Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil vom 22.6.1987
- 1 S 1699/8
6 -

 (weitere Fundstellen: NVwZ 1988, 168 ff.)

 

 

Leitsätze:

1.

Eine Verordnung der Ortspolizeibehörde über die Ausübung des Gemeingebrauchs an einem Gewässer findet, auch wenn sie der Gefahrenabwehr dient, ihre spezielle Ermächtigungsgrundlage in § 28 II WassG; die Vorschriften über den Erlaß einer Polizeiverordnung (§§ 10 ff. PolG) sind insoweit nicht anwendbar.

2.

Die Mitwirkung des Gemeinderats bei Erlaß einer Rechtsverordnung des Bürgermeisters als Ortspolizeibehörde über die Ausübung des Gemeingebrauchs am Gewässer führt regelmäßig nicht zu deren Ungültigkeit, wenn der Bürgermeister die Verordnung in eigener Verantwortung erläßt.

3.

Sporttauchen mit Atemgerät unterfällt in Baden-Württemberg dem wasserrechtlichen Gemeingebrauch.

4.

Zur Rechtswirksamkeit von Beschränkungen des Sporttauchens in einem nicht unter Naturschutz gestellten Baggersee, der zulässigerweise in erheblichem Umfang zum Baden genutzt wird.

 

 

 

Zum Sachverhalt

1.

Die Antragsteller, aktive Sporttaucher, bezweifelten die Gültigkeit der "Verordnung und Polizeiverordnung" der Antragsgegnerin über die Benutzung der Baggerseen auf ihrer Gemarkung vom 11. 4. 1986 (im folgenden: Verordnung/VO), soweit das Sporttauchen im Baggersee "Giesen" untersagt und im Baggersee "Streitköpfle" geregelt wird; der Antragsteller zu 2 stellte darüber hinaus die entsprechenden Ordnungswidrigkeitenvorschriften zur Prüfung. Die Anträge hatten weitgehend Erfolg.

 

Aus den Gründen:

2.

I. Die Normenkontrollanträge sind im wesentlichen zulässig.

3.

Unzulässig ist der Antrag des Antragstellers zu 2, soweit er sich gegen die Ordnungswidrigkeitenbestimmungen des § 16 III, IV VO richtet. Die Verordnung unterliegt als im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift der Normenkontrolle durch den VGH nur im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit (§ 47 I Nr. 2 VwGO, § 5 AGVwGO). Diese erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (ESVGH 28, 241 m. w. Nachw.; VBlBW 1983, 302) auf Ordnungswidrigkeitenbestimmungen in öffentlichrechtlichen Verordnungen nicht, weil gegen deren Vollzug aufgrund ausdrücklicher Zuweisung an die ordentlichen Gerichte der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (§ 40 I VwGO, § 68 OWiG).

4.

Im übrigen sind die Anträge zulässig. Insb. ist die Antragsbefugnis gegeben, denn die Antragsteller haben durch die angegriffenen Bestimmungen einen Nachteil erlitten und weiterhin zu erwarten (§ 47 II 1 VwGO). Ein Nachteil in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn der Antragsteller durch die zu kontrollierende Rechtsvorschrift oder durch deren Anwendung negativ, d. h. verletzend, in einem rechtlich geschützten Interesse betroffen wird oder in absehbarer Zeit betroffen werden kann (BVerwGE 64, 7). Die insoweit beachtlichen privaten Interessen beschränken sich nicht auf subjektive öffentliche Rechte. Ob ein Interesse als i. S. des § 47 II 1 VwGO beachtliche Rechtsposition anzuerkennen ist, bestimmt sich vielmehr in erster Linie nach der konkreten materiellrechtlichen Regelung (BVerwGE 59, 87).

5.

Eine solche Rechtsposition wird den Antragstellern durch § 26 I 1 WassG vermittelt, denn das Sporttauchen unterfällt, wie noch näher darzulegen sein wird, dem Gemeingebrauch, der nach dieser Vorschrift jedermann gestattet ist. Der Umstand, daß der individuelle Gemeingebrauch ein schwaches Recht ist, weil seine Ausübung aufgrund des § 28 II 1 WassG geregelt, beschränkt und verboten werden kann, ändert an der Antragsbefugnis der Antragsteller nichts. Die materielle Rechtslage ist dadurch gekennzeichnet, daß der Bürger - hier wie anderwärts - keinen Anspruch auf Begründung oder Erhaltung des individuellen Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Sache hat (Salzwedel, DÖV 1963, 245 ff.; ders., in: v. Münch, BesVerwR, 6. Aufl. (1982), S. 762; ders., in: Erichsen-Martens, AllgVerwR, 6. Aufl. (1983), S. 428; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 2. Aufl. (1984), S. 96 f.). Dagegen kann, wer einen einmal begründeten Gemeingebrauch ausübt oder ausüben will, verlangen, daß bei Eingriffen in diese Rechtsposition die einschlägigen Vorschriften des formellen und materiellen Rechts beachtet werden (Salzwedel, DÖV 1963, 245; Papier, S. 97; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, WassHG, 4. Aufl. (1985), § 23 Rdnr. 14; ähnlich VGH Mannheim, Urt. v. 13. 10. 1982 - 5 S 605/81, insoweit in AgrarR 1983, 97 nicht abgedr.). So verhält es sich im Fall der Antragsteller, die bestreiten, daß die von der Antragsgegnerin vorgenommene Beschränkung des Gemeingebrauchs frei von Verfahrensfehlern und in materieller Hinsicht durch § 28 II WassG gedeckt sei. Auf die umstrittene Frage, ob der wasserrechtliche Gemeingebrauch im übrigen als subjektives öffentliches Recht verstanden werden kann (s. Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 23 Rdnr. 11; Bulling-Finkenbeiner, WassG, 2. Aufl. (1981), § 26 Rdnr. 2; Habel-Kuckuck, WassG, 1982, § 26 Rdnr. 4; jew. m. w. Nachw.), kommt es hiernach nicht an.

6.

II. Die Normenkontrollanträge sind, soweit zulässig, überwiegend begründet. Die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschriften begegnet weithin durchgreifenden Bedenken.

7.

1. In formeller Hinsicht ist die Verordnung allerdings entgegen der Ansicht der Antragsteller und des Vertreters des öffentlichen Interesses rechtlich nicht zu beanstanden. Insb. ist davon auszugehen, daß die Verordnung ordnungsgemäß zustandegekommen ist.

8.

a) Der Vertreter des öffentlichen Interesses meint, die Verordnung sei formell rechtswidrig, weil sie eine aus einer Polizeiverordnung und einer Rechtsverordnung über den Gemeingebrauch zusammengesetzte "Doppelverordnung" darstelle und nicht erkennen lasse, daß es sich um rechtlich unterschiedliche Regelungen handele. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

9.

Die Ansicht des Vertreters des öffentlichen Interesses berücksichtigt nicht, daß die Verordnung entsprechend ihren sachlich begrenzten Teilen in zwei Abschnitte gegliedert und mit Überschriften versehen ist, die den jeweiligen Regelungsgegenstand zutreffend bezeichnen. Auch für den nicht Rechtskundigen ist erkennbar, daß der erste Abschnitt Vorschriften über die Benutzung des Seeuferbereichs enthält, während sich im zweiten Abschnitt die Regelungen des Gemeingebrauchs finden. Aus dieser Systematik, die allenfalls von Bestimmungen über die Haftung (§§ 6, 15 VO) und über Ordnungswidrigkeiten (§ 16 VO) durchbrochen wird, läßt sich unschwer folgern, daß die den Uferbereich betreffenden Vorschriften auf §§ 10 I, 1 I PolG und die Regelungen des Gemeingebrauchs an den Gewässern auf § 28 II WassG beruhen. Da auch beide Ermächtigungsgrundlagen im Vorspruch angegeben sind, ist dem Zitiergebot (Art. 61 I 3 Verf. ) genügt (vgl. BVerfGE 20, 283 (292)).

10.

Einen Rechtssatz, der die Verknüpfung zweier Verordnungen desselben Normgebers in einem gemeinsamen Regelwerk untersagt, gibt es nicht. Daß der einheitliche Sachbereich des Verhaltens der erholungsuchenden Benutzer in und an einem Gewässer durch zwei Verordnungen aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen zu regeln ist, ist eine unerfreuliche Folge der Änderung des § 10 PolG durch Art. 2 des Gesetzes zur Ablösung des Polizeistrafrechts vom 2. 7. 1974 (GBl S. 210). Diese hat dazu geführt, daß die Generalermächtigung des § 10 I 1 PolG gegenüber der speziellen Regelung des § 28 II WassG regelmäßig - und auch im vorliegenden Fall - zurücktritt; § 10 II PolG greift nicht ein, weil es insoweit an einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlaß einer Polizeiverordnung fehlt. Für den Bereich der spezialgesetzlich geregelten Aufgabe der Ortspolizeibehörden und der Wasserbehörden, die Ausübung des Gemeingebrauchs am Gewässer aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit zu beschränken, hat § 10 PolG mithin nur noch subsidiäre Bedeutung (so ausdrücklich Begr. des RegE, LT-Dr 6/3570, S. 18); das gilt, wie der Senat entschieden hat (BaWüVPr 1978, 278, u. Beschl. v. 22. 7. 1985 - 1 S 1806/84), auch in bezug auf die Abwehr von Gefahren, die durch die Ausübung des Gemeingebrauchs für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen können. Dagegen bedarf es zur normativen Regelung der Benutzung des Seeuferbereichs, soweit - wie hier - § 75 WassG nicht eingreift, bei der gegebenen Rechtslage mangels spezieller Ermächtigung nach wie vor einer auf § 10 I 1 PolG gestützten Polizeiverordnung. Unter diesen Umständen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, daß die Antragsgegnerin die Rechtsverordnung zur Regelung des Gemeingebrauchs an den Baggerseen und die Polizeiverordnung über das Verhalten der Erholungsuchenden im Uferbereich zu einer einheitlichen "Verordnung und Polizeiverordnung" zusammengefaßt hat.

11.

b) Der Vertreter des öffentlichen Interesses äußert ferner Bedenken dagegen, daß die Antragsgegnerin die Regelung über die Ausübung des Gemeingebrauchs in der Form einer Verordnung statt einer Allgemeinverfügung getroffen hat. Auch diese Auffassung vermag der Senat nicht zu teilen.

12.

In welcher Form die Wasserbehörde oder die Ortspolizeibehörde den wasserrechtlichen Gemeingebrauch regeln kann, ist in § 28 II WassG nicht gesagt. Die Regelungsform einer Verordnung ist folglich nicht ausgeschlossen. In ihrer Wahl liegt nicht, wie der Vertreter des öffentlichen Interesses unter Berufung auf eine Kommentierung (Habel-Kuckuck, § 28 Rdnr. 9) meint, eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes. Der Gesetzgeber braucht schon im allgemeinen nicht diejenige Rechtsform vorzusehen, die dem Betr. den bestmöglichen Rechtsschutz gewährleistet (s. BVerfGE 10, 89 (105); BVerfGE 70, 35 (56)). Selbst für Einzelfallregelungen ist er durch Verfassungsrecht nicht ausnahmslos gehindert, zum Erlaß einer Rechtsverordnung zu ermächtigen (BVerfG - Vorprüfungsausschuß -, NVwZ 1984, 89 (90)). Bei einer Regelung durch Rechtsverordnung, wie sie die Antragsgegnerin vorgenommen hat, ist das erforderliche Mindestmaß an Rechtsschutz schon dadurch gewahrt, daß die Möglichkeit eines Normenkontrollantrags gegeben ist (vgl. BVerfG, NVwZ 1987, 42; zu darüber hinaus möglichen Klagearten s. BVerwGE 26, 251 betr. die Einschränkung des Wasserskifahrens durch Rechtsnorm).

13.

In bezug auf die von den Antragstellern angegriffene Regelung spricht im Gegenteil einiges dafür, daß sie sachgerecht allein durch eine Verordnung getroffen werden kann. Das folgt aus ihrer eher abstrakt-generellen Natur und der Tatsache, daß sie objektiv auf Dauer angelegt ist. Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Behörde unter den gegebenen Umständen rechtlich verpflichtet ist, die Gemeingebrauchsregelung in der Form einer Rechtsverordnung zu erlassen, wie der erkennende Gerichtshof für den Fall einer Beschränkung des Windsurfens auf dem Bodensee entschieden hat (Urt. v. 13. 3. 1987 - 5 S 2079/86 - m. w. Nachw. aus der Lit.). Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß die gewählte Form einer Verordnung nicht sachwidrig und der Erlaß einer Allgemeinverfügung nicht geboten ist (ebenso Bulling-Finkenbeiner, § 28 Rdnr. 4; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 23 Rdnr. 31 f. m. w. Nachw.).

14.

c) Auch die Zweifel der Antragsteller an der ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Verordnung sind nicht berechtigt. Die Bekanntmachung der Verordnung durch Veröffentlichung in den "Badischen Neuesten Nachrichten" entspricht der durch § 5 VerkG vorgeschriebenen Regelung, die auf die für Satzungen bestimmten Bekanntmachungsformen einschließlich der Möglichkeit der Ersatzbekanntmachung von Karten (§ 1 I, II, III DVO GO) verweist. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, daß die von der Antragsgegnerin praktizierte Form der Bekanntmachung mit ihrer Bekanntmachungssatzung übereinstimmt (§ 1 I 1 Nr. 2, S. 2 DVO GO).

15.

d) Aus Gründen des formellen Rechts kann allenfalls fraglich sein, ob die Verordnung deswegen ungültig ist, weil der Gemeinderat der Antragsgegnerin aufgrund einer Beratung, die auch auf die Regelungen über die Ausübung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs, insb. auf den Inhalt des § 13 III Nr. 2, 3 und 10 VO, erstreckt war, seine Zustimmung zu der Polizeiverordnung erteilt hat. Die insoweit allgemein bestehenden Bedenken greifen jedoch im vorliegenden Fall nicht durch.

16.

Während Polizeiverordnungen der Ortspolizeibehörde, die länger als einen Monat gelten sollen, der Zustimmung des Gemeinderats bedürfen (§ 15 II PolG), gibt es einen solchen Zustimmungsvorbehalt für die aufgrund des § 28 II WassG erlassenen Rechtsverordnungen nicht. Für den Erlaß einer Rechtsverordnung über die Ausübung des Gemeingebrauchs an Gewässern ist - abgesehen von der Wasserbehörde - ausschließlich der Bürgermeister als Ortspolizeibehörde (§ 48 IV PolG) zuständig. Dieser erledigt die Aufgabe in eigener Kompetenz (§ 44 III 1 GO); im Gegensatz zu der ausdrücklich geregelten Beteiligung des Gemeinderats beim Erlaß einer Polizeiverordnung ist im Regelungsbereich des § 28 II GO für dessen Entscheidung oder verantwortliche Mitwirkung nach geltendem Recht kein Raum (§ 24 I 2 GO). Im Blick auf diese Rechtslage vertritt das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Umwelt und Forsten in einem Erlaß vom 2. 10. 1985 (72/2202) die Auffassung, daß Rechtsverordnungen nach § 28 II WassG, an deren Erlaß der Gemeinderat mitgewirkt hat, ohne Rücksicht darauf, ob der Gemeinderat der Rechtsverordnung unverändert zugestimmt hat, nichtig seien; unschädlich sei lediglich eine bloße Information des Gemeinderats. Dieser Erlaß wurde der Antragsgegnerin am 4. 12. 1985 auf dem Dienstweg zur Kenntnis gebracht und zu den einschlägigen Verwaltungsakten genommen.

17.

Die Auffassung des Ministeriums, die vom Vertreter des öffentlichen Interesses und von den Antragstellern geteilt wird, beruht auf der zutreffenden Einsicht, daß eine gesetzlich nicht ermächtigte Stelle auf den Erlaß einer Rechtsverordnung keinen verantwortlichen Einfluß nehmen darf, weshalb die dennoch erfolgte Mitwirkung grundsätzlich zur Ungültigkeit der Rechtsverordnung führt (Braun, Verf., 1984, Art. 61 Rdnr. 15; s. auch zur Beteiligung des Bundestages an Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften des Bundes z. B. Wilke, AöR 98 (1973), ; Grupp, DVBl 1974, 177; Hömig, DVBl 1976, 858; jew. m. w. Nachw.). Für den Bereich des Ortsrechts ist dem freilich hinzuzufügen, daß es bei der Mitwirkung unzuständiger kommunaler Beschlußorgane im Rechtsetzungsverfahren entscheidend darauf ankommt, ob diese tatsächlich als unzulässiger Übergriff in den Kompetenzbereich des Bürgermeisters zu würdigen ist. Davon ist regelmäßig nur dann auszugehen, wenn das Rechtsetzungsverfahren anstelle einer Rechtsverordnung der Ortspolizeibehörde eine "Zustimmungsverordnung" nach Art des § 15 II PolG erzeugt hat, die nicht allein vom Bürgermeister verantwortet, sondern vom unzuständigen Gemeinderat im Rechtssinne (zumindest) mitverantwortet ist. Der Senat hält diese Einschränkung der formalen Betrachtungsweise des Ministeriums deshalb für angezeigt, weil das Gesetz eine Unterrichtung des Gemeinderats über die in die Zuständigkeit des Bürgermeisters fallenden Angelegenheiten ausdrücklich vorschreibt (§ 43 V GO) und den Bürgermeister darüber hinaus nicht grundsätzlich daran hindert, auch ihm obliegende Angelegenheiten von örtlicher Bedeutung dem Gemeinderat zur Stellungnahme zu unterbreiten, sofern ihm die Erfüllung der Aufgaben einen Gestaltungsspielraum läßt. Auch in diesem Bereich kann es der Sachrichtigkeit der Entscheidung und ihrer Akzeptanz in der Bürgerschaft dienen, wenn der Bürgermeister die Urteilskraft und die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten der Mitglieder des Gemeinderats berücksichtigt (Kunze-Bronner-Katz-v. Rotberg, GO, Stand: Juni 1986, § 44 Rdnr. 27). Dazu besteht Anlaß namentlich in einem Fall der vorliegenden Art, in dem es darum geht, bei der Regelung des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs einen Ausgleich zwischen widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen herbeizuführen. Gewiß muß auch unter diesen Umständen gewährleistet sein, daß Weisungsaufgaben, zu denen der Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 28 II WassG gehört, im überörtlichen Interesse in der alleinigen Verantwortung des Bürgermeisters ausgeführt werden. Doch schließt selbst die Übernahme einer Auffassung des zur verantwortlichen Mitwirkung nicht zuständigen Gemeinderats in die spätere Rechtsverordnung nicht zwangsläufig aus, daß der Bürgermeister eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen hat.

18.

Von hier aus führt der Umstand allein, daß der Gemeinderat über die vom Bürgermeister beabsichtigte Regelung des Gemeingebrauchs eingehend beraten und, ohne sich auf die den Seeuferbereich betreffenden polizeilichen Vorschriften (§§ 1-6 VO) zu beschränken, seine Zustimmung auch zu der Rechtsverordnung über die Benutzung der Baggerseen erteilt hat, nicht zur Ungültigkeit der Verordnung. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Verordnung nicht vom Bürgermeister als zuständigem Normgeber allein verantwortet ist. Bedenken in dieser Richtung lassen sich nicht daraus herleiten, daß die Norm in ihrer Überschrift als "Verordnung und Polizeiverordnung der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten" bezeichnet ist; Zweifel an der Verantwortlichkeit und Urheberschaft, die durch diese Formulierung hervorgerufen sein mögen, werden durch die Unterschrift des Bürgermeisters sowie dadurch ausgeräumt, daß der Vorspruch - mit Rücksicht auf die Doppelnatur der Verordnung zu Recht - auf die Zustimmung des Gemeinderats nur im Zusammenhang mit §§ 10 I, 1 I PolG, nicht aber bei § 28 II WassG verweist. Auch dem vom Antragsteller zu 2 vorgelegten Schreiben des Bürgermeisters an den Taucherclub "M." vom 8. 7. 1986 ist nicht zu entnehmen, daß der Bürgermeister der Antragsgegnerin sich rechtlich außerstande gesehen hätte, die Ausübung des Gemeingebrauchs ohne die Zustimmung oder gegen den Willen des Gemeinderats zu regeln. Die Wendung, der Verordnungsentwurf müsse "noch vom Gemeinderat gebilligt werden", läßt sich zwanglos dahin verstehen, daß der Bürgermeister auf eine von der Mehrheit des Gemeinderats als Repräsentanten der betroffenen Bürgerschaft getragene Regelung besonderen Wert gelegt hat, was nicht zu beanstanden ist. Nach allem besteht kein Grund zu der Annahme, der Bürgermeister sei in Verkennung der Rechtslage von einem Zustimmungserfordernis und einer gesetzlich vorgeschriebenen Mitverantwortung des Gemeinderats ausgegangen.

19.

2. In materieller Hinsicht jedoch halten die angegriffenen Bestimmungen zum ganz überwiegenden Teil der rechtlichen Prüfung nicht uneingeschränkt stand.

20.

a) Nach § 26 I 1 WassG ist der Gebrauch der oberirdischen Gewässer unter anderem zum Baden und zu ähnlichen unschädlichen Verrichtungen vorbehaltlich des § 28 II WassG als Gemeingebrauch jedermann gestattet. Das Sporttauchen, so wie es die Antragsteller betreiben, d. h. das Tauchen in einem Gewässer im Taucheranzug mit Atemgerät, Flossen und Maske nach den Regeln des Verbandes Deutscher Sporttaucher (VDST), hält sich im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs. Es läßt sich zwar nicht mehr dem "Baden" zurechnen, weil der wasserrechtliche Gemeingebrauch als eng begrenzte Ausnahme vom grundsätzlichen Benutzungsverbot zu verstehen und der Rechtsbegriff des Badens i. S. des § 26 I 1 WassG mit Rücksicht auf die Prägung gemeingebräuchlicher Formen der Gewässerbenutzung durch Tradition und Herkommen einer "zeitgemäßen" erweiternden Auslegung in dieser Richtung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwGE 23, 47 m. Anm. Gieseke, ZfW 1966, 103; zum Sporttauchen im Ergebnis wie hier OVG Lüneburg, ZfW 1984, 373; LG Kiel, NuR 1980, 179; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 23 Rdnr. 16 f.; a. A. Habel-Kuckuck, § 26 Rdnr. 8; Bulling-Finkenbeiner, § 26 Rdnr. 4); doch unterfällt es den "ähnlichen unschädlichen Verrichtungen", denn das Sporttauchen ist in seiner Bedeutung für die wasserwirtschaftliche Ordnung den in § 26 I 1 WassG genannten Gebrauchsarten vergleichbar (Bulling-Finkenbeiner, aaO; ähnlich VGH Mannheim, Urt. v. 16. 4. 1980 - VII 907/79). Auch gehören die Baggerseen "Giesen" und "Streitköpfle" unbeschadet dessen, daß sie durch die dauerhafte Freilegung von Grundwasser entstanden und als private Gewässer eingeordnet sind, zu den oberirdischen Gewässern (vgl. §§ 1 I, 2 I, II WassG i. V. mit § 1 I Nr. 1 WassHG), an welchen durch § 26 I 1 WassG Gemeingebrauch begründet ist (VGH Mannheim, ZfW 1977, 168; BaWüVPr 1978, 278; Habel-Kuckuck, § 26 Rdnr. 5; Bulling-Finkenbeiner, § 1 Rdnr. 2; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 1 Rdnr. 9a m. w. Nachw., auch zur Gegenmeinung).

21.

b) Durch § 28 II 1 WassG wird die Ortspolizeibehörde ermächtigt, aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit, insb. der Ordnung des Wasserhaushalts, der Sicherstellung der Erholung oder des Schutzes der Natur, die Ausübung des Gemeingebrauchs zu regeln, zu beschränken oder zu verbieten. Dem gesetzlich begründeten abstrakten Gemeingebrauch an oberirdischen Gewässern (§ 26 WassG) dürfen mithin aus sachlich begrenzten Gründen Schranken gezogen werden.

22.

Unabhängig von einer solchen speziellen Widmungsbeschränkung im Interesse des Wohls der Allgemeinheit ist die konkrete Ausübung des individuellen Gemeingebrauchs ferner durch den Grundsatz der Gemeinverträglichkeit begrenzt. Dieser in § 14 I 1 WassG geregelte sowie als traditionelle Schranke des vom einzelnen konkret und real ausübbaren Gemeingebrauchs allgemein anerkannte Grundsatz besagt, daß der (individuelle) Gemeingebrauch in dem gleichen Recht anderer Benutzer seine Grenze findet; demgemäß haben die Gemeingebrauchsberechtigten aufeinander Rücksicht zu nehmen und, soweit die Befugnisse nicht ohne Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs oder gleichrangiger und vorrangiger Rechte Dritter ausgeübt werden können, die Behörden eine Ordnungsregelung nach dem Prinzip der gleichmäßigen Wahrung der Rechte aller Bet. zu treffen (h. M. seit RGZ 16, 144 (146); s. BVerwGE 4, 342 (344); Scheuner, in: Festschr. f. Gieseke, 1958, S: 73; Friesecke, DVBl 1960, 711; Salzwedel, ZfW 1962, 83 ff., 89 ff.; ders., DÖV 1963, 244 f.; Papier, aaO, S. 116, 126 f.; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 23 Rdnr. 30; Bulling-Finkenbeiner, § 26 Rdnr. 2, § 14 Rdnr. 1; Habel-Kuckuck, § 26 Rdnr. 2, § 14 Rdnr. 1 f.; jew. m. w. Nachw.). Der Senat hat keine Bedenken gegen die Annahme, daß gemeingebrauchsordnende Regelungen zur Konkretisierung des Grundsatzes der Gemeinverträglichkeit durch Rechtsverordnung ihre Ermächtigungsgrundlage ebenfalls in § 28 II WassG finden, denn auch sie bringen bei der Konkurrenz von Nutzungsinteressen das Wohl der Allgemeinheit zur Geltung.

23.

Bei der Entscheidung, ob und in welcher Weise die Ausübung des Gemeingebrauchs geregelt, beschränkt oder untersagt werden soll, räumt § 28 II WassG der Ortspolizeibehörde ein weites Ermessen ein. Begrenzt ist die normsetzende Gestaltungsfreiheit durch die gesetzliche Ermächtigung insoweit, als die Regelung durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt sein muß. Dieser Rechtsbegriff, der voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegt, ist nach st. Rspr. des erkennenden Gerichtshofs (ESVGH 21, 48 (52); ZfW 1976, 218; BWVPr 1978, 278) dahin auszulegen, daß er nicht allein Belange der Wasserwirtschaft, der Erholungsvorsorge und des Naturschutzes, sondern auch die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung und sonstige überwiegende Interessen der Allgemeinheit erfaßt.

24.

Darüber hinaus muß sich die Regelung im Rahmen des höherrangigen Rechts halten und insb. mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie dem Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) vereinbar sein. Die Prüfung der angegriffenen Vorschriften am Maßstab des Verfassungsrechts, namentlich der Grundrechte, ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch im Normenkontrollverfahren dem Senat nicht verwehrt, da ein entsprechender verfassungsgerichtlicher Vorbehalt nicht besteht (vgl. § 47 III VwGO).

25.

c) Die zur Prüfung gestellten Vorschriften halten sich mit Ausnahme des Nachttauchverbots (§ 13 III Nr. 2 VO) aus im einzelnen unterschiedlichen Gründen nicht innerhalb der dargelegten rechtlichen Grenzen, weshalb sie ungültig sind und für nichtig erklärt werden müssen (§ 47 VI 2 VwGO).

26.

aa) Das uneingeschränkte Verbot des Sporttauchens im Baggersee "Giesen" (§ 12 III VO) verstößt, solange die Ausübung anderer Gemeingebrauchsarten, insb. das Baden, nicht untersagt ist, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

27.

Die Antragsgegnerin trägt vor, daß das Verbot auf Gründen der Gefahrenabwehr beruhe. Aus Gründen der Gefahrenabwehr, die zu den Gründen des Wohls der Allgemeinheit i. S. des § 28 II WassG gehören, kann das Sporttauchen ebenso wie andere sportliche Betätigungen in Gewässern beschränkt werden, wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung drohen, was bei einem Baggersee beispielsweise im Bereich des Kieswerks der Fall ist (vgl. dazu etwa das für den Uferbereich ausgesprochene Verbot des § 2 VO, sich im Bereich der Abbau- und Förderanlagen aufzuhalten und dem Baggerbetrieb dienende Anlagen unbefugt zu betreten oder zu benutzen). Dieser Gesichtspunkt greift jedoch hier nicht durch, weil im Baggersee "Giesen", der in erster Linie der Erholung dient, seit Jahren kein Auskiesungsbetrieb mehr stattfindet; wie der Augenschein ergeben hat, sind auch keine Abbau- und Förderanlagen vorhanden. Im übrigen besteht keinerlei greifbarer Anhalt für die Annahme, daß das Verbot des Sporttauchens im Baggersee "Giesen" erforderlich sein könnte, um von dieser Gebrauchsart ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Insbesondere leuchtet nicht ein, daß unter diesem Blickwinkel lediglich das Sporttauchen untersagt wird, während das Baden einschließlich des herkömmlichen Tauchens mit Schnorchel ohne weiteres zulässig ist.

28.

Durch andere Gründe des Wohls der Allgemeinheit wird die Regelung nicht gerechtfertigt. Zur Ordnung des Wasserhaushalts ist sie, was keiner näheren Begründung bedarf, nicht geboten. Aus Gründen des Naturschutzes ist das Verbot des Sporttauchens im Baggersee "Giesen", der nicht in einem Naturschutzgebiet liegt, unter den derzeit gegebenen Umständen nicht erforderlich:

29.

Allerdings hat der Senat im Grundsatz keine Zweifel an der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Baggerseen "Giesen" und "Streitköpfle". Wie der Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in der mündlichen Verhandlung erläutert und der Augenschein bestätigt hat, dienen die im Bereich der Altrheinaue gelegenen Seen als Sekundärbitope und Neubesiedlungsraum für schützenswerte Fauna und Flora, weshalb die Naturschutzbehörde beabsichtigt, sie in Zukunft ganz oder teilweise unter Schutz zu stellen. Um ihre Funktion als Lebensstätten und Rückzugsraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, kommen in den biologisch aktiven Zonen naturschutzrechtliche Betretungsverbote und im übrigen differenzierte Schutzregelungen in Betracht, die damit einhergehende Beschränkungen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs rechtfertigen könnten. Denn es läßt sich nicht bestreiten und wird auch von den Antragstellern letztlich nicht in Abrede gestellt, daß eine Nutzung der Seen - vor allem wenn sie massenweise geschieht - zum Baden, Tauchen oder Angeln im Ergebnis gleichermaßen geeignet ist, in der Ufervegetation nistende und brütende Wasservögel wie die dort anzutreffenden Graureiher und Eisvögel zu vertreiben, vom Aussterben bedrohte Amphibienarten wie Laubfrosch, Kreuzkröte oder Wechselkröte zu beeinträchtigen sowie Entfaltung und naturgemäße Entwicklung limnischer Fischarten zu belasten. Der abweichenden Auffassung, die der - übrigens nicht nur beim Regierungspräsidium Karlsruhe und beim Ernährungsministerium, sondern auch beim Senat als Sachverständiger in Fischereifragen bisher nicht hervorgetretene - Dr. N in seinem von den Antragstellern vorgelegten Privatgutachten (ohne Jahr!) vertritt, vermag der Senat nicht zu folgen.

30.

Lassen sich mithin für eine Beschränkung des Gemeingebrauchs am Baggersee "Giesen" durchaus gute Gründe des Naturschutzes anführen, so ist die vom Bürgermeister der Antragsgegnerin getroffene Regelung dennoch zu beanstanden, weil das gewählte Mittel zur Erreichung des Schutzzwecks nicht erforderlich und der gebotene Ausgleich aller betr. Belange verfehlt ist. Der Schutz der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten wird durch ein Verbot des Sporttauchens nicht nennenswert erhöht, solange der Baggersee unbeschränkt zum Baden genutzt werden darf und tatsächlich auch in großem Umfang - die Antragsteller sprechen von bis zu 3000 Badegästen an Sommertagen - genutzt wird. Bei dieser Sachlage erweist sich das Verbot gerade und allein des Sporttauchens als übermäßiger Eingriff in die Ausübung dieser Gemeingebrauchsart. Spezifische Eingriffe in die Natur, die unabhängig von der Nutzung zum Baden eine einseitige Beschränkung des Sporttauchens rechtfertigen könnten, bewirkt diese Gebrauchsart nicht. Wie der Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, gehen die durch das Sporttauchen hervorgerufenen Beeinträchtigungen über diejenigen Belastungen der Natur, die mit der massenhaften Nutzung des Baggersees zum Baden verbunden sind, nicht wesentlich hinaus. Ins Gewicht fallende Unterschiede bestehen nur insoweit, als das Sporttauchen dank der verwendeten Ausrüstung auch außerhalb der warmen Jahreszeit und des Nachts ausgeübt werden kann, wenn das Baden im Freien aus Witterungsgründen in aller Regel nicht möglich oder nicht üblich ist. Besonderheiten dieser Art erlauben jedoch kein völliges Verbot des Sporttauchens unter Einschluß der Badesaison, wie es in § 12 III VO normiert ist, sondern allenfalls entsprechende jahres- oder tageszeitliche Beschränkungen. Die Entscheidung der Frage, ob zur Erreichung dieses Schutzzwecks gleich geeignete, aber weniger belastende Regelungen getroffen werden, obliegt dem normativen Ermessen der zuständigen Behörden, das der Senat nicht an deren Stelle ausüben darf.

31.

Auch im Blick auf die Sicherstellung der Erholung ist das Verbot des Sporttauchens im Baggersee "Giesen" rechtlich nicht haltbar. Die Sicherstellung der Erholung erlaubt zwar grundsätzlich eine Beschränkung bestimmter Gemeingebrauchsarten unter dem Gesichtspunkt der Gemeinverträglichkeit. Das setzt jedoch voraus, daß die Konkurrenz verschiedener Gemeingebrauchsarten tatsächlich zu konkreten und nennenswerten Beeinträchtigungen führt. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß dies im Verhältnis zwischen dem Baden oder sonstigen Gemeingebrauchsarten und dem Sporttauchen der Fall ist. Selbst wenn Belästigungen der Badegäste durch das Sporttauchen im Einzelfall anzunehmen wären, ginge das Ausmaß der in § 12 III VO vorgenommenen Untersagung des Sporttauchens zu weit.

32.

Endlich rechtfertigen allein die Interessen der Fischerei die Regelung aus Rechtsgründen nicht. Die Fischereirechte sind privatrechtlicher Natur (VGH Mannheim, BWVBl 1966, 105). Sie unterfallen weder dem Gemeingebrauch noch gehören sie zu den Befugnissen oder Rechten (§§ 7, 8 WassHG), die nach dem Grundsatz der Gemeinverträglichkeit Vorrang vor dem Gemeingebrauch beanspruchen könnten (vgl. Scheuner, in: Festschr. f. Gieseke, S. 88; Friesecke, DVBl 1960, 713 f.; Salzwedel, ZfW 1962, 88 f.; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 1976, Rdnr. 69; Gieseke-Wiedemann-Czychowski, § 23 Rdnr. 36 m. w. Nachw.). Der Gewässereigentümer, in dessen Verfügungsbefugnis das Recht der Fischerei fällt, ist kraft Gesetzes zur Duldung des Gemeingebrauchs verpflichtet und muß folglich auch die mit dessen Ausübung verbundene Beeinträchtigung des Fischereirechts im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinnehmen. Zu Regelungen im Interesse der Fischereiberechtigten ermächtigt § 28 II WassG nicht, da das Wohl der Allgemeinheit deren private Rechte nicht umfaßt.

33.

bb) Durch die Regelung des § 13 III Nr. 1 VO, die das Recht zum Sporttauchen im Baggersee "Streitköpfle" an den Besitz eines gültigen Taucherlaubnisscheins i. V. mit einem Jahresparkschein knüpft, wird die Ausübung des Gemeingebrauchs unzulässigerweise von einer entgeltpflichtigen Zulassung abhängig gemacht.

34.

Der wasserrechtliche Gemeingebrauch eröffnet die Benutzung eines Gewässers im Rahmen der gesetzlichen Widmung für jedermann ohne besondere Zulassung. Damit ist das Erfordernis, einen "Taucherlaubnisschein" zu besitzen, nicht vereinbar. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin sind die Berechtigungskarten übertragbar und werden jährlich in begrenzter Zahl an die Tauchsportvereine und Tauchschulen ausgegeben, die sie mit Stempel versehen und an ihre Mitglieder verteilen. Diese Praxis hat zur Folge, daß den Gemeingebrauch in der Form des Sporttauchens nur ausüben kann, wer einer entsprechenden Vereinigung angehört. Die darin liegende Beschränkung des Gemeingebrauchs wäre nur rechtmäßig, wenn sie durch § 28 II 1 WassG gedeckt wäre. Das ist nicht der Fall.

35.

Namentlich ist die Regelung nicht zur Gefahrenabwehr geboen. Dieser Zweck erlaubt zwar ohne weiteres ein Verbot der Gewässerbenutzung durch Personen, die mangels der zum Tauchen mit Atemgerät erforderlichen körperlichen Voraussetzungen oder technischen Fertigkeiten sich selbst oder andere gefährden können. Doch ist schon zweifelhaft, ob die allein an die Mitgliedschaft in einem Taucherverein geknüpfte Ausgabe von Taucherlaubnisscheinen ein geeigentes Mittel ist, mit dem Tauchen verbundene Gefahren abzuwehren. Als gleich geeignete und jedenfalls weniger belastende Maßnahme kommt demgegenüber beispielsweise eine Regelung in Betracht, die den Besitz eines Taucherpasses vorschreibt, durch den die erfolgreiche Ablegung einer entsprechenden Prüfung bescheinigt wird.

36.

Durchgreifenden Bedenken begegnet ferner, daß zum Sporttauchen nur berechtigt ist, wer im Besitz eines Jahresparkscheins ist, der gegen eine Gebühr von 40 DM zu erwerben ist. Dadurch werden die Sporttaucher, ohne daß hierfür ein sachlicher Grund erkennbar ist, insb. gegenüber den Badegästen benachteiligt, denen das Baden ohne den Vorbehalt gestattet wird, einen Jahresparkschein zu besitzen. Soweit die Antragsgegnerin ein geordnetes Parken der Kraftfahrzeuge der Seebenutzer sicherstellen will, ist diesem berechtigten Anliegen dadurch genügt, daß den Sporttauchern ebenso wie allen anderen Benutzern das Abstellen von Kraftfahrzeugen außerhalb der gekennzeichneten Parkflächen untersagt ist (§ 3 I Nr. 1 VO). Jenseits der durch den wegerechtlichen Gemeingebrauch gezogenen Grenzen ist die Antragsgegnerin im übrigen nicht gehindert, für die Benutzung von Parkplätzen eine Gebühr zu erheben (vgl. dazu BVerwGE 4, 342). Auch kann für die Ausübung des Gemeingebrauchs ein Entgelt verlangt werden, sofern ein Gesetz zu einer entsprechenden Regelung ausdrücklich ermächtigt, was freilich in bezug auf das Sporttauchen nicht der Fall ist. Jedoch bestehen zwischen den Sporttauchern im Vergleich zu anderen Benutzern der Baggerseen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, daß die Pflicht, einen Jahresparkschein zu besitzen, allein den Sporttauchern auferlegt werden dürfte. Die Regelung verstößt folglich gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 I GG).

37.

cc) Die für das Tauchen im Baggersee "Streitköpfle" geltende Bestimmung des § 13 III Nr. 3 VO, wonach die Abgrenzung der Tauchzone gekennzeichnet und das Tauchen über die Markierungen hinaus untersagt ist, verstößt gegen das verfassungsrechtliche Gebot der hinreichenden Bestimmtheit einer Norm.

38.

Dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot fordert vom Verordnungsgeber, normative Verbote und Ermächtigungen zu ihrer Durchsetzung im Einzelfall, soweit dies nach der Eigenart des Sachbereichs und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so zu bestimmen und zu begrenzen, daß die möglichen Eingriffe in Rechtspositionen meßbar sowie in gewissem Umfang für die Betr. voraussehbar und berechenbar werden. Mit dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Normklarheit, das zugleich eine wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleisten soll, ist unvereinbar, daß die Tauchzone weder im Text noch in der als Anlage der Verordnung beigefügten Karte festgelegt, sondern deren Abgrenzung ohne jede inhaltliche Vorgabe dem Verwaltungshandeln im Einzelfall überlassen ist. Es genügt nicht, daß die Antragsgegnerin, wie beim Augenschein festgestellt wurde, den zum Tauchen zugelassenen Bereich südlich der Landzunge und der Insel durch Hinweisschilder gekennzeichnet hat; denn eine entsprechende Regelung muß in der Verordnung selbst getroffen sein und darf nicht derart in die Hand der Verwaltung gegeben werden, daß sie beliebig konkretisiert und verändert werden kann. Die fehlende Bestimmtheit führt zur Nichtigkeit des § 13 III Nr. 3 VO. Folglich kommt es nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin mit der gegenwärtig bestehenden Tauchzone einen sachgerechten Ausgleich gegenläufiger Nutzungsinteressen der gleichermaßen zum Gemeingebrauch berechtigten Badegäste und Sporttaucher erzielt hat, wofür in der Tat manches spricht.

39.

dd) Das Gebot des § 13 III Nr. 9 VO, beim Sporttauchen im Baggersee "Streitköpfle" von erkennbar ausgelegten Angeln einen Abstand von mindestens 30 m zu halten, ist weder durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit noch durch den Grundsatz der Gemeinverträglichkeit gedeckt.

40.

Die Antragsgegnerin sucht diese Beschränkung der Sporttaucher damit zu rechtfertigen, daß "konkurrierendes Freizeitverhalten" vorliege. Sie geht offenbar davon aus, daß die Regelung dem Zweck diene, die Erholung sicherzustellen, indem auch den Hobbyanglern die Ausübung ihres Sports ermöglicht wird. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, daß die Ausübung des Gemeingebrauchs nur aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit beschränkt werden kann. Da zum Angeln nicht jedermann, sondern nur die Fischereiberechtigten befugt sind, dient eine Erholungsvorsorge zugunsten der Angler nicht dem Wohl der Allgemeinheit; vielmehr ist darin eine Begünstigung rechtlich privilegierter privater Interessen zu sehen, die auf § 28 II 1 WassG nicht gestützt werden kann. Darüber hinaus begegnet auch diese Regelung dem Einwand, daß sie die Sporttaucher übermäßig belastet, weil der Umfang der Ausübung dieses Sports der Sache nach von der Zahl der ausgelegten Angeln bestimmt würde. Endlich wird die Bestimmung schon aus tatsächlichen Gründen leerlaufen; denn wie der Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist nicht anzunehmen, daß eine ausgelegte Angel unter Wasser auf 30 m Entfernung erkennbar ist.

41.

ee) Die in § 13 III Nr. 7 S. 3 VO normierte Pflicht, Fischschwärmen auszuweichen, ist nach Ansicht der Antragsgegnerin durch Gründe des Naturschutzes gerechtfertigt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

42.

In Übereinstimmung mit Erkenntnissen, die Dr. N beim Tauchen gewonnen und in seinem vom Antragsteller zu 2 zu den Akten gegebenen Privatgutachten näher dargelegt hat, wenden die Antragsteller insoweit ein, daß es dem Sporttaucher praktisch nicht möglich sei, Fischschwärmen auszuweichen, weil Fische von Natur aus neugierig seien und den Taucher bei der Ausübung seines Sports sozusagen verfolgten. Die Richtigkeit dieser Auffassung mag dahingestellt bleiben; der Landesfischereisachverständige Dr. K vom Regierungspräsidium K ist ihr in seinem von der Antragsgegnerin vorgelegten Schreiben... mit beachtlichen Gründen entgegengetreten. Läßt man beiseite, daß sich die Einhaltung des Gebots in der Praxis schwerlich überprüfen lassen wird, so bestehen unabhängig davon durchgreifende Bedenken gegen die Bestimmtheit der Regelung, die weder erkennen läßt, was unter "Fischschwärmen" zu verstehen ist, noch die geforderte Verhaltenspflicht einigermaßen klar umschreibt. Darüber hinaus erscheint es wenig systemgerecht, wenn einerseits das Sporttauchen im Grundsatz zugelassen wird, während andererseits mit der Normierung einer Pflicht, Fischschwärmen auszuweichen, die Fischbeobachtung als wesentliches Element des Sporttauchens der Sache nach unmöglich gemacht wird. Endlich hält der Senat die Regelung mit Blick darauf, daß die Sporttaucher ohnedies verpflichtet sind, auf den Fisch- und Pflanzenbestand im See in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen und insb. die Fische beim Laichen nicht zu stören (§ 13 II Nr. 7 S. 1, 2 VO), nicht für erforderlich.

43.

ff) Das in § 13 III Nr. 10 VO ausgesprochene Verbot, daß sich gleichzeitig mehr als 25 Taucher im Baggersee "Streitköpfle" aufhalten, beruht nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin auf Gründen der Gefahrenabwehr und des Naturschutzes. Diese Gründe erweisen sich jedoch als nicht tragfähig; andere Gründe, die eine solche Höchstzahlbegrenzung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

44

Durch Gründe des Naturschutzes ist die Bestimmung nicht gedeckt, weil eine Begrenzung der Zahl der Sporttaucher auf 25 zur Erreichung des Schutzzwecks nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig ist, wenn gleichzeitig mehrere hundert Badegäste den See anstandslos benutzen dürfen. Solange der Gemeingebrauch durch eine rechtlich unbegrenzte Zahl von Badegästen ausgeübt werden darf und tatsächlich ausgeübt wird, die diejenige der aktiven Sporttaucher - nach Angaben der Antragsteller durchschnittlich 10, maximal 100 Personen täglich - um ein Vielfaches übersteigt, kann nicht angenommen werden, daß das Gewässer mit dem gewählten Mittel einer Begrenzung der Zahl der Sporttaucher schutzbedürftig ist. Mit Recht hat der Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß wirkungsvoller Naturschutz Regelungen verlangt, welche aufgrund einer verhältnismäßigen Abwägung aller berührten Belange die belastenden Nutzungen ihrer Eigenart entsprechend gleichmäßig beschränken; dem wird die pauschale Höchstzahlbegrenzung, die einseitig die Sporttaucher trifft, mit Rücksicht auf den erheblichen Badebetrieb nicht gerecht.

45.

Die Regelung ist auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht geeignet. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin dient sie allein dem Selbstschutz der Taucher. Durch die Höchstzahlbegrenzung soll sichergestellt werden, daß Alarm gegeben wird, wenn ein Taucher über Gebühr lange von seinem Tauchgang nicht zurückgekehrt ist. Eine solche Kontrolle läßt sich jedoch bei Sporttauchern, die naturgemäß für längere Zeit im Wasser nicht zu sehen sind, auf diesem Wege nicht wirksam erreichen, selbst wenn, was fraglich ist, die ständige Anwesenheit einer Aufsichtsperson am Ufer gewährleistet wäre. Wirksam und in weniger belastender Weise wird die Sicherheit beispielsweise bei Beachtung der Regel gewährleistet, niemals allein zu tauchen.

46.

gg) Durch Gründe des Naturschutzes gedeckt ist dagegen § 13 III Nr. 2 VO, der das Sporttauchen mit Atemgerät im Baggersee "Streitköpfle" während der Nachtzeit verbietet.

47.

Wie der Vertreter der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, finden sich unter den am Baggersee vorkommenden Wasservögeln und Amphibien viele gefährdete Arten, die entweder typischerweise nachtaktiv (z. B. Laubfrosch, Kreuzkröte, Wechselkröte) oder so angepaßt sind, daß sie ihre artspezifischen Aktivitäten (Nahrungssuche, Balz) wegen tagsüber vorhandener Störungen in die Nachtstunden verlagert haben. Auch unabhängig davon leuchtet ohne weiteres ein, daß es für die Fauna im und am Wasser förderlich ist, wenn das nächtliche Sporttauchen unterbleibt. Denn abgesehen davon, daß Anfahrt, Umkleiden und sonstige Vorbereitungen der Sporttaucher vor Ort die Nachtruhe zwangsläufig stören und damit die Natur belasten, wird die natürliche Entwicklung im See schon deshalb beeinträchtigt, weil nächtliche Tauchgänge regelmäßig mittels Unterwasserscheinwerfern durchzuführen sein werden, worin ein erheblicher Eingriff in die Natur zu sehen ist. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß das nächtliche Baden im See bislang nicht untersagt ist. Für ein entsprechendes Verbot besteht schon aus tatsächlichen Gründen ein wesentlich geringeres Bedürfnis, weil das nächtliche Baden im Gegensatz zum Sporttauchen in üblicher Ausrüstung allenfalls an wenigen Sommertagen im Jahr möglich ist und vollends kaum mittels Scheinwerfern ausgeübt werden wird. Diese nach der Natur der Sache gegebenen Unterschiede lassen die Vorschrift jedenfalls nicht als willkürlich erscheinen.

48.

Die Vorschrift ist auch nicht unverhältnismäßig. Schon nach dem Vorbringen der Antragsteller wird das Sporttauchen i. d. R. tagsüber ausgeübt. Die mit dem Nachttauchverbot verbundene Beschränkung ist ihrem Umfang nach zumutbar und hinreichend bestimmt. Mangels anderweitiger Maßstäbe ist zur Bestimmung der Nachtzeit i. S. des § 13 III Nr. 2 VO auf die in § 25 IV PolG enthaltene Definition zurückzugreifen. Danach umfaßt die Nachtzeit in dem Zeitraum vom 1. 4. bis zum 30. 9. die Stunden von 21 Uhr bis 4 Uhr und in dem Zeitraum vom 1. 10. bis zum 31. 3. die Stunden von 21 Uhr bis 6 Uhr. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß durch § 13 II VO das Tauchen nach Feierabend im Herbst oder im Winter unmöglich gemacht werde, wie die Antragsteller behaupten.