Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil vom 12. Mai 1980
- I 3964/78 -
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Tatbestand |
1. |
Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Flst-Nr 4053/7, 4053/9 und 4053/11 im Ortsteil W. der Beklagten. Die mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke werden im Süden durch die R.-Straße und im Norden durch einen Fußweg begrenzt, der fast parallel zur Landesstraße ... verläuft und wie diese die Bezeichnung B.-Straße trug. |
2. |
Nachdem eine am 14.8.1970 beschlossene Zuordnung dieser und weiterer Grundstücke zur R.-Straße auf die Klage der Kläger hin gerichtlich aufgehoben worden war (VGH Bad-Württ, Urt v 5.3.1976 - I 1289/74 -), beschloß der Gemeinderat der Beklagten am 15.12.1976, den Fußweg in "R.-Weg" umzubenennen und den Grundstücken der Kläger die auf diesen Weg bezogenen Haus-Nrn 11, 15 und 19, den dazwischenliegenden Grundstücken (Flst-Nr 4053/8, 4053/10 und 4053) die auf die R.-Straße bezogenen Haus-Nrn 13, 17 und 21 zuzuteilen. Die Änderung wurde im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemacht und den Klägern auf Ersuchen des Bürgermeisters durch das Landratsamt E. mit Schreiben vom 11.1.1977 mitgeteilt. |
3. |
Den mit Schreiben vom 5. und 18.1.1977 eingelegten Widerspruch der Kläger wies das Landratsamt mit Bescheid vom 11.5.1977 als unbegründet zurück. |
4. |
Mit ihrer Klage haben die Kläger beantragt den Beschluß des Gemeinderats der Beklagten vom 15.12.1976 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes E. vom 11.5.1977 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts in der Frage der Zuordnung der Wohnhäuser der Kläger erneut zu entscheiden. Sie haben geltend gemacht: Die Beklagte habe bei der Umbenennung ermessensfehlerhaft gehandelt, da die Namenswahl zu Verwechslungen mit der R.-Straße Anlaß gebe. Verwirrend sei auch die fortlaufende Numerierung der Grundstücke bei abwechselnder Zuordnung zum R.-Weg und zur R.-Straße. |
5. |
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; sie hat dargelegt, daß die Umbenennung notwendig geworden sei, um der Gefahr von Verwechslungen des Weges mit der eigentlichen B.-Straße vorzubeugen. |
6. |
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klagen mit Urteil vom 19.10.1978 abgewiesen und hierzu ausgeführt: Die Beklagte habe bei der Umbenennung von dem ihr zustehenden Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie habe insbesondere dem öffentlichen Interesse an der Unterscheidbarkeit des Fußwegs von der parallel dazu verlaufenden B.-Straße den Vorrang vor dem Interesse an seiner Unterscheidbarkeit von der R.-Straße einräumen dürfen. Die Zuordnung der Grundstücke zum R.-Weg entspreche den Interessen der Kläger. Auch die wechselweise Zuordnung der Grundstücke zum R.-Weg und zur R.-Straße bedeutet keine Rechtsbeeinträchtigung der Kläger. |
7. |
Gegen das am 8.11.1978 zugestellte Urteil haben die Kläger am 27.11.1978 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im wesentlichen ihr früheres Vorbringen wiederholen. |
8. |
Die Kläger beantragen,
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9. |
Die Beklagte beantragt,
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10. |
Sie hält an der Auffassung fest, daß die Umbenennung ermessensfehlerfrei erfolgt sei und den tatsächlichen Gegebenheiten am besten Rechnung trage. |
11. |
Der Senat hat durch den beauftragten Richter im Rahmen einer Erörterungsverhandlung die örtlichen Verhältnisses im Gebiet R.-Straße/R.-Weg besichtigt. Wegen der getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin und Augenscheinstermin verwiesen. Außerdem wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten und des Landratsamts E. |
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Gründe: |
12. |
Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs 2 iVm § 125 Abs 1 VwGO), ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Gemeinderatsbeschluß der Beklagten ist in dem angefochtenen Umfang fehlerhaft und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs 1 S 1 VwGO). |
13. |
I. Das Rechtsschutzbegehren der Kläger im Berufungsverfahren ist allein auf die Beseitigung der sie betreffenden Wirkungen des Gemeinderatsbeschlusses vom 15.12.1976 gerichtet. Ihren in erster Instanz zusätzlich gestellten Bescheidungsantrag verfolgen sie nicht weiter, da ihnen lediglich an der Wiederherstellung desjenigen Zustandes gelegen ist, der vor der am 15.12.1976 von der Beklagten beschlossenen Änderung des Straßennamens und der Hausnummern bestand. In diesen beiden Regelungen erschöpft sich nach Auffassung des Senats der Gemeinderatsbeschluß, soweit er die Kläger betrifft. Insbesondere kann ihm eine anderweitige Zuordnung nicht entnommen werden, da die Grundstücke der Kläger bereits zuvor dem nördlich angrenzenden beschränkt öffentlichen Weg zugeordnet waren. |
14. |
Das auf die Aufhebung der Umbenennung und Umnumerierung gerichtete Begehren ist als Anfechtungsklage statthaft. Beide Maßnahmen sind Verwaltungsakte im Sinne von § 42 Abs 1 VwGO und § 35 des am 15.7.1977 in Kraft getretenen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (so bereits Urt d Senats v 8.8.1977 - I 406/77 - und v 13.11.1978, NJW 79, 1670 = VerwRspr 30, 828). |
15. |
Für die Umbenennung einer Ortsstraße durch die Gemeinde gilt dies, obwohl sie in der Regel nicht unmittelbar belastend in den Rechtskreis einer bestimmten Personengruppe eingreift. Als ihre Adressaten können im allgemeinen weder die Straßenbenutzer noch die Anlieger und Anwohner der Straße bezeichnet werden. In Bezug auf diesen Personenkreis enthält die Entscheidung über die Umbenennung insbesondere weder ausdrücklich noch konkludent personale Verhaltensgebote oder Verhaltensverbote. Sie regelt nicht deren Rechtsverhältnis zu der Gemeinde, sondern schafft lediglich eine rechtserhebliche Tatsache, dh eine Voraussetzung für die - von der Regelung nicht intendierte - Anwendung von Rechtssätzen, die zwar unter Umständen die Anlieger und Anwohner, nicht aber notwendig auch die Gemeinde berechtigen und verpflichten. So kann die in § 126 Abs 1 Nr 2 BBauG normierte Pflicht von Eigentümern ausgelöst werden, die Anbringung der neuen Straßenschilder auf ihrem Anwesen zu dulden. Auch kommen unter Umständen Verpflichtungen in Betracht, bestimmte Behörden von der mit der Umbenennung verbundenen Änderung der Wohnanschrift zu unterrichten (vgl zB § 24 Abs 6 WPflG und §§ 7c, 8 Abs 2a PersAuswG). Derartige Berührung des Rechtskreises der Anlieger sind lediglich sog intransitive Wirkungen einer primär sachbezogenen Einzelfallregelung. Sie betrifft wie die Widmung unmittelbar eine öffentliche Sache, regelt aber nicht wie jene deren Nutzbarkeit durch die Allgemeinheit, sondern eine mit der Verkehrsfunktion und Erschließungsfunktion der Straße zusammenhängende öffentlich-rechtliche Eigenschaft. Damit ist sie als adressatloser dinglicher Verwaltungsakt einzuordnen und in der Sprache der Verwaltungsverfahrensgesetze eine Allgemeinverfügung (vgl § 35 S 2, 2. Alternative LVwVfG; ebenso Ehlers, DVBl 70, 492ff. Zum Begriff des dinglichen Verwaltungsakts allgemein vgl Niehues, DÖV 65, 319; Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl, § 46 VIII, S 388; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35, Anm 3 mit Nachw zur Rechtsprechung. Als Verwaltungsakt bezeichnen die Umbenennungen zB auch BayVGH, BayVBl 66, 64; OVG Lüneburg DVBl 69, 317 - Verwaltungsakt gegenüber dem Eigentümer des Straßengrundstücks -; Kodal, Straßenrecht, 3. Aufl, S 211; Sieder-Zeitler, Bay Straßengesetz und Wegegesetz, 2. Aufl, Art 52, RdNr 3). |
16. |
Daß auch die Zuteilung einer neuen Hausnummer, die die Verpflichtung des einzelnen Eigentümers auslöst, sein Grundstück mit der neuen Hausnummer zu versehen (§ 126 Abs 3 S 1 BBauG) eine konkrete Einzelfallregelung ist, bedarf keiner weiteren Darlegung. Sie ist ebenso wie die Umbenennung eine materielle Verwaltungsentscheidung; ihr Zustandekommen durch Beschluß des auch zur Rechtsetzung befugten Gemeinderats ändert daher nichts an ihrer Einordnung als Verwaltungsakt (vgl § 1 Abs 2 LVwVfG). Schließlich haben beide Maßnahmen auch unmittelbare Außenwirkungen. Sie wirken sich nicht lediglich im Innenbereich der Verwaltung aus, etwa als Anweisung an den Bürgermeister der Beklagten, der im allgemeinen gemäß § 43 Abs 1 GO die Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht. Für die Annahme der Außenwirkung bedarf es, wie der Senat bereits früher entschieden hat (vgl Urt v 13.11.1978 aaO) - keines derartigen besonderen Vollziehungsaktes des Bürgermeisters, da der Gemeinderatsbeschluß selbst bereits die vollständige Regelung in dem oben beschriebenen Sinn enthält. Die für ihr Wirksamwerden erforderliche Bekanntgabe ist, was für die Umbenennung ausreicht, durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Beklagten und ferner durch das Schreiben des Landratsamts E. vom 11.1.1977 erfolgt. Mit ihm sind die Kläger auf Ersuchen des Bürgermeisters vom 22.12.1976, also mit Wissen und Willen der Beklagten, über den Inhalt der Regelung unterrichtet worden. Anders als die ebenfalls sachbezogenen Verkehrszeichen bedurfte die Umbenennung, da sie keine Gebote und Verbote beinhaltet, zur Wirksamkeit nicht der Verlautbarung durch neue Straßenschilder. |
17. |
Die Klagebefugnis der Kläger bezweifelt der Senat ebensowenig wie das Verwaltungsgericht. Denn die Kläger können, wie sich aus dem Folgenden ergibt, geltend machen, als Anlieger der umbenannten Straße und Eigentümer der umnumerierten Grundstücke, auch soweit sie nicht Adressaten der angefochtenen Regelung sind, in ihren subjektiven Rechten verletzt zu sein. |
18. |
Gegen die Maßnahme des Gemeinderats haben die Kläger ferner auch wirksam Widerspruch eingelegt. Ob dies bereits mit dem Schreiben vom 5.1.1977, also möglicherweise vor Bekanntgabe und Wirksamwerden des Beschlusses ihnen gegenüber geschah, kann dahinstehen, da die Kläger ihren Widerspruch jedenfalls im Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 18.1.1977 an das Landratsamt wiederholt haben. Dem Erlaß eines Sachurteils steht schließlich auch nicht der Umstand entgegen, daß der Gemeinderat der Beklagten es offenbar unterlassen hat, die Zweckmäßigkeit seiner Entscheidung im Widerspruchsverfahren zu überprüfen, wie dies in §§ 68 Abs 1, 73 Abs 1 Nr 3 VwGO und 7 AGVwGO vorgeschrieben ist. Diese Zweckmäßigkeitskontrolle ist jedenfalls nicht aus zureichendem Grund unterblieben; bereits deswegen bedurfte es nicht der Aussetzung des Verfahrens (vgl § 75 Abs 3 VwGO). |
19. |
II. In der Sache hat das Verwaltungsgericht die von den Klägern geltend gemachte Rechtsverletzung zu Unrecht verneint. |
20. |
Rechtgrundlage der angefochtenen Umbenennung ist § 5 Abs 4 iVm § 2 Abs 1 GO. Die hierin begründete Zuständigkeit der Gemeinde zur Benennung der dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege und Plätze umfaßt grundsätzlich auch die Befugnis, eine bereits benannte Straße umzubenennen. Bei der Entscheidung über das Ob und Wie der Umbenennung steht der Gemeinde eine weitgehende, auf dem Selbstverwaltungsrecht beruhende Gestaltungsfreiheit zu, die freilich durch den Zweck der Aufgabenzuweisung und durch die aus Art 20 Abs 3 GG sowie besonderen gesetzlichen Bestimmungen folgenden Grenzen jeder Verwaltungstätigkeit beschränkt wird. Zweck der Benennung ist es in erster Linie, im Verkehr der Bürger untereinander und zwischen Bürgern und Behörden das Auffinden von Wohngebäuden, Betrieben, öffentlichen Einrichtungen und Amtsgebäuden zu ermöglichen bzw zu erleichtern (vgl Kodal aaO, S 209). Neben dieser im Vordergrund stehenden Ordnungsfunktion und Erschließungsfunktion können auch die Pflege örtlicher Tradition und die Ehrung verdienter Bürger legitime Zwecke der Straßenbenennung sein (Kodal aaO). Bei der Verfolgung dieser Zwecke hat die Gemeinde unter Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit die für die Umbenennung sprechenden Gründe mit dem Interesse der Anwohner an der Beibehaltung des bisherigen Straßennamens abzuwägen. Da diese sich auf den Namen eingestellt und ihn zum Anlaß für Dispositionen gemacht haben, führte eine Änderung für sie zu Nachteilen tatsächlicher Art, mittelbar aber auch, wie oben dargelegt, zu rechtlichen Belastungen. Die Anwohner sind damit wesentlich stärker von der Maßnahme betroffen als die Allgemeinheit, die die Straße allenfalls im Rahmen des Gemeingebrauchs nutzt. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die hier in Rede stehenden individuellen Interessen eines bestimmbaren Personenkreises rechtlich in der Weise geschützt sind, daß ihre Berücksichtigung mit Hilfe eines Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung gerichtlich durchsetzbar ist (vgl Urt d Sen v 13.11.1978, aaO). |
21. |
In gleicher Weise geschützt sind aber auch diejenigen Interessen der Anwohner, die Teil des besonderen öffentlichen Interesses an der Umbenennung sind. Die Ordnungsfunktion und Erschließungsfunktion des Straßennamens setzt dessen Unterscheidbarkeit von den Benennungen anderer Straßen im Gemeindegebiet voraus. Dies kommt in der durch das allgemeine Gemeindereformgesetz vom 9.7.1974 (GBl S 237) eingefügten Bestimmung des § 5 Abs 4 S 2 GO besonders deutlich zum Ausdruck, wenn dort gleichlautende Benennungen von Straßen, Wegen und Plätzen ausdrücklich für unzulässig erklärt werden. Dem öffentlichen Interesse des Verkehrs an der Unterscheidbarkeit der Straßennamen - dem die Ausübung des Benennungsrechts in erster Linie zu dienen hat -, entspricht auf der Seite der Anwohner, die auf die Straße in besonderem Maße angewiesen sind, ein gesteigertes privates Interesse gleichen Inhalts. Denn sie sind in erster Linie betroffen, wenn ihre Auffindbarkeit im allgemeinen Verkehr und im Postverkehr durch mangelnde Unterscheidbarkeit der Straßennamen erschwert wird. Auch der Schutz dieses Interesses, das unter Umständen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein kann, wird nach Auffassung des Senats mit der gesetzlichen Ermächtigung zur Umbenennung in § 5 Abs 4 S 1 und 2 GO bezweckt. Für diese Annahme kommt es nicht auf die subjektiven Vorstellungen des historischen Normgebers an, sondern allein auf eine objektive gegenwärtige Interessenwertung (vgl Wolff aaO, § 43 Ib 2 S 322 mN; zum ähnlich gelagerten Fall des Schutzes privater Interessen durch Verkehrsregelungen vgl BVerwG, Urt v 22.1.1971, BVerwGE 37, 112); soweit der Senat in seinem Urteil vom 13.11.1978, aaO festgestellt hat, die in § 5 Abs 4 GO getroffene Regelung diene ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit, hält er an dieser Ansicht nicht fest. |
22. |
Die Entscheidung der Beklagten, die "Kleine B.-Straße" in "R.-Weg" umzubenennen, hält einer gemäß § 114 VwGO begrenzten gerichtlichen Prüfung anhand der beschriebenen Maßstäbe nicht stand. Die von ihr gewählte Benennung ist mit der der R.-Straße wenn nicht gleichlautend im Sinne des gesetzlichen Verbots in § 5 Abs 4 S 2 GO, so doch in hohem Maße verwechselbar. Denn gegenüber den identischen individualisierenden Namensbestandteilen "R." sind nicht die beiden Gattungsbegriffe Straße und Weg wenig unterscheidungskräftig und einprägsam. Nimmt man hinzu, daß gerade in ländlichen Gemeinden beide Begriffe bis zu einem gewissen Grad austauschbar sind, so ist die Gefahr von Verwechslung vor allem durch Ortsunkundige nicht von der Hand zu weisen. Das mag im Postverkehr in der Regel keine nachteiligen Folgen haben, weil es an beiden Straßen keine Gebäude mit identischen Hausnummern gibt, und dem Postzusteller die besonderen örtlichen Verhältnisse vertraut sein werden. Die Verwechslungsgefahr kann aber dazu führen, daß Ortsunkundige in eine Straße gelangen, in der sie das gesuchte Anwesen nicht ohne weiteres finden und von der aus es auch für sie nicht zugänglich ist. Sie kann ferner bewirken, daß beide Straßen von denjenigen verwechselt werden, die sie nur zum Durchgang oder zur Durchfahrt benutzen wollen. Die Namensähnlichkeit beider Erschließungsanlagen könnte allenfalls dem zur Orientierung dienen, dem die Verwechslung bereits unterlaufen ist. Dies unter der Voraussetzung, daß er seinen Irrtum erkennt und annimmt, die Namensähnlichkeit weise auf die identische Erschließungsfunktion oder doch auf die Nachbarschaft beider Erschließungsanlagen hin. Diese Voraussetzung trifft jedoch nach Auffassung des Senats nicht allgemein zu. Setzt aber im Einzelfall ein irrtümlich in die R.-Straße gelangter Besucher seine Suche nach dem R.-Weg fort, so führt ihn der kürzeste Weg dorthin über die S.-Straße und die L ... , wo er an der Einmündung des R.-Weges wieder in die R.-Straße zurückverwiesen wird, wenn er motorisiert ist. In diesem Fall kann die Suche gerade diejenigen Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der L ... heraufbeschwören, die die Beklagte mit ihrer Zuordnungsentscheidung vom 14.8.1970 und möglicherweise auch mit der angefochtenen Umbenennung mindern wollte. Eine Namensverwechslung kann auch etwa zu dem unter Umständen verkehrsgefährdenden Versuch führen, von der L ... in den beschilderten R.-Weg zu gelangen, wenn der an dessen Einmündung angebrachte Hinweis "Zufahrt über R.-Straße" zu spät erkannte wird. |
23. |
Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, der primäre gesetzliche Zweck jeder Benennung, die Straßen im Gemeindegebiet für den öffentlichen Verkehr hinreichend unterscheidbar zu machen, rechtfertige die Umbenennung. Aber auch die von der Beklagten angestellten Erwägungen lassen keine sachlichen Gründe erkennen, die im Rahmen des § 5 Abs 4 GO die angefochtene Maßnahme trotz der durch sie begründeten Verwechslungsgefahr tragen könnten. Nach dem Inhalt der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 15.12.1976 und der Beratungsunterlage (S 6 und 7) ging es der Beklagten darum, die mit dem Urteil des Senats vom 5.3.1976 entstandene unbefriedigende Lage zu bereinigen. Nicht eine einheitliche Zuordnung der dortigen Anwesen zu der einen oder anderen Straße, sondern die durchlaufende Numerierung der Häuserzeile sollte diesem Ziel dienen. Dies setzte eine Umbenennung der "Kleinen B.-Straße" voraus, deren Hausnummern die der eigentlichen B.-Straße fortsetzten. Mag die besondere örtliche Situation daher eine Umbenennung nahegelegt haben, so erforderte und rechtfertigte sie doch nicht die Auswahl eines mit der Benennung der R.-Straße nahezu gleichlautenden Namens. Denn die Namensähnlichkeit bringt für den Ortsunkundigen, dem die Straßenbenennung in erster Linie dient, nicht erkennbar zum Ausdruck, daß es sich hierbei um zwei Anlagen handelt, die dieselben Grundstücke erschließen oder doch räumlich benachbart sind. Selbst wenn er dies aber so versteht, ändert sich nichts an der oben beschriebenen Verwechslungsgefahr. Auch die Überlegung, die zeilenartige Anordnung der Gebäude auf den abwechselnd nach Norden und nach Süden zugeordneten Grundstücken gebe Anlaß, den Fußweg durch seine Benennung in die "Gesamterschließungsanlage R.-Straße" mit einzubeziehen, führt an dem Gebot der Unterscheidbarkeit der Benennung nicht vorbei. Erfordernisse des Katasterwesens mögen für eine fortlaufende Numerierung aneinandergrenzender Grundstücke sprechen, sie können jedoch zur Rechtfertigung einer verwechslungsfähigen Benennung nicht ins Feld geführt werden. Soweit die Beklagte den Fußweg durch seine Benennung als gegenüber der B.-Straße (L ... ) selbständige Erschließungsanlage kennzeichnen wollte, standen ihr, was keiner Ausführung bedarf, anderweitig, nicht verwechslungsfähige Benennungen zur Auswahl. |
24. |
Begründet nach allem die von der Beklagten neu gewählte Straßenbenennung die Gefahr der Verwechslung durch den allgemeinen Verkehr, ohne daß dies durch im Rahmen des § 5 Abs 4 GO zulässige Erwägungen gerechtfertigt ist, und wird damit auch die übliche und angemessene Auffindbarkeit der Anwesen der Kläger ohne Not beeinträchtigt, so entspricht die angefochtene Umbenennung weder dem gesetzlichen Zweck des Benennungsrechts noch den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. |
25. |
Da die Entscheidung der Beklagten, den Fußweg in R.-Weg umzubenennen, somit ermessensfehlerhaft ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, war der Beschluß des Gemeinderats insoweit aufzuheben. Die Festlegung neuer Hausnummern für die Grundstücke der Kläger hat bereits deswegen das gleiche rechtliche Schicksal, weil diese Maßnahme von der Umbenennung nicht zu trennen ist und mit deren Aufhebung ihren Sinn verliert. |