Urteil des VG Karslruhe vom 9. 10. 1962 - Aktz: III 208/62 -
(weitere Fundstellen: ESVGH 13/I, 21 f.)
Leitsatz:
Die Zweckbestimmung öffentlicher Dienstgebäude umfaßt das Recht des Bürgers, sie zu betreten, um seine behördlichen Angelegenheiten durch persönliche Verhandlung zu regeln. Das von einer Behörde gegen einen Bürger erlassene Hausverbot, durch das dieser an einer der öffentlichen Zweckbestimmung der öffentlichen Dienstgebäude entsprechenden Inanspruchnahme gehindert wird, ist ein Verwaltungsakt.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger sprach wegen seiner Fürsorgeunterstützung häufig beim Wohlfahrtsamt der beklagten Stadt M. vor. Hierbei kam es wiederholt zu Zwischenfällen. Daraufhin verbot der Oberbürgermeister dem Kläger das Betreten der städtischen Amtsräume. Der Kläger beantragte beim Verwaltungsgericht die Aufhebung dieses Hausverbots. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Berufung war erfolglos.
Aus den Gründen:
Das Verwaltungsgericht hat mit Recht den Verwaltungsrechtsweg für gegeben angesehen. Allerdings läßt sich die Frage, ob ein von einer Behörde als einem Träger von Verwaltungsvermögen ausgesprochenes Hausverbot privatrechtlichen oder öffentlichen Charakter hat, nicht einheitlich, sondern nur in Bezug auf den konkreten Einzelfall beantworten. Denn es ist in Betracht zu ziehen, daß an den öffentlichen Dienstgebäuden zwar kein Gemeingebrauch besteht, daß aber das Recht - des Hauseigentümers, mit ihnen nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, beschränkt ist und seine Grenze in der öffentlichen Zweckbestimmung findet (OVG Berlin, DVBl. 1952, 763; OVG Hamburg, MDR 1957, 188; BGHZ 33, 230), d.h. die Behörde darf als Hauseigentümer nicht durch Ausübung ihrer aus dem Eigentum entspringenden Ausschlußrechte den öffentlichen Zweck behindern. Die öffentliche Zweckbestimmung öffentlicher Dienstgebäude umfaßt das Recht des Bürgers, sie zu betreten, um seine behördlichen Angelegenheiten durch persönliche Verhandlung zu regeln. Ergreift die Behörde Maßnahmen, durch die der Bürger mit rechtsverbindlicher Wirkung an einer der öffentlichen Zweckbestimmung der öffentlichen Dienstgebäude entsprechenden Inanspruchnahme gehindert wird, so übt sie öffentliche Gewalt aus. Daraus sich ergebende Streitigkeiten sind öffentlich-rechtlicher Natur (§ 40 Abs. 1 VwGO).
Etwas anderes hat dann zu gelten, wenn die Behörde Anordnungen trifft, durch die eine der öffentlichen Zweckbestimmung der öffentlichen Dienstgebäude nicht entsprechende Inanspruchnahme unterbunden wird. Diese Sachlage ist etwa gegeben, wenn die Behörde verbietet, die öffentlichen Dienstgebäude zum Zwecke der gewerblichen Betätigung, z. B. zum Fotografieren (vgl. BGH aaO.) oder zum Aufwärmen oder Hausieren (vgl. OVG Hamburg aaO.) aufzusuchen. In diesen Fällen ist die Behörde in der -Geltendmachung ihrer auf dem Eigentum beruhenden Ausschlußrechte nicht beschränkt. Streitigkeiten, die sich daraus ergeben, sind privatrechtlicher Natur.
Im vorliegenden Fall verfolgt das von der Beklagten erlassene Hausverbot bewußt den Zweck, den Kläger rechtsverbindlich daran zu hindern, bei den für ihn zuständigen städtischen Ämtern, vor allem dem Wohlfahrtsamt, zur Regelung seiner Unterstützungs- und sonstigen behördlichen Angelegenheiten vorzusprechen, ihn also im Sinne der obigen Ausführungen an einer der öffentlichen Zweckbestimmung der Dienstgebäude entsprechenden Inanspruchnahme zu hindern. Das Hausverbot stellt sich mithin als Maßnahme einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes dar und ist demzufolge ein Verwaltungsakt.
Die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage ist sonach gegeben. Der Kläger behauptet auch und kann behaupten, durch diesen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 VwGO), denn er macht geltend, er werde durch das rechtswidrige Hausverbot an der Wahrnehmung des jedem Bürger zustehenden Rechtes gehindert, mit den für ihn zuständigen örtlichen Verwaltungsbehörden zur Erledigung seiner behördlichen Angelegenheiten persönlich zu verkehren.
Die zulässige Anfechtungsklage ist jedoch sachlich nicht begründet. Wenn auch jeder Bürger das Recht hat, die für ihn zuständigen Behörden zur Regelung seiner behördlichen Angelegenheiten persönlich aufzusuchen, so darf dieses Recht nicht dazu mißbraucht werden, den ordnungsmäßigen Ablauf des Dienstbetriebes zu stören und eine gedeihliche Abwicklung der Dienstgeschäfte zu gefährden. In der mißbräuchlichen Ausnutzung. des Rechts auf freien Zutritt zu den Diensträumen findet dieses Recht seine Begrenzung. In solchen Fällen ist die Behörde befugt, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und den Zutritt zu untersagen (vgl. OVG Berlin aaO.). Daß der Kläger den Dienstbetrieb der Beklagten durch sein unbeherrschtes Verhalten wiederholt und sehr erheblich gestört hat, ergibt sich eindeutig aus den von der Beklagten vorgelegten Akten. Danach haben mehrere Sachbearbeiter, die dienstlich mit dem Kläger zu tun hatten, übereinstimmend das keinen sachlichen Erörterungen zugängliche, in übler Weise beleidigende und überdies drohende Verhalten des Klägers bestätigt In der Überzeugung von der Richtigkeit dieser Berichte wird der Senat dadurch bestärkt, daß auch von anderen Stellen außerhalb der städtischen Ämter Äußerungen vorliegen, die gleichfalls das völlig unqualifizierte Verhalten des Klägers betonen. So heißt es in dem bei den Akten der Beklagten befindlichen nervenärztlichen Fachgutachten des Psychiatrischen und Neurologischen Klinik der Universität H., daß der Kläger von vornherein und ohne jegliche Provokation laut schimpfend dem Arzt gegenüber trete, daß er völlig hemmungslos und ungeniert durch die Anwesenheit anderer Personen unter wilden Gestikulationen losbrülle und daß sich bei ihm in wildem Durcheinander unter reichlichem Gebrauch von Kraftworten und kritiklosen Drohungen aufgestaute Affekte gegen das Wohlfahrtsamt, Ärzte, Pfarrer, frühere Arbeitgeber usw. entlüden. Wenn die Beklagte, nach alledem ein Hausverbot gegen den Kläger erlassen hat, so kann darin weder eine Gesetzesverletzung noch ein Ermessensfehler oder gar ein Willkürakt gesehen werden.
Dem Kläger wird durch das Hausverbot nicht der Verkehr mit den städtischen Ämtern verboten, denn er kann sich, wie in der angefochtenen Verfügung ausdrücklich betont wird, soweit es sich um die Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen handelt, mit schriftlichen Anträgen an die städtischen Dienststellen wenden oder sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten hat sich der Kläger selbst zuzuschreiben.