Verwaltungsgericht Hannover
Urteil vom 1.2.2006
- 1 A 4991/05 -
(weitere Fundstellen: NdsVBl. 2006, 259 f.)
| Tatbestand |
1. | Im Sommer 2005 veränderte die Landeshauptstadt Hannover die Öffnungszeiten im Vahrenwalder Bad. Die bisher dienstags von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr ausschließlich Frauen und Mädchen vorbehaltene Öffnungszeit wurde auf Mittwoch verlegt und zusätzlich auf 21.30 Uhr verlängert. Dadurch konnte der Kläger nicht mehr - wie bisher - mittwochs von 16.30 Uhr bis 18.15 Uhr mit seiner fünfjährigen behinderten Tochter im Vahrenwalder Bad schwimmen. |
2. | Der Kläger sieht sich durch die Maßnahme der Landeshauptstadt Hannover diskriminiert und in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt. Er möchte mit seiner Klage erreichen, dass die Landeshauptstadt Hannover verpflichtet wird, entweder die Veränderung der Öffnungszeiten für die ausschließlich Frauen und Mädchen vorbehaltene Badezeit rückgängig zu machen oder ihm das Schwimmen mit seiner Tochter an mindestens zwei Arbeitstagen von montags bis freitags ab 15.00 Uhr zu ermöglichen. |
| Aus den Gründen: |
3. | Der Kläger bleibt mit seiner Klage ohne Erfolg. Er besitzt keinen individuellen Rechtsanspruch auf die begehrte Unterlassung der von der Beklagten eingerichteten sog. Frauenbadezeit im Va Bad und in den übrigen städtischen Bädern. |
4. | Der Hauptantrag,
ist unschlüssig. Der Kläger hat nach den derzeitigen Öffnungszeiten des Va Bades die Möglichkeit, dort montags, dienstags, donnerstags und freitags ab 15.00 Uhr, länger als eine Stunde mit seiner Tochter zu schwimmen. |
5. | Ob der sich auf alle städtischen Bäder erstreckende und deshalb einer Popularklage gleich kommende zweite Hilfsantrag,
unzulässig ist, kann dahinstehen. Er ist jedenfalls ebenso unbegründet wie der erste Hilfsantrag,
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6. | Die Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Unterlassung der sog. Frauenbadezeit im Va Bad (und dem St Bad) bildet § 22 Abs. 1 NGO. Die Vorschrift berechtigt die Einwohnerrinnen und Einwohner einer Gemeinde im Rahmen der bestehenden Vorschriften, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen. Das Va Bad und die übrigen städtischen Schwimmbäder sind öffentliche Einrichtungen i.S.v. § 22 Abs. 1 NGO. Ihre Benutzung durch die Einwohnerrinnen und Einwohner der Landeshauptstadt Hannover wird "im Rahmen der bestehenden Vorschriften" durch den Widmungszweck und die zu seiner Durchführung von der Beklagten erlassenen Satzungen und Benutzungsordnungen, aber auch durch höherrangiges Recht, beispielsweise den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Gleichheitssatz begrenzt (vgl. zum Ganzen: Thiele, NGO, 5. Auflage 1999, § 22 Rdnr. 1 -3; Wefelmeier in KVR-NGO , § 22, Rdnrn. 14 ff). Für den Betrieb einer öffentlichen Einrichtung verfügt der Träger über ein Organisationsermessen (vgl. Blomenkamp in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rdnr. 1441). Dessen Ausübung unterliegt gemäß § 114 VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf einen etwaigen Ermessenfehlgebrauch hin. Ein solcher liegt schon in Bezug auf die streitige Verlagerung der sog. Frauenbadezeit im Vahrenwalder von bisher dienstags auf nunmehr mittwochs einschließlich ihrer Verlängerung um zwei Stunden nicht vor. |
7. | Nach den von dem Kläger substantiiert nicht bestrittenen und in der mündlichen Verhandlung von den beiden Terminsvertretern der Beklagten dezidiert bestätigten Feststellungen ihres zuständigen Fachbereichs wurde das zum 01.02.2005 eingeführte Angebot einer sog. Frauenbadezeit am Dienstag von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr "extrem gut" angenommen. Es veranlasste die Beklagte, das Angebot auszuweiten und die sog. Frauenbadezeit auf Mittwoch zu verlagern und um zwei Stunden zu verlängern. Am Dienstag war im Va Bad eine Verlängerung der sog. Frauenbadezeit um zwei Stunden wegen des um 17.00 Uhr beginnenden Schwimm -und Trainingsbetriebs der Schwimmvereine nicht möglich. Selbst wenn bei dem Angebot der sog. Frauenbadezeit bei der Beklagten integrationspolitische Motive mit eine Rolle gespielt haben sollten -allein ausschlaggebend waren sie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht -, bleibt die Entscheidung der Beklagten, auch aus wirtschaftlichen Gründen durch ein besonderes Angebot zu einer besseren Auslastung des Va Bades (und des St Bades) beizutragen, sachgerecht und verletzt den Kläger nicht in subjektiv öffentlichen Rechten i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 NGO. |
8. | Eine Diskriminierung des Klägers wird bereits auf dieser Ebene, also unterhalb der von ihm behaupteten Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 GG und Art 3 GG, durch die Öffnungszeiten des Va Bades ausgeschlossen. Das Va Bad kann an sieben Tagen insgesamt 79 Stunden und 30 Minuten von der Allgemeinheit benutzt werden. Der zeitliche Anteil der sog. Frauenbadezeit am Mittwoch von 17.00 Uhr bis 21.00 Uhr beträgt lediglich 5 %. Außerdem sind die Öffnungszeiten im Va Bad derart "besucherfreundlich" ausgestaltet, dass es dem Kläger zugemutet werden kann, auf einen anderen Tag im Va Bad, oder, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, auf ein anderes städtisches Schwimmbad auszuweichen. |
9. | Die Auffassung des Klägers, er werde durch die Verlagerung der sog. Frauenbadezeit von Dienstag auf Mittwoch und ihrer gleichzeitigen Verlängerung um zwei Stunden in seinem durch Art. 3 Abs. 1 GG garantierten Recht auf Gleichbehandlung und in dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, teilt das erkennende Gericht nicht. Der Kläger übersieht bereits im Ansatz, dass die Grundrechte nicht schrankenlos gewährt werden, wie der "soweit" -Vorbehalt in Art. 2 Abs. 1 GG exemplarisch zeigt: "Jeder hat das Recht auf die Freiheit der Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt..." |
10. | Außerdem verkennt der Kläger, dass der von ihm geltend gemachte höchst persönliche Anspruch auf unbeschränkte Nutzung des Va Bades während der allgemeinen Öffnungszeiten mit dem qualitativ gleichwertigen Anspruch der gleichberechtigten Besucherinnen auf für sie vorbehaltene Öffnungszeiten im Va Bad kollidiert. Ein derartiger Konflikt zwischen Grundrechtsträgern ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren." (vgl. den Kruzifix -Beschluss vom 16.05.1995 -1 BvR 1087/91 -, BVerfGE 93, S. 1 ff). |
11. | Im Rahmen dieses möglichst schonenden Ausgleichs erfährt der Kläger keine unzumutbare Einschränkung seiner familiären Lebensgestaltung, wenn er seit Mitte des Jahres 2005 nicht mehr mittwochs von 16.30 Uhr bis 18.15 Uhr mit seiner Tochter das Va Bad benutzen kann, sondern auf einen anderen Tag oder ein anderes städtisches Schwimmbad ausweichen muss. |
12. | Der Klage ist daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 154 Abs. 1 und 167 Abs. 2 VwGO abzuweisen. |