Bundesverfassungsgericht (1. Senat)
Beschluß vom 18. Juli 1979
- 1 BvR 655/79
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 (weitere Fundstellen: BVerfGE 51, 405 ff.)

 

Leitsatz:

 

Soweit der Gemeinschuldner nach § 6 Abs. 1 KO in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beschränkt ist, hat er nicht die Fähigkeit, rechtswirksam eine Verfassungsbeschwerde zu erheben.

 

 

 

Aus den Gründen:

 

II.

1.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig

2.

Wegen der Eigenart der verschiedenen verfassungsgerichtlichen Verfahren können allerdings die entsprechenden Bestimmungen anderer Verfahrensgesetze, insbesondere §§ 51 ff. ZPO, nicht ohne weiteres entsprechend angewandt oder der ihnen zugrunde liegende Rechtsgedanke ohne weiteres allgemein auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht übertragen werden (BVerfGE 1, 87 [88 f.]; 28, 243 [254]). Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde richtet sich deshalb die Fähigkeit, die erforderlichen Verfahrenshandlungen vorzunehmen, nach der Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte und deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis (vgl. BVerfGE 28, 243 [254] m. w. Nachw.).

3.

2. Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens verliert der Gemeinschuldner die Befugnis, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht wird durch einen Konkursverwalter ausgeübt (§ 6 Abs. 1 und 2 KO). Das Eigentum bleibt weiterhin in der Hand des Gemeinschuldners. Er kann lediglich vom Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens an über dieses Vermögen nicht mehr verfügen und es auch nicht verwalten. Hierdurch soll die gemeinschaftliche Befriedigung aller persönlichen Gläubiger des Gemeinschuldners sichergestellt werden (§ 3 Abs. 1 KO).

4.

Landgericht und Oberlandesgericht ziehen aus der Regelung des § 6 KO den Schluß, daß der Grundstückseigentümer, der während eines Zwangsversteigerungsverfahrens in Konkurs falle, insoweit die Rechte eines Beteiligten nicht mehr ausüben könne. An seine Stelle trete der Konkursverwalter. Diese Auffassung steht mit dem Grundgesetz in Einklang.

5.

§ 6 Abs. 1 KO ist eine den Inhalt des Eigentums bestimmende Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ist durch Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt und entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung steht auch mit den übrigen Verfassungsnormen in Einklang (vgl. hierzu BVerfGE 21, 150 [155]; 25, 112 [117]; 42, 263 [295, 305]). Ihr Zweck ist die gemeinschaftliche Befriedigung der persönlichen Gläubiger des Gemeinschuldners. Ist dieser hierzu nicht mehr in der Lage, müssen einseitige Maßnahmen zugunsten oder zu Lasten eines Gläubigers verhindert werden. Dem dient primär die Übertragung des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf einen Konkursverwalter.

6.

Die berechtigten Belange des Beschwerdeführers als Gemeinschuldner werden dadurch gewahrt, daß er sich gegen den Beschluß über die Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen mit Rechtsmitteln wenden kann (§ 109 KO). In diesem Fall steht § 6 Abs. 1 KO der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde nicht entgegen.

7.

Mit der Unanfechtbarkeit des Beschlusses über die Eröffnung des Konkursverfahrens ist dem Gemeinschuldner endgültig jegliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich seines zur Konkursmasse gehörenden Vermögens genommen. Er hat insoweit die materiell-rechtliche Handlungsfähigkeit verloren. Diese ist auf den Konkursverwalter übergegangen. Allerdings wäre es unzutreffend, von dessen Berechtigung, als Partei kraft Amtes eine Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen erheben zu können (vgl. hierzu BVerfGE 27, 326 [333]), zu schließen, daß der Gemeinschuldner hierzu nicht befugt sei. Der Verlust dieser Befugnis ist vielmehr darin begründet, daß die prozessuale Handlungsfähigkeit die materiell-rechtliche hinsichtlich des streitigen Rechtsverhältnisses voraussetzt. Dieser Grundsatz ist im Verfahrensrecht allgemein anerkannt (vgl. §§ 52 ff. ZPO, S 62 Abs. 1 VwGO; § 71 Abs. 1 SGG, § 58 Abs. 1 FGO); er gilt auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren.

8.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde ist somit unzulässig und gemäß § 24 BVerfGG zu verwerfen. Damit erledigt sich auch der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.