage, welche Formen der Fahrlässigkeit zu einer Haftung im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgesehenen Auftragsverwaltung führen sollen und wie diese gegeneinander abzugrenzen sind. Die Erstreckung des "Haftungskerns" des Art. 104 a Abs. 5 GG auf Fälle der groben Fahrlässigkeit ist auch im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der von der Haftungsregelung betroffenen Interessen nicht erforderlich. Art. 104 a Abs. 5 GG regelt die Haftung für ordnungsmäßige Verwaltung allein im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Schäden, die einem der staatlichen Hoheitsgewalt unterworfenen Bürger durch nicht ordnungsmäßige Verwaltung entstehen, zugleich eine Verletzung von Rechtspositionen darstellen und deshalb das Bedürfnis nach weitergehendem Schutz auslösen, werden von der Vorschrift nicht erfaßt, sondern sind Gegenstand des Staatshaftungsrechts. Im föderalen Verhältnis von Bund und Ländern obliegt es nach Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG dem einverständlichen Zusammenwirken der Beteiligten, detaillierte Regelungen für den Ausgleich von Schäden zu formulieren, ohne daß die besondere Schutzbedürftigkeit eines der beteiligten Verfassungssubjekte von vornherein dafür sprechen würde, über ein enges Verständnis der unmittelbar anwendbaren Haftungsnorm in Satz 1 der Vorschrift hinauszugehen.

20.

Einer Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 2 VwGO bedarf es nicht. Die Frage der Haftung auch für grobe Fahrlässigkeit war in keiner der zu Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG ergangenen Urteile entscheidungstragend: Während den Entscheidungen vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - und 5. Februar 1995 - BVerwG 2 A 5.92 - (jeweils a.a.O.), die Haftung für vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen (Veruntreuungen) zugrunde liegt, betrifft die weitere Entscheidung vom 5. Februar 1992 - BVerwG 2 A 1.92 - die Erstattung von Personalkosten für einen wegen seiner Tätigkeit im Bezirkspersonalrat von seiner dienstlichen Tätigkeit im Rahmen der Auftragsverwaltung freigestellten Mitarbeiter. Die Frage, ob an grob fahrlässiges Handeln eine Bund- Länder-Haftung auf der Grundlage nur des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG anknüpfen kann, spielte in keinem dieser Fälle eine entscheidungstragende Rolle.

21.

2.3. Die Klägerin kann jedoch im vorliegenden Fall den Ersatz des ihr entstandenen Schadens nicht verlangen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des in Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG enthaltenen "Haftungskerns" nicht vorliegen.

22.

Als Anknüpfungspunkte für eine mögliche Haftung kommt das Verhalten des Verwaltungsangestellten des Straßenbauamtes D., des Leiters dieser Behörde sowie des Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichts D. - Hinterlegungsstelle - in Frage. Indes kann für keine dieser Personen die Annahme vorsätzlichen Handelns begründet werden. Der Geschäftsstellenbeamte des Amtsgerichts ist seiner Beratungspflicht dadurch gerecht geworden, daß er zwar die ihm gegenüber benannten Angaben in das Antragsformular eingetragen, gleichzeitig aber deutlich gemacht hat, daß noch Ergänzungen auch hinsichtlich der berechtigten Personen erforderlich seien. Auch für den Verwaltungsangestellten des Straßenbauamtes und seinen Vorgesetzten gilt nichts anderes. Allerdings haben beide dadurch, daß sie die Vervollständigung des erkennbar unvollständigen Hinterlegungsantrags versäumt bzw. den erkennbar unvollständigen Antrag unterzeichnet und abgesandt haben, die für die spätere Auszahlung an die nicht berechtigte ehemalige Grundstückseigentümerin wesentliche Ursache gesetzt. Es wäre auch ohne große Schwierigkeit möglich gewesen, die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des Hinterlegungsantrags zu erkennen. Die Enteignungsbeschlüsse der Bezirksregierung K. benennen den Grundschuldgläubiger als weiteren Berechtigten, das Formblatt für den Hinterlegungsantrag sieht ausdrücklich die Nennung von "Personen" vor, die als Berechtigte in Betracht kommen und aufgrund der Beratung durch den Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichts und seiner Eintragungen in das Formblatt war deutlich, daß die mit "a)" begonnene Aufzählung noch zu vervollständigen war. Ob dieses Verhalten als grob fahrlässig oder "nur" fahrlässig einzustufen ist, kann offen bleiben, da jedenfalls kein vorsätzliches Verhalten festzustellen ist.