Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluß vom 31. August 1999
 - 7 ZS 99.2168
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 (weitere Fundstellen: NVwZ-RR 2000, 815 ff.)

 

 

Zum Sachverhalt:

1.

Die Antragsteller, die beide im Stadtgebiet von Augsburg wohnen und im Jahr 2000 schulpflichtig wurden, besuchten seit dem Kindergartenjahr 1997/98 den Kindergarten des Antragsgegners in der E.-Straße. Mit Bescheiden vom 14.4.1999 wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der jeweilige Kindergartenplatz im Kindergarten „E.-Straße” u.a. für die Antragsteller mit Wirkung vom 31. 8. 1999 durch den Antragsgegner widerrufen. Der auf Art. 49 Abs. 2  Nr. 1 BayVwVfG i.V. mit § 4 Abs. 4 der Satzung gestützte Widerruf wurde damit begründet, dass auf Grund der Anmeldungen für das Kindergartenjahr 1999/2000 acht Kinder aus dem Gemeindegebiet des Ag. nicht den benötigten Ganztagsplatz sowie sieben Kinder aus dem Gemeindegebiet nicht den benötigten Vormittagsplatz erhalten könnten.

2.

Das Verwaltungsgericht stellte die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die angefochtenen Bescheide wieder her. Der Antrag des Ag. auf Zulassung der Beschwerde und auf Abweisung des Antrags hatte Erfolg.

 

 Aus den Gründen:

 

 II.

3.

Die Beschwerde war gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg bestehen. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß die Bescheide vom 14. April 1999 wegen fehlerhafter Ermessensausübung rechtswidrig sind. Der Beschluß vom 12. Juli 1999 war deshalb aufzuheben und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

4.

Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat der Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind vor allem  die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO mögliche Überprüfung, daß der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragsteller regelmäßig zurück. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die aufschiebende Wirkung der Widersprüche nicht wiederherzustellen, da die angegriffenen Entscheidungen des Antragsgegners bei der im Eilverfahren möglichen Überprüfung nicht zu beanstanden sind.

5.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Denn ungeachtet der Frage, ob die (mündliche) Aufnahme der Antragsteller befristet war oder nicht, wäre gegen die tatsächlich erlassenen Widerrufsbescheide eine Anfechtungsklage statthaft (§ 123 Abs. 5 VwGO).

6.

Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche sind nicht begründet.

7.

Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 erste Alternative BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn er durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine solche Rechtsvorschrift ist auch eine (kommunale) Satzung (Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 49 RdNr. 25 m.w.N.). Nach § 4 Abs. 4 der Satzung kann die Aufnahme von nicht in der Gemeinde wohnenden Kindern von Anfang an befristet erfolgen oder unter Einhaltung einer angemessenen Frist widerrufen werden, wenn der Platz für ein in der Gemeinde wohnendes Kind benötigt wird. § 4 Abs. 2 Satz 2 sieht die Aufnahme in die Kindertageseinrichtung nach Maßgabe der verfügbaren Plätze vor. Sind nicht genügend Plätze verfügbar, wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 eine Auswahl nach den unter Buchstabe a bis g genannten "Dringlichkeitsstufen" getroffen, wobei in der Gemeinde wohnende Kinder an erster Stelle stehen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Satzung).

8.

1. Diese Satzungsregelungen sind im Rahmen der hier vorzunehmenden Inzidentprüfung – wozu der Senat trotz der zwischenzeitlich abgelaufenen Zweijahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Erhebung einer Normenkontrollklage berechtigt und verpflichtet ist (Lotz BayVBl 1997, 257; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 47 RdNr. 64; a.A Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 10. Aufl. 1998, § 47 RdNr. 74) – nicht als nichtig anzusehen.

9.

Entscheidet sich eine Gemeinde beim Betrieb einer öffentlichen Einrichtung gemäß Art. 21 GO wie hier für die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, so ist sie grundsätzlich verpflichtet, dieses durch Satzung zu regeln (Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayer. Kommunalgesetze, Stand Mai 1998, Art. 21 RdNr. 23). Aufgrund der Satzungsautonomie des Art. 23 GO kommt ihr hierbei ein Gestaltungsspielraum zu. Der Antragsgegner hat in § 4 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 sowie insbesondere Abs. 4 der Satzung in der Gemeinde wohnenden Kindern den Vorrang vor auswärtigen Kindern einräumen wollen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck der genannten Bestimmungen. Ungeachtet der Frage, ob die in § 4 Abs. 2 Buchst. b bis g genannten "Dringlichkeitsstufen" im Sinne einer strikt einzuhaltenden Rangfolge zu verstehen sind, wird aus den genannten Regelungen deutlich ersichtlich, daß den einheimischen Kindern grundsätzlich ein Vorrang, jedenfalls bei der Aufnahme in die Kindertageseinrichtung, zukommen soll. Dies ist – vom Grundsatz her – rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO sind alle Gemeindeangehörigen nach den bestehenden allgemeinen Vorschriften berechtigt, die öffentlichen (also gewidmeten) Einrichtungen zu benutzen. Hieraus folgt ein subjektiv-öffentliches Recht der Gemeindeangehörigen auf Benutzung der öffentlichen Einrichtung (Widtmann/Grasser, Bayer. Gemeindeordnung, Stand Oktober 1998, Art. 21 RdNr. 1 f.; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 21 RdNr. 26). Auswärtigen steht dieser Rechtsanspruch, soweit sie wie hier nicht unter die Bestimmungen des Art. 21 Abs. 3 bis 5 GO fallen, grundsätzlich nicht zu (Masson/Samper, Art. 21 RdNr. 29; Widtmann/Grasser, Art. 21 a.a.O.), wenngleich sie von den Einrichtungen der Gemeinde Gebrauch machen können.

10.

Diese Grundsätze gelten auch für die Vergabe von Kindergartenplätzen. Die unterschiedliche Behandlung von in der Gemeinde wohnenden und auswärtigen Kindern verstößt insbesondere auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es entspricht der völlig herrschenden Meinung, daß ein sachliches Unterscheidungskriterium, das gerade im kommunalen Bereich Bedeutung hat, die Herkunft (hier: des Kindes) aus der Gemeinde ist (Bauer/ Böhle/ Masson/Samper, Art. 21 a.a.O.; Widtmann/Grasser, Art. 21 a.a.O.; Bauer/ Hundmeyer Kindertageseinrichtungen in Bayern, Stand 1. Juni 1999, 60.00 Ziff. 3.3). Demzufolge sind Gemeinden grundsätzlich nicht zur Aufnahme von Kindern verpflichtet, die außerhalb des durch den Bedarfsplan bezeichneten Einzugsgebiets des Kindergartens bzw. außerhalb des Gemeindegebiets wohnen (vgl. auch BayVGH BayVBl 1995, 112). Nimmt die Gemeinde wie hier gleichwohl nicht ortsansässige Kinder in den Kindergarten auf, so kann daraus allein noch kein Anspruch auf den weiteren Verbleib hergeleitet werden (ebenso Bauer/ Hundmeyer a.a.O.). Im Gegenteil ist die Gemeinde sogar verpflichtet, darauf zu achten, daß durch die Zulassung gemeindefremder Personen, denen kein Zulassungsanspruch zusteht, nicht der Zulassungsanspruch der Gemeindeangehörigen unzulässigerweise beschränkt wird. Aus diesen Gründen dürfen gemeindefremde Kinder grundsätzlich nicht in einen gemeindlichen Kindergarten aufgenommen werden, solange dort nicht die gemeindeangehörigen Kinder untergebracht sind (Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 21 a.a.O.).

11.

Diesen Grundsätzen hat der Antragsgegner mit den genannten Satzungsbestimmungen Rechnung getragen. Zu Recht hat er deshalb in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Satzung einen Vorrang einheimischer Kinder bei der Aufnahme in die Kindertageseinrichtung vorgesehen, während er nach § 4 Abs. 4 der Satzung für den Fall des nachträglichen Bedarfs einheimischer Kinder eine Widerrufsmöglichkeit nach Ermessen geregelt und es hiermit ermöglicht hat, die Interessen aufgenommener auswärtiger Kinder dabei zu berücksichtigen. Der Antragsgegner als Satzungsgeber war auch nicht durch eine dem Art. 21 Abs. 1 GO vorgehende spezielle gesetzliche Vorschrift – wie sie etwa im Schulrecht für das Verhältnis von ortsansässigen zu auswärtigen Gemeindebürgern in Art. 27 Abs. 4 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) geregelt ist – des Kindergartenrechts gehindert, derartige Regelungen zu treffen.

12.

2. Da sowohl die Aufnahme- als auch die Widerrufsregelung der Satzung rechtmäßig sind, konnte der Antragsgegner nach pflichtgemäßem Ermessen in Anwendung des § 4 Abs. 4 der Satzung die Widerrufsbescheide erlassen.

13.

a) Dabei ist der Antragsgegner im Ergebnis zu Recht vom Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 der Satzung ausgegangen. Denn die Kapazität der Kindergartenplätze im Gebiet des Antragsgegners ist erschöpft.

14.

Allerdings ist der Senat der Auffassung, daß die in den angefochtenen Bescheiden geäußerte Meinung des Antragsgegners, es komme ausschließlich auf die Kapazitätserschöpfung im gemeindlichen Kindergarten an der Elias-Holl-Straße an, rechtsfehlerhaft ist. Denn es besteht weder nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO noch nach Art. 6 Abs. 2 GG noch nach Kindergartenrecht ein Rechtsanspruch auf Aufnahme eines Kindes in einen bestimmten Kindergarten im Gemeindegebiet. Insbesondere folgt ein derartiger Rechtsanspruch nicht aus Art. 7 Abs. 1, 2 BayKiG, wonach der Kindergarten u.a. die familiäre Erziehung unterstützt und ergänzt, da diese Vorschrift lediglich die Kindergartenerziehung, nicht aber die Aufnahmevoraussetzungen regelt. Auch aus Art. 15 Satz 2 BayKiG, wonach der Kindergarten in der Nähe des Wohnbezirks der Eltern liegen soll (zu dieser Anerkennungsvoraussetzung vgl. BayVGH BayVBl 1995, 341), folgt kein solcher Anspruch; diese Vorschrift hat rein planerischen Charakter. Aus Art. 6 Abs. 2 GG kann allenfalls ein Bestimmungsrecht der Eltern auf die Wahl des Kindergartentyps, nicht aber auf die Auswahl eines bestimmten Kindergartens unter mehreren gleichwertigen Kindergärten hergeleitet werden (vgl. VGH Mannheim NVwZ 1986, 1040/1041). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die neu aufzunehmenden einheimischen Kinder von vornherein keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme gerade in den Kindergarten "Elias-Holl-Straße" haben, sondern lediglich einen der freien Kindergartenplätze im Gemeindegebiet beanspruchen können. Der vom Antragsgegner aufgestellte Grundsatz, daß "den Stadtberger Familien aus pädagogischen Gesichtspunkten und vor dem Hintergrund des Anspruchs auf bevorzugte Berücksichtigung" der Besuch eines weiter entfernt liegenden Kindergartens nicht zumutbar ist, kann demnach in dieser Allgemeinheit keine Geltung beanspruchen.

15.

Gleichwohl ist der Antragsgegner im Ergebnis zu Recht von einem Kapazitätsmangel im Sinne des § 4 Abs. 4 der Satzung ausgegangen. Zwar hatte er in den Bescheiden vom 14. April 1999 darauf hingewiesen, daß in den Kindergärten im Ortsteil Deuringen und in der Virchow-Siedlung aktuell noch zehn bzw. zwei Plätze frei seien. Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden noch sechs bzw. ein freier Platz bei einem Bedarf von zehn einheimischen Kindern gemeldet. Auf Anfrage des Senats teilte der Antragsgegner mit Telefax vom 30. August 1999 mit, daß die vier Kindergärten des Marktes Stadtbergen belegt und in dem von der Arbeiterwohlfahrt freigemeinnützig betriebenen Kindergarten noch sechs Vormittagsplätze frei seien. Daraus ergibt sich, daß ein so hoher Bedarf für einheimische Kinder besteht, daß jedenfalls ein Kapazitätsmangel in Höhe von vier Kindergartenplätzen vorhanden ist. Abgesehen davon sind in dem freigemeinnützingen Kindergarten nach den Angaben des Antragsgegners nur Vormittagsplätze frei. Diese Änderung der Sachlage ist auch berücksichtigungsfähig, da sich der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Entscheidung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Nachw. vgl. bei Kopp, RdNrn. 29 ff. zu § 113 VwGO) aus dem zugrundeliegenden materiellen Recht ergibt. Aus diesem, nämlich dem grundsätzlichen Rechtsanspruch der gemeindeangehörigen Kinder aus Art. 21 Abs. 1 GO, folgt jedoch, daß es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, da es nicht angehen kann, daß den einheimischen Kindern wegen einer evtl. erst während des Gerichtsverfahrens eingetretenen Kapazitätserschöpfung in allen Kindergärten des Gemeindegebiets überhaupt kein Kindergartenplatz mehr zur Verfügung stünde. Das Risiko einer zu Lasten der Antragsteller eintretenden Entwicklung haben die Antragsteller zu tragen.

16.

b) Ist demgemäß die Tatbestandsvoraussetzung der Kapazitätserschöpfung im Sinne des § 4 Abs. 4 der Satzung (jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung) eingetreten, so steht der Widerruf im Ermessen des Antragsgegners. Auch eine gesetzliche Ermächtigung zum Widerruf eines Verwaltungsakts begründet grundsätzlich keine freie Widerruflichkeit, sondern nur die Befugnis der Behörde, nach Maßgabe der näheren Bestimmungen der Befugnisnorm (hier: Satzung des Antragsgegners) und des Zwecks der Regelung unter sachgemäßen Gesichtspunkten gemäß Art. 40 BayVwVfG zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Verwaltungsakt widerrufen wird. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG im Regelfall von einem sog. intendierten Überwiegen des öffentlichen Interesses am Widerruf auszugehen (BVerwG NVwZ 1992, 565; a.A. Kopp, VwVfG, § 49 RdNr. 20).

17.

Der Senat ist der Auffassung, daß die Ermessenserwägungen des Antragsgegners letztlich rechtlich nicht beanstandet werden können. Zwar weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, daß die Antragsteller durch den zweijährigen Besuch der sog. "Katzengruppe" im Kindergarten viele soziale Kontakte entwickelt haben und sie aus dieser gewachsenen Gruppe herausgenommen werden müssen; auch müssen sie sich lediglich für ein weiteres Kindergartenjahr noch in eine neue Gruppe in einem städtischen Kindergarten eingewöhnen, zumal sie ab dem Kindergartenjahr 1999/2000 Vorschulkinder sein werden und deshalb erneut soziale Kontakte neu knüpfen müssen. Zu Recht hebt das Verwaltungsgericht auch den in Art. 1 Abs. 1 BayKiG enthaltenen Grundsatz hervor, daß es sich bei einem Kindergarten nicht um eine reine "Bewahranstalt", sondern um eine Einrichtung im vorschulischen Bereich handelt, die der Erziehung und Bildung der Kinder dient. Auch hätte der Antragsgegner im Rahmen seiner Ermessenserwägungen berücksichtigen müssen, daß einheimische Kinder bei (teilweiser) freier Kapazität auch im Verhältnis zu bereits aufgenommenen externen Kindern auf einen unter Umständen entfernter liegenden Kindergarten verwiesen werden dürfen; dabei dürfte es – ungeachtet der Frage, ob eine Verpflichtung eines freigemeinnützingen Trägers zur Aufnahme aufgrund einer gewissen Monopolstellung und eines evtl. hiermit verbundenen Kontrahierungszwangs besteht (s. hierzu Bauer/Hundmeyer 60.00 Anm. 2) – wegen Art. 5 Abs. 1 BayKiG jedenfalls eine Obliegenheit der Gemeinde sein, in einem solchen Fall für die Aufnahme einheimischer Kinder auch in einem freigemeinnützigen Kindergarten zu sorgen.

18.

c) Gleichwohl ist die Ermessensentscheidung des Antragsgegners jedenfalls im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Denn selbst wenn in den angefochtenen Bescheiden Ermessensfehler enthalten sind, so sind diese jedenfalls durch das Nachschieben nachträglicher Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO geheilt. Wie erwähnt, beruft sich der Antragsgegner grundsätzlich zu Recht auf seine Verpflichtung sicherzustellen, daß hinreichend viele Kindergartenplätze zu Gunsten der ortsansässigen Kinder zur Verfügung gestellt werden. Die vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen pädagogischen Aspekte überwiegen diese Verpflichtung des Antragsgegners – bei Kapazitätserschöpfung – nicht. Aus der Stellungnahme der Leiterin des Kindergartens "St. Elias-Straße" geht hervor, daß während des bisherigen zweijährigen Kindergartenbesuchs keine besondere pädagogische Unterweisung erfolgt ist. Auch handelt es sich um gemischte Altersgruppen. Die Tatsache, daß im Vorschuljahr wöchentlich eine dreiviertelstündige Vorschulausbildung durchgeführt wird, belegt noch kein überwiegendes pädagogisches Interesse. Insoweit geht der Senat davon aus, daß eine derartige Vorschulausbildung auch in anderen Kindergärten, insbesondere auch in Augsburg, stattfindet. Ermessensfehlerhaft sind auch nicht die Erwägungen des Antragsgegners, daß die Antragsteller voraussichtlich nicht die Schule in Stadtbergen besuchen werden und sich deshalb auch beim Schulbeginn einen neuen Freundeskreis suchen müßten (zum Bezug zur Grundschule vgl. auch Art. 15 Satz 2 BayKiG). Die im Gerichtsverfahren nachgeschobenen Erwägungen des Antragsgegners, die Antragsteller könnten bei einem Besuch eines Augsburger Kindergartens mit künftigen Schulkameraden zusammenwachsen, erscheinen insoweit nicht ermessensfehlerhaft. Zu Recht weist der Antragsgegner schließlich darauf hin, daß er – vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO – insbesondere pädagogische und soziale Rücksichten auf die Ortsansässigen zu wahren hat. Diesbezüglich liegt es ohne weiteres auf der Hand, daß sowohl Augsburger als auch Stadtberger Familien soziale Probleme haben (können).

19.

Die Antragsteller können sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand dahingehend berufen, daß die einmal aufgenommenen Kinder den Kindergarten bis zum Beginn der Schulpflicht besuchen dürfen. Die Antragsteller wurden zwar unbefristet in den Kindergarten "St. Elias-Straße" aufgenommen, wovon ganz offensichtlich auch der Antragsgegner ausgeht, da er ansonsten die angefochtenen Widerrufsbescheide nicht erlassen hätte. Es mag zwar eine Obliegenheit des Antragsgegners gewesen sein, die Eltern der Antragsteller bei der mündlichen Aufnahme in den Kindergarten darauf hinzuweisen, daß der Kindergartenplatz bei Kapazitätserschöpfung widerrufen werden könne. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestand jedoch nicht.  Denn aus der öffentlich bekanntgemachten Satzung ergab sich unzweifelhaft, daß diese Widerrufsmöglichkeit besteht. Auf Vertrauensschutz können sich die Eltern der Antragsteller jedoch auch bei Unkenntnis einer Rechtsnorm grundsätzlich nicht berufen.

20.

3. Die nach § 4 Abs. 4 der Satzung erforderliche angemessene Frist für den Widerruf wurde eingehalten. Dieser wurde mit Bescheiden vom 14. April 1999 mit Wirkung zum 31. August 1999 ausgesprochen. Daß diese nahezu fünfmonatige Frist als solche rechtlich unbedenklich ist, liegt auf der Hand. Dem Antragsgegner konnte auch nicht zugemutet werden, den Widerruf bereits vor Ablauf der Anmeldungsfrist in den Augsburger Kindergärten im Februar und März 1999 auszusprechen. Der Antragsgegner hat insoweit nachvollziehbar vorgetragen, daß er unverzüglich nach Kenntnisnahme der Anmeldungen einheimischer Kinder unter Berücksichtigung der Mehrfachanmeldungen reagiert hat. Im übrigen haben zehn der Augsburger Kinder, deren Kindergartenplatz widerrufen wurde, nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragsgegners einen Kindergartenplatz in Augsburg gefunden, für die Antragsteller sind in demselben Kindergarten zwei Plätze reserviert, so daß davon auszugehen ist, daß auch die Antragsteller in einem Augsburger Kindergarten Aufnahme finden können.

21.

Nach alledem war der Beschluß des Verwaltungsgerichts abzuändern und der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG.