(weitere Fundstellen: ThürVBl. 2017, 21 ff.)
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Tatbestand |
1. |
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Bestätigung einer Gewerbeanmeldung. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: |
2. |
Nach vorheriger Korrespondenz mit der Beklagten zeigte der Kläger unter dem 27.05.2014 folgende gewerbliche Tätigkeit in E… bei der Beklagten an: "Eventmanagment, Promotion, Laser-Tag". Bezüglich der beiden erstgenannten Tätigkeiten bescheinigte die Beklagte dem Kläger die Anmeldung am gleichen Tag. Im Übrigen wies die Beklagte nach einer Anhörung die Gewerbeanzeige des Klägers mit Bescheid vom 27.05.2014 teilweise zurück, da das Schießen auf Menschen mit Laserwaffen eine sozial unwertige und die Menschenrechte verletzende Betätigung darstelle. Der Kläger erhob mit am 31.07.2014 eingegangenem Schreiben Widerspruch, den das Thüringer Landesverwaltungsamt durch Widerspruchsbescheid vom 21.11.2014 mit gleicher Begründung zurückwies. |
3. |
Der Kläger hat mit am 10.12.2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben. |
4. |
Er trägt vor, Laser-Tag sei ein aus den USA kommender Trend, der sich zwischenzeitlich in ganz Europa als generationenübergreifender Familiensport durchgesetzt habe. Das Spiel sei vom Jugendamt ab 12 Jahren freigegeben und werde zunehmend etwa auch von Schulklassen genutzt. Eine Vergleichbarkeit mit Paintball oder Airsoft bestehe nicht, Verschmutzungen oder Verletzungen seien vollkommen ausgeschlossen. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde liege nicht vor, da sich die Spieler chancengleich gegenüber stünden, von einer entwürdigenden Behandlung könne keine Rede sein. Die Ausführungen im grundlegenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.10.2001 seien zeitlich und gesellschaftlich überholt. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass solche Anlagen etwa in J… und G… ebenfalls bestünden. |
5. |
Der Kläger beantragt,
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6. |
Die Beklagte beantragt,
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7. |
Sie vertieft die Begründung der angefochtenen Bescheide. |
8. |
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen. |
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Aus den Gründen: |
9. |
Die Klage ist zulässig. Sie ist einerseits als Anfechtungsklage gegen den die Anmeldung zurückweisenden Bescheid der Beklagten bzw. den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid einzuordnen. Die Zurückweisung der Gewerbeanzeige bezüglich der Laser-Tag-Anlage ist allein aufgrund der Ausgestaltung (Bescheidtenor, Begründung, Rechtsbehelfsbelehrung) zumindest aus formellen Gründen ein Verwaltungsakt (vgl. dazu W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 21. Auflage, Anh § 42 Rdnr. 5). Zudem hat das Landesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers als zulässig angesehen und in der Sache entschieden. Auch deswegen ist über die Zurückweisung der Gewerbeanmeldung bezüglich der Laser-Tag-Anlage durch einen Verwaltungsakt entschieden worden (vgl. zur Gestaltungsbefugnis der Widerspruchsbehörde: BVerwG, Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2/11 - Juris, Rdnr. 20 m.w.N.). |
10. |
Das im Klageantrag ebenfalls enthaltene Begehren auf die Erteilung der Bescheinigung der Gewerbeanmeldung ist dagegen eine allgemeine Leistungsklage, da die in § 15 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO - vorgeschriebene behördliche Bescheinigung des Empfangs einer Anzeige eines stehenden Gewerbes (zu der jeder Gewerbetreibende nach § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO verpflichtet ist) als behördlicher Realakt einzuordnen ist (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.12.2008 - 5 K 3235/07 - Juris, Rdnr. 13 f. m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.06.2007 - 6 S 1590/06 - Juris, Rdnr. 20; VG Stuttgart, Urteil vom 01.12.2005 - 4 K 3339/05 - Juris, Rdnr. 11). Denn dieser Empfangsbescheinigung kommt eine weitergehende Regelungswirkung, etwa der Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes, nicht zu, für eine Einordnung als Verwaltungsakt ist mithin kein Raum (a.A. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, Stand: Juni 2015, § 15 GewO Rdnr. 7 [zumindest für die Ablehnung]; Tettinger in Tettinger/Wank, GewO, Kommentar, 7. Auflage, § 15 Rdnr. 6 [für eine Erteilung nach einer Ablehnung]). |
11. |
Diese Leistungsklage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm begehrte Bestätigung der Anmeldung (auch) des Gewerbes Laser-Tag. |
12. |
Dieser Anspruch ist nicht durch die Beklagte bereits erfüllt worden und deshalb untergegangen. Die Kammer vermag der Auffassung (so etwa der Bay. VGH in seinem Beschluss vom 04.04.2008 - 22 B 06.3312 - Juris, Rdnr. 13 ff.) nicht zu folgen, auch durch eine Zurückweisung der Gewerbeanmeldung werde § 15 Abs. 1 GewO genüge getan, da auch damit dem Zweck der Norm, den Eingang einer Gewerbeanmeldung bei der Behörde zu bestätigen, nachgekommen werde. Vielmehr besteht ein rechtlich schützenswertes Interesse des Gewerbetreibenden (hier des Klägers) auch nach einer Äußerung der Behörde, mit der - wie hier - die Gewerbeanzeige zurückgewiesen wurde, an einer ordnungsgemäßen Bescheinigung des Erhalts der Gewerbeanzeige fort (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.06.2007 - 6 S 1590/06 - Juris, Rdnr. 21). Denn nur so kann dieser den Verdacht eines ordnungswidrigen Verhaltens (die Nichtanmeldung eines Gewerbes stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, § 146 Abs. 2 Nr. 2 GewO) und eines Verstoßes gegen seine Pflichten als Gewerbetreibender vollständig ausräumen (vgl. das Urteil des VGH Baden-Württemberg a.a.O.). |
13. |
Dem Anspruch auf die Bestätigung einer ordnungsgemäßen Anzeige des Gewerbes Laser-Tag steht auch nicht die in der Laser-Tag-Anlage ausgeübte Art von Spielen entgegen. Das Spiel wird ausweislich der Beschreibung auf der Homepage des Klägers (www….) in einer als Labyrinth bezeichneten Hindernislandschaft (künstliche Wände mit verschiedenen Öffnungen) gespielt. Ein wesentliches Element ist es, Mitspieler mit dem Tagger (eine Art Laserpointer in einer einer Maschinenpistole ähnlich sehenden Verkleidung) zu treffen, die Treffer mit dem Laserstrahl werden durch die zum Spiel gehörende Spezialweste des Mitspielers registriert. Das eigentliche Spiel kann in verschiedenen Varianten (Solo, Team, Last Man Standing, Back to the Base, Capture the Flag) und Modi (Lightshow, Darkness, Stealth Darkness) gespielt werden (siehe im Einzelnen: www…. mit näheren Erläuterungen.). Hierbei zeigen sich deutliche Parallelen zu Computerspielen, es können in einzelnen Spielvarianten (z.B. Back to the Base) zusätzliche "Leben" und auch "Munition" erspielt werden; sind indes alle "Leben" aufgebracht, ist das Spiel für den Betreffenden vorbei. |
14. |
Gründe für eine Versagung einer Anmeldebestätigung auf eine Anzeige eines Gewerbes sind nach nahezu einhelliger Meinung nebst formalen Mängeln (etwa kein vollständiges Ausfüllen der vorgeschriebenen Formulare, siehe § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 GewO) das Anzeigen einer einer nicht gewerblichen Tätigkeit, außerdem das Anzeigen einer generell verbotenen Tätigkeit (vgl. Tettinger a.a.O. § 15 Rdnr. 7 f.; Marcks a.a.O. Rdnr. 6). Von einer solchen verbotenen Tätigkeit geht, einigermaßen deutlich insbesondere im Widerspruchsbescheid ausgesprochen, die Verwaltung bei der Versagung der Anmeldebestätigung für den Kläger aus. Sie nimmt dabei einen Verstoß des Spiels Laser-Tag gegen eine der grundlegenden Bestimmungen des Grundgesetzes (GG), nämlich Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG (Menschenwürde), an. Dazu beruft sie sich vorrangig auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Laser-Tag-Anlage (grundlegend der Vorlagebeschluss des BVerwG an den EuGH vom 24.10.2001 - 6 C 3/01 - Juris; ebenso dann [wiederholend] das Urteil vom 13.12.2006 - 6 C 17/06 - Juris), in der ein Verbot eines solches Spiels nach der polizeilichen Generalklausel des dortigen Bundeslandes (in Thüringen dementsprechend: § 5 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz) als rechtmäßig erachtet wurde. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verstößt das Spiel gegen die (auch in Thüringen) in der polizeilichen Generalklausel (genauer eigentlich Generalermächtigungsgrundlage) genannte öffentliche Ordnung, da das spielerische Töten in einem Laserdrome (Laser-Tag-Anlage) eine Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) sei. Dem vermag die Kammer in Übereinstimmung mit nahezu der gesamten inzwischen ergangenen Rechtsprechung1 (Bay. VGH, Urteil vom 27.11.2012 - 15 BV 09.2719 - Juris, Rdnr. 30 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 18.02.2010 - LC 244/07 - Juris, Rdnr. 65; VG Dresden, Beschluss vom 28.01.2003 - 14 K 2777/02 - NVwZ-RR 2003, 848, 850; Urteil vom 26.01.2007 - 14 K 2097/03 - Juris, Rdnr. 48) und Literatur (Haschke, Diss. jur. 20132 [Das gesetzliche Verbot von Killerspielen], S. 169; Scheidler, JA 2009, 575, 577; ders. GewArch 2005, 312, 319; Gröpl/Brandt, VerwArch 2004, 223, 236; Köhne, GewArch 2004, 285, 288) nicht zu folgen. Beispielhaft für den zwischenzeitlichen Wandel in der Rechtsansicht sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 27.09.2000 (5 A 4916/98 - Juris, Rdnr. 21 ff.3) das Laser-Tag-Spiel unter ausführlicher Begründung als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, da mit der Unantastbarkeit der Würde des Menschen unvereinbar, eingeordnet hat. Die Vereinbarkeit des Paintballspiels, das sich vom Laser-Tag-Spiel primär dadurch unterscheidet, dass dort mit realen mit Farbe gefüllten Kugeln auf die Mitspieler "geschossen" wird4, mit der Menschenwürde hat es unlängst in einem Beschluss vom 24.02.2015 (2 B 99/15 - Juris, Rdnr. 28) in einem Satz festgestellt. Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung dieser beiden Spiele sieht die Kammer in Übereinstimmung mit der Literatur (Haschke a.a.O. S. 9; Scheidler, GewArch 2005 a.a.O. S. 315) keine Grundlage. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts ergangenen Urteil vom 14.10.2004 (C-36702 - Juris) den Verstoß des Laser-Tag-Spiels gegen die Menschenwürde nicht selbst bestätigt, sondern für den dort primär streitigen Begriff der "öffentlichen Ordnung", der von Land zu Land und im zeitlichen Wechsel verschieden sein könne, dem einzelnen Mitgliedsstaat einen Beurteilungsspielraum zugebilligt (a.a.O. Nr. 31), eine allen Mitgliedsstaaten gemeinsame Auffassung sei insoweit nicht unerlässlich (a.a.O. Nr. 37). Verbindlich (a.a.O. Nr. 41) wird nur entschieden, dass in einem solchen Fall bei einem Verbot kein Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften vorliegt. |
15 |
Bereits der dogmatische Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich in seiner Begründung des Vorlagebeschlusses vom 24.10.2001 (a.a.O. Rdnr. 63 bis 65) speziell auf den sog. Tanz der Teufel-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.10.1992 (1 BvR 698/89 - Juris), aus dem das Bundesverwaltungsgericht seine Ausführungen über die nähere Ausgestaltung des Menschenwürdebegriffs des Grundgesetzes ausschließlich entnimmt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erging indessen in einer Verfassungsbeschwerde gegen die Einziehung einer Videokassette mit einem Horrorfilm mit dem (deutschen) Titel "Tanz der Teufel", bei der ein Verstoß gegen § 131 Strafgesetzbuch - StGB - (Gewaltdarstellung; Aufstachelung zum Rassenhass) durch das Amtsgericht und Landgericht angenommen worden war. Die Verfassungsbeschwerde hatte trotz der aus einer Vielzahl detailliert geschilderter Gewaltakte gegen Menschen bzw. menschenähnliche Wesen (in die sich in dem Film einige der Menschen verwandelt haben) bestehenden Filmhandlung (siehe die teilweise Wiedergabe im Beschluss des BVerfG a.a.O. Rdnr. 54 bis 61 und 64 f.) letztlich Erfolg. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht zunächst die Bestimmtheit der Strafnorm des § 131 StGB (in der damaligen Fassung) zu beurteilen, der die Verbreitung von Schriften, die … grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt, unter Strafe stellt. Im Rahmen der Auslegung dieser Strafnorm hat das Bundesverfassungsgericht damals festgestellt, dass Menschenwürde in diesem Sinne - also ersichtlich i.S. der Strafrechtsnorm des § 131 StGB - nicht nur die Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen ist. Dies liegt bei der Beurteilung einer Filmhandlung, in der nicht die Darsteller, sondern nur die fiktiven Dargestellten Gewaltakte erfahren, nahe. Die Würde des Menschen als Gattungswesen, auf die das Bundesverwaltungsgericht tragend abstellt (Beschluss vom 24.10.2001 a.a.O. Rdnr. 63), ist aber wenig geeignet, Spielhandlungen unter realen Menschen rechtlich zu beurteilen. Sie ist dafür insgesamt ein untaugliches Kriterium (vgl. Haschke a.a.O. S. 29); nicht ohne Grund ist das Bundesverfassungsgericht nie mehr auf diese Rechtsfigur zurückgekommen. |
16. |
Es erscheint ferner schon fraglich, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG überhaupt die geeignete Grundlage für die Annahme letztlich eines Spielverbots ist. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Würde des einzelnen Menschen, aus dieser Bestimmung können aber kein "Zwang zur Würde" und keine Verhaltensregeln zu einem "menschenwürdigen" Benehmen (vgl. Scheidler a.a.O. S. 316), zum "richtigen" Mensch-sein (Köhne a.a.O. S. 287) entnommen werden. Denn jede Bestimmung des Inhalts der Würde des Menschen durch Behörden oder Gerichte bedeutet letztlich, dem Einzelnen eine bestimmte Auffassung von Menschenwürde auch gegen seinen Willen aufzuzwingen und ihn damit selbst zum Objekt einer Wertung zu machen. Die Aufstellung eines abstrakten Menschenwürdebildes ist nicht mit dem Schutzzweck des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar (Köhne a.a.O. S. 287 f.), die Vorschrift bietet keine Handhabe für eine moralische und geschmackliche Gängelung (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18.02.2010 a.a.O. Rdnr. 71). Nicht ohne Grund ist das Bundesverwaltungsgericht, das in seiner ersten Entscheidung zur gewerberechtlichen Zulässigkeit von Peep-Shows (Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 232/79 - Juris, Rdnr. 21 f.) diese wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde der auftretenden Frau verneint hatte, in seiner zweiten Peep-Show-Entscheidung (Urteil vom 30.01.1990 - 1 C 26/87 - Juris) auf diese Argumentation nicht zurückgekommen. |
17. |
Zudem sind die einzelnen in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vorgebrachten Gründe für einen Verstoß des Laser-Tag-Spiels gegen die Menschenwürde nicht tragfähig. Dass die Spielhandlung selbst, also das "Schießen" auf die Mitspieler mit dem Laserstrahl und die Registrierung von Treffern durch die Spezialwesten aufgrund der Chancengleichheit aller Spieler keine "entwürdigende" Behandlung des einzelnen Mitspielers ist, hat das Bundesverwaltungsgericht selbst eingeräumt (Beschluss vom 24.10.2001 a.a.O. Rdnr. 64). |
18. |
Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 24.10.2001 a.a.O. Rdnr. 65) sieht indes einen Verstoß gegen die Menschenwürde, wenn beim Spielteilnehmer eine Einstellung erzeugt oder verstärkt werde, die den fundamentalen Wert- und Achtungsanspruch leugne, der jedem Menschen zukomme. Das geschehe insbesondere dann, wenn Gewaltakte gegen Menschen in der Absicht dargestellt würden, den Beteiligten ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln. Damit soll ersichtlich der Bogen geschlagen werden zu der Definition des Bundesverfassungsgerichts im Tanz der Teufel-Beschluss (a.a.O. Rdnr. 108 f.), wann eine filmische Darstellung konkrete Personen in ihrer Würde verletzt. Dies geschieht nach der Definition des Bundesverfassungsgerichtes insbesondere dann, wenn grausame oder sonst wie unmenschliche Vorgänge gezeigt werden, um dem Betrachter ein sadistisches Vergnügen an dem Geschehen zu vermitteln oder um Personen oder Gruppen als menschenunwert erscheinen zu lassen. Dass es bei dem Laser-Tag-Spiel nicht darum geht, einzelne Personen oder Personengruppen als menschenunwert erscheinen zu lassen, ist quasi unstreitig (s.o.). Aber auch ein sadistisches Vergnügen beim "Schießen" auf einen anderen Menschen mit einer Art Laserpointer vermag die Kammer nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Ein solcher Treffer ist nichts anderes als das Resultat eines jeden Spiels, Spielzugs oder sportlichen Wettkampfs unter mehreren Menschen, bei dem ein Spieler bzw. Sportler seine (momentane) Überlegenheit über einen anderen zeigen konnte. |
19. |
Auch das zweite Argument des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 24.10.2001 a.a.O.), ein gewerbliches Unterhaltungsspiel, das auf die Identifikation der Spielteilnehmer mit der - fiktiven - Gewaltausübung gegen Menschen angelegt ist, sei wegen der ihm innewohnenden Tendenz zur Bejahung oder zumindest Bagatellisierung der Gewalt und wegen der möglichen Auswirkungen einer solchen Tendenz auf die allgemeinen Wertvorstellungen und das Verhalten in der Gesellschaft mit der Menschenwürdegarantie unvereinbar, ist wenig tragfähig. Denn bislang konnte ein konkreter Zusammenhang zwischen dem Konsum von Gewaltdarstellungen bzw. der spielerischen Ausübung von Gewalt und der Ausbildung violenter Persönlichkeiten nicht durch Untersuchungen belegt werden (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 28.01.2003 a.a.O.; Urteil vom 26.01.2007 a.a.O.; Beaucamp, DVBl. 2005, 1174, 1179). Letztlich hält die Kammer die Wertung, dass, gemessen am Realitätsgrad mancher Computerspiele über historische oder fiktionale Kriege6, sich Laser-Tag geradezu harmlos ausnimmt, für zutreffend (ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 18.02.2010 a.a.O. Rdnr. 80 - zu Paintball). |
20. |
Ferner übersieht die Argumentation im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts die Vergleichbarkeit bzw. Ähnlichkeit des Laser-Tag-Spiels mit anderen menschlichen Spielen und Sportarten, bei denen Ziel des Spiels oder des sportlichen Wettkampfs die Ausschaltung des menschlichen Gegners ist, ohne dass diesbezüglich ein Verstoß gegen die Menschenwürde auch nur diskutiert wird. |
21. |
Hier kann etwa auf das Spiel Völkerball verwiesen werden (siehe auch Scheidler a.a.O. S. 316), dessen ursprünglicher Spielgedanke die Schlacht zwischen zwei Völkern, die sich in einem Vernichtungskrieg gegenüberstehen, symbolisiert. Der Ball ist dabei die Angriffswaffe, jeder Treffer eines gegnerischen Spielers markiert einen Gefallenen, der aus dem Spielgeschehen ausscheiden muss. Das Spiel endet mit der vollständigen Vernichtung eines der beiden Völker (siehe die Beschreibung der Entstehungsgeschichte des Spiels in Wikipedia7). Auch hier wird - mit einem Ball - der Spielgegner ausgeschaltet, der diesen Treffer - anders als beim Laser-Tag-Spiel - mehr oder minder deutlich körperlich zu spüren bekommt. |
22. |
Auch beim Kinderspiel Cowboy und Indianer ist es das Ziel des Spiels, den Gegner durch Schießen mit (mehr oder minder täuschend echt) nachgemachten Schusswaffen auszuschalten, spielerisch "zu töten". Nur fehlt es bei den Spielzeugwaffen an der Fähigkeit, einen Treffer exakt anzuzeigen, dies bleibt der kindlichen Phantasie überlassen. Diese fehlende exakte Anzeige eines Treffers rechtfertigt es aber nach Auffassung der Kammer nicht, wegen des "deutlich höheren Abstraktionsgrades" des Kinderspiels diesem die Vergleichbarkeit mit einer Spielhandlung in einer Laser-Tag-Anlage abzusprechen (so aber Haschke a.a.O. S. 46; für eine Vergleichbarkeit: Bay. VGH, Urteil vom 27.11.2012 a.a.O. Rdnr. 38). |
23. |
Auch beim Boxwettkampf, der als Faustkampf eine lange Sportgeschichte hat (er war schon Bestandteil der antiken olympischen Spiele), ist Ziel des Wettkampfes die Ausschaltung des Gegners durch einen Knockout, also ein zu Boden schlagen des Gegners. Sowohl beim Amateur- als auch Profiboxen besteht ein akutes Verletzungsrisiko, auch Todesfälle kommen immer wieder einmal vor (siehe auch hierzu die Ausführungen in Wikipedia8 ). Auch hier nimmt allein die Tatsache, dass der Kampf beim Boxen nicht ohne direkten Körperkontakt erfolgt, ihm nicht die Vergleichbarkeit (a.A. Haschke a.a.O. S. 48 f.). |
24. |
Auch der Fechtsport verfolgt ein ähnliches Ziel, auch hier war ursprüngliches Ziel die Ausschaltung des Gegners. Beim Fechtsport wird heute übrigens, ganz ähnlich wie beim Laser-Tag, der Treffer durch spezielle elektrische Vorrichtungen in der Waffe (Florett, Degen, Säbel) bzw. der Schutzkleidung angezeigt (siehe die Darlegungen zum Fechten in Wikipedia9 ). Allein dass ein Degen (o.ä.) heute in militärischen Auseinandersetzungen nicht mehr benutzt wird, also eine (Kriegs-) Waffe aus vergangenen Zeiten ist, steht ebenfalls nicht der Vergleichbarkeit entgegen (a.A. Haschke a.a.O. S. 47; für eine Vergleichbarkeit: OVG Lüneburg, Urteil vom 18.02.2010 a.a.O. Rdnr. 75 ff.). Hierzu sei auch bemerkt, dass gerade beim Laser-Tag ja mit einem Laserstrahl "geschossen" wird, also einer Waffenart, die bislang allenfalls im Bereich von Auseinandersetzungen in fiktiven Science-Fiction-Erzählungen Verwendung findet, also ebenfalls keine Waffe in aktuellen kriegerischen Konflikten ist. |
25. |
Dies zeigt, dass eine Ächtung einer simulierten Gewaltausübung gegen Menschen keineswegs dem Wertekonsens in der Bundesrepublik entspricht, vielmehr sprechen die oben erwähnten Spiele und Sportarten und etwa die Verbreitung von Kriegsspielzeug für Kinder deutlich gegen eine solche Wertanschauung (vgl. VG Dresden, Beschluss vom 28.01.2003 a.a.O. S. 852). Die Wertemaßstäbe des Grundgesetzes wie insbesondere das Recht auf Leben und Gesundheit bestehen nur in der realen Welt ("Wirklichkeitsebene"), nicht für simulierte Handlungen im Bereich von Sport und Spiel; vielmehr gehört dort der spielerische oder auch sportlich simulierte Tabubruch zum Teil der menschlichen Kultur (vgl. VG Dresden, Urteil vom 26.01.2007 a.a.O. Rdnr. 52). |
26. |
Auch die Anfechtungsklage ist deshalb begründet. Die Voraussetzungen für eine Verweigerung der Bestätigung des Erhalts der Gewerbeanzeige für Laser-Tag, eine offensichtlich verbotene Tätigkeit, liegen nicht vor. Dies wurde gerade dargelegt. |
27. |
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nur wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO. Diese Vorschrift ist auch bei einer - wie hier vorliegend - Kombination einer Anfechtungsklage und einer allgemeinen Leistungsklage anwendbar (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 05.11.1986 - 1 UE 700/85 - Juris, Rdnr. 22). Die Bestimmung einer Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung. Aufgrund der Abweichung der Kammer vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2006 (a.a.O.) war nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen. Zugleich hat die Kammer, da auch die Voraussetzungen der §§ 134 Abs. 2 Satz 1, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vorliegen, zur Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit der Zulassung der Sprungrevision im Urteil nach § 134 Abs. 1 Satz 1 VwGO Gebrauch gemacht. |