Bundesverfassungsgericht (2. Senat)
Beschluss vom 19.12.1956
- 2 BvQ 2/67
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 (weitere Fundstellen: BVerfGE 6, 7 ff.)

 

 

 

Beschluß des Zweiten Senats vom 19. Dezember 1967 - 2 BvQ 2/67 - in dem Verfahren über den Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur endgültigen Entscheidung des Organstreitverfahrens 2 BvE 1/67 a) dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen auf Grund des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773) zu erteilen, b) dem Bundesminister der Finanzen zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten, c) den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes bereits empfangen haben, nicht zu verfügen

   
   

 

Aus den Gründen:

 

II.

1.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig.

2.

Ob die Antragstellerin ordnungsmäßig vertreten ist und ob sie mit ihrem am 11. Oktober 1967 in der Hauptsache eingegangenen Hilfsantrag die Bedenken gegen die Zulässigkeit ihrer Organklage (vgl. BVerfGE 20, 134 [135, 140]) und damit auch die Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (BVerfGE 7, 367 [371]) ausgeräumt hat, kann dahingestellt bleiben. Die Unzulässigkeit des Antrages ergibt sich bereits aus anderen Gründen.

3.

1. Soweit die Antragstellerin begehrt, dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zu verbieten, Auszahlungsgenehmigungen an die politischen Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu erteilen, kann sie ein Rechtsschutzbedürfnis nicht dartun.

4.

Der Präsident des Deutschen Bundestages hat den im Bundestag vertretenen Parteien die sich aus § 39 Abs. 2 PartG ergebenden Erstattungsbeträge sowie die Abschlagszahlungen im zweiten Jahr der fünften Wahlperiode des Deutschen Bundestages Ende Juli 1967 und die Abschlagszahlungen im dritten Jahr der fünften Wahlperiode im Oktober 1967 ausgezahlt. Eine einstweilige Anordnung, die dem Bundestagspräsidenten aufgeben würde, diese Beträge nicht auszuzahlen, könnte nicht vollzogen werden.

5.

Die fünfte Wahlperiode hat am 19. Oktober 1965 begonnen; an diesem Tag ist der fünfte Deutsche Bundestag zum ersten Mal zusammengetreten (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG). Da die Abschlagszahlungen im zweiten und dritten Jahr der Wahlperiode schon geleistet sind, kann die nächste Abschlagszahlung frühestens am 19. Oktober 1968 gezahlt werden (§ 20 Abs. 1 PartG). Gemäß § 32 Abs. 5 BVerfGG tritt eine einstweilige Anordnung aber bereits nach drei Monaten außer Kraft. Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung besteht daher zur Zeit kein Rechtsschutzbedürfnis.

6.

2. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht auch nicht für den Antrag, dem Bundesminister der Finanzen zu verbieten, Auszahlungen an politische Parteien auf Grund des Parteiengesetzes zu leisten. Allein der Präsident des Deutschen Bundestages ist die mittelverwaltende Stelle. Die Erstattungsbeträge nach § 18 PartG werden von ihm festgesetzt und ausgezahlt (§ 19 Abs. 2 PartG). Der Bundesminister der Finanzen ist am Erstattungsverfahren nicht beteiligt.

7.

3. Der Antrag, den politischen Parteien zu gebieten, über Geldbeträge, die sie auf Grund des Parteiengesetzes empfangen haben, nicht zu verfügen, ist unzulässig, weil ein solches Gebot die Grenzen überschreiten würde, die dem Bundesverfassungsgericht durch § 32 BVerfGG gesetzt sind.

8.

a) Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht "im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln". Die Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung wird durch den Streitfall begrenzt. Eine einstweilige Anordnung muß sich darauf beschränken, den Zustand, das heißt den Sachverhalt vorläufig zu regeln, der die verfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit ausgelöst hat (BVerfGE 8, 42 [46]). In dieser Begrenzung kann die Wirkung einer einstweiligen Anordnung über den Kreis der Verfahrensbeteiligten hinaus auf diejenigen erstreckt werden, die imstande sind, auf die durch die einstweilige Anordnung vorläufig zu regelnden tatsächlichen Verhältnisse einzuwirken und sie zu gestalten, die also in diesem Sinne "sachverhaltsbeteiligt" sind (BVerfGE 12, 36 [45]).

9.

b) Die vier im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien sind am Organstreit nicht beteiligt. Sie sind auch nicht "Sachverhalts-Beteiligte": Die Weiterverwendung der Beträge, welche die Parteien nach dem Parteiengesetz erhalten haben, berührt den Sachverhalt, der die verfassungsrechtliche Meinungsverschiedenheit ausgelöst hat, nicht; denn im anhängigen Organstreit geht es um die Abgrenzung der Kompetenzen von Bundestag und Bundesrat hinsichtlich der Bereitstellung staatlicher Mittel zur Erstattung der Wahlkampfkosten an die politischen Parteien. Die Bereitstellung und Auszahlung dieser Mittel kann nur durch die Stellen beeinflußt werden, die über staatliche Mittel verfügen können. Die Parteien sind dazu nicht in der Lage (BVerfGE 20, 18 [24]).

10.

Ob, wie und wann die politischen Parteien über Beträge verfügen dürfen, die sie auf Grund verfassungsrechtlich umstrittener Maßnahmen staatlicher Organe erhalten haben, ist nicht Gegenstand des Organstreites. Diese Frage betrifft mithin nicht einen Zustand, der im Hinblick auf den Organstreit durch eine einstweilige Anordnung vorläufig geregelt werden könnte, sondern Folgerungen, die nach Abschluß des Organstreites aus der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Maßnahmen gezogen werden könnten.