Bundesverwaltungsgericht
Urteil vom 2.2.1995
- 2 A 1/92
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 (weitere Fundstellen: RiA 1995, 240 ff.)

 

Leitsatz:

 

Die Personalkosten für einen Beschäftigten einer Katastrophenschutzzentralwerkstatt, der nach seiner Wahl in den Bezirkspersonalrat vom Dienst freigestellt wird, trägt weiterhin der Bund. Dieser hat gegen das Land weder aus Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG noch aus öffentlich-rechtlicher Erstattung einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten (Fortführung der Rechtsprechung des 11. Senats im Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 -)

 

Zum Sachverhalt:

1.

Der klagende Bund verlangt vom beklagten Land die Erstattung der für einen früheren Arbeiter im Katastrophenschutzdienst gezahlten Bezüge für die Zeit, die er nach seiner Wahl in den Bezirkspersonalrat von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt war.

 

Aus den Gründen:

2.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist für den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (Urteile vom 27. März 1980 - BVerwG 4 A 1.77 - <Buchholz 11 Art. 104 a Nr. 4> und vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - <DVBl 1994, 1307, 1308>). Die Wurzel des Rechtsstreits liegt im einfachen Gesetzesrecht, denn er betrifft im wesentlichen die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus der personalvertretungsrechtlichen Freistellung eines im Katastrophenschutzdienst beschäftigten Landesbediensteten auf die Kostentragungspflicht des Bundes gemäß Art. 104 a Abs. 2 GG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes - KatSG - vom 9. Juli 1968 (BGBl I S. 776) i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Februar 1990 (BGBl I S. 229) ergeben. Einfaches Gesetzesrecht prägt mithin das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis. Dieses behält seinen einfachgesetzlichen Charakter ungeachtet dessen, daß der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich oder ausschließlich von der Anwendung und Auslegung einer Verfassungsnorm abhängt (Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - <a.a.O.> m.w.N.). Zuständig für die Entscheidung ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz.

3.

Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren in erster Linie auf Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG. Wie der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem, den Beteiligten bekannten Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - (a.a.O.) im einzelnen ausgeführt hat, enthält diese Vorschrift schon vor Erlaß des nach Art. 104 a Abs. 5 Satz 2 GG vorgesehenen Ausführungsgesetzes eine unmittelbar geltende Anspruchsgrundlage für die Haftung eines Landes gegenüber dem Bund in Fällen wie dem vorliegenden. Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG bildet allerdings nur für solche Haftungsfälle eine geeignete und unmittelbar anwendbare Haftungsgrundlage, die einem Kernbereich von Haftung zuzuordnen sind, nicht jedoch für jene, die einem weiter gezogenen Haftungskreis zugerechnet werden müssen (Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - <a.a.O.> S. 1308 ff.).

4.

Eine Haftung nach Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG besteht danach nur bei schwerwiegenden vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Pflichtverletzungen (Urteil vom 18. Mai 1994 - BVerwG 11 A 1.92 - <a.a.O.> S. 1310). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an.

5.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Klage keinen Erfolg haben, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten nicht vorliegen.

6.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KatSG handeln die Länder einschließlich der Gemeinden und Gemeindeverbände, soweit ihnen die Ausführung dieses Gesetzes obliegt, im Auftrag des Bundes (Art. 85 Abs. 1 GG). Das gilt auch für die Einrichtung und den Betrieb der Katastrophenschutzzentralwerkstätten (§ 5 Abs. 3 KatSG). Die Kosten, die den Ländern durch dieses Gesetz, durch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften aufgrund dieses Gesetzes und durch Weisungen der zuständigen Bundesbehörden entstehen, werden nach Art. 104 a Abs. 2 GG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KatSG vom Bund getragen; persönliche und sächliche Verwaltungskosten werden nicht übernommen (Halbsatz 2). Diese zuletzt genannte Einschränkung bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Verwaltungskosten, die den mit der Durchführung des Katastrophenschutzgesetzes beauftragten Behörden erwachsen, nicht aber auf die Kosten der Katastrophenschutzeinrichtungen, zu denen auch die Zentralwerkstätten zählen. Deren Kosten sind Zweckkosten, die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 KatSG der Bund zu tragen hat (vgl. hierzu auch Roeber/Goeckel, Kommentar zum Katastrophenschutzgesetz, Stand: 1.4.1994, § 14 Rn 4). Damit steht Nr. 10 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Kosten der Erweiterung des Katastrophenschutzes (KatS-Kosten-Vwv) vom 27. Februar 1972 (GMBl S. 192) in Einklang, wonach der Bund gemäß Nr. 10 Abs. 1 die Kosten der Zentralwerkstätten und gemäß Nr. 10 Abs. 3 Buchst. a und b KatS- Kosten-Vwv die Vergütung der Angestellten und die Löhne der Arbeiter trägt. Demgemäß sind auch die Personalkosten des Kraftfahrzeughandwerkers J. für Rechnung des Bundes geleistet worden.

7.

Im Bereich der Bundesauftragsverwaltung bleibt die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Angelegenheit der Länder (Art. 85 Abs. 1 GG). Die Landesbehörden unterstehen gemäß Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden. Die Bundesaufsicht erstreckt sich dabei gemäß Art. 85 Abs. 4 Satz 1 GG auf Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung. Die von den Ländern für den Vollzug des Gesetzes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes eingesetzten Bediensteten bleiben daher Bedienstete des jeweiligen Landes mit der Folge, daß auf sie weiterhin Landesrecht anzuwenden ist. Das gilt auch für den Kraftfahrzeughandwerker J., der 1984 in den Bezirkspersonalrat gewählt und gemäß § 51 i.V.m. § 42 Abs. 3 Satz 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespersonalvertretungsgesetz - LPVG) vom 3. Dezember 1974 (GVBl S. 1514) i.d.F. vom 18. Dezember 1984 (GVBl S. 29) von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt worden ist. Diese Freistellung ist eine zwingende Folge der Anwendung des Landespersonalvertretungsgesetzes und stellt damit keine Pflichtwidrigkeit im Sinne des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG dar. Die Anwendung und Beachtung der Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes durch den Beklagten entspricht vielmehr einer ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne dieser Haftungsnorm.

8.

Der Beklagte hat sich auch nicht dadurch pflichtwidrig verhalten, daß er J. nicht an eine Behörde versetzt hat, die landeseigene Aufgaben wahrnimmt. Das beklagte Land war rechtlich zu einer solchen Maßnahme nicht verpflichtet, zumal § 43 LPVG die Versetzung von Personalratsmitgliedern nur zuläßt, wenn dies aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidlich ist und der Personalrat zustimmt.

9.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht mit Erfolg auf das Rechtsinstitut des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs stützen, so daß es keiner Entscheidung darüber bedarf, inwieweit ein solcher Anspruch neben der Regelung des Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG, insbesondere im Hinblick auf das noch nicht ergangene Ausführungsgesetz, bestehen kann. Der in der Rechtsprechung seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt eine Leistung ohne Rechtsgrund bzw. eine sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung im Rahmen öffentlich- rechtlicher Rechtsverhältnisse voraus (BVerwGE 71, 85 <87 f.>; Urteile vom 30. November 1990 - BVerwG 7 A 1., 2. und 3.90 - <Buchholz 445.5 § 1 Nrn. 4 bis 6> m.w.N.). Das wäre nur dann der Fall, wenn der Bund die Kosten für das freigestellte Mitglied des Bezirkspersonalrats nicht mehr hätte tragen müssen, weil die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 KatSG für eine Kostentragungspflicht vom Zeitpunkt der Freistellung an nicht mehr vorlagen. Der Senat hält jedoch die Kostentragungspflicht des Bundes weiterhin für gegeben. Es trifft zwar zu, daß J. nach seiner Freistellung tatsächlich nicht mehr für den Katastrophenschutz tätig war. Gleichwohl ist er nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Beschäftigter der Katastrophenschutzzentralwerkstatt geblieben. Diese ist in ihrer Gesamtheit eine Einrichtung des Katastrophenschutzes, deren Personalkosten - wie oben dargelegt - der Bund zu tragen hat. Zu den Personalkosten gehören auch die Bezüge eines nach Landesrecht rechtmäßig für eine örtliche oder überörtliche Personalvertretung ganz oder teilweise freigestellten Beschäftigten (während die Bezüge anderer freigestellter Mitglieder überörtlicher Personalvertretungen, auch soweit diese für Katastrophenschutzeinrichtungen mit zuständig sind, den Bund nicht belasten). Darauf, ob im Einzelfall ein Beschäftigter - ohne Verstoß gegen Rechtsvorschriften - tatsächlich im Katastrophenschutz verwendet wird, kommt es rechtlich nicht an.