Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil vom 13.10.1972
- 169 III 66
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(weitere Fundstellen: BayVBl. 1973, 183 f.)

Tatbestand

1.

Die Klägerin ernannte den am 15. 3. 1924 geborenen Beklagten mit Urkunde vom 5. 9. 1961 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Verwaltungshauptsekretär. Sie gewährte ihm ab 1. 9. 1961 ohne Festsetzung seines Besoldungsdienstalters (BDA) ein Grundgehalt aus Besoldungsgruppe A 8 BayBesO nach seinem früheren BDA als Verwaltungssekretär vom 1. 1. 1949. Ab 1. 9. 1963 erhielt der Beklagte nur noch Dienstbezüge eines Verwaltungssekretärs.

2.

Die Feststellung der dem Beklagten jeweils zustehenden Dienstbezüge und die Anordnung ihrer Auszahlung war vom 1. Bürgermeister der Klägerin und dem Gemeindeangestellten P. unterzeichnet.

3.

Mit verwaltungsgerichtlich rechtskräftig bestätigtem Beschluß vom 15. 10. 1963 stellte der Gemeinderat der Klägerin fest, daß die Berufung des Beklagten in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und seine Ernennung zum Verwaltungshauptsekretär gemäß Art. 14 Absätze 2 und 3 BayBG nichtig seien. Die Zahlung von Dienstbezügen an den Beklagten wurde daraufhin mit Ablauf des Monats Oktober 1963 eingestellt.

4.

Der Beklagte steht seit 1.10.1968 im Dienst der Stadt S.

5.

Der Prüfungsverband öffentlicher Kassen stellte bei der Prüfung der Klägerin im Dezember 1964/Januar 1965 fest, daß im Falle des Beklagten bei Gewährung der Dienstbezüge eines Verwaltungshauptsekretärs unterlassen wurde, sein BDA gemäß Art. 6 Abs. 5 BayBesG F 1958 um 4 Jahre hinauszuschieben. Weiter war das Grundgehalt für die Monate September und Oktober 1963 aus der Dienstaltersstufe 10 statt 8 gewährt worden.

6.

Die Klägerin forderte auf Grund dessen den Beklagten mit Schreiben vom 13. 5. 1965 auf, insgesamt 1 250,10 DM bis 30. 6. 1965 zurückzuzahlen.

7.

Der Beklagte verweigerte die Zahlung unter Berufung darauf, daß er die Dienstbezüge zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich und seine Familie verbraucht habe.

8.

Die Klägerin erhob am 6. 10. 1965 zum Verwaltungsgericht W. Klage mit dem Antrag,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1 250,10 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit 1. 7. 1965 zu zahlen.

9.

Das Verwaltungsgericht erkannte mit Urteil vom 29. 9. 1966 nach dem Klageantrag mit der Maßgabe, daß 4% Zinsen erst ab Klageerhebung zu zahlen seien.

Aus den Gründen:

10.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

11.

1. Für die Klage ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Klägerin fordert vom Beklagten einen Teil seiner Bezüge zurück, die er aufgrund eines jedenfalls nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 BayBG nichtigen Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit und einer nichtigen Ernennung zum Verwaltungshauptsekretär erhalten hat. Die Nichtigkeit dieser Ernennungen bewirkt zwar, daß der Beklagte nicht Beamter der Klägerin war. Er hat jedoch wie ein Beamter Dienst geleistet. Es bestand ein faktisches öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, dessen Abwicklung ebenfalls dem öffentlichen Recht unterliegt (vgl. BAG Urteil vom 8. 12. 1959 NJW 1960, 356; VGH n. F. 7, 110; Schröcker, Das fehlerhafte Beamtenverhältnis, DVBl. 1957, 666; Brückner, Das faktische Dienstverhältnis, Berlin 1968).

12.

Die Klägerin war befugt, Ihre Forderung statt durch Leistungsbescheid durch Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BVerwGE 25, 280; 28, 1).

13.

2. a) Die Klägerin verlangt vom Beklagten nur jenen Teil der Bezüge zurück, der ihm unstreitig auch dann zuviel gezahlt worden ist, wenn er rechtswirksam Beamter der Klägerin geworden wäre. Da jedoch die Berufung des Beklagten in das Beamtenverhältnis nichtig war, ist Rechtsgrundlage des Rückforderungsanspruchs nicht Art. 94 Abs. 2 BayBG, der ein rechtswirksam begründetes Beamtenverhältnis voraussetzt, sondern Art. 18 Abs. 2 BayBG. Danach können die gezahlten Dienst- und Versorgungsbezüge belassen werden, wenn eine Ernennung im Sinne des BayBG nichtig ist...

14.

Die Dienstleistung des Beklagten ist jedoch kein Anlaß, dem Beklagten Dienstbezüge zu belassen, die er auch bei rechtswirksamer Ernennung zum Beamten zuviel erhalten hätte. Die Klägerin macht von dem ihr nach Art. 18 Abs. 2 BayBG hinsichtlich der Rückforderung der gewährten Dienstbezüge eingeräumten Ermessen jedenfalls bei einer Rückforderung im vorliegenden Ausmaß rechtmäßig Gebrauch.

15.

Dem Rückforderungsanspruch der Klägerin nach Art. 18 Abs. 2 BayBG vermag der Beklagte den Einwand des Wegfalls der Bereicherung nicht entgegenzuhalten. Bei einem nichtigen Beamtenverhältnis hat der Bedienstete die Dienstbezüge, der Dienstherr die Dienstleistung ohne rechtlichen Grund erhalten. Die rechtliche Abwicklung des nichtigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses beurteilt sich nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Dieser gestattet nach herrschender Meinung dem erstattungspflichtigen Bürger nicht die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung entsprechend den Vorschriften des BGB (vgl. Wallerath, DÖV 1972, 221; Wolff, Verwaltungsrecht 1 § 44 1 6; Mörtel, BayVBl. 1970, 396; Kilian, NJW 1962. 1279). Dein ist jedenfalls für Erstattungsansprüche aus einem nichtigen Beamtenverhältnis zu folgen. Der Gesetzgeber hat zwar in Art. 94 Abs. 2 BayBG im Rahmen der Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- und Versorgungsbezüge dem Beamten die durch Satz 2 der Bestimmung zusätzlich beschränkte Möglichkeit der Berufung auf den Wegfall der Bereicherung eingeräumt. Diese Regelung gilt jedoch nicht bei einem nichtigen Beamtenverhältnis. Insoweit hat es der Gesetzgeber weiterhin ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung allein und ohne gesetzliche Einschränkung in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt, inwieweit dem Bediensteten die ohne Rechtsgrund gezahlten Dienstbezüge belassen werden sollen. Diese Rechtslage kann jedenfalls im Beamtenrecht, das für einen wesentlichen Teilbereich eine eingehende gesetzliche Regelung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs getroffen hat, nicht durch etwaige allgemeine, dem Bereicherungswegfall Rechnung tragende Rechtsgrundsätze ergänzt werden.

16.

Ist, wie hier, die. Berufung in das Beamtenverhältnis nichtig, so kann der Wegfall der Bereicherung auch nicht in entsprechender Anwendung des Art. 94 Abs. 2 BayBG geltend gemacht werden. Jedenfalls insoweit ist eine rechtlich vergleichbare Interessenlage nicht gegeben. Ein Beamtenverhältnis mit der Pflicht des Dienstherrn zu Fürsorge und Schutz des Beamten hat hier nie bestanden. Die Dienstleistung als solche begründet bei einem nichtigen Beamtenverhältnis keine dem Beamtenverhältnis vergleichbare Rücksichtnahme des Dienstherrn auf Belange des Bediensteten. Dessen Interesse ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, daß es dem Dienstherrn nach pflichtgemäßem Ermessen im Hinblick auf diese Dienstleistung gestattet ist, dem rechtsunwirksam zum Beamten Ernannten die Dienstbezüge ganz oder teilweise zu belassen, und zwar unabhängig davon, ob die Bereicherung entfallen ist oder nicht (ebenso Brückner, a.a.O.)., S. 77 f.; Schröcker, a.a.O. S. 666).

17.

b) Allerdings hat die Klägerin vom Beklagten die umstrittene Zahlung nicht unter Berufung auf Art. 18 Abs. 2 BayBG, sondern deshalb zurückverlangt, weil sie ihm auch dann nicht zugestanden hätte, wenn er rechtswirksam Verwaltungssekretär oder Verwaltungshauptsekretär der Klägerin gewesen wäre. Die Klägerin stellt den Beklagten nach dem Ausmaß ihrer Rückforderung so, als wäre er Beamter der Klägerin gewesen. Es ‚mag unter diesen Umständen gleichwohl vertretbar sein, diesen Rückforderungsanspruch nicht nach Art. 18 Abs. 2, sondern nach Art. 94 Abs. 2 BayBG zu beurteilen und damit dem Kläger nach Maßgabe dieser Bestimmung die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung einzuräumen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. 10. 1971 – VI C 137.67, DöD 1972, 57 = ZBR 1972, 188). Auch dann ist jedoch dem Beklagten die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung verwehrt, denn der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung war so offensichtlich, daß der Kläger ihn hätte erkennen müssen …

18.

Allerdings trifft die Klägerin an der "Überzahlung" insoweit selbst ein beachtliches Verschulden, als sie zugelassen hat, daß der Beklagte letztlich seine Dienstbezüge selbst errechnete und über den im Beamtenbesoldungsrecht unerfahrenen Bürgermeister an sich selbst ungeprüft zur Auszahlung bringen konnte. Im Rahmen des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung ist jedoch eine Berufung auf ein bei Schadenersatzansprüchen bedeutsames Mitverschulden des Dienstherrn an der Entstehung des Schadens ohne Belang. Die Vorschrift des § 254 BGB ist auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. BGHZ 14, 7/10; a.A. VG Hannover Urteil vom 25. 11. 1970 ZBR 1971, 280), Soweit der Bundesgerichtshof der zutreffenden Auffassung ist, dem Rechtsgedanken des § 254 BGB könne im Bereicherungsrecht durch Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben Rechnung getragen werden, führt dies hier zu keiner Minderung der Erstattungspflicht des Beklagten. Die Klägerin hat dem Beklagten die Dienstbezüge eines Verwaltungshauptsekretärs, für die Monate September und Oktober 1963 jene eines Verwaltungssekretärs, belassen, obgleich seine Berufung in das Beamtenverhältnis nichtig war. Sie hätte gemäß Art. 18 Abs. 2 BayBG ohne Rechtsfehler vom Beklagten jedenfalls den Unterschied zwischen den Dienstbezügen eines Verwaltungshauptsekretärs und denen eines Verwaltungssekretärs zurückverlangen können. Das hat sie nicht getan und sich auf die Rückforderung der Überzahlung beschränkt, die bei rechtswirksamer Ernennung des Beklagten zum Verwaltungshauptsekretär bzw. Verwaltungssekretär vorgelegen hätte. Bei dieser Sachlage kann sowohl bei Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben als auch bei entsprechender Anwendung des Art. 94 Abs. 2 Satz 3 BayBG kein Rechtsfehler darin gesehen werden, daß die Klägerin von der hier strittigen Rückforderung mit Rücksicht auf ihr Mitverschulden an der Entstehung der Überzahlung nicht ganz oder teilweise abgesehen hat...

19.

c) Auch das Verlangen nach Prozeßzinsen ab Klageerhebung in Höhe von 4 v. H. ist in entsprechender Anwendung der §§ 291 mit 288 Abs. 1 BGB berechtigt (vgl. BVerwGE 14, 1; 25, 72; 37, 159).