Verwaltungsgericht München
Beschluss vom 18.04.1994
- M 16 S 94.1535
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 (weitere Fundstellen: GewArch 1994, 332 f.)

 

 

Tatbestand:

1.

Der Ast. ist Pächter eines ca. 500 m2 großen Lagerkellers. In diesem Lagerkeller plant er, ein sogenanntes Laserdrome zu betreiben. Dabei handelt es sich um ein Laserspiel, das der Ast. im wesentlichen wie folgt beschreibt:

2.

"Das Spiel wird in einem Raum gespielt, in dem eine Art Mondlandschaft aufgebaut ist. Die bis zu 20 Teilnehmer des Spiels werden mit einem Laserziel und einem Laserempfangsgerät ausgestattet. Empfangsgeräte tragen die Spielteilnehmer auf Brust und Rücken. Zweck des Spiels ist es, bei den anderen Teilnehmern möglichst viele Laserstrahlen auf das Empfangsgerät zu lenken und gleichzeitig möglichst wenige Treffer von anderen Spielteilnehmern zu empfangen. Die während der Spielzeit von etwa 20 Minuten von einem Spieler auf das Empfangsgerät eines anderen Spielers abgegebenen Signale sowie die von anderen Spielern empfangenen Signale werden am Ende des Spiels ausgewertet und durch Spielpunkte bewertet. Aus dieser Punktebewertung wird dann der Sieger der Spielrunde ermittelt."

3.

Nachdem das Planungsreferat der Ag‘in mit Bescheid vom 19. 01. 1994 die vom Ast. beantragte Nutzungsänderung für das angepachtete Kellergeschoß genehmigt und das Kreisverwaltungsreferat der Ag‘in mit Schreiben vom 11. 02. 1994 den Ast. darauf hingewiesen hatte, daß beabsichtigt sei, die Inbetriebnahme des Laserdromes nicht zuzulassen, untersagte die Ag‘in mit Bescheid vom 07. 03. 1994 dem Ast. die Durchführung von Veranstaltungen in der Form eines Laserdromes ab Zustellung des Bescheids (Ziff. 1 des Bescheids). Bei Zuwiderhandlungen gegen die Ziff. 1 des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von DM 2000,- angedroht (Ziff. 2 des Bescheids). Für die Ziff. 1 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziff. 3 des Bescheids).

4.

Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Dem entsprach das VG für solche Veranstaltungen des Laserdromes, bei denen ausschließlich Personen Zutritt gewährt wird, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.

 

Aus den Gründen:

5.

II. 1. Die Untersagung der Durchführung von Veranstaltungen in der Form eines Laserdromes findet in § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO keine Rechtsgrundlage. Nach dieser Vorschrift kann, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird, die Fortsetzung des Betriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden.

6.

Der Betrieb eines Laserdromes bedarf keiner gewerberechtlichen Zulassung. Gemäß § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig eine Spielhalle oder ein ähnliches Unternehmen betreiben will, das ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten oder der Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO oder des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO oder der gewerbsmäßigen Aufstellung von Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeit dient. Unter einer Spielhalle oder einem ähnlichen Unternehmen ist ein Raum zu verstehen, der ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung der in § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO genannten Spielgeräte oder der Veranstaltung der dort genannten Spiele dient (Landmann/Rohmer, GewO, § 33i RdNr. 5). In einem Laserdrome sind weder Spielgeräte im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO aufgestellt, noch werden andere Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO veranstaltet, da keine Gewinnmöglichkeit geboten wird. Unter Gewinn sind hierbei Vermögenswerte wie Geld oder Waren zu verstehen, nicht jedoch die bloße Möglichkeit, das Spiel als solches im Wettstreit mit den Mitspielern zu gewinnen (vgl. Landmann/Rohmer, a.a.O., § 33c RdNr. 6). In einem Laserdrome werden auch keine Unterhaltungsspiele ohne Gewinnmöglichkeit aufgestellt. Das Aufstellen von Spielgeräten bedeutet die Installation einzelner gegenständlicher Geräte. Das Aufstellen geht begrifflich nicht von einer Beweglichkeit der unter die Vorschrift zu subsumierenden Unterhaltungsspiele aus. Die bloße "Veranstaltung" von Unterhaltungsspielen wird damit vom Wortlaut der Norm nicht erfaßt (Lippstreu, Gewerbe- und sicherheitsrechtliche Zulassung von "Laserdromes", GewArch 1993, 311, 314). Entgegen der Ansicht der Ag‘in umfaßt deshalb der Begriff des Aufstellens auch nicht die Einrichtung und den Betrieb der Gesamtanlage Laserdrome. Der von der Ag‘in angestellte Vergleich mit herkömmlichen "Abschußspielen" auf einer Leinwand wird den Gegebenheiten nicht gerecht, da hier zumindest Leinwand und Projektor fest installiert sind und lediglich der Spieler – wie bei herkömmlichen elektronischen Unterhaltungsspielen auch – "beweglich" ist, also ebenfalls ein Unterhaltungsspiel in einem Raum "aufgestellt" ist.

7.

2. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden. Nach § 118 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.

8.

2.1. Das Gericht ist der Ansicht, daß die Veranstaltung und die Durchführung des Laserspiels eine grob ungehörige Handlung im Sinne des § 118 Abs. 1 OWiG darstellt.

9.

Entgegen der Ansicht des Ast. handelt es sich hierbei nicht lediglich um "ein Geschicklichkeitsspiel, in dem die einzelnen Spieler als Subjekte und Objekte eingebunden sind" und dessen "Handlungserfolg auf elektronische Treffer ausgerichtet ist, bei denen Tötungs- bzw. Kriegshandlungen nicht unmittelbar assoziiert werden". Aufmachung und Ausgestaltung der Veranstaltung deuten eher darauf hin, daß Inhalt des Laserspiels visuell simulierte realistische Verletzungs- und Tötungshandlungen sind. Der einer abgedunkelten Mondlandschaft nachgebildete Spielparcours, erfüllt von künstlichen Nebelschwaden und für Bruchteile von Sekunden von Stroboskopblitzen erhellt, die Verwendung von waffenähnlichen "Laserzielgeräten", die Montage der "Laserempfangsgeräte" im oberen Brust- und Rückenbereich, die Untermalung des Geschehens durch sogenannte Techno-Musik. das Aufstellen von Hindernissen und Deckungen im Parcours, die durch Treffer in Brust und Rücken herbeizuführende, sicht- und erlebbare "Kampfunfähigkeit" der Spieler erwecken unmittelbare Assoziationen zu Kampf- bzw. Kriegshandlungen und gewalttätigen, waffenunterstützten Auseinandersetzungen unter Anwendung von Guerillataktiken und Heckenschützenpraktiken. "Gewinner" in diesem Szenario kann nur sein, wer möglichst viele Mitspieler kampfunfähig "schießt", also spielerisch schwer verletzt oder tötet. Diese Handlungen richten sich gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer, die hier lebende Personen und keine auf Computerbildschirmen simulierte Objekte sind. Diese Rechtsgüter sind in Verbindung mit dem Menschenwürdegebot von Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG besonders geschützt.

10.

Grob ungehörige Handlungen im Sinne des § 118 OWiG sind solche, die in einem deutlichen Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung stehen und die sich als Mißachtung der durch die Gemeinschaftsordnung geschützten Interessen und der der Gemeinschaftsordnung immanenten Werte darstellen (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 10. Aufl. 1992, § 118 RdNr. 4). Der Grundrechtskatalog des GG ist Ausdruck dieser Wertordnung. Die spielerische Mißachtung höchstrangig geschützter Rechtsgüter und damit der institutionellen Gewährleistung der der Gemeinschaftsordnung immanenten Werte ist als grob ungehörig anzusehen.

11.

2.2. Wegen der Besonderheiten des Falles erscheinen diese Handlungen aber nicht geeignet, die Allgemeinheit im Sinne des § 118 OWiG zu belästigen.

12.

Eine Handlung belästigt, wenn sie geeignet ist, das physische oder psychische Empfinden nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Eignung zur Belästigung der Allgemeinheit setzt des weiteren voraus, daß die Handlung von der Allgemeinheit unmittelbar wahrgenommen werden kann (Göhler, a.a.O., § 118 RdNr. 6). Hieran fehlt es, wenn die Allgemeinheit von der Handlung nicht durch unmittelbare Wahrnehmung Kenntnis erlangt, sondern beispielsweise erst durch Medien oder die Mitteilung anderer (Göhler a.a.O.‚ § 118 RdNr. 14 m. N.). Ein Kenntniserlangen vom "Hören-Sagen" reicht somit nicht aus. Vorliegend ist der Spielbetrieb weder durch Fenster noch durch sonstige Wandöffnungen von außen einsehbar. Für die Allgemeinheit besteht somit nicht die Möglichkeit der unmittelbaren Wahrnehmung des Geschehens. Zwar genügt es nach Ansicht des Gerichts, daß einzelne aus dem individuell nicht abgrenzbaren Personenkreis der Allgemeinheit durch eine grob ungehörige Handlung belästigt werden. Bei der Veranstaltung des Laserspiels ist es jedoch ausgeschlossen, daß einzelne, die die Veranstaltung unmittelbar wahrnehmen, belästigt werden. Die Möglichkeit der unmittelbaren Wahrnehmung besitzen nämlich nur die Mitspieler, die in das Geschehen einwilligen und bei denen eine Belästigung deshalb ausgeschlossen erscheint. Während es für die Annahme der groben Ungehörigkeit einer Handlung auf das Werturteil der Allgemeinheit und die objektiven verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen ankommt, ist bei der Einschätzung der Belästigung entgegen der Ansicht der Ag‘in auf das Empfinden dessen abzustellen, der die Handlung unmittelbar wahrnehmen kann. Die abstrakte Möglichkeit, daß nicht bei der Veranstaltung des Laserdromes anwesende Personen – unterstellt, sie wären anwesend – sich belästigt fühlen konnten, reicht nicht aus, da dann auf das Empfinden nicht unmittelbar Beteiligter abgestellt würde.

13.

2.3. Die Frage, ob die Durchführung des und die Teilnahme am Laserspiel geeignet sind, die Allgemeinheit zu gefährden, also den Eintritt eines Schadens für Rechtsgüter individuell nicht bestimmter Personen oder im Gemeininteresse geschützter Werte wahrscheinlich erscheinen läßt, bzw. die öffentliche Ordnung, also die Regeln und Einrichtungen, die im äußeren Zusammenleben der Menschen zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der einzelnen und der Allgemeinheit bestehen, zu beeinträchtigen, stellt sich dem Gericht im summarischen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes als offen dar.

14.

So ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob die gegebenenfalls wiederholte und dauerhafte Imitation von Verletzungs- und Tötungshandlungen die Hemmschwelle gegenüber der Gewaltanwendung auch außerhalb des Spiels herabsetzt und zu aggressivem gemeinschaftsfeindlichen Verhalten stimuliert und damit den Gefährdungstatbestand des § 118 Abs. 1 OWiG erfüllt. Fraglich ist ebenfalls, ob sich möglicherweise die auftretende Aggressionslust im Verlaufe des Laserspiels sofort Luft zu verschaffen vermag, ohne daß diese latent weiterbesteht und jederzeit in offene Aggressionen umschlagen kann. Vorliegend kommt hinzu, daß die beabsichtigten Veranstaltungen auch für Kinder und Jugendliche zugänglich sind. Gerade im Hinblick auf diesen Personenkreis ist problematisch, ob Spiele der gegenständlichen Art Einstellungsbeeinflussungen, z. B. im Sinne einer Verharmlosung und Bagatellisierung von Gewaltakten gegenüber anderen oder der Befürwortung von Aggressionen als Mittel sozialer oder individueller Problemlösung, bewirken. Ohne die Einbeziehung und Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Aussagen zu diesem Themenkomplex, zu dessen Aufhellung die Parteien im übrigen nichts beigetragen haben, vermag das Gericht im summarischen Verfahren diese – auch in der Forschung strittigen – Fragen nicht zu klären.

15.

Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind deshalb als offen einzuschätzen; Ziel und Zweck des eingeleiteten Hauptsacheverfahrens wird es gerade sein, diesen Fragenkreis aufzuklären. Dies ist bislang nicht geschehen.

16.

Bei der gerichtlichen Ermessensentscheidung sind deshalb die beteiligten Interessen in ihrer Gewichtigkeit und Bedeutung abzuwägen. Insoweit sind nicht nur die Interessen des Ast. und der Ag‘in zu berücksichtigen, sondern auch alle in der Sache sonst betroffenen öffentlichen und privaten Interessen. Hierbei sieht das Gericht als besonders bedeutsam den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 2 Abs. 1 JÖSchG an. Gemäß § 8 Abs. 1 JÖSchG darf die Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden. Nach § 8 Abs. 5 JÖSchG dürfen Unterhaltungsspiele, mit denen sexuelle Handlungen oder Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere dargestellt werden oder die eine Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges zum Gegenstand haben, in der Öffentlichkeit an Kindern und Jugendlichen zugänglichen Orten nicht aufgestellt werden. Diese Vorschriften sind Ausdruck der gesetzgeberischen Wertung, daß gerade Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit noch nicht vollständig entwickelt sind und sie in ihrem Reifeprozeß von verrohenden Einflüssen oder zur Nachahmung verführenden Gewaltdarstellungen möglichst ferngehalten werden sollen.

17.

Dieser Wertung kommt im vorliegenden Verfahren entscheidende Bedeutung zu. Geht von einer öffentlichen Veranstaltung oder einem Gewerbebetrieb eine Gefährdung im Sinne des § 1 Satz 1 JÖSchG aus (unmittelbare Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen), die durch Anwendung der § 3 bis 8 JOSchG nicht ausgeschlossen oder wesentlich gemindert werden kann, so kann die zuständige Behörde anordnen, daß der Veranstalter oder Gewerbetreibende Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf, § 10 Satz 1 JÖSchG. Der Ag‘in bleibt anheimgestellt, Anordnung dieser Art zu prüfen und gegebenenfalls zu erlassen. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung war dies jedenfalls noch nicht der Fall.

18.

Nach Ansicht des Gerichts überwiegt deshalb das Interesse an einem effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen das Interesse des Ast., diesem Personenkreis den Zugang zu seinen Veranstaltungen zu ermöglichen. Demgegenüber überwiegt das wirtschaftliche Interesse des Ast. und seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Untersagungsverfügung, soweit diese auch den Zugang Erwachsener umfaßt, da bei diesem Personenkreis von einer tendenziell gefestigteren Persönlichkeitsbildung auszugehen ist und es deshalb ohne das Hinzutreten besonderer Umstände keiner Maßnahmen zum Schutze der Persönlichkeitsentwicklung bedarf.