Verwaltungsgericht des Saarlandes
Urteil vom 18.11.2005
- 11 K 163/05 -

(weitere Fundstellen: SKZ 2005, 303 ff.)

Leitsätze:

1.

Eine lediglich die dienstliche Verwendung des Bediensteten betreffende und regelmäßig als Umsetzung bezeichnete Maßnahme gehört zur Leitung der Gemeindeverwaltung und ist daher unmittelbar durch Gesetz, nämlich § 59 Abs. 2 S. 1 KSVG, dem (Ober-)Bürgermeister i.S.d. § 34 S. 1 KSVG übertragen.

2.

Gemäß §§ 34 S. 1, 35 Nr. 11 KSVG ist der Gemeinderat ausschließlich und ohne die Zulässigkeit einer Übertragung für statusbegründende, statusverändernde oder statusbeendende dienstrechtliche Maßnahmen i.S.d- § 35 Nr. 11 KSVG hinsichtlich leitender Beamten und Angestellten zuständig.

Zum Sachverhalt:

1.

Nach Eintritt der früheren Amtsinhaberin in den Ruhestand bestellte die Klägerin durch Organisationsverfügung vom 18.11.2004 die bisherige stellvertretende Frauenbeauftragte unter Inanspruchnahme ihrer tarifgerechten Planstelle BAT II zur Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Saarbrücken.

2.

Darüber unterrichtete die Klägerin den Personal- und Rechtsausschuss des Beklagten in seiner Sitzung vom 17.11.2004. Daraufhin rief die CDU-Fraktion des Beklagten mit Schreiben vom 23.11.2004 das Ministerium für Inneres, Familie, Frauen und Sport als Kommunalaufsicht an. Das Ministerium erbat von der Klägerin einen Bericht. Die Klägerin gab zwei Stellungnahmen ab, die erste am 20.01.2005, die zweite am 03.03.2005. Mit Schreiben vom 14.03.2005 vertrat das Ministerium die Auffassung, die kommunale Frauenbeauftragte sei nicht wirksam bestellt worden. Ferner wurde gebeten, den Beklagten über die Rechtsauffassung des Ministeriums zu unterrichten und einen entsprechenden Stadtratsbeschluss vorzulegen.

3.

Mit Beschluss vom 12.04.2005 lehnte der Beklagte zunächst mehrheitlich die Auffassung ab, dass die Bestellung der Frauenbeauftragte eine "BürgermeisterInnenangelegenheit" gemäß § 59 Abs. 2 KSVG sei und beschloss sodann mehrheitlich, "die Bestellung der Kommunalen Frauenbeauftragten nach dem vom Innenministerium als ordnungsgemäß festgestellten Verfahren vorzunehmen, das heißt, die Frauenbeauftragten durch den Stadtrat zu bestellen." Nachdem die Klägerin diesem Beschluss widersprochen hatte, hielt der Beklagte ihn aufrecht.

4.

Am 21.04.2005 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

5.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die Annahme einer Ratszuständigkeit für eine statusneutrale Umsetzung aus dem vorhandenen Personalbestand sei offensichtlich rechtswidrig und verletze sie in ihrer Organkompetenz zur Leitung der Verwaltung. Die statusneutrale Bestellung sei weder eine "Ernennung" noch eine "Einstellung", sondern eine "Umsetzung". Im Kommunalbereich sei die "Umsetzung" gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG ausschließliche Bürgermeisterangelegenheit. Schon aus diesem Grunde könne eine Wahrnehmungsbefugnis des Rates aus den §§ 59 Abs. 5 Satz 2, 34, 35 Nr. 11 KSVG nicht bestehen.

6.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass sie die Verwaltungsangestellte Petra Messinger durch Organisationsverfügung vom 18.11.2004 wirksam zur kommunalen Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Saarbrücken bestellt hat.

7.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8.

Er meint, es sei zu überprüfen, ob die vorliegend in Rede stehende Angelegenheit - Benennung einer kommunalen Frauenbeauftragten nach § 79 a KSVG – im Sinne des § 34 Satz 1 KSVG auf die Bürgermeisterin übertragen worden sei und so der Leitungsbefugnis des § 59 Abs. 2 Satz 1 KSGV unterfalle. Eine solche Übertragung sei indes nicht erfolgt; im Übrigen schließe das Übertragungsrecht des Gemeinderates nach § 34 Satz 1 KSVG begrifflich das Rückholrecht – generell oder im Einzelfall – ein. Darüber hinaus handele es sich bei der Position der kommunalen Frauenbeauftragten nach § 79 a KSVG wegen ihrer besonderen Stellung und ihrer besonderen Befugnisse um die einer leitenden Angestellten, so dass ihre Bestellung eine dem Gemeinderat nach § 35 Nr. 11 KSVG vorbehaltene Aufgabe sei.

Aus den Gründen:

9.

1. Nach heute überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretener Auffassung ist der gemäß § 40 Abs. 1 VwGO im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgende Kommunalverfassungsstreit als gemeindeinterner Organstreit, bei dem mithin keine Verwaltungsakte i.S.d. § 35 VwVfG zur Überprüfung anstehen, mit Hilfe der allgemeinen Klagearten, nämlich der allgemeinen Leistungsklage oder der Feststellungsklage, zu führen, wobei es sich vorliegend um eine Feststellungsklage handelt.

10.

Die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VvGO ist ebenso gegeben wie das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO, weil die Klägerin aus aktuellem Anlass eine Organzuständigkeit geltend machte, die der Beklagte bestreitet und für sich beansprucht.

11.

Dass der Beklagte keinen Beauftragten aus seiner Mitte zu seiner Vertretung gewählt hat, was nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes analog § 36 Abs. 1 KSVG an sich erforderlich gewesen wäre, ist unschädlich, solange er sich lediglich in der Beklagtenrolle befindet und nicht notwendig Prozesshandlungen vorzunehmen braucht, zumal es nicht in seiner Hand liegen kann, die Unzulässigkeit eines gegen ihn gerichteten Kommunalverfassungsstreits zu bewirken, indem er es unterlässt, seine Prozessfähigkeit herbeizuführen.

12.

2. Die Klage ist begründet, weil die Klägerin die Verwaltungsangestellte Petra Messinger durch Organisationsverfügung vom 18.11.2004 wirksam zur kommunalen Frauenbeauftragten der Landeshauptstadt Saarbrücken bestellt hat.

13.

Grundlage dieser Entscheidung ist zunächst § 79 a Abs. 1 KSVG, wonach Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern eine hauptamtliche Frauenbeauftragte bestellen müssen. Der Wortlaut der Vorschrift sagt indes noch nichts darüber aus, durch welches Gemeindeorgan die Bestellung zu erfolgen hat, sodass diese Frage nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes zu beantworten ist. Ausgangspunkt ist dabei § 34 Satz 1 KSVG, wonach der Gemeinderat über alle Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde beschließt, soweit sie nicht einem anderen Organ, insbesondere dem Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin übertragen sind.

14.

Bei der Bestellung der kommunalen Frauenbeauftragten nach § 79 a KSVG handelt es sich zwar um eine Selbstverwaltungsangelegenheit, wie insbesondere die Selbstverwaltungsangelegenheiten regelnde § 5 KSVG dadurch deutlich macht, dass er in seinem Abs. 2 Satz 1 der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau ausdrücklich zu gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgabe erklärt.

15.

Gleichwohl war für die vorliegend in Rede stehende Bestellung nicht der Beklagte, sondern die Klägerin zuständig, weil ihr diese Aufgabe i.S.d. § 34 Satz 1 KSVG übertragen war.

16.

Dabei ist zunächst zu betonen, dass die Bestellung der Frauenbeauftragten zwar sicher kein – alltägliches, ständig wiederkehrendes – Geschäft der laufenden Verwaltung i.S.d. § 59 Abs. 3 Satz 1 KSGV darstellt, was keiner weiteren Ausführungen bedarf.

17.

Jedoch handelte sich vorliegend um die Übertragung eines lediglich anderen, neuen, wenn auch herausgehobenen Aufgabenbereichs an eine Gemeindebedienstete, ohne dass deren dienstrechtlicher Status geändert worden ist. Eine solche – lediglich die dienstliche Verwendung des Bediensteten betreffende und regelmäßig als Umsetzung bezeichnete – Maßnahme gehört zur Leitung der Gemeindeverwaltung und ist daher unmittelbar durch Gesetz, nämlich § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG, dem (Ober-)Bürgermeister i.S.d. § 34 Satz 1 KSVG übertragen. Insbesondere bedarf es entgegen der Auffassung des Beklagten keines Übertragungsbeschlusses des Gemeinderates bzw. Stadtrates, der erst zur Geltung des § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG führen würde. Vielmehr ist diese Vorschrift – ebenso wie § 59 Abs. 3 Satz 1 KSVG - unmittelbar geltendes Recht und bewirkt als lex specialis eine von der Regelzuständigkeit des Gemeinde- bzw. Stadtrates nach § 34 Satz 1 KSVG abweichende Zuständigkeit des/der (Ober-)Bürgermeisters/Bürgermeisterin.

18.

Aus § 35 Nr. 11 KSVG, wonach der Gemeinderat die Entscheidung über die Ernennung und Entlassung von leitenden Beamtinnen und Beamten sowie die Einstellung und Entlassung von leitenden Angestellten nicht – auch nicht auf den Bürgermeister – übertragen kann, ergibt sich nichts anderes. Bereits der Wortlaut der Vorschrift macht deutlich, dass es insoweit ausschließlich um statusbegründende, statusverändernde oder statusbeendende Maßnahmen im dienstrechtlichen Sinne geht und nicht um die Frage, wie diese Beamten und Angestellten in der Kommunalverwaltung verwandt werden, also welchen Aufgabenbereich sie wahrnehmen sollen; für letzteres gilt auch in Bezug auf leitende Bedienstete § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG, sodass auch insoweit nicht der Gemeinderat, sondern der Bürgermeister zuständig ist. Vorliegend handelte es sich, wie bereits dargelegt, indes nicht um eine statusverändernde Maßnahme, sondern lediglich um die Übertragung eines anderen Aufgabenbereichs.

19.

In Bezug auf § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG das Gleiche ergibt sich im Übrigen auch aus § 59 Abs. 5 Satz 2 KSVG, wonach dem Bürgermeister bzw. der Bürgermeisterin (nur) die Ernennung und Entlassung der Beamtinnen und Beamten sowie die Einstellung, Einstufung und Entlassung der übrigen Arbeitnehmer "nach den Beschlüssen des Gemeinderates" obliegt, er bzw. sie also nur in Bezug auf statusbegründende, statusverändernde oder statusbeendende Maßnahmen im dienstrechtlichen Sinne auf Grundlage von Gemeinderatsbeschlüssen tätig wird, während er bzw. sie hinsichtlich sonstiger dienstrechtlicher Maßnahmen regelmäßig allein – ohne dass der Gemeinderat zu beteiligen wäre – zuständig ist.

20.

Dem entspricht, dass § 79 a Abs. 1 KSVG nicht von der "Ernennung", sondern - dienstrechtlich neutral – von der "Bestellung" der Frauenbeauftragten spricht.

21.

Zusammenfassend bleibt nach all dem festzuhalten, dass nach den hier maßgeblich allgemeinen Zuständigkeitsregeln des KSVG zuständig ist,

  • gemäß §§ 34 Satz 1, § 35 Nr. 11 KSVG der Gemeinderat ausschließlich und ohne die Zulässigkeit einer Übertragung für statusbegründende, statusverändernde oder statusbeendende dienstrechtliche Maßnahmen,

  • gemäß § 34 Satz 1 KSVG der Gemeinderat mit Zulässigkeit einer Übertragung für sonstige statusbegründende, statusverändernde oder statusbeendende dienstrechtliche Maßnahmen,

  • gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 KSVG der Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin jedenfalls für dienstrechtliche Maßnahmen, die nicht mit einer Statusänderung verbunden sind, also insbesondere für die Übertragung von Dienstposten bzw. Aufgabengebieten oder Umsetzungen.

22.

Da es vorliegend um letzteres ging, war die Klägerin zuständig.