Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil vom 16. Oktober 1989
- 1 S 1056/88 -

(weitere Fundstellen: NVwZ 1990, 892 f.)

Leitsätze

1.

Die Verbindlichkeit einer auf Vornahme eines Realaktes oder auf Unterlassung gerichteten Zusage beurteilt sich nach den ungeschriebenen Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts.

1.

Eine Verpflichtungserklärung, die der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde (§ 42 Abs 1 S 2 GemO) abgibt, ist grundsätzlich nicht deshalb unverbindlich, weil sie der Zustimmung des Gemeinderats bedurft hätte.

Tatbestand

1.

Der Kläger ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks im Gemeindebereich der Beklagten. Das Grundstück steigt nach Süden hin an. Im September 1981 wurde der Kläger per Bescheid zu Entwässerungs- und Wasserversorgungsbeiträgen herangezogen, gegen die er geltend machte, daß sein Grundstück bei starken Regenfällen mit Wasser von den südlich angrenzenden Grundstücken überschwemmt werde. Der Gemeinderat der Beklagten beschloß daher in einer Sitzung vom 3.11.1981, mit dem Kläger Verhandlungen über die ordnungsgemäße Ableitung des Oberflächenwassers zu führen und ihm vorzuschlagen, daß er die Ableitung selbst vornehme und ihm ein Betrag von 1000 bis 1500 DM auf die Beitragsbescheide nachgelassen werde. Mit Schreiben vom 1.12.1981 teilte der damalige Bürgermeister der Beklagten dem Kläger unter anderem mit, daß die Gemeinde für eine ordnungsgemäße Ableitung des oberhalb seines Grundstücks gefaßten Oberflächenwassers Sorge tragen und auch für die Kosten einstehen werde. Daraufhin errichtete die Beklagte im südlichen hängigen Grundstücksteil einen offenen Abwasserschacht, dem das Oberflächenwasser über offene Rinnen zugeführt wird. Im September 1985 beschwerte sich der Kläger beim Landratsamt darüber, daß der neue Schacht das ankommende Oberflächenwasser nicht ordnungsgemäß aufnehme, so daß sein Grundstück nach wie vor übermäßig feucht sei. Gegenüber der Gemeinde machte der Kläger geltend, daß der Wassereinlaufschacht mit einer ordnungsgemäßen Abdeckung versehen sein müsse, um die Gefahr von Unfällen auszuschließen. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, daß sie ihre Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Ableitung des Oberflächenwassers erfüllt habe. Der Kläger hat beim VG Klage erhoben, die das VG abgewiesen hat. Die Berufung des Klägers hatte zum Teil Erfolg.

Tatbestand

1.

Der Kläger ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks im Gemeindebereich der Beklagten. Das Grundstück steigt nach Süden hin an. Im September 1981 wurde der Kläger per Bescheid zu Entwässerungs- und Wasserversorgungsbeiträgen herangezogen, gegen die er geltend machte, daß sein Grundstück bei starken Regenfällen mit Wasser von den südlich angrenzenden Grundstücken überschwemmt werde. Der Gemeinderat der Beklagten beschloß daher in einer Sitzung vom 3.11.1981, mit dem Kläger Verhandlungen über die ordnungsgemäße Ableitung des Oberflächenwassers zu führen und ihm vorzuschlagen, daß er die Ableitung selbst vornehme und ihm ein Betrag von 1000 bis 1500 DM auf die Beitragsbescheide nachgelassen werde. Mit Schreiben vom 1.12.1981 teilte der damalige Bürgermeister der Beklagten dem Kläger unter anderem mit, daß die Gemeinde für eine ordnungsgemäße Ableitung des oberhalb seines Grundstücks gefaßten Oberflächenwassers Sorge tragen und auch für die Kosten einstehen werde. Daraufhin errichtete die Beklagte im südlichen hängigen Grundstücksteil einen offenen Abwasserschacht, dem das Oberflächenwasser über offene Rinnen zugeführt wird. Im September 1985 beschwerte sich der Kläger beim Landratsamt darüber, daß der neue Schacht das ankommende Oberflächenwasser nicht ordnungsgemäß aufnehme, so daß sein Grundstück nach wie vor übermäßig feucht sei. Gegenüber der Gemeinde machte der Kläger geltend, daß der Wassereinlaufschacht mit einer ordnungsgemäßen Abdeckung versehen sein müsse, um die Gefahr von Unfällen auszuschließen. Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, daß sie ihre Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Ableitung des Oberflächenwassers erfüllt habe. Der Kläger hat beim VG Klage erhoben, die das VG abgewiesen hat. Die Berufung des Klägers hatte zum Teil Erfolg.

Aus den Gründen:

2.

[...] Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Sie hat keinen Erfolg, soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten begehrt, die auf seinem Grundstück verlegten Betonrinnen durch eine Steinpflasterrinne zu ersetzen. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch darauf zu, daß die Beklagte den auf seinem Grundstück angelegten Wasserauffangschacht mit einer Beton- oder Metallgitterabdeckung versieht.

3.

Soweit der Kläger von der Beklagten die Ersetzung der Zulaufrinnen begehrt, ist die Klage unzulässig. Zutreffend ist das VG davon ausgegangen, daß auch hinsichtlich dieses Begehrens der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO) gegeben ist. Die mit dem Schreiben vom 1.12.1981 abgegebene Erklärung des damaligen Bürgermeisters der Beklagten, daß die Gemeinde für eine ordnungsgemäße Ableitung des oberhalb des Grundstücks des Klägers gefaßten Oberflächenwassers Sorge tragen werde, auf die der Kläger seine mit den Hauptanträgen geltend gemachten Begehren stützt, ist nicht nur deshalb in einen öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang eingebunden, weil sie im Zusammenhang mit den Widersprüchen des Klägers gegen Entwässerungsbeitrags- und Wasserversorgungsbeitragsbescheide abgegeben wurde, sondern auch weil sie in unmittelbarer Beziehung zu der öffentlichen Aufgabe der Beklagten steht, die auf ihrem Gebiet anfallenden Abwässer zu beseitigen (§ 45 b Abs. 2 WasserG i.V.m. § 2 Abs. 2 GemO).

4.

Für das im Hauptantrag Nr. 2 geltend gemachte Klagebegehren fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, denn er hat einen entsprechenden Antrag vor Klageerhebung bei der Beklagten nicht gestellt. Ebenso wie die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage als nicht nachholbare Prozeßvoraussetzung die Stellung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsakts voraussetzt (vgl. §§ 68 Abs. 2, 75 Satz 1 VwGO), stellt es eine Sachurteilsvoraussetzung der – hier gegebenen - allgemeinen Leistungsklage dar, daß das auf Vornahme einer Handlung oder Unterlassung gerichtete Begehren zunächst der Behörde gegenüber geltend gemacht wird (Eyermann-Fröhler, VwGO, 9. Aufl., § 42 Rdnr. 7). Im vorprozessualen Verfahrensstadium begehrte der Kläger von der Beklagten lediglich die Errichtung einer Schachtabdeckung.

5.

Die im Hauptantrag Nr. 1 erhobene Klage ist zulässig und entgegen der Auffassung des VG auch begründet.

6.

Der Kläger hat aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 1.12.1981 einen Anspruch darauf, daß diese eine Abdeckung des Wasserauffangschachts vornimmt, wobei es ihr überlassen bleibt, ob sie eine Beton- oder Metallgitterabdeckung wählt. Die Erklärung der Beklagten, sie werde für eine ordnungsgemäße Ableitung des oberhalb des Grundstücks des Klägers gefaßten Oberflächenwassers Sorge tragen, stellt eine Zusage dar, deren Wirksamkeit sich nicht nach § 38 LVwVfG richtet, weil sie nicht auf den Erlaß eines Verwaltungsakts, sondern auf die Vornahme eines Realaktes gerichtet ist. Ihre Verbindlichkeit beurteilt sich nach den ungeschriebenen Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts. Danach ist eine Zusage verbindlich, das heißt, sie begründet für die Begünstigten einen Anspruch auf die zugesagte Leistung, wenn sie von einem dazu befugten Beamten der zuständigen Behörde mit dem erkennbaren Willen, die Behörde zu binden, abgegeben wurde und nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (BVerwG, DVBl 1966, 857; BVerwGE 26, 31; BVerwGE 48, 166; BVerwG NJW 1976, 303, 304). Diese Voraussetzungen sind bei der Erklärung der Beklagten erfüllt. Sie stellt eine hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen zu einem Tun in der Zukunft dar. Entgegen der Auffassung des VG war der Bürgermeister zur Abgabe der Erklärung befugt. Ob im Innenverhältnis eine vorherige Beschlußfassung des Gemeinderats der Beklagten gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO erforderlich gewesen wäre, ist nicht entscheidungserheblich.

7.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 GemO vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Er handelt dabei nicht als Bevollmächtigter der Gemeinde, sondern als deren Organ. Seine Rechtshandlungen gelten als Handlungen der Gemeinde. Die dem Bürgermeister übertragene Verfügungsmacht ist allumfassend und unbeschränkt, insbesondere durch den Gemeinderat nicht einschränkbar. Erklärungen, die der Bürgermeister unter Überschreitung der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilungen abgibt, sind danach für die Gemeinde bindend (vgl. VGH Mannheim,VBlBW 1983, 210; BGH, VBlBW 1966, 95; LG Stuttgart, NVwZ 1982, 57). Die Gemeinde ist allenfalls dann nach Treu und Glauben nicht an die Erklärung gebunden, wenn der Erklärungsempfänger bei gehöriger Sorgfalt die Überschreitung der Vertretungsmacht des Bürgermeisters hätte erkennen können. Daran fehlt es hier; denn es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger Kenntnis vom Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses vom 3.11.1981 erlangt hatte. Abgesehen davon beschränkte sich dessen Inhalt in einem Auftrag an den Bürgermeister, mit dem Kläger Verhandlungen zu führen, ohne daß abschließend der Inhalt der von der Beklagten zu erbringenden Leistungen festgelegt worden wäre.

8.

Da das Schriftformerfordernis (§ 54 Abs. 1 GemO) gewahrt ist und die Zusage auch im übrigen, vornehmlich das zugesagte Verhalten, nicht gegen das Gesetz verstößt, ist ein Anspruch des Klägers auf Einhaltung der Zusage, das heißt darauf entstanden, daß die Beklagte auf ihre Kosten für eine ordnungsgemäße Ableitung des südlich seines Grundstücks gefaßten Oberflächenwassers Sorge trägt.

9.

Dieser Anspruch ist nicht vollständig erfüllt, und zwar insoweit nicht, als die Beklagte davon abgesehen hat, den Wasserablaufschacht mit einer Abdeckung zu versehen. Wesentlicher Inhalt der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung war die Errichtung des Schachtes auf dem südlichen hängigen Bereich des Grundstücks. Dies entsprach ausweislich seines Schreibens vom 9.1.1987 an die Beklagte auch dem Willen des Klägers. Ist – wie hier – zur ordnungsgemäßen Ableitung von Oberflächenwasser die Errichtung eines Schachts erforderlich, kann in dessen Herstellung nur dann eine ordnungsgemäße Maßnahme der Abwasserbeseitigung gesehen werden, wenn er mit einer Abdeckung versehen wird. Dies entnimmt der Senat der Nr. 7.6.2 der DIN 1986 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Technische Bestimmungen für den Bau), wonach Schächte mit Abdeckungen entsprechend DIN 1229 Teil 1 bzw. DIN 19.599 zu verschließen sind. Aus dieser technischen Bestimmung, die als eine allgemein anerkannte Regel der Abwassertechnik anzusehen ist (vgl. § 45 a Abs. 1 Satz 2 WasserG), folgt zugleich, daß die Abdeckung von Schächten primär eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung und nicht der dem Grundstückseigentümer obliegenden Verkehrssicherungspflicht darstellt.

10.

Die Entscheidung über den Hilfsantrag kommt nicht in Betracht, weil der Klage hinsichtlich der Abdeckung des Wasserauffangschachts stattgegeben worden ist und weil darüber hinaus die Klage wegen Beseitigung der Betonrohre mangels eines Antrags bei der Beklagten ebenfalls unzulässig ist.