Bundesgerichtshof
Urteil vom 29.09.1975
- III ZR 40/73
-

 (weitere Fundstellen: BGHZ 65, 182 f.)

 

Tatbestand

1.

Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung oder Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff wegen verzögert erteilten Einvernehmens zu einer von ihm bei der Bauaufsichtsbehörde, dem Kreisausschuß des Obertaunuskreises, beantragten Baugenehmigung für das Grundstück "Im H" Nr. ... in K. Dieses Grundstück steht im Miteigentum des Klägers und seiner Ehefrau.

2.

Am 16. November 1967 beschloß die Beklagte, für das Gemeindegebiet "Im H" einen Bebauungsplan aufzustellen. Am 16. Mai 1968 wurde der Bebauungsplan als Satzung beschlossen und sodann dem Regierungspräsidenten in Darmstadt zur Genehmigung vorgelegt. Nach diesem Plan sollten u.a. Im H nur Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen zulässig sein. Schon bevor der Bebauungsplan am 11. November 1971 genehmigt wurde, erteilte die Beklagte ihr Einvernehmen zu mehreren Bauvorhaben im Gebiet des H. Sie erklärte auch ihr Einvernehmen zu einem Anfang 1969 gestellten Bauantrag des Klägers zur Errichtung eines eingeschossigen Wohngebäudes mit zwei Wohnungen auf dem eingangs erwähnten Grundstück. Mit Schreiben vom 3. Oktober 1969 beantragte der Kläger einen Erweiterungsbau zu genehmigen. Sein Plan sah im Erdgeschoß eine selbständige (dritte) Wohnung und im Untergeschoß Arbeits- und Vorratsräume nebst Duschbad vor.

3.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1969 an die Bauaufsichtsbehörde verweigerte die Beklagte ihr Einvernehmen zu diesem Erweiterungsbau mit der Begründung, nach § 5 des Textteils des Bebauungsplanes seien in jedem Hause nur zwei Wohnungen zulässig. Demgegenüber vertrat die Bauaufsichtsbehörde die Ansicht, daß der Bebauungsplan dem Bauvorhaben des Klägers nicht entgegenstehe und eine Versagung des Einvernehmens dem Verhalten der Beklagten in anderen Fällen widerspreche. Sie bat deshalb die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 1969 um Überprüfung der ablehnenden Haltung. Nach Beratung der Baukommission teilte die Beklagte mit Schreiben vom 25. März 1970 der Bauaufsichtsbehörde mit, daß sie an der Versagung des Einvernehmens aus den bisherigen Gründen festhalte, und fügte hinzu, an dem Wohngebäude seien in unzulässiger Weise so umfangreiche Abgrabungen vorgenommen worden, daß im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplanes ein zweigeschossiges Gebäude entstanden sei.

4.

Auf Anraten der Bauaufsichtsbehörde ließ der Kläger daraufhin seinen Antrag zunächst ruhen und versuchte, eine Teilung des Grundstücks zu erreichen. Die Teilung des Grundstücks wurde jedoch nicht genehmigt.

5.

Am 13. November 1970 setzte der Kläger der Bauaufsichtsbehörde unter Androhung der Untätigkeitsklage eine Frist zur Erteilung der Baugenehmigung. Nach Fristablauf erhob er die Untätigkeitsklage. Daraufhin lehnte die Bauaufsichtsbehörde am 27. November 1970 den Bauantrag ab. Nachdem der Kläger dagegen Widerspruch eingelegt hatte, teilte ihm die Bauaufsichtsbehörde mit, daß sie zwar die Gründe ihres Bescheides zurücknehme, ihm aber die beantragte Genehmigung wegen des fehlenden Einvernehmens der Beklagten nicht erteilen könne.

6.

Am 21. Dezember 1970 wies die Kommunalaufsichtsbehörde die Beklagte darauf hin, daß sie ihr Einvernehmen zu dem geplanten Erweiterungsbau nicht verweigern dürfe; denn dieses Bauwerk sei mangels eines rechtskräftigen Bebauungsplanes gemäß § 34 BBauG ausschließlich nach der vorhandenen Bebauung zu beurteilen; danach aber sei der Erweiterungsbau unbedenklich. Dem widersprach die Beklagte mit Schreiben vom 16. März 1971 und meinte ergänzend, auch § 35 BBauG stehe dem Erweiterungsbau entgegen. Daraufhin wies die Kommunalaufsichtsbehörde am 27. April 1971 die Beklagte an, ihr Einvernehmen zu erklären. Dem kam die Beklagte am 27. Mai 1971 nach. Am 13. Juli 1971 erteilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger den beantragten Nachtragsbauschein für den Erweiterungsbau.

7.

Der Kläger hat das Verhalten der Beklagten als eine schuldhafte Amtspflichtverletzung gewertet und sich zur Begründung auf die Schreiben der Bau- und Kommunalaufsichtsbehörden berufen. Da zur Zeit der Antragstellung bereits die Hälfte der für das Gebiet Im H vorgesehenen Häuser errichtet gewesen sei – so hat er ausgeführt – hätte sein Vorhaben gebilligt werden müssen. Seinem Antrag wäre nach spätestens drei Monaten entsprochen worden, wenn nicht der Bürgermeister der Beklagten, dem ebenfalls ein Grundstück Im H gehöre, seinen ganzen Einfluß aufgeboten hätte, um das Vorhaben zu Fall zu bringen.

8.

Durch das verspätet erklärte Einvernehmen der Beklagten und die dadurch aufgetretene Verzögerung der Baugenehmigung, seien ihm – so hat der Kläger weiter ausgeführt – die Nutzungen an der dritten Wohnung und den übrigen Räumen für etwa 16 Monate entgangen. Auch hätte er bei normalem Verlauf des Genehmigungsverfahrens die Möglichkeit gehabt, im Rahmen des Gesamtprojekts den Rohbau des Erweiterungsbaues für 26 000 DM erstellen zu lassen. Diese Möglichkeit bestehe nun nicht mehr, zudem seien die Baukosten erheblich gestiegen.

9.

Schließlich hat der Kläger gemeint, das Verhalten der Beklagten habe sich als eine vorübergehende faktische Bausperre ausgewirkt, für die die Beklagte nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen entschädigungspflichtig sei.

10.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm allen Schaden zu ersetzen, der durch die mindestens sechzehn Monate betragende Verzögerung der Genehmigung des Erweiterungsbaues entstanden sei.

11.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und hat dazu ausgeführt: Bei der Versagung oder Erteilung des Einvernehmens der Gemeinde handele es sich um ein Verwaltungsinternum; insoweit bestehe keine dem Antragsteller gegenüber wahrzunehmende Amtspflicht. Schon deshalb seien Ansprüche aus Amtspflichtverletzung nicht gegeben. Zudem sei die von ihr bei der Versagung des Einvernehmens vertretene Ansicht – entgegen der Auffassung der Aufsichtsbehörden – zutreffend gewesen. Der Bürgermeister habe in der den Kläger betreffenden Angelegenheit auf die Tätigkeit der Baukommission keinen Einfluß genommen. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kämen nicht in Betracht, da allein die Bauaufsichtsbehörde gegenüber dem Kläger gehandelt habe und die Beklagte hierdurch nicht begünstigt worden sei. Schließlich hätte die Bauaufsichtsbehörde wegen der ablehnenden Haltung der Beklagten den Bauantrag für zwölf Monate aussetzen sollen (§ 15 BBauG), so daß er nicht vor Frühjahr 1971 bearbeitet worden wäre. So gesehen habe der Kläger keine nennenswerten Nachteile, die zu entschädigen wären, erlitten.

12.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz ist der Kläger zur Leistungsklage übergegangen und hat die Zahlung eines Betrages von 50 000 DM an sich und seine Ehefrau verlangt. Hierzu hat er vorgetragen: Durch die von der Beklagten zu vertretende Verzögerung des Bauantrages um achtzehn Monate habe die Errichtung des Erweiterungsbaues nicht 150 000 DM, sondern 290 000 DM gekostet; die in der Verzögerungszeit entgangenen Nutzungen beliefen sich auf 57 000 DM. Von diesen Beträgen mache er einen Teilbetrag von 50 000 DM geltend, und zwar in der genannten Reihenfolge. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

13.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Aus den Gründen:

 

I.

14.

1. Die Beklagte kann für Amtspflichtverletzungen ihrer Baukommission, die für die Erklärung oder Versagung des Einvernehmens nach § 36 BBauG zuständig ist, gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zur Haftung herangezogen werden. Jedem Mitglied dieses Gremiums ist im Sinne von Art. 34 GG ein "öffentliches Amt" anvertraut und es wird im Rahmen des § 36 BBauG hoheitlich für die Beklagte als Trägerin der Planungshoheit tätig. Jedes Mitglied der Baukommission gilt daher als "Beamter" der Beklagten im haftungsrechtlichen Sinne (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1975 - III ZR 18/72 = WM 1975,630,633 und vom 18. Juni 1970 - III ZR 13/67 = VersR 1970, 1007, 1009).

15.

2. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten aus Amtspflichtverletzung verneint mit der Begründung, es sei keine dem Kläger "einem Dritten" gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt worden. Die Erteilung oder Verweigerung des Einvernehmens nach § 36 BBauG sei ein rein behördeninterner Vorgang. Eine rein behördeninterne, mitwirkende Tätigkeit begründe aber grundsätzlich keine Amtspflicht gegenüber dem einzelnen Bürger. Hiervon sei eine Ausnahme nur zu machen, wenn die zur Mitwirkung verpflichtete Behörde völlig untätig bleibe oder die zur Entscheidung berufene Behörde bewußt falsch oder unvollständig unterrichte. Ein solcher Ausnahmefall liege aber nicht vor.

16.

3. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision müssen im Ergebnis Erfolg haben.

17.

a) Soweit "unerlaubte Handlungen", zu denen nach der Systematik unserer Rechtsordnung auch die Amtspflichtverletzungen im Sinne des § 839 BGB zählen, eine Anspruchsgrundlage bilden, wird das heutige Schadensersatzrecht von dem Grundsatz beherrscht, daß nicht jeder schadensersatzberechtigt ist, der irgendwie, sei es auch nur mittelbar durch eine derartige unerlaubte Handlung Nachteile erlitten hat. So ist aus einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ausschließlich der unmittelbar Verletzte (d.h. der Träger der in der genannten Vorschrift aufgezählten Lebens- und Rechtsgüter), bei § 823 Abs. 2 BGB allein derjenige schadensersatzberechtigt, dessen Schutz das verletzte Gesetz dient. In den Fällen der §§ 824 - 826 BGB sind im Gesetz als Ersatzberechtigte ebenfalls ausschließlich diejenigen genannt, gegen die sich die unerlaubte Handlung unmittelbar richtet. Dieser Beschränkung des Kreises der Ersatzberechtigten auf die unmittelbar Verletzten entspricht die Regelung des § 839 BGB, wonach dem unmittelbar Verletzten der "Dritte" entspricht, demgegenüber die – verletzte – Amtspflicht bestand. Ob im Einzelfall der Geschädigte zu dem Kreis der "Dritten" in diesem Sinne gehört, muß entscheidend danach beantwortet werden, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus dem die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt oder gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muß mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" bestehen (BGHZ 56, 40, 45 mit weiteren Nachweisen).

18.

b) § 36 BBauG schreibt die Beteiligung der Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren in noch nicht oder noch nicht vollständig verplanten Gebieten um der Planungshoheit der Gemeinde willen vor. Die Vorschrift trägt der Erkenntnis Rechnung, daß die gemeindliche Planung – und dies gilt insbesondere in kleineren, nicht oder nur beschränkt mit eigenen Planungskräften und sonstigen Fachkräften ausgestatteten Gemeinden – sich in der Regel nicht in einem Akt vollzieht. Gerade der Eingang eines Baugesuchs für ein Vorhaben in einem noch nicht (abschließend) verplanten Gebiet kann einer Gemeinde berechtigten Anlaß geben, bisher unterlassene oder nur teilweise vorgenommene Planungen mit den gesetzlichen Mitteln des Bundesbaugesetzes zu vervollständigen. Ihre Beteiligung an der Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde gibt ihr die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, einen bisher unterlassenen (oder noch nicht bestandskräftig gewordenen) Planungswillen in den Grenzen des Bundesbaugesetzes zu betätigen. Sie darf jedoch Rechte aus ihrer Planungshoheit nur insoweit geltend machen, als die jeweils geltende materiellrechtliche Ausgestaltung der Rechte des Bürgers auf bauliche Nutzung seines Grundstücks ihm nicht einen Rechtsanspruch auf Genehmigung seines Baugesuchs einräumt (BVerwGE 22, 342 = DVBl 1966, 177, 180; BVerwG DVBl 1966, 181; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 36 Rdn 3). Die Beteiligung im Rahmen des § 36 BBauG dient mithin vornehmlich öffentlichen Zwecken, den Planungszielen der Gemeinde.

19.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 22, 342; 28, 145) stellt das Einvernehmen der Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren nach § 36 BBauG keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO dar, sondern bedeutet lediglich eine verwaltungsinterne Mitwirkung. Erst die das Genehmigungsverfahren abschließende Entscheidung, die bei positiver Entscheidung die Erklärung beinhaltet, daß das Bauvorhaben mit dem zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden öffentlichen Recht übereinstimmt, äußert rechtliche Auswirkungen gegenüber dem Bauwilligen. Dieser Ansicht hat sich der Senat in seinem Urteil vom 17. September 1970 (III ZR 4/69 = DVBl 1971, 319) angeschlossen.

20.

c) Daraus, daß die Beteiligung der Gemeinde vornehmlich öffentlichen Zwecken dient und ihre Entscheidung (Erklärung oder Versagung des Einvernehmens) lediglich als Verwaltungsinternum zu werten ist, folgt indessen nicht, daß den Beamten der Gemeinde bei ihrer Mitwirkung am Baugenehmigungsverfahren keine Amtspflichten gegenüber dem Bauwilligen (als dem "Dritten") obliegen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 17. September 1970 (aaO) zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen brauchen. Bei den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ging es allein um die Frage der verfahrensrechtlichen Qualifikation des in § 36 BBauG vorgeschriebenen Einvernehmens der Gemeinde.

21.

Vielmehr bestehen zwischen den Beamten der am Baugenehmigungsverfahren mitwirkenden Gemeinde und dem einzelnen Bauwilligen besondere Beziehungen, die es rechtfertigen, eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Bauwilligen dann anzunehmen, wenn die Beamten der Gemeinde das nach § 36 Abs. 1 BBauG erforderliche Einvernehmen versagen, obwohl das Bauvorhaben nach den §§ 33 bis 35 BBauG zulässig ist.

22.

Der auf der Planungshoheit beruhenden Beteiligung der Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren kommt eine für den Bauwilligen ausschlaggebende Bedeutung zu. So ist die Baugenehmigungsbehörde gehindert, eine Baugenehmigung auszusprechen, solange die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht erklärt hat. Eine ohne Einvernehmen der Gemeinde erteilte Baugenehmigung kann von ihr im Klagewege angefochten werden (vgl. BVerwGE 22, 342; aA Gelzer, Bauplanungsrecht, 2. Aufl. Rdn 628).

23.

Andererseits verleiht die Baugenehmigung dem Bauherrn nicht erst das Recht zu bauen, sondern setzt dies voraus. Der Ausübung des Rechtes zu bauen ist zwar zur Sicherung der öffentlichen Belange durch ein präventives Verbot mit dem Vorbehalt der Erlaubniserteilung eine vorläufige Sperre gesetzt, die mit der Genehmigung aufgehoben wird. Der Bauwillige, dessen Vorhaben mit den materiellrechtlichen Vorschriften in Einklang steht, hat jedoch gegenüber der Baugenehmigungsbehörde einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung (vgl. BVerwG DVBl 1963, 815, 816; BVerwGE 28, 145, 147/148). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat die Gemeinde bei der Frage, ob sie ihr Einvernehmen zu erklären hat oder nicht, auch zu beachten, ob das Vorhaben nach den §§ 33, 34 und 35 BBauG zulässig ist. Ist das der Fall, so muß die Gemeinde ihr Einvernehmen erklären; sie ist nicht befugt, ihr Einverständnis aus anderen Gründen zu versagen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg aaO § 36 Rdn 21; vgl. BVerwGE 22, 342, 346; Gelzer aaO Rdn 627). Diese Verpflichtung der Gemeinde gründet sich letztlich auf Art. 14 GG, der den Schutz des Eigentums garantiert und der es nicht zuläßt, daß die Bestimmung des Inhalts des Eigentums (hier die konkrete bauliche Nutzung eines Grundstücks) dem Ermessen der Gemeinde überlassen bleibt (BVerwG 18, 247, 250).

24.

Die Gemeinde ist am Baugenehmigungsverfahren beteiligt, damit sie ihren Planungsabsichten Geltung verschaffen kann. Das kann sie – wenn ein Bauvorhaben ihren Plänen widerspricht – erreichen, indem sie eine Veränderungssperre nach § 14 BBauG beschließt, bei der Baugenehmigungsbehörde die Zurückstellung des Vorhabens nach § 15 BBauG beantragt oder ihre Pläne ändert und dem Bauvorhaben anpaßt. Alles das ist hier nicht geschehen. Die Gemeinde ist aber nicht berechtigt, einen materiellrechtlich begründeten (also einen nach den §§ 33 bis 35 BBauG unbedenklichen) Bauantrag mit dem Hinweis auf ihre – rechtlich noch unverbindlichen – Planungsabsichten zu Fall zu bringen, indem sie ihr Einvernehmen verweigert. Auch steht es der Gemeinde nicht zu, bei Meinungsverschiedenheiten mit der Baugenehmigungsbehörde über das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 33 bis 35 BBauG die Genehmigungsbehörde zu korrigieren und das Einvernehmen zu versagen. Die Entscheidung darüber, ob das Bauvorhaben nach den §§ 33 bis 35 BBauG unbedenklich ist, steht der Baugenehmigungsbehörde zu (vgl. Schrödter, DVBl 1966, 183; Gelzer aaO Rdn 627).

25.

Überschreitet die Gemeinde im Rahmen ihrer Mitwirkung im Baugenehmigungsverfahren ihre Befugnisse und versagt sie unberechtigt ihr Einvernehmen, so verletzt sie damit eine ihr auf Grund der oben geschilderten besonderen Beziehung dem Bauwilligen gegenüber obliegende Amtspflicht und macht sich – falls die weiteren Voraussetzungen des § 839 BGB vorliegen – schadensersatzpflichtig (so im Ergebnis auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg aaO Vorb. §§ 40 bis 44 Rdn. 77; Pappermann, DVBl 1975, 637, 640).

26.

Schon das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz vertreten, daß der Beamte jedem Dritten gegenüber die Amtspflicht hat, die Grenzen seiner Zuständigkeit einzuhalten, und daß eine schuldhafte Amtsüberschreitung eine Schadensersatzpflicht gemäß § 839 BGB jedem gegenüber begründet, der durch sie geschädigt worden ist (vgl. RGZ 140, 423, 428 mit weiteren Nachweisen). Auch die vom Berufungsgericht angeführte Senatsentscheidung vom 31. Januar 1963 - III ZR 119/61 = NJW 1963, 1199, nach der eine Amtspflicht der bei der Wohnraumbewirtschaftung mitwirkenden Gemeinde gegenüber dem Bürger besteht, die zur Entscheidung berufene Kreisbehörde vollständig, wahrheitsgemäß und ohne Verzögerung zu unterrichten, betrifft nicht einen Ausnahmefall; diese Amtspflicht ist vielmehr eine Konkretisierung der allen Behörden obliegenden allgemeinen Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung.

27.

4. Die Versagung des Einvernehmens ist rechtswidrig gewesen, wenn die Beklagte durch Überschreitung ihrer Zuständigkeit es verhindert hat, daß die Baugenehmigungsbehörde dem Rechtsanspruch des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung entsprechen konnte. Ob das der Fall ist, beurteilt sich hier allein danach, ob das Vorhaben des Klägers nach dem Maßstab der §§ 33 bis 35 BBauG zulässig gewesen ist. Die Prüfung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen des Amtshaftungsprozesses selbständig vorzunehmen. Es ist nicht an die von der Kommunalaufsichtsbehörde in ihrem Bescheid vom 27. April 1971 vertretene Rechtsansicht gebunden. Daß die Beklagte diesen Bescheid nicht angefochten hat, ist insoweit ohne Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1963 – III ZR 192/61).

28.

§ 33 BBauG bietet allerdings keine Handhabe, Baugesuche abzulehnen. Diese Vorschrift erweitert vielmehr die Befugnisse des Grundeigentümers, indem sie Vorhaben, die nach derzeit geltendem Baurecht an sich unzulässig wären, zuläßt, wenn sie den künftigen Festsetzungen eines in Vorbereitung befindlichen Bebauungsplans voraussichtlich nicht entgegenstehen. Hingegen gibt § 33 BBauG der Behörde nicht die Befugnis, ein Vorhaben, das nach derzeitig geltendem Baurecht zulässig ist, zu untersagen, weil es den künftigen Festsetzungen eines in Vorbereitung befindlichen Bebauungsplans voraussichtlich widerspricht. Das kann sie vielmehr nur, wenn die Gemeinde – was hier nicht geschehen ist – eine Veränderungssperre nach § 14 BBauG beschlossen hat (Senatsurteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 158/72 = NJW 1975, 1562, 1564 im Anschluß an BVerwGE 20, 127, 134 = NJW 1965, 549, 551 = DVBl 1965, 284, 286 mit Anm. Zinkahn S. 287; BVerwG BRS 22 Nr. 35; Gelzer aaO Rdn 724 f). Mithin hat die Beklagte nicht mit dem Hinweis auf § 33 BBauG ihr Einvernehmen versagen dürfen.

29.

Nach § 34 BBauG ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es nach der vorhandenen Bebauung und Erschließung unbedenklich ist. Diese Vorschrift kommt auch dann zum Zuge, wenn ein bereits beschlossener Bebauungsplan noch nicht bestandskräftig geworden ist (BVerwGE 20, 127; Ernst/Zinkahn/Bielenberg aaO § 34 Rdn 5). Das Berufungsgericht hat zwar im unstreitigen Teil des Tatbestandes festgestellt, das Grundstück des Klägers habe sich im Außenbereich – also nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil – befunden. Diese Feststellung bezieht sich aber ersichtlich nur auf den im November 1967 bestehenden Zustand, als die Beklagte beschloß, einen Bebauungsplan aufzustellen. Für den Zeitpunkt der Antragstellung (Oktober 1969) hat der Kläger bislang unwiderlegt behauptet, es sei schon die Hälfte der für das Gebiet Im H vorgesehenen Gebäude errichtet gewesen. Trifft das zu, so ist es fraglich, ob noch von einem Außenbereich gesprochen werden kann.

30.

Als "vorhandene Bebauung" im Sinne des § 34 BBauG muß über das bereits genehmigte Wohngebäude auf dem Grundstück des Klägers hinaus die Umgebung dieses Grundstücks einmal insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflußt (BVerwGE 27, 341, 344, 345; 31, 20; 41, 227, 233 f).

31.

Nach § 35 Abs. 2 BBauG (Abs. 1 scheidet hier aus) kann ein nicht bevorzugtes Vorhaben im Außenbereich zugelassen werden, wenn seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Der Begriff der "öffentlichen Belange" wird durch Absatz 3 näher bestimmt, im übrigen durch die in den Vorschriften über die Bauleitplanung zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung des Bundesbaugesetzes. Von dem Begriff der öffentlichen Belange werden alle Gesichtspunkte erfaßt, die für das Bauen im Außenbereich irgendwie rechtserheblich sein können (BVerwGE 18, 247, 250 f; z.B. Bebauungsplan, Flächennutzungsplan). Auch kann hier die Behandlung ähnlicher Fälle durch die Beklagte bedeutsam werden (Art. 3 GG). Absatz 3 des § 35 (unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen, Versorgungseinrichtungen usw.) wird hier allerdings kaum eine erhebliche Rolle spielen, nachdem der Planungswille der Beklagten auf Bebauung des Gebietes Im H abzielte (vgl. dazu Gelzer aaO Rdn 878).

32.

5. Die zur Beurteilung der hinsichtlich der §§ 34, 35 BBauG erheblichen Fragen erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht getroffen. Dem Senat ist daher eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Da andererseits das Berufungsurteil auch nicht mit einer anderen Begründung gehalten werden kann (s. dazu unter III.), muß das angefochtene Urteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

33.

Gelangt das Berufungsgericht im weiteren Verfahren zu dem Ergebnis, die Versagung des Einvernehmens durch die Gemeinde sei rechtswidrig gewesen, so wird es zu prüfen haben, ob die Mitglieder der Baukommission ein Verschulden trifft (vgl. dazu BGH WM 1963, 1102, 1104) sowie ob und in welchem Maße eine rechtswidrige Versagung des Einvernehmens der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist.

34.

Dabei wäre davon auszugehen, daß die Beklagte alsbald nach Erhalt des Schreibens der Bauaufsichtsbehörde vom 12. Dezember 1969 ihr Einvernehmen hätte erteilen müssen und daß dann nach Ablauf einer vom Berufungsgericht noch zu ermittelnden Zeitspanne für die weitere Bearbeitung des Gesuchs durch die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung erteilt worden wäre. Als Anhalt mag dienen, daß etwa 6 Wochen nach Erteilung des Einvernehmens der Bauantrag des Klägers schließlich genehmigt worden ist. Der Zeitraum, der sich von dem so ermittelten Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung bei ordnungsgemäßem Verlauf bis zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Erteilung der Genehmigung erstreckt, würde die Verzögerung ausmachen, für die die Beklagte einzustehen hätte. Daß der Kläger auf Anraten der Bauaufsichtsbehörde seinen Antrag vorübergehend hat ruhen lassen, um auf anderem Wege das Einvernehmen der Gemeinde zu erlangen, würde die Ursächlichkeit des fehlsamen Verhaltens der Beklagten nicht in Frage stellen.

 

II.

35.

Das Berufungsgericht hat gemeint, den in erster Instanz gegen den Bürgermeister erhobenen Vorwürfen brauche nicht nachgegangen zu werden, da der Kläger diese Vorwürfe selbst ausdrücklich nicht als anspruchsbegründend habe verstanden wissen wollen. Darüber hinaus habe das Landgericht irrtumsfrei die Vorwürfe als bloße Vermutungen gewertet, die letztlich durch die erfolgten Gegenerklärungen der Baukommission der Beklagten als entkräftet anzusehen seien.

36.

Ob die dagegen gerichteten Angriffe der Revision zutreffen, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat im weiteren Verfahren Gelegenheit, sein Vorbringen zu ergänzen und Beweismittel zu benennen.

37.

Hervorzuheben ist jedoch, daß dieses Vorbringen nicht so sehr den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Bürgermeister, als vielmehr den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber den Mitgliedern der Baukommission (die sich haben beeinflussen lassen) enthält.

 

III.

38.

Da der Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG auf Ersatz des vollen Schadens geht, während der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff nur eine – geringere – angemessene Entschädigung gewährt, braucht das Berufungsgericht in die Prüfung enteignungsrechtlicher Ansprüche nur einzutreten, wenn es Ansprüche aus Amtshaftung verneint.

39.

Dabei wird zu bedenken sein: Hat die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens der Beklagten zunächst zu einer Versagung und dann zu einer verzögerten Erteilung der Baugenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde geführt, so kann darin ein zur Entschädigung verpflichtender enteignungsgleicher Eingriff zu Lasten des Klägers gefunden werden (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1970 - III ZR 132/67 = DVBl 1971, 464).Als solcher ist nicht erst die ausdrückliche Versagung der Bauerlaubnis anzusehen. Vielmehr ist – wie bei der Amtshaftung – für den enteignungsgleichen Eingriff als Zeitpunkt des Eingriffs derjenige Zeitpunkt anzunehmen, in dem die Bauaufsichtsbehörde bei ordnungsgemäßer Bearbeitung die Baugenehmigung erteilt haben würde, davon aber wegen der Verweigerung des Einvernehmens durch die Beklagte Abstand genommen hat. Von einer reinen Untätigkeit der Behörde, die die Merkmale eines enteignungsgleichen Eingriffs nicht erfüllt (s. dazu Schrödter, DVBl 1971, 466, 467) kann im Blick auf die eindeutigen Erklärungen der Beklagten, die die Bauaufsichtsbehörde an einer Erteilung der Genehmigung gehindert haben, nicht gesprochen werden (vgl. die Hinweise bei Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rspr. des Bundesgerichtshofs 2. Aufl. S. 16 ff, 40 ff). Allerdings hätte nur die Bauaufsichtsbehörde, da sie allein nach außen "handelt", durch die "Versagung" der Bauerlaubnis und vorübergehende Aufrechterhaltung dieses Zustandes bis zur Erteilung der Erlaubnis in die Rechtsposition des Klägers "eingegriffen". Gleichwohl könnte sich der Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte richten. Sie wäre als "Begünstigte" im Sinne des Enteignungsrechts anzusehen, da der Eingriff in ihrem (planerischen) Interesse erfolgt ist (vgl. Senatsurteil in NJW 1975, 1562, 1565).

40.

Der Kläger kann im Rahmen der Enteignungsentschädigung lediglich eine Entschädigung für den "Substanzverlust" verlangen, den er dadurch erlitten hat, daß er in der baulichen Ausnutzung seines Grundstücks zeitweise behindert worden ist. Dabei ist regelmäßig auf die "Bodenrente" abzustellen. Im einzelnen kann dazu auf die Nachweise bei Hußla in Festschrift für Riese 1964 S. 329, 343 sowie die Senatsurteile in BGHZ 30, 338, 353 und in WM 1972, 1030, 1226; 1973, 1215 verwiesen werden. Das wird der Kläger bei seiner Schadensberechnung zu beachten haben.